Heute verkündet das Gericht der EU (EuG) sein Urteil in einem weiteren Rechtsstreit zwischen Google und der Europäischen Kommission. Zwar schauen betroffene Unternehmen aufmerksam nach Luxemburg. Mit deutlich mehr Spannung betrachten europäische Wettbewerber jedoch, was sich bei der Durchsetzung des Digital Markets Act (DMA) tut.
Im März 2019 hatte die Kommission gegen Google eine Geldbuße in Höhe von 1,49 Milliarden Euro verhängt wegen des Missbrauchs einer beherrschenden Stellung auf dem Markt für Online-Werbung (Google AdSense). Google und Alphabet haben diesen Beschluss vor dem Gericht der EU angefochten. Am heutigen Dienstag wollen die Luxemburger Richter ihr Urteil sprechen.
Eine Woche zuvor hatte der Europäische Gerichtshof eine Geldbuße der Kommission aus dem Jahr 2017 über 2,4 Milliarden Euro gegen Google für rechtskräftig erklärt. Dabei hat der Fall Google Shopping gezeigt, dass die Strafen zunächst keine nachhaltigen Veränderungen auf den betroffenen Märkten bewirkt haben. Viele der Unternehmen, die sich damals beschwert haben, sind nicht mehr im Geschäft.
Nach der Entscheidung Vestagers im Jahr 2017 habe „Google nur kosmetische Änderungen vorgenommen, die das Problem nicht gelöst haben “, sagt Albrecht von Sonntag, Mitgründer und Beirat von Idealo im Gespräch mit Table.Media. „Wir fordