es ist dann doch ein engeres Rennen bei den Zwischenwahlen in den USA geworden, als es von Demoskopen erwartet und von Republikanern erhofft. Auch nach der Wahl ist noch unklar, wer künftig den Kongress und den Senat kontrollieren wird. Fest steht: Die rote Welle ist ausgeblieben, schreibt Till Hoppe. In der EU nimmt man das Ergebnis mit verhaltener Erleichterung auf. Denn US-Präsident Joe Biden zeigt seiner Propagierung von “Made in America”, wie wenig er von einem offenen Welthandel hält. Eine gute Nachricht zeichnet sich ab: Die militärische und finanzkräftige Unterstützung für die Ukraine wird beibehalten.
Wie gleichzeitig Wachstum gefördert werden kann, ohne die Stabilität der EU-Länder zu gefährden, damit hat sich die EU-Kommission beschäftigt und ihren Reformvorschlag vorlegt. Gelten sollen weiterhin die Obergrenzen der Neuverschuldung von drei Prozent des BIP und 60 Prozent der Gesamtverschuldung, für die Staaten jedoch werden individuelle Pläne aufgesetzt.
Wie im kommenden Jahr die Gasspeicher gefüllt werden, beschäftigt derzeitig die EU-Kommission. Von einem neuen Joint Venture von Energieunternehmen hält sie wenig, da dieses Vorgehen zu komplex und nicht unter einem Jahr zu realisieren sei. Kurzfristiger umsetzbar sei hingegen eine gemeinsame Ausschreibung zum EU-weiten Gaseinkauf. Als zentrale Drehscheibe bringt die tschechische Ratspräsidentschaft nun unter anderem die Leipziger Energiebörse EEX ins Spiel.
Einfacher hat es die EU-Kommission, will sie den Genehmigungsstau bei Erneuerbare-Energien-Anlagen auflösen. Gestern schlug sie vor, dass wenn zum Beispiel Windparks durch leistungsstärkere Anlagen ersetzt werden, Genehmigungen künftig innerhalb von sechs Monaten erteilt werden sollen, schreibt Manuel Berkel. Das klingt vertraut: Olaf Scholz hatte im Bundestagswahlkampf noch einige höhnische Lacher kassiert, als er forderte, dass Windparks innerhalb eines halben Jahres genehmigt werden sollten.
Die rote Welle ist ausgeblieben. Die oppositionellen Republikaner hoffen nach den Zwischenwahlen zwar auf eine knappe Mehrheit im US-Repräsentantenhaus. Die Demokraten haben aber realistische Chancen, den Senat weiterhin zu kontrollieren. Für US-Präsident Biden ist der Ausgang der Zwischenwahlen ein Achtungserfolg – die Demokraten schnitten besser ab als unter seinen Vorgängern Bill Clinton und Barack Obama. Viele der von Ex-Präsident Donald Trump unterstützen Kandidaten fielen durch.
In Brüssel und Berlin wurde der Ausgang erleichtert aufgenommen. Illusionen über den Kurs der US-Politik gibt man sich dort aber nicht hin: Aus der Wahl folge “keine Disruption, aber ein fortgesetzter Wandel” im transatlantischen Verhältnis, sagt der Grünen-Europaabgeordnete Reinhard Bütikofer. Der CDU-Parlamentarier David McAllister rechnet damit, dass sich Washington geopolitisch noch stärker in Richtung Indo-Pazifik orientieren und auf die Konkurrenz mit China konzentrieren wird. An der Unterstützung der Ukraine werde sich aber wenig ändern, erwartet der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses.
Der Umgangston mit den Europäern ist unter der Biden-Administration zwar deutlich freundlicher geworden als unter Trump. Die Grundströmung aber bleibt: In Zeiten zunehmender geopolitischer Auseinandersetzungen und innenpolitischer Polarisierung ziehen sich die Vereinigten Staaten stärker auf sich selbst zurück. “Made in America” obsiegt im Zweifel über internationale Arbeitsteilung, die Handelspolitik tritt in den Dienst außenpolitischer Ziele.
Das bekommen nicht nur China und Russland zu spüren, sondern auch Verbündete wie die EU, Japan oder Südkorea. Den Europäern dämmert, welche Anziehungskraft das klimapolitische Investitionsprogramm Bidens, der Inflation Reduction Act, auf europäische Unternehmen hat – gerade in Verbindung mit den niedrigeren US-Energiepreisen. In einer offiziellen Stellungnahme kritisierte die EU-Kommission gerade fünf der geplanten Fördermaßnahmen, Subventionen und Steuererleichterungen für klimafreundliche Technologien, als “WTO-widrig”.
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck warnte bereits vor einem “Handelskrieg”. Aus Paris kommen ähnliche Töne. Andere Stimmen in der Kommission und der Industrie warnen hingegen ausdrücklich davor, gleich den Konflikt mit Washington zu suchen oder mit eigenen Ausgabenprogrammen zu kontern. BDI-Präsident Siegfried Russwurm mahnt, keinen “für beide Seiten schädlichen Subventionswettlauf zu starten”.
Die Kommission setzt zunächst auf Dialog mit Washington, beide Seiten haben dafür eigens eine Task-Force eingerichtet. Vizepräsidentin Margrethe Vestager sprach gestern zudem mit Wirtschaftsministerin Gina Raimondo. Die US-Regierung sei gesprächsbereit, heißt es in EU-Kreisen. Sie habe völlig unterschätzt, welch negative Reaktionen der IRA in Europa auslösen würde.
Der Kongress wird das Gesetzespaket aber nicht mehr aufschnüren, und es ist unklar, wie viel Spielraum die Administration nun noch hat. Russwurm fordert, die US-Behörden müssten “die Umsetzungsrichtlinien nun so großzügig wie möglich ausgestalten, um europäische Unternehmen nicht zu benachteiligen”. Ob die Biden-Regierung aber akzeptiert, dass die eigenen Subventionen auch nach Europa abfließen, ist zweifelhaft.
Auch wohlmeinende EU-Diplomaten warnen aber: Ohne ein Entgegenkommen Washingtons in der Sache werde die “Arbeit der vergangenen beiden Jahre konterkariert”. Ein halbes Jahr nach dem Amtsantritt Bidens hatten beide Seiten den Handels- und Technologierat (TTC) ins Leben gerufen. In zehn Arbeitsgruppen diskutieren Vertreter von Kommission und US-Regierung nun über eine engere Zusammenarbeit, etwa bei der Regulierung neuer Technologien und für stabilere Wertschöpfungsketten.
Die Gespräche auf Arbeitsebene seien sehr konstruktiv, heißt es in Brüssel. Das nächste Treffen der politisch Verantwortlichen am 5. Dezember in Washington werde auch greifbare Ergebnisse bringen. Über Einzelheiten halten sich die Unterhändler noch bedeckt. Dazu dürfte aber eine Vereinbarung zu gemeinsamen Standards für Künstliche Intelligenz zählen. Der BDI fordert überdies konkrete Vereinbarungen bei der Versorgung mit wichtigen Rohstoffen und gemeinsame Strategien für mehr Resilienz in der Halbleiterlieferkette.
Kommission und Industrie sind sich einig darin, dass der TTC der richtige Rahmen für die Gespräche mit Washington ist. Dort gibt es wenig Verständnis für den Vorstoß aus Berlin, parallel Gespräche über ein Handelsabkommen mit den USA aufzunehmen. Der Vorschlag sei “wenig hilfreich”, heißt es in EU-Kreisen. Schließlich gebe es in Washington daran wenig Interesse, weder bei Demokraten noch bei Republikanern.
Noch heftig diskutiert wird auch in der Kommission, ob die EU mit neuen Förderprogrammen auf den IRA antworten sollte. Dafür plädiert dem Vernehmen nach etwa Industriekommissar Thierry Breton, Vestager und Vizepräsident Valdis Dombrovskis halten dagegen. Sie verweisen darauf, dass der Mehrjährige Finanzrahmen der EU kaum noch finanziellen Spielraum biete. Gegen eine erneute Schuldenaufnahme durch die Kommission sprächen die gestiegenen Zinskosten, zudem sei noch nicht einmal die Gegenfinanzierung der Kredite gewährleistet, sie für den Corona-Aufbaufonds aufgenommen würden.
Im Zentrum der Überlegungen der Kommission stehen mittelfristige Finanzpläne der Länder, um ihre Schuldenlast abzutragen (Europe.Table berichtete). “Die EU-Länder sind jetzt mit signifikant höheren Schulden und Haushaltsdefiziten konfrontiert, die sich zudem stark unterscheiden”, sagte EU-Kommissionsvize Valdis Dombrovskis bei der Vorstellung des Orientierungsrahmens. Damit verweist er auf die Pandemie, in der die Schulden sprunghaft gestiegen sind.
Weiterhin gelten sollen die Obergrenzen für die Neuverschuldung von drei Prozent der Wirtschaftsleistung und 60 Prozent für die Gesamtverschuldung, die Staaten sollen sie aber mit individuellen Plänen erreichen. Pauschale Vorgaben wie die 1/20-Schuldenabbauregel, die eine Minderung der Schulden um fünf Prozent jährlich vorsieht, seien nicht realistisch.
EU-Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni führte in Brüssel aus, dass das neue Regelwerk das Wachstum fördern und gleichzeitig die Schuldentragfähigkeit verbessern soll. Zudem müssten die Regeln einfacher und die Eigenverantwortung der Mitgliedstaaten erhöht werden “Wir haben einen enormen Investitionsbedarf, insbesondere beim Klimaschutz, bei der Energiesicherheit, der Verteidigung und unserer europäischen Wettbewerbsfähigkeit”, so der Italiener.
Nach den Vorstellungen der Kommission sollen die Staaten vier Jahre Zeit bekommen, um ihre Schulden glaubwürdig zu senken. Dazu werde die Brüsseler Behörde jedem Mitgliedsland auf Grundlage ihrer Analyse zur Schuldentragfähigkeit einen Referenzpfad für die Haushaltssanierung vorlegen. Dieser Referenzpfad soll sicherstellen, dass die Verschuldung von Mitgliedstaaten mit massiven Schulden (oberhalb von 90 Prozent des Bruttoinlandsprodukts) und moderaten Schulden (zwischen 60 und 90 Prozent des BIP) auf einen plausiblen Abwärtspfad kommt.
Dabei muss die Neuverschuldung glaubwürdig unter dem im Vertrag festgelegten Referenzwert von drei Prozent des BIP liegen. Staaten mit moderaten Schuldenquoten will Brüssel dabei mehr Flexibilität einräumen als solchen mit sehr hohem Schuldenstand – wie etwa Italien und Griechenland.
Grundlage für den Referenzpfad ist ein einziger operativer Indikator, die sogenannten Nettoprimärausgaben (Ausgaben abzüglich Sondereinnahmen und abzüglich Zinszahlungen). Diese Kennziffer lasse sich laut der Kommission besser analysieren und sei auch direkter beeinflussbar als das strukturelle Defizit der Staaten.
Auf Basis der Kommissionsanalyse sollen die Mitgliedstaaten dann ihren vierjährigen Haushaltsplan vorlegen. Der Zeitraum kann um bis zu drei Jahre länger sein, wenn Reform- und Investitionsverpflichtungen das notwendig machen. Kommission und EU-Rat müssen die nationalen Pläne billigen und verabschieden. Die Kommission will die Umsetzung durch jährliche Fortschrittsberichte kontrollieren.
Weichen die Mitgliedstaaten vom Nettoausgabenpfad ab, will die Kommission künftig strenger durchgreifen. Das reguläre Verfahren bei einem überhöhten Haushaltsfehlbetrag (EDP) soll weiterhin greifen. Gleichzeitig soll das schuldenbasierte Defizitverfahren, das bisher noch nie zur Anwendung kam, aber stärker in den Fokus rücken. Dieses greift, wenn ein Mitgliedstaat vom vereinbarten Ausgabenpfad abweicht, so die Kommission.
In diesem Zusammenhang will sie auch das Sanktionsinstrumentarium breiter aufstellen. Demnach sollen künftig geringere finanzielle Strafzahlungen möglich sein, um diese eher verhängen zu können. Aktuell liegt das Strafmaß zwischen 0,2 und 0,5 Prozent des BIP. Darüber hinaus will Brüssel auch stärker auf Reputationssanktionen setzen, indem bei Verfehlungen eines Mitgliedstaats etwa eine EU-Delegation in die Hauptstadt reist. “Dies erzeugt vielfach mehr Wirkung als die Androhung hoher finanzieller Strafen”, so ein Vertreter der Behörde.
Ferner will die Kommission Mitgliedstaaten sanktionieren, sofern diese ihre Reform- und Investitionsverpflichtungen unzureichend umsetzen, die im Rahmen eines verlängerten Anpassungspfads vereinbart wurden. “Eine Nichtumsetzung dieser Verpflichtungen kann zu einem restriktiveren Anpassungspfad und für die Mitgliedstaaten des Euro-Währungsgebiets zur Verhängung finanzieller Zahlungen führen”, so die Behörde. Um schädlichen makroökonomischen Ungleichgewichten besser vorzubeugen und diese zu korrigieren, setzt die Kommission zusätzlich auf einen vertieften Dialog mit den Mitgliedstaaten.
Gentiloni mahnte in Brüssel einen raschen Konsens der Mitgliedstaaten für eine neue wirtschaftspolitische Steuerung in Europa an. Die Einigung müsse erreicht sein, bevor die Mitgliedstaaten ihre Haushaltspläne für 2024 vorlegen. Die Kommission wolle die nötigen Legislativvorschläge für die Reform des EU-Fiskalpakets im ersten Quartal 2023 vorlegen. Eine erste Aussprache über die Vorschläge der Brüsseler Behörde ist im Dezember auf dem EU-Ratstreffen der Finanzminister vorgesehen. Aktuell ist der Stabilitäts- und Wachstumspakt bis Ende 2023 wegen der Auswirkungen der Pandemie ausgesetzt.
Gentiloni mahnte in Brüssel einen raschen Konsens der Mitgliedstaaten für eine neue wirtschaftspolitische Steuerung in Europa an. Die Einigung müsse erreicht sein, bevor die Mitgliedstaaten ihre Haushaltspläne für 2024 vorlegen. Die Kommission wolle die nötigen Legislativvorschläge für die Reform des EU-Fiskalpakets im ersten Quartal 2023 vorlegen.
Bundesfinanzminister Christian Lindner führte mit Blick auf die Vorschläge der Kommission aus, jede Reform der Fiskalregeln müsse den Kernprinzipien der Gewährleistung finanzieller Solidität entsprechen. Auf der einen Seite müsse das Regelwerk Wachstum fördern, auf der anderen Seite müssten die Schuldenquoten aber auch konsequent zurückgeführt werden. In der Vergangenheit seien die Regeln nicht geeignet gewesen, überall in der EU die finanzielle Tragfähigkeit der Schulden zu verbessern. “Das wollen wir verändern”, so Lindner.
Das Leitprinzip der Bundesregierung sei, mehr Realismus zu verbinden mit mehr Verbindlichkeit hin zu einem verlässlichen Pfad zur Verringerung der Schuldenquoten. An beidem habe es gemangelt. Lindner verwies auf die bestehende 1/20 Regel. Bei den aktuellen Schuldenquoten nach der Pandemie würde dies in einigen Staaten zu einer objektiven Überforderung führen. Allerdings dürfe es auch nicht dazu kommen, dass – wie in der vergangenen Dekade – ein Teil der Staaten erfolgreich konsolidiere, während andere noch steigende Schuldenstände aufwiesen.
Lindner zufolge ist nach einer ersten Durchsicht der Ansatz der Kommission diskussionswürdig, auf individuelle ausgehandelte Ausgabenpfade mit zusätzlichen Spielräumen bei Investitionsvorhaben zu setzen. Allerdings gebe es einen großen Ermessensspielraum der Kommission, der nicht in jedem Fall und auf Dauer sicherstelle, dass die Ziele erreicht würden.
“Ein multilateraler Ansatz ist ein wesentliches Kernelement europäischer Fiskalregeln.” Das sei entscheidend, “um Gleichbehandlung, Vergleichbarkeit und Nachhaltigkeit der Schuldentragfähigkeit zu sichern. Das muss konsequent erreicht werden, deshalb kann es nicht eine einseitige Lockerung von Regeln oder Schaffung zusätzlicher Bewertungsspielräume geben”, unterstrich Lindner.
Die deutschen Wirtschaftsweisen teilten mit, die EU-Regeln müssten reformiert werden. Dabei sollte eine Ausgabenregel in den Mittelpunkt gerückt werden. “Dadurch würde die Komplexität des Regelwerks insgesamt reduziert. Eine verbindliche Ausgabenregel macht die Fiskalregeln transparenter und überprüfbarer”, sagte Achim Truger, Mitglied des Sachverständigenrates, der die Bundesregierung berät. mit Reuters
11.11.-16.11.2022, online
Conference COP27 Side Events
COP27 side events on the topic of financing carbon neutrality in developed and developing countries will be streamed live online. INFOS
13.11.-14.11.2022, Singapur
Konferenz 17. Asien-Pazifik-Konferenz der Deutschen Wirtschaft (APK)
Topic of the APK will be current economic developments in Europe and the Asia-Pacific region. INFOS
14.11.2022 – 09:30-18:00 Uhr, Tel Aviv (Israel)
EIT, Conference The ecosystem summit 2022
The core topics of the summit, organized by the European Institute of Innovation & Technology (EIT), are ecosystem leadership and startup programme management, as well as current trends and changes in the startup ecosystem. INFOS & REGISTRATION
14.11.-16.11.2022, Landsberg/ online
SZ, Konferenz Wirtschaftsgipfel 2022
Der Wirtschaftsgipfel der Süddeutschen Zeitung (SZ) steht unter dem Motto “Die Wirtschaft zwischen Krieg und Frieden – neues Vertrauen schaffen” und soll die Möglichkeit zu Diskussionen über aktuelle Themen, die die Wirtschaft beeinflussen, bieten. INFOS & ANMELDUNG
14.11.-18.11.2022, Bonn
FES, Seminar Halbzeit in Amerika – Die USA nach den Midterm Elections
Anlässlich der Wahlen in den USA sollen bei der Veranstaltung der Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) das aktuelle Stimmungsbild zu Bidens Regierung und zukünftige Perspektiven für Amerika diskutiert werden. INFOS
15.11.2022, 10:00 Uhr, Berlin
GdW, Konferenz Tag der Wohnungswirtschaft 2022
Beim Tag der Wohnungswirtschaft, veranstaltet vom Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen (GdW), wird vor allem über die steigenden Energiepreise und die Versorgungssicherheit in Deutschland diskutiert. INFOS
15.11.2022 – 14:00-17:30 Uhr, Köln
Eco, Diskussion Security & Digitale Identitäten in einer digitalisierten Welt
Bei dieser Veranstaltung des Verbandes der Internetwirtschaft (Eco) werden die Ergebnisse einer Studie zum Thema Sicherheit und digitale Identitäten vorgestellt und diskutiert. INFOS & ANMELDUNG
15.11.2022 – 16:00-18:00 Uhr, online
HBS, Seminar Grundkurs Wärmeplanung Teil 2
Anlässlich der aktuellen Energiekrise soll diese Veranstaltung der Heinrich-Böll-Stiftung (HBS) konkrete Handlungshinweise zu einer klimaneutralen Wärmeplanung für Kommunen bieten. INFOS & ANMELDUNG
15.11.2022 – 17:00-19:30 Uhr, Berlin/ online
DGAP, Vortrag Grundsatzrede von Nancy Faeser, Bundesministerin des Innern und für Heimat
Nach einem Vortrag von Nancy Faeser und einer Diskussion mit dem Direktor der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) Guntram Wolff wird in einer Podiumsdiskussion über das Thema der inneren Sicherheit in der Zeitenwende und die Anforderungen an das Innenministerium gesprochen. INFOS
15.11.2022 – 17:30-19:00 Uhr, Brüssel (Belgien)
Landesvertretung Rheinland-Pfalz in Brüssel, Diskussion 22. Brüsseler Mediengespräch
Das 22. Brüsseler Mediengespräch widmet sich vor allem dem Vorschlag für einen Europäischen Rechtsakt zur Medienfreiheit, der Mitte September von der EU-Kommission veröffentlicht wurde. INFOS & ANMELDUNG
15.11.-17.11.2022, Barcelona
Conference Tomorrow.Mobility 2022
Key topics of this mobility conference are autonomous vehicles, micromobility, public transport, last mile logistics, urban air mobility, transport infrastructure, and energy transition and efficiency. INFOS & TICKETS
15.11.-18.11.2022, Hannover
Messe EnergyDecentral – Internationale Fachmesse für innovative Energieversorgung
Bei dieser Fachmesse geht es um dezentrale Energieversorgung, innovative Energiekonzepte und eine nachhaltige Energieproduktion in der gesamten Lieferkette. INFOS & TICKETS
Für ein abgestimmtes Befüllen der europäischen Gasspeicher im kommenden Jahr hält die EU-Kommission ein neues Joint Venture von Energieunternehmen für ungeeignet. Als “kurzfristig umsetzbar” bewertet die Behörde lediglich gemeinsame Ausschreibungen zum EU-weiten Gaseinkauf. Das geht aus einer Präsentation für den industriellen Beirat der geplanten Energieplattform vom 26. Oktober hervor. Die Kommission hat das Dokument am Mittwoch auf Anfrage von Europe.Table veröffentlicht.
Joint Ventures sind grundsätzlich eine marktwirtschaftlich etablierte Lösung, wie Unternehmen zusammenarbeiten können. Für den gemeinsamen Gaseinkauf wäre dieses Modell aber nach Einschätzung der Kommission das komplexeste, mit einer Umsetzung rechnet die Behörde erst nach 12 bis 18 Monaten. Ebenso viel Zeit würde es dem Dokument zufolge dauern, einen einzelnen Makler mit dem Einkauf für Gasunternehmen aus mehreren EU-Staaten zu beauftragen.
Am schnellsten machbar wären laut Kommission dagegen gemeinsame Ausschreibungen. Die auszuschreibenden Gasmengen könnte dabei der Dienstleister ermitteln, der nach dem Vorschlag der Kommission vom 18. Oktober auch die Nachfrage in der EU bündeln soll. Die Bezugsverträge könnten Unternehmen dem Dokument zufolge dann aber auch gemeinschaftlich abschließen.
Als Dienstleister brachte die tschechische Ratspräsidentschaft in der Arbeitsgruppe Energie am Dienstag zwei konkrete Unternehmen ins Spiel: die Leipziger Energiebörse EEX und das Londoner Clearing House ICE. “Der Dienstleister sollte Erfahrung mit grenzüberschreitenden Transaktionen haben”, heißt es in der zweiten Revision der Energie-Notfallmaßnahmen, die Europe.Table vorliegt. Prag betont darin, dass der Dienstleister selbst keine Erfahrung im Gaseinkauf haben müsse. Zudem heißt es: “Da eine übermäßige Ausweitung des Kreises möglicher Bewerber das Risiko von Interessenkonflikten und anschließenden Rechtsstreitigkeiten erhöhen und somit die Auswahl des Dienstleisters verzögern könnte, scheint es angemessen, die Bedingung beizubehalten, vertikal integrierte Unternehmen auszuschließen, die in der Erdgasgewinnung oder -versorgung tätig sind.”
Mit den Unternehmen im Beirat der Energieplattform will die Kommission die Umsetzbarkeit des gemeinsamen Gaseinkaufs ausloten und stellte den Teilnehmern der ersten Sitzung unter anderem diese Fragen: “Wie würden Sie sicherstellen, dass Unternehmen, die Teil der Nachfragebündelung sind, schließlich an der gemeinsamen Beschaffung teilnehmen? […] Wie sollte eine Einrichtung zum Risikomanagement funktionieren?” Mit der nächsten Sitzung am 18. November soll der Beirat seine Arbeit fortsetzen.
Mit dem gemeinsamen Gaseinkauf will die Kommission die Preise für das Wiederbefüllen der Speicher im kommenden Jahr drücken. Vor dem EU-Parlament sagte Präsidentin Ursula von der Leyen gestern, dass in der Füllsaison 2023 eine Gaslücke von 30 Milliarden Kubikmetern (bcm) drohe. Dass mit dem gemeinsamen Einkauf Gas sehr viel billiger wird, hält der Ökonom Philipp Jäger vom Jacques Delors Centre aber nicht für gesetzt: “Gas bleibt 2023 ein Verkäufermarkt, vor allem bei LNG und man muss trotzdem höhere Preise bieten als der Rest der Welt.” ber
Werden Windparks oder andere Erneuerbare-Energien-Anlagen durch neue, leistungsstärkere Anlagen ersetzt, sollten die Genehmigungen künftig innerhalb von sechs Monaten erteilt werden. So steht es in einem Kommissionsvorschlag für eine Verordnung zu schnelleren Genehmigungsverfahren, den die Behörde am Mittwoch veröffentlicht hat.
In einem am Montag bekannt gewordenen Entwurf (Table.Media berichtete) wollte die Kommission für das Repowering noch eine Frist von einem Jahr setzen. Die Vorgabe von sechs Monaten fand sich auch schon im REPowerEU-Paket, allerdings sollte sie dort nur in sogenannten “go-to”-Gebieten gelten. Mit der Forderung, sämtliche Windparks innerhalb von sechs Monaten zu genehmigen, hatte Olaf Scholz im letzten Bundestagswahlkampf für ungläubiges Staunen gesorgt.
In den Erwägungsgründen der Verordnung wird nun aber anders als im Entwurf klargestellt, dass die Erleichterungen nur für solche Genehmigungsverfahren gelten, die während des Gültigkeitszeitraums der Verordnung eingeleitet werden. Sie soll zunächst für ein Jahr gelten.
Bedeutsame Änderungen gab es auch in dem umstrittenen Artikel zum Artenschutz. Beim Ausbau erneuerbarer Energien sollen die EU-Staaten in bestimmten Fällen Artenhilfsprogramme umsetzen, um die Population gefährdeter Arten zu erhalten. Erst im Juli hatte der Bundestag das Bundesnaturschutzgesetz entsprechend geändert.
Der Naturschutzbund Nabu bewertet die jüngsten Änderungen gemischt. “Artenhilfsprogramme setzen zwar nicht an der Vermeidung der Störung oder Tötung an, aber wenn sie wirksam ausgeführt werden, könnten sie immerhin zu einer Verbesserung des Zustands der betroffenen Arten führen”, sagte am Mittwoch Nabu-Jurist Raphael Weyland. Insgesamt wertete er die Last-Minute-Neuerungen aber als “leichte Verschlimmbesserungen”.
“Zum einen wurde der Vorsatz-Begriff nun nicht nur für Verstöße gegen das artenschutzrechtliche Tötungsverbot wegdefiniert, sondern auch für Verstöße gegen das artenschutzrechtliche Störungsverbot. Zum anderen wurde dafür eine Monitoring-Verpflichtung aufgenommen, die aber nichts am Grundproblem fehlender Raumplanung für Erneuerbare und Natur gleichzeitig ändert”, sagte Weyland.
“Wir geben hier – mutmaßlich auch auf Druck der deutschen Ampelregierung mit SPD und Grünen – leichtfertig bestehende ‘Safeguards’ im Namen der Transformation auf, liefern aber nur Scheinlösungen. Einmal aufgeben, werden wir Instrumente wie Umweltverträglichkeitsprüfung oder Öffentlichkeitsbeteiligung nur schwer zurückbekommen.” Nabu-Präsident Jörg-Andreas Krüger hatte die Kritik des Verbands am Dienstag bereits in einem Brief an Kommissions-Präsidentin Ursula von der Leyen geäußert. ber
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat auf der COP27 in Sharm El-Sheikh eine weitere Absichtserklärung für eine Energiepartnerschaft unterzeichnet: Gemeinsam mit dem ägyptischen Präsidenten Abdel-Fattah El-Sisi gab sie gestern eine langfristige Partnerschaft für grünen Wasserstoff bekannt.
Beide Partner wollen Maßnahmen ergreifen, um die Stromerzeugung aus erneuerbaren Energiequellen und die Entwicklung, den Einsatz und den unverfälschten Handel von grünem Wasserstoff und seinen Derivaten zu beschleunigen. Im April hatten bereits EU-Klimakommissar Frans Timmermans und Ägyptens Außenminister Sameh Shoukry erklärt, die EU und Ägypten wollten künftig bei der Produktion von grünem Wasserstoff enger zusammenarbeiten (Europe.Table berichtete).
Die Absichtserklärung umfasst folgende Bereiche der Zusammenarbeit:
Die Absichtserklärung verstärke die laufende bilaterale Zusammenarbeit im Bereich der grünen Transformation im Einklang mit dem Assoziierungsabkommen zwischen der EU und Ägypten, dem Global Gateway der EU, der EU-Agenda für den Mittelmeerraum und ihrem Wirtschafts- und Investitionsplan sowie den Prioritäten der Partnerschaft zwischen der EU und Ägypten, heißt es in dem gemeinsamen Statement von El-Sisi und von der Leyen. Sie sei ein zentraler Baustein für den Aufbau einer EU-Mittelmeer-Partnerschaft für erneuerbaren Wasserstoff.
In den vorherigen Tagen auf der UN-Klimakonferenz hatte von der Leyen bereits Partnerschaften mit Kasachstan (Rohstoffe, Batterien und grüner Wasserstoff) sowie mit Namibia (Rohstoffe und grüner Wasserstoff) unterzeichnet. leo
Die Europäische Kommission hat am Mittwoch eine Strategie zur Verfügbarkeit und Bezahlbarkeit von Düngemitteln vorgelegt. Unter anderem soll der heimischen Düngemittel-Herstellung Priorität beim Zugang zu Erdgas eingeräumt und finanzielle Unterstützung ermöglicht werden.
Damit reagierte die Behörde auf die stark gestiegenen Kosten bei der Nahrungsmittelproduktion (Europe.Table berichtete). Diese seien im Frühling und Sommer um rund 40 Prozent höher gewesen als im Vorjahr. Dies hänge vor allem mit den doppelt bis dreifach so hohen Preisen für Düngemittel zusammen, sagte EU-Agrarkommissar Janusz Wojciechowski in Brüssel.
Die Output-Preise für Lebensmittel hätten mit dieser Entwicklung nicht Schritt gehalten, was zu einer enormen Belastung für die europäischen Landwirte geführt habe. Um dieser entgegenzuwirken und die Versorgung mit Nahrungsmitteln weiterhin sicherzustellen, sollen nun einige Maßnahmen ergriffen werden.
Das Papier sieht vor, Düngemittel-Produzenten im Rahmen der nationalen Notfallpläne uneingeschränkten Zugang zu Erdgas zu ermöglichen. Denn Gas ist nicht nur als Energiequelle, sondern auch als Rohstoff wichtig für Stickstoffdünger, der aus Ammoniak hergestellt wird. Dem Industrieverband Agrar zufolge macht der Gaspreis hier bis zu 90 Prozent der Herstellungskosten aus.
Deshalb sieht die Strategie der Kommission auch gezielte finanzielle Hilfen vor, etwa durch den vorübergehend geänderten Rechtsrahmen für staatliche Beihilfen. Insgesamt stünden hier knapp 550 Milliarden Euro zur Verfügung, bislang sei jedoch weniger als ein Prozent in die Unterstützung des Agrarsektors geflossen, so Wojciechowski. Dabei könnten Düngemittel-Hersteller mit bis zu 150 Millionen Euro und einzelne landwirtschaftliche Betriebe mit bis zu 250.000 Euro unterstützt werden.
Darüber hinaus sei die Kommission bereit, die 450 Millionen Euro umfassende Reserve aus der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) 2023 zur Kompensation der hohen Kosten für die Landwirtschaft zu öffnen. Das sei jedoch Entscheidung der Mitgliedstaaten, erklärte der Agrarkommissar.
Generell sei die GAP ein wichtiges Instrument, um die Landwirtschaft über entsprechende Anreize langfristig nachhaltiger und unabhängiger von mineralischem Dünger zu machen. Das gelte es in den künftigen Strategieplänen zu berücksichtigen. Entsprechende Änderungen in den bereits eingereichten Plänen seien gern gesehen und würden schnell genehmigt, kündigte Wojciechowski an.
Grünen-Agrarpolitiker Thomas Waitz zeigt sich entsetzt über die vorgelegte Strategie: “Für ein Kilogramm Kunstdünger braucht es zwei Kilogramm Gas in der Produktion, damit befeuern wir die Klimakrise, verfestigen die Abhängigkeit von Gas und bescheren den Düngemittelkonzernen Rekordgewinne mitten in der Energiekrise”, so der Europaabgeordnete. til
Schattenberichterstatter Damian Boeselager (Grüne/EFA) hat seine Änderungsanträge zum Data Act im federführenden ITRE-Ausschuss vorgelegt. Seinen Fokus hat er auf den Austausch von Daten zwischen Unternehmen (B2B) gelegt. Dabei geht es nicht um personenbezogene Daten, deren Austausch je bereits in der DSGVO geregelt ist, sondern viel mehr um den milliardenschweren Markt von Maschinen-generierten Daten. Die Änderungsanträge konzentrieren sich vor allem auf die Kapitel 1 bis 3.
Die vorgeschlagenen Änderungen sollen es dem Datengesetz ermöglichen, das breite Spektrum an Konstellationen zwischen Hersteller, Nutzer, Dateninhaber und Datenempfänger widerzuspiegeln. Nach Boeselagers Auffassung ignoriert der Kommissionsvorschlag viele industrielle Datenanwendungen etwa in den Bereichen Zivil- und Energieinfrastruktur, Verkehr sowie Industrie. Er schlägt vor, eine klare wirtschaftliche, rechtliche und somit regulatorische Unterscheidung zwischen dem Eigentum an einem vernetzten Produkt und anderen Modellen der gemeinsamen Datennutzung zu machen.
Zudem schlägt der Schattenberichterstatter vor, nicht zwischen “Rohdaten”, “aufbereiteten Daten” und “verarbeiteten Daten” zu unterscheiden. Dies würde nur zu einer inakzeptablen Rechtsunsicherheit führen. Dies gelte auch für die Definition der Dateninhaber. Für ein bestimmtes Produkt könne es demnach mehrere Dateninhaber geben.
Weitere Änderungsanträge beziehen sich auf den Austausch von Daten zwischen Unternehmen und dem Staat (B2G) sowie der Interoperabilität von Datenräumen. Zuvor hatten bereits Adam Bielan (ECR) vom IMCO-Ausschuss und Sergey Lagondinsky (Grüne/EFA) für den LIEBE-Ausschuss Änderungsanträge zum Data Act eingereicht. Bielan hatte sich dabei auf den Wechsel von Cloud-Anbietern konzentriert, Lagodinsky auf den Datenschutz. Die Abgeordneten haben bis zum 15. November Zeit, ihre Änderungsanträge einzureichen. vis
Dem US-Technologiekonzern Meta droht Insidern zufolge wegen Wettbewerbsbehinderung eine Strafe der EU-Kartellbehörde. Die EU-Wettbewerbshüter bereiteten eine Strafe gegen die Facebook-Muttergesellschaft Meta wegen der Nutzung von Kundendaten und der Verknüpfung des Kleinanzeigendienstes an das soziale Netzwerk vor, sagten mit der Angelegenheit vertraute Personen am Mittwoch Reuters.
Bereits im Juni vergangenen Jahres hatte die Behörde eine Untersuchung gegen Meta, Eigentümer von Facebook, Instagram und WhatsApp, eingeleitet. Die Europäische Kommission kann bei Kartellrechtsverstößen eine Geldbuße in Höhe von bis zu zehn Prozent des weltweiten Umsatzes eines Unternehmens verhängen. Meta startete das Kleinanzeigengeschäft, genannt Facebook Marketplace, 2016. Sowohl die EU-Kartellbehörde wie auch Meta lehnten einen Kommentar ab. rtr
Als Anna Lührmann 2002 mit 19 Jahren in den Bundestag einzieht, ist sie die jüngste Abgeordnete. Heute ist die Grünen-Politikerin 39 Jahre alt, Staatsministerin für Europa und Klima im Auswärtigen Amt und Beauftragte für die deutsch-französische Zusammenarbeit. In 20 Jahren hat sich vieles verändert. Lührmann erinnert sich nicht nur an eine andere Parteienlandschaft, sondern auch daran, dass es noch kein Social Media gab – aus heutiger Sicht “völlig unvorstellbar”.
Klima ist für Lührmann schon immer das entscheidende Thema. Es beginnt auf dem Schulhof, mit Unterschriftensammlungen gegen die Luftverschmutzung. Früh engagiert sie sich in einer Kindergruppe von Greenpeace und in der Grünen Jugend – getrieben vom “Gefühl, etwas tun zu müssen”. Mehrere Jahre arbeitet Lührmann an der Universität Göteborg. Die Protestwelle von Fridays for Future motiviert sie, zurück in die aktive Politik zu gehen. Sie will nicht mehr nur analysieren, sondern verändern.
Prägend für die Europa-Staatsministerin ist ihre Zeit im Sudan, in der sie an einer Frauenuniversität studiert. “Ich habe sehr viel Toleranz gelernt und auch eine Offenheit für andere Herangehensweisen”, sagt sie im Rückblick. Ihr heutiges Ziel: feministische Außenpolitik.
Auf ihren Reisen trifft Lührmann auf Innovationen und Ideen. Wie zuletzt Ende Oktober im Kosovo, wo ein Solarkraftwerk auf dem Aschefeld eines Kohlekraftwerks entstehen soll: “Das sind Projekte, bei denen man merkt, dass Veränderungen möglich sind.”
Die Staatsministerin ist davon überzeugt, dass es in Europa Einigkeit braucht, um sich beispielsweise von russischen Energiequellen unabhängig zu machen – etwa mithilfe von Solidaritätsabkommen und der gemeinsamen Verpflichtung zur Reduktion des Energieverbrauchs. Sie betont: “Wir zeigen gerade in Deutschland, dass es möglich ist, wenn der politische Wille da ist, zum Beispiel sehr ambitioniert erneuerbare Energien auszubauen.”
Aktuell ist das deutsch-französische Verhältnis so angespannt wie lange nicht. Anna Lührmann appelliert dafür, die Sache nicht zu sehr zu dramatisieren: “Wir haben sehr enge und stabile Beziehungen zu Frankreich.” Das führe zu “einer solchen Vertrauensgrundlage, dass man Dinge auch mal offen und ehrlich ansprechen kann.” Und es könne dann eben auch mal ein bisschen länger dauern, bis man sich auf etwas einigt. Alle würden daran arbeiten, in den nächsten Monaten einen Konsens zu finden, so Lührmann.
Wirtschaftliche Zentren, die Nähe zum Ballungsraum, gleichzeitig ruhige Ortschaften mit der Möglichkeit zum Wandern – für die gebürtige Hessin ist es die Vielfalt, die ihren Wahlkreis Rheingau-Taunus – Limburg ausmacht. Anna Lührmann ist optimistisch für die Zukunft, mit einer Vision vor Augen: “Ich will dazu beitragen, dass Europa noch ein Stück weiter zusammenwächst und auch wächst – zum Beispiel mit neuen Mitgliedstaaten.” Julia Klann
Checkliste der Belgier am Dienstag, 8. November. Streikvortag.
Nein, Corona hat nicht wieder zugeschlagen. Sondern in Belgien herrschten am Mittwoch französische Zustände: Die größten Syndikate des Landes hatten zum Generalstreik aufgerufen. Man wehrte sich in Pariser Manier (bereits im Oktober wurde gestreikt) gegen Inflation, hohe Energiekosten und zu niedrige Gehälter.
So ziemlich alles lag lahm. Bus-, Bahn-, Flugverkehr: Nada. Spitäler nahmen nur Notfälle an. Ja, sogar die Supermärkte waren zu. Der Mittagsgang zu Lidl und Delhaize fiel aus. Essen musste man gestern daheim. Ganz Belgien war von Manifestanten besetzt.
Ganz Belgien …?
Nein.
Ein von unbeugsamen EU-Beamten bevölkerter Teil Brüssels ging stoisch weiter zur Arbeit. Die EU-Institutionen waren vom Generalstreik nicht betroffen. Ja, sogar ein Mini-Plenum brachte man zustande.
Doch das Leben war nicht leicht für die EU Legionäre. “Can you hear me? Your microphone is turned off. Can you hear me now? Now?” bekamen jene tapferen Beamten, die es nicht an wütenden Manifestanten vorbei bis in die EU-Bubble schafften, gestern wieder öfter zu hören. Es erinnerte sie denn gleich an die alten Lockdown-Zeiten, als persönliche Freiheiten auf der Abschiebebank saßen und gewisse MEPs in Unterhosen vor ihren EU-Kollegen sprachen.
Auch zum Feierabendbier konnten diese tapferen Widerständler nicht. Aber wer will schon nach getaner Arbeit raus in die kalte, von wütenden Manifestanten besetzte Stadt, bloß um ein gutes Bier trinken… Zu Hause ist es doch am schönsten. Das Bier stand hoffentlich auf der Dienstags-Checkliste. Charlotte Wirth
es ist dann doch ein engeres Rennen bei den Zwischenwahlen in den USA geworden, als es von Demoskopen erwartet und von Republikanern erhofft. Auch nach der Wahl ist noch unklar, wer künftig den Kongress und den Senat kontrollieren wird. Fest steht: Die rote Welle ist ausgeblieben, schreibt Till Hoppe. In der EU nimmt man das Ergebnis mit verhaltener Erleichterung auf. Denn US-Präsident Joe Biden zeigt seiner Propagierung von “Made in America”, wie wenig er von einem offenen Welthandel hält. Eine gute Nachricht zeichnet sich ab: Die militärische und finanzkräftige Unterstützung für die Ukraine wird beibehalten.
Wie gleichzeitig Wachstum gefördert werden kann, ohne die Stabilität der EU-Länder zu gefährden, damit hat sich die EU-Kommission beschäftigt und ihren Reformvorschlag vorlegt. Gelten sollen weiterhin die Obergrenzen der Neuverschuldung von drei Prozent des BIP und 60 Prozent der Gesamtverschuldung, für die Staaten jedoch werden individuelle Pläne aufgesetzt.
Wie im kommenden Jahr die Gasspeicher gefüllt werden, beschäftigt derzeitig die EU-Kommission. Von einem neuen Joint Venture von Energieunternehmen hält sie wenig, da dieses Vorgehen zu komplex und nicht unter einem Jahr zu realisieren sei. Kurzfristiger umsetzbar sei hingegen eine gemeinsame Ausschreibung zum EU-weiten Gaseinkauf. Als zentrale Drehscheibe bringt die tschechische Ratspräsidentschaft nun unter anderem die Leipziger Energiebörse EEX ins Spiel.
Einfacher hat es die EU-Kommission, will sie den Genehmigungsstau bei Erneuerbare-Energien-Anlagen auflösen. Gestern schlug sie vor, dass wenn zum Beispiel Windparks durch leistungsstärkere Anlagen ersetzt werden, Genehmigungen künftig innerhalb von sechs Monaten erteilt werden sollen, schreibt Manuel Berkel. Das klingt vertraut: Olaf Scholz hatte im Bundestagswahlkampf noch einige höhnische Lacher kassiert, als er forderte, dass Windparks innerhalb eines halben Jahres genehmigt werden sollten.
Die rote Welle ist ausgeblieben. Die oppositionellen Republikaner hoffen nach den Zwischenwahlen zwar auf eine knappe Mehrheit im US-Repräsentantenhaus. Die Demokraten haben aber realistische Chancen, den Senat weiterhin zu kontrollieren. Für US-Präsident Biden ist der Ausgang der Zwischenwahlen ein Achtungserfolg – die Demokraten schnitten besser ab als unter seinen Vorgängern Bill Clinton und Barack Obama. Viele der von Ex-Präsident Donald Trump unterstützen Kandidaten fielen durch.
In Brüssel und Berlin wurde der Ausgang erleichtert aufgenommen. Illusionen über den Kurs der US-Politik gibt man sich dort aber nicht hin: Aus der Wahl folge “keine Disruption, aber ein fortgesetzter Wandel” im transatlantischen Verhältnis, sagt der Grünen-Europaabgeordnete Reinhard Bütikofer. Der CDU-Parlamentarier David McAllister rechnet damit, dass sich Washington geopolitisch noch stärker in Richtung Indo-Pazifik orientieren und auf die Konkurrenz mit China konzentrieren wird. An der Unterstützung der Ukraine werde sich aber wenig ändern, erwartet der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses.
Der Umgangston mit den Europäern ist unter der Biden-Administration zwar deutlich freundlicher geworden als unter Trump. Die Grundströmung aber bleibt: In Zeiten zunehmender geopolitischer Auseinandersetzungen und innenpolitischer Polarisierung ziehen sich die Vereinigten Staaten stärker auf sich selbst zurück. “Made in America” obsiegt im Zweifel über internationale Arbeitsteilung, die Handelspolitik tritt in den Dienst außenpolitischer Ziele.
Das bekommen nicht nur China und Russland zu spüren, sondern auch Verbündete wie die EU, Japan oder Südkorea. Den Europäern dämmert, welche Anziehungskraft das klimapolitische Investitionsprogramm Bidens, der Inflation Reduction Act, auf europäische Unternehmen hat – gerade in Verbindung mit den niedrigeren US-Energiepreisen. In einer offiziellen Stellungnahme kritisierte die EU-Kommission gerade fünf der geplanten Fördermaßnahmen, Subventionen und Steuererleichterungen für klimafreundliche Technologien, als “WTO-widrig”.
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck warnte bereits vor einem “Handelskrieg”. Aus Paris kommen ähnliche Töne. Andere Stimmen in der Kommission und der Industrie warnen hingegen ausdrücklich davor, gleich den Konflikt mit Washington zu suchen oder mit eigenen Ausgabenprogrammen zu kontern. BDI-Präsident Siegfried Russwurm mahnt, keinen “für beide Seiten schädlichen Subventionswettlauf zu starten”.
Die Kommission setzt zunächst auf Dialog mit Washington, beide Seiten haben dafür eigens eine Task-Force eingerichtet. Vizepräsidentin Margrethe Vestager sprach gestern zudem mit Wirtschaftsministerin Gina Raimondo. Die US-Regierung sei gesprächsbereit, heißt es in EU-Kreisen. Sie habe völlig unterschätzt, welch negative Reaktionen der IRA in Europa auslösen würde.
Der Kongress wird das Gesetzespaket aber nicht mehr aufschnüren, und es ist unklar, wie viel Spielraum die Administration nun noch hat. Russwurm fordert, die US-Behörden müssten “die Umsetzungsrichtlinien nun so großzügig wie möglich ausgestalten, um europäische Unternehmen nicht zu benachteiligen”. Ob die Biden-Regierung aber akzeptiert, dass die eigenen Subventionen auch nach Europa abfließen, ist zweifelhaft.
Auch wohlmeinende EU-Diplomaten warnen aber: Ohne ein Entgegenkommen Washingtons in der Sache werde die “Arbeit der vergangenen beiden Jahre konterkariert”. Ein halbes Jahr nach dem Amtsantritt Bidens hatten beide Seiten den Handels- und Technologierat (TTC) ins Leben gerufen. In zehn Arbeitsgruppen diskutieren Vertreter von Kommission und US-Regierung nun über eine engere Zusammenarbeit, etwa bei der Regulierung neuer Technologien und für stabilere Wertschöpfungsketten.
Die Gespräche auf Arbeitsebene seien sehr konstruktiv, heißt es in Brüssel. Das nächste Treffen der politisch Verantwortlichen am 5. Dezember in Washington werde auch greifbare Ergebnisse bringen. Über Einzelheiten halten sich die Unterhändler noch bedeckt. Dazu dürfte aber eine Vereinbarung zu gemeinsamen Standards für Künstliche Intelligenz zählen. Der BDI fordert überdies konkrete Vereinbarungen bei der Versorgung mit wichtigen Rohstoffen und gemeinsame Strategien für mehr Resilienz in der Halbleiterlieferkette.
Kommission und Industrie sind sich einig darin, dass der TTC der richtige Rahmen für die Gespräche mit Washington ist. Dort gibt es wenig Verständnis für den Vorstoß aus Berlin, parallel Gespräche über ein Handelsabkommen mit den USA aufzunehmen. Der Vorschlag sei “wenig hilfreich”, heißt es in EU-Kreisen. Schließlich gebe es in Washington daran wenig Interesse, weder bei Demokraten noch bei Republikanern.
Noch heftig diskutiert wird auch in der Kommission, ob die EU mit neuen Förderprogrammen auf den IRA antworten sollte. Dafür plädiert dem Vernehmen nach etwa Industriekommissar Thierry Breton, Vestager und Vizepräsident Valdis Dombrovskis halten dagegen. Sie verweisen darauf, dass der Mehrjährige Finanzrahmen der EU kaum noch finanziellen Spielraum biete. Gegen eine erneute Schuldenaufnahme durch die Kommission sprächen die gestiegenen Zinskosten, zudem sei noch nicht einmal die Gegenfinanzierung der Kredite gewährleistet, sie für den Corona-Aufbaufonds aufgenommen würden.
Im Zentrum der Überlegungen der Kommission stehen mittelfristige Finanzpläne der Länder, um ihre Schuldenlast abzutragen (Europe.Table berichtete). “Die EU-Länder sind jetzt mit signifikant höheren Schulden und Haushaltsdefiziten konfrontiert, die sich zudem stark unterscheiden”, sagte EU-Kommissionsvize Valdis Dombrovskis bei der Vorstellung des Orientierungsrahmens. Damit verweist er auf die Pandemie, in der die Schulden sprunghaft gestiegen sind.
Weiterhin gelten sollen die Obergrenzen für die Neuverschuldung von drei Prozent der Wirtschaftsleistung und 60 Prozent für die Gesamtverschuldung, die Staaten sollen sie aber mit individuellen Plänen erreichen. Pauschale Vorgaben wie die 1/20-Schuldenabbauregel, die eine Minderung der Schulden um fünf Prozent jährlich vorsieht, seien nicht realistisch.
EU-Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni führte in Brüssel aus, dass das neue Regelwerk das Wachstum fördern und gleichzeitig die Schuldentragfähigkeit verbessern soll. Zudem müssten die Regeln einfacher und die Eigenverantwortung der Mitgliedstaaten erhöht werden “Wir haben einen enormen Investitionsbedarf, insbesondere beim Klimaschutz, bei der Energiesicherheit, der Verteidigung und unserer europäischen Wettbewerbsfähigkeit”, so der Italiener.
Nach den Vorstellungen der Kommission sollen die Staaten vier Jahre Zeit bekommen, um ihre Schulden glaubwürdig zu senken. Dazu werde die Brüsseler Behörde jedem Mitgliedsland auf Grundlage ihrer Analyse zur Schuldentragfähigkeit einen Referenzpfad für die Haushaltssanierung vorlegen. Dieser Referenzpfad soll sicherstellen, dass die Verschuldung von Mitgliedstaaten mit massiven Schulden (oberhalb von 90 Prozent des Bruttoinlandsprodukts) und moderaten Schulden (zwischen 60 und 90 Prozent des BIP) auf einen plausiblen Abwärtspfad kommt.
Dabei muss die Neuverschuldung glaubwürdig unter dem im Vertrag festgelegten Referenzwert von drei Prozent des BIP liegen. Staaten mit moderaten Schuldenquoten will Brüssel dabei mehr Flexibilität einräumen als solchen mit sehr hohem Schuldenstand – wie etwa Italien und Griechenland.
Grundlage für den Referenzpfad ist ein einziger operativer Indikator, die sogenannten Nettoprimärausgaben (Ausgaben abzüglich Sondereinnahmen und abzüglich Zinszahlungen). Diese Kennziffer lasse sich laut der Kommission besser analysieren und sei auch direkter beeinflussbar als das strukturelle Defizit der Staaten.
Auf Basis der Kommissionsanalyse sollen die Mitgliedstaaten dann ihren vierjährigen Haushaltsplan vorlegen. Der Zeitraum kann um bis zu drei Jahre länger sein, wenn Reform- und Investitionsverpflichtungen das notwendig machen. Kommission und EU-Rat müssen die nationalen Pläne billigen und verabschieden. Die Kommission will die Umsetzung durch jährliche Fortschrittsberichte kontrollieren.
Weichen die Mitgliedstaaten vom Nettoausgabenpfad ab, will die Kommission künftig strenger durchgreifen. Das reguläre Verfahren bei einem überhöhten Haushaltsfehlbetrag (EDP) soll weiterhin greifen. Gleichzeitig soll das schuldenbasierte Defizitverfahren, das bisher noch nie zur Anwendung kam, aber stärker in den Fokus rücken. Dieses greift, wenn ein Mitgliedstaat vom vereinbarten Ausgabenpfad abweicht, so die Kommission.
In diesem Zusammenhang will sie auch das Sanktionsinstrumentarium breiter aufstellen. Demnach sollen künftig geringere finanzielle Strafzahlungen möglich sein, um diese eher verhängen zu können. Aktuell liegt das Strafmaß zwischen 0,2 und 0,5 Prozent des BIP. Darüber hinaus will Brüssel auch stärker auf Reputationssanktionen setzen, indem bei Verfehlungen eines Mitgliedstaats etwa eine EU-Delegation in die Hauptstadt reist. “Dies erzeugt vielfach mehr Wirkung als die Androhung hoher finanzieller Strafen”, so ein Vertreter der Behörde.
Ferner will die Kommission Mitgliedstaaten sanktionieren, sofern diese ihre Reform- und Investitionsverpflichtungen unzureichend umsetzen, die im Rahmen eines verlängerten Anpassungspfads vereinbart wurden. “Eine Nichtumsetzung dieser Verpflichtungen kann zu einem restriktiveren Anpassungspfad und für die Mitgliedstaaten des Euro-Währungsgebiets zur Verhängung finanzieller Zahlungen führen”, so die Behörde. Um schädlichen makroökonomischen Ungleichgewichten besser vorzubeugen und diese zu korrigieren, setzt die Kommission zusätzlich auf einen vertieften Dialog mit den Mitgliedstaaten.
Gentiloni mahnte in Brüssel einen raschen Konsens der Mitgliedstaaten für eine neue wirtschaftspolitische Steuerung in Europa an. Die Einigung müsse erreicht sein, bevor die Mitgliedstaaten ihre Haushaltspläne für 2024 vorlegen. Die Kommission wolle die nötigen Legislativvorschläge für die Reform des EU-Fiskalpakets im ersten Quartal 2023 vorlegen. Eine erste Aussprache über die Vorschläge der Brüsseler Behörde ist im Dezember auf dem EU-Ratstreffen der Finanzminister vorgesehen. Aktuell ist der Stabilitäts- und Wachstumspakt bis Ende 2023 wegen der Auswirkungen der Pandemie ausgesetzt.
Gentiloni mahnte in Brüssel einen raschen Konsens der Mitgliedstaaten für eine neue wirtschaftspolitische Steuerung in Europa an. Die Einigung müsse erreicht sein, bevor die Mitgliedstaaten ihre Haushaltspläne für 2024 vorlegen. Die Kommission wolle die nötigen Legislativvorschläge für die Reform des EU-Fiskalpakets im ersten Quartal 2023 vorlegen.
Bundesfinanzminister Christian Lindner führte mit Blick auf die Vorschläge der Kommission aus, jede Reform der Fiskalregeln müsse den Kernprinzipien der Gewährleistung finanzieller Solidität entsprechen. Auf der einen Seite müsse das Regelwerk Wachstum fördern, auf der anderen Seite müssten die Schuldenquoten aber auch konsequent zurückgeführt werden. In der Vergangenheit seien die Regeln nicht geeignet gewesen, überall in der EU die finanzielle Tragfähigkeit der Schulden zu verbessern. “Das wollen wir verändern”, so Lindner.
Das Leitprinzip der Bundesregierung sei, mehr Realismus zu verbinden mit mehr Verbindlichkeit hin zu einem verlässlichen Pfad zur Verringerung der Schuldenquoten. An beidem habe es gemangelt. Lindner verwies auf die bestehende 1/20 Regel. Bei den aktuellen Schuldenquoten nach der Pandemie würde dies in einigen Staaten zu einer objektiven Überforderung führen. Allerdings dürfe es auch nicht dazu kommen, dass – wie in der vergangenen Dekade – ein Teil der Staaten erfolgreich konsolidiere, während andere noch steigende Schuldenstände aufwiesen.
Lindner zufolge ist nach einer ersten Durchsicht der Ansatz der Kommission diskussionswürdig, auf individuelle ausgehandelte Ausgabenpfade mit zusätzlichen Spielräumen bei Investitionsvorhaben zu setzen. Allerdings gebe es einen großen Ermessensspielraum der Kommission, der nicht in jedem Fall und auf Dauer sicherstelle, dass die Ziele erreicht würden.
“Ein multilateraler Ansatz ist ein wesentliches Kernelement europäischer Fiskalregeln.” Das sei entscheidend, “um Gleichbehandlung, Vergleichbarkeit und Nachhaltigkeit der Schuldentragfähigkeit zu sichern. Das muss konsequent erreicht werden, deshalb kann es nicht eine einseitige Lockerung von Regeln oder Schaffung zusätzlicher Bewertungsspielräume geben”, unterstrich Lindner.
Die deutschen Wirtschaftsweisen teilten mit, die EU-Regeln müssten reformiert werden. Dabei sollte eine Ausgabenregel in den Mittelpunkt gerückt werden. “Dadurch würde die Komplexität des Regelwerks insgesamt reduziert. Eine verbindliche Ausgabenregel macht die Fiskalregeln transparenter und überprüfbarer”, sagte Achim Truger, Mitglied des Sachverständigenrates, der die Bundesregierung berät. mit Reuters
11.11.-16.11.2022, online
Conference COP27 Side Events
COP27 side events on the topic of financing carbon neutrality in developed and developing countries will be streamed live online. INFOS
13.11.-14.11.2022, Singapur
Konferenz 17. Asien-Pazifik-Konferenz der Deutschen Wirtschaft (APK)
Topic of the APK will be current economic developments in Europe and the Asia-Pacific region. INFOS
14.11.2022 – 09:30-18:00 Uhr, Tel Aviv (Israel)
EIT, Conference The ecosystem summit 2022
The core topics of the summit, organized by the European Institute of Innovation & Technology (EIT), are ecosystem leadership and startup programme management, as well as current trends and changes in the startup ecosystem. INFOS & REGISTRATION
14.11.-16.11.2022, Landsberg/ online
SZ, Konferenz Wirtschaftsgipfel 2022
Der Wirtschaftsgipfel der Süddeutschen Zeitung (SZ) steht unter dem Motto “Die Wirtschaft zwischen Krieg und Frieden – neues Vertrauen schaffen” und soll die Möglichkeit zu Diskussionen über aktuelle Themen, die die Wirtschaft beeinflussen, bieten. INFOS & ANMELDUNG
14.11.-18.11.2022, Bonn
FES, Seminar Halbzeit in Amerika – Die USA nach den Midterm Elections
Anlässlich der Wahlen in den USA sollen bei der Veranstaltung der Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) das aktuelle Stimmungsbild zu Bidens Regierung und zukünftige Perspektiven für Amerika diskutiert werden. INFOS
15.11.2022, 10:00 Uhr, Berlin
GdW, Konferenz Tag der Wohnungswirtschaft 2022
Beim Tag der Wohnungswirtschaft, veranstaltet vom Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen (GdW), wird vor allem über die steigenden Energiepreise und die Versorgungssicherheit in Deutschland diskutiert. INFOS
15.11.2022 – 14:00-17:30 Uhr, Köln
Eco, Diskussion Security & Digitale Identitäten in einer digitalisierten Welt
Bei dieser Veranstaltung des Verbandes der Internetwirtschaft (Eco) werden die Ergebnisse einer Studie zum Thema Sicherheit und digitale Identitäten vorgestellt und diskutiert. INFOS & ANMELDUNG
15.11.2022 – 16:00-18:00 Uhr, online
HBS, Seminar Grundkurs Wärmeplanung Teil 2
Anlässlich der aktuellen Energiekrise soll diese Veranstaltung der Heinrich-Böll-Stiftung (HBS) konkrete Handlungshinweise zu einer klimaneutralen Wärmeplanung für Kommunen bieten. INFOS & ANMELDUNG
15.11.2022 – 17:00-19:30 Uhr, Berlin/ online
DGAP, Vortrag Grundsatzrede von Nancy Faeser, Bundesministerin des Innern und für Heimat
Nach einem Vortrag von Nancy Faeser und einer Diskussion mit dem Direktor der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) Guntram Wolff wird in einer Podiumsdiskussion über das Thema der inneren Sicherheit in der Zeitenwende und die Anforderungen an das Innenministerium gesprochen. INFOS
15.11.2022 – 17:30-19:00 Uhr, Brüssel (Belgien)
Landesvertretung Rheinland-Pfalz in Brüssel, Diskussion 22. Brüsseler Mediengespräch
Das 22. Brüsseler Mediengespräch widmet sich vor allem dem Vorschlag für einen Europäischen Rechtsakt zur Medienfreiheit, der Mitte September von der EU-Kommission veröffentlicht wurde. INFOS & ANMELDUNG
15.11.-17.11.2022, Barcelona
Conference Tomorrow.Mobility 2022
Key topics of this mobility conference are autonomous vehicles, micromobility, public transport, last mile logistics, urban air mobility, transport infrastructure, and energy transition and efficiency. INFOS & TICKETS
15.11.-18.11.2022, Hannover
Messe EnergyDecentral – Internationale Fachmesse für innovative Energieversorgung
Bei dieser Fachmesse geht es um dezentrale Energieversorgung, innovative Energiekonzepte und eine nachhaltige Energieproduktion in der gesamten Lieferkette. INFOS & TICKETS
Für ein abgestimmtes Befüllen der europäischen Gasspeicher im kommenden Jahr hält die EU-Kommission ein neues Joint Venture von Energieunternehmen für ungeeignet. Als “kurzfristig umsetzbar” bewertet die Behörde lediglich gemeinsame Ausschreibungen zum EU-weiten Gaseinkauf. Das geht aus einer Präsentation für den industriellen Beirat der geplanten Energieplattform vom 26. Oktober hervor. Die Kommission hat das Dokument am Mittwoch auf Anfrage von Europe.Table veröffentlicht.
Joint Ventures sind grundsätzlich eine marktwirtschaftlich etablierte Lösung, wie Unternehmen zusammenarbeiten können. Für den gemeinsamen Gaseinkauf wäre dieses Modell aber nach Einschätzung der Kommission das komplexeste, mit einer Umsetzung rechnet die Behörde erst nach 12 bis 18 Monaten. Ebenso viel Zeit würde es dem Dokument zufolge dauern, einen einzelnen Makler mit dem Einkauf für Gasunternehmen aus mehreren EU-Staaten zu beauftragen.
Am schnellsten machbar wären laut Kommission dagegen gemeinsame Ausschreibungen. Die auszuschreibenden Gasmengen könnte dabei der Dienstleister ermitteln, der nach dem Vorschlag der Kommission vom 18. Oktober auch die Nachfrage in der EU bündeln soll. Die Bezugsverträge könnten Unternehmen dem Dokument zufolge dann aber auch gemeinschaftlich abschließen.
Als Dienstleister brachte die tschechische Ratspräsidentschaft in der Arbeitsgruppe Energie am Dienstag zwei konkrete Unternehmen ins Spiel: die Leipziger Energiebörse EEX und das Londoner Clearing House ICE. “Der Dienstleister sollte Erfahrung mit grenzüberschreitenden Transaktionen haben”, heißt es in der zweiten Revision der Energie-Notfallmaßnahmen, die Europe.Table vorliegt. Prag betont darin, dass der Dienstleister selbst keine Erfahrung im Gaseinkauf haben müsse. Zudem heißt es: “Da eine übermäßige Ausweitung des Kreises möglicher Bewerber das Risiko von Interessenkonflikten und anschließenden Rechtsstreitigkeiten erhöhen und somit die Auswahl des Dienstleisters verzögern könnte, scheint es angemessen, die Bedingung beizubehalten, vertikal integrierte Unternehmen auszuschließen, die in der Erdgasgewinnung oder -versorgung tätig sind.”
Mit den Unternehmen im Beirat der Energieplattform will die Kommission die Umsetzbarkeit des gemeinsamen Gaseinkaufs ausloten und stellte den Teilnehmern der ersten Sitzung unter anderem diese Fragen: “Wie würden Sie sicherstellen, dass Unternehmen, die Teil der Nachfragebündelung sind, schließlich an der gemeinsamen Beschaffung teilnehmen? […] Wie sollte eine Einrichtung zum Risikomanagement funktionieren?” Mit der nächsten Sitzung am 18. November soll der Beirat seine Arbeit fortsetzen.
Mit dem gemeinsamen Gaseinkauf will die Kommission die Preise für das Wiederbefüllen der Speicher im kommenden Jahr drücken. Vor dem EU-Parlament sagte Präsidentin Ursula von der Leyen gestern, dass in der Füllsaison 2023 eine Gaslücke von 30 Milliarden Kubikmetern (bcm) drohe. Dass mit dem gemeinsamen Einkauf Gas sehr viel billiger wird, hält der Ökonom Philipp Jäger vom Jacques Delors Centre aber nicht für gesetzt: “Gas bleibt 2023 ein Verkäufermarkt, vor allem bei LNG und man muss trotzdem höhere Preise bieten als der Rest der Welt.” ber
Werden Windparks oder andere Erneuerbare-Energien-Anlagen durch neue, leistungsstärkere Anlagen ersetzt, sollten die Genehmigungen künftig innerhalb von sechs Monaten erteilt werden. So steht es in einem Kommissionsvorschlag für eine Verordnung zu schnelleren Genehmigungsverfahren, den die Behörde am Mittwoch veröffentlicht hat.
In einem am Montag bekannt gewordenen Entwurf (Table.Media berichtete) wollte die Kommission für das Repowering noch eine Frist von einem Jahr setzen. Die Vorgabe von sechs Monaten fand sich auch schon im REPowerEU-Paket, allerdings sollte sie dort nur in sogenannten “go-to”-Gebieten gelten. Mit der Forderung, sämtliche Windparks innerhalb von sechs Monaten zu genehmigen, hatte Olaf Scholz im letzten Bundestagswahlkampf für ungläubiges Staunen gesorgt.
In den Erwägungsgründen der Verordnung wird nun aber anders als im Entwurf klargestellt, dass die Erleichterungen nur für solche Genehmigungsverfahren gelten, die während des Gültigkeitszeitraums der Verordnung eingeleitet werden. Sie soll zunächst für ein Jahr gelten.
Bedeutsame Änderungen gab es auch in dem umstrittenen Artikel zum Artenschutz. Beim Ausbau erneuerbarer Energien sollen die EU-Staaten in bestimmten Fällen Artenhilfsprogramme umsetzen, um die Population gefährdeter Arten zu erhalten. Erst im Juli hatte der Bundestag das Bundesnaturschutzgesetz entsprechend geändert.
Der Naturschutzbund Nabu bewertet die jüngsten Änderungen gemischt. “Artenhilfsprogramme setzen zwar nicht an der Vermeidung der Störung oder Tötung an, aber wenn sie wirksam ausgeführt werden, könnten sie immerhin zu einer Verbesserung des Zustands der betroffenen Arten führen”, sagte am Mittwoch Nabu-Jurist Raphael Weyland. Insgesamt wertete er die Last-Minute-Neuerungen aber als “leichte Verschlimmbesserungen”.
“Zum einen wurde der Vorsatz-Begriff nun nicht nur für Verstöße gegen das artenschutzrechtliche Tötungsverbot wegdefiniert, sondern auch für Verstöße gegen das artenschutzrechtliche Störungsverbot. Zum anderen wurde dafür eine Monitoring-Verpflichtung aufgenommen, die aber nichts am Grundproblem fehlender Raumplanung für Erneuerbare und Natur gleichzeitig ändert”, sagte Weyland.
“Wir geben hier – mutmaßlich auch auf Druck der deutschen Ampelregierung mit SPD und Grünen – leichtfertig bestehende ‘Safeguards’ im Namen der Transformation auf, liefern aber nur Scheinlösungen. Einmal aufgeben, werden wir Instrumente wie Umweltverträglichkeitsprüfung oder Öffentlichkeitsbeteiligung nur schwer zurückbekommen.” Nabu-Präsident Jörg-Andreas Krüger hatte die Kritik des Verbands am Dienstag bereits in einem Brief an Kommissions-Präsidentin Ursula von der Leyen geäußert. ber
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat auf der COP27 in Sharm El-Sheikh eine weitere Absichtserklärung für eine Energiepartnerschaft unterzeichnet: Gemeinsam mit dem ägyptischen Präsidenten Abdel-Fattah El-Sisi gab sie gestern eine langfristige Partnerschaft für grünen Wasserstoff bekannt.
Beide Partner wollen Maßnahmen ergreifen, um die Stromerzeugung aus erneuerbaren Energiequellen und die Entwicklung, den Einsatz und den unverfälschten Handel von grünem Wasserstoff und seinen Derivaten zu beschleunigen. Im April hatten bereits EU-Klimakommissar Frans Timmermans und Ägyptens Außenminister Sameh Shoukry erklärt, die EU und Ägypten wollten künftig bei der Produktion von grünem Wasserstoff enger zusammenarbeiten (Europe.Table berichtete).
Die Absichtserklärung umfasst folgende Bereiche der Zusammenarbeit:
Die Absichtserklärung verstärke die laufende bilaterale Zusammenarbeit im Bereich der grünen Transformation im Einklang mit dem Assoziierungsabkommen zwischen der EU und Ägypten, dem Global Gateway der EU, der EU-Agenda für den Mittelmeerraum und ihrem Wirtschafts- und Investitionsplan sowie den Prioritäten der Partnerschaft zwischen der EU und Ägypten, heißt es in dem gemeinsamen Statement von El-Sisi und von der Leyen. Sie sei ein zentraler Baustein für den Aufbau einer EU-Mittelmeer-Partnerschaft für erneuerbaren Wasserstoff.
In den vorherigen Tagen auf der UN-Klimakonferenz hatte von der Leyen bereits Partnerschaften mit Kasachstan (Rohstoffe, Batterien und grüner Wasserstoff) sowie mit Namibia (Rohstoffe und grüner Wasserstoff) unterzeichnet. leo
Die Europäische Kommission hat am Mittwoch eine Strategie zur Verfügbarkeit und Bezahlbarkeit von Düngemitteln vorgelegt. Unter anderem soll der heimischen Düngemittel-Herstellung Priorität beim Zugang zu Erdgas eingeräumt und finanzielle Unterstützung ermöglicht werden.
Damit reagierte die Behörde auf die stark gestiegenen Kosten bei der Nahrungsmittelproduktion (Europe.Table berichtete). Diese seien im Frühling und Sommer um rund 40 Prozent höher gewesen als im Vorjahr. Dies hänge vor allem mit den doppelt bis dreifach so hohen Preisen für Düngemittel zusammen, sagte EU-Agrarkommissar Janusz Wojciechowski in Brüssel.
Die Output-Preise für Lebensmittel hätten mit dieser Entwicklung nicht Schritt gehalten, was zu einer enormen Belastung für die europäischen Landwirte geführt habe. Um dieser entgegenzuwirken und die Versorgung mit Nahrungsmitteln weiterhin sicherzustellen, sollen nun einige Maßnahmen ergriffen werden.
Das Papier sieht vor, Düngemittel-Produzenten im Rahmen der nationalen Notfallpläne uneingeschränkten Zugang zu Erdgas zu ermöglichen. Denn Gas ist nicht nur als Energiequelle, sondern auch als Rohstoff wichtig für Stickstoffdünger, der aus Ammoniak hergestellt wird. Dem Industrieverband Agrar zufolge macht der Gaspreis hier bis zu 90 Prozent der Herstellungskosten aus.
Deshalb sieht die Strategie der Kommission auch gezielte finanzielle Hilfen vor, etwa durch den vorübergehend geänderten Rechtsrahmen für staatliche Beihilfen. Insgesamt stünden hier knapp 550 Milliarden Euro zur Verfügung, bislang sei jedoch weniger als ein Prozent in die Unterstützung des Agrarsektors geflossen, so Wojciechowski. Dabei könnten Düngemittel-Hersteller mit bis zu 150 Millionen Euro und einzelne landwirtschaftliche Betriebe mit bis zu 250.000 Euro unterstützt werden.
Darüber hinaus sei die Kommission bereit, die 450 Millionen Euro umfassende Reserve aus der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) 2023 zur Kompensation der hohen Kosten für die Landwirtschaft zu öffnen. Das sei jedoch Entscheidung der Mitgliedstaaten, erklärte der Agrarkommissar.
Generell sei die GAP ein wichtiges Instrument, um die Landwirtschaft über entsprechende Anreize langfristig nachhaltiger und unabhängiger von mineralischem Dünger zu machen. Das gelte es in den künftigen Strategieplänen zu berücksichtigen. Entsprechende Änderungen in den bereits eingereichten Plänen seien gern gesehen und würden schnell genehmigt, kündigte Wojciechowski an.
Grünen-Agrarpolitiker Thomas Waitz zeigt sich entsetzt über die vorgelegte Strategie: “Für ein Kilogramm Kunstdünger braucht es zwei Kilogramm Gas in der Produktion, damit befeuern wir die Klimakrise, verfestigen die Abhängigkeit von Gas und bescheren den Düngemittelkonzernen Rekordgewinne mitten in der Energiekrise”, so der Europaabgeordnete. til
Schattenberichterstatter Damian Boeselager (Grüne/EFA) hat seine Änderungsanträge zum Data Act im federführenden ITRE-Ausschuss vorgelegt. Seinen Fokus hat er auf den Austausch von Daten zwischen Unternehmen (B2B) gelegt. Dabei geht es nicht um personenbezogene Daten, deren Austausch je bereits in der DSGVO geregelt ist, sondern viel mehr um den milliardenschweren Markt von Maschinen-generierten Daten. Die Änderungsanträge konzentrieren sich vor allem auf die Kapitel 1 bis 3.
Die vorgeschlagenen Änderungen sollen es dem Datengesetz ermöglichen, das breite Spektrum an Konstellationen zwischen Hersteller, Nutzer, Dateninhaber und Datenempfänger widerzuspiegeln. Nach Boeselagers Auffassung ignoriert der Kommissionsvorschlag viele industrielle Datenanwendungen etwa in den Bereichen Zivil- und Energieinfrastruktur, Verkehr sowie Industrie. Er schlägt vor, eine klare wirtschaftliche, rechtliche und somit regulatorische Unterscheidung zwischen dem Eigentum an einem vernetzten Produkt und anderen Modellen der gemeinsamen Datennutzung zu machen.
Zudem schlägt der Schattenberichterstatter vor, nicht zwischen “Rohdaten”, “aufbereiteten Daten” und “verarbeiteten Daten” zu unterscheiden. Dies würde nur zu einer inakzeptablen Rechtsunsicherheit führen. Dies gelte auch für die Definition der Dateninhaber. Für ein bestimmtes Produkt könne es demnach mehrere Dateninhaber geben.
Weitere Änderungsanträge beziehen sich auf den Austausch von Daten zwischen Unternehmen und dem Staat (B2G) sowie der Interoperabilität von Datenräumen. Zuvor hatten bereits Adam Bielan (ECR) vom IMCO-Ausschuss und Sergey Lagondinsky (Grüne/EFA) für den LIEBE-Ausschuss Änderungsanträge zum Data Act eingereicht. Bielan hatte sich dabei auf den Wechsel von Cloud-Anbietern konzentriert, Lagodinsky auf den Datenschutz. Die Abgeordneten haben bis zum 15. November Zeit, ihre Änderungsanträge einzureichen. vis
Dem US-Technologiekonzern Meta droht Insidern zufolge wegen Wettbewerbsbehinderung eine Strafe der EU-Kartellbehörde. Die EU-Wettbewerbshüter bereiteten eine Strafe gegen die Facebook-Muttergesellschaft Meta wegen der Nutzung von Kundendaten und der Verknüpfung des Kleinanzeigendienstes an das soziale Netzwerk vor, sagten mit der Angelegenheit vertraute Personen am Mittwoch Reuters.
Bereits im Juni vergangenen Jahres hatte die Behörde eine Untersuchung gegen Meta, Eigentümer von Facebook, Instagram und WhatsApp, eingeleitet. Die Europäische Kommission kann bei Kartellrechtsverstößen eine Geldbuße in Höhe von bis zu zehn Prozent des weltweiten Umsatzes eines Unternehmens verhängen. Meta startete das Kleinanzeigengeschäft, genannt Facebook Marketplace, 2016. Sowohl die EU-Kartellbehörde wie auch Meta lehnten einen Kommentar ab. rtr
Als Anna Lührmann 2002 mit 19 Jahren in den Bundestag einzieht, ist sie die jüngste Abgeordnete. Heute ist die Grünen-Politikerin 39 Jahre alt, Staatsministerin für Europa und Klima im Auswärtigen Amt und Beauftragte für die deutsch-französische Zusammenarbeit. In 20 Jahren hat sich vieles verändert. Lührmann erinnert sich nicht nur an eine andere Parteienlandschaft, sondern auch daran, dass es noch kein Social Media gab – aus heutiger Sicht “völlig unvorstellbar”.
Klima ist für Lührmann schon immer das entscheidende Thema. Es beginnt auf dem Schulhof, mit Unterschriftensammlungen gegen die Luftverschmutzung. Früh engagiert sie sich in einer Kindergruppe von Greenpeace und in der Grünen Jugend – getrieben vom “Gefühl, etwas tun zu müssen”. Mehrere Jahre arbeitet Lührmann an der Universität Göteborg. Die Protestwelle von Fridays for Future motiviert sie, zurück in die aktive Politik zu gehen. Sie will nicht mehr nur analysieren, sondern verändern.
Prägend für die Europa-Staatsministerin ist ihre Zeit im Sudan, in der sie an einer Frauenuniversität studiert. “Ich habe sehr viel Toleranz gelernt und auch eine Offenheit für andere Herangehensweisen”, sagt sie im Rückblick. Ihr heutiges Ziel: feministische Außenpolitik.
Auf ihren Reisen trifft Lührmann auf Innovationen und Ideen. Wie zuletzt Ende Oktober im Kosovo, wo ein Solarkraftwerk auf dem Aschefeld eines Kohlekraftwerks entstehen soll: “Das sind Projekte, bei denen man merkt, dass Veränderungen möglich sind.”
Die Staatsministerin ist davon überzeugt, dass es in Europa Einigkeit braucht, um sich beispielsweise von russischen Energiequellen unabhängig zu machen – etwa mithilfe von Solidaritätsabkommen und der gemeinsamen Verpflichtung zur Reduktion des Energieverbrauchs. Sie betont: “Wir zeigen gerade in Deutschland, dass es möglich ist, wenn der politische Wille da ist, zum Beispiel sehr ambitioniert erneuerbare Energien auszubauen.”
Aktuell ist das deutsch-französische Verhältnis so angespannt wie lange nicht. Anna Lührmann appelliert dafür, die Sache nicht zu sehr zu dramatisieren: “Wir haben sehr enge und stabile Beziehungen zu Frankreich.” Das führe zu “einer solchen Vertrauensgrundlage, dass man Dinge auch mal offen und ehrlich ansprechen kann.” Und es könne dann eben auch mal ein bisschen länger dauern, bis man sich auf etwas einigt. Alle würden daran arbeiten, in den nächsten Monaten einen Konsens zu finden, so Lührmann.
Wirtschaftliche Zentren, die Nähe zum Ballungsraum, gleichzeitig ruhige Ortschaften mit der Möglichkeit zum Wandern – für die gebürtige Hessin ist es die Vielfalt, die ihren Wahlkreis Rheingau-Taunus – Limburg ausmacht. Anna Lührmann ist optimistisch für die Zukunft, mit einer Vision vor Augen: “Ich will dazu beitragen, dass Europa noch ein Stück weiter zusammenwächst und auch wächst – zum Beispiel mit neuen Mitgliedstaaten.” Julia Klann
Checkliste der Belgier am Dienstag, 8. November. Streikvortag.
Nein, Corona hat nicht wieder zugeschlagen. Sondern in Belgien herrschten am Mittwoch französische Zustände: Die größten Syndikate des Landes hatten zum Generalstreik aufgerufen. Man wehrte sich in Pariser Manier (bereits im Oktober wurde gestreikt) gegen Inflation, hohe Energiekosten und zu niedrige Gehälter.
So ziemlich alles lag lahm. Bus-, Bahn-, Flugverkehr: Nada. Spitäler nahmen nur Notfälle an. Ja, sogar die Supermärkte waren zu. Der Mittagsgang zu Lidl und Delhaize fiel aus. Essen musste man gestern daheim. Ganz Belgien war von Manifestanten besetzt.
Ganz Belgien …?
Nein.
Ein von unbeugsamen EU-Beamten bevölkerter Teil Brüssels ging stoisch weiter zur Arbeit. Die EU-Institutionen waren vom Generalstreik nicht betroffen. Ja, sogar ein Mini-Plenum brachte man zustande.
Doch das Leben war nicht leicht für die EU Legionäre. “Can you hear me? Your microphone is turned off. Can you hear me now? Now?” bekamen jene tapferen Beamten, die es nicht an wütenden Manifestanten vorbei bis in die EU-Bubble schafften, gestern wieder öfter zu hören. Es erinnerte sie denn gleich an die alten Lockdown-Zeiten, als persönliche Freiheiten auf der Abschiebebank saßen und gewisse MEPs in Unterhosen vor ihren EU-Kollegen sprachen.
Auch zum Feierabendbier konnten diese tapferen Widerständler nicht. Aber wer will schon nach getaner Arbeit raus in die kalte, von wütenden Manifestanten besetzte Stadt, bloß um ein gutes Bier trinken… Zu Hause ist es doch am schönsten. Das Bier stand hoffentlich auf der Dienstags-Checkliste. Charlotte Wirth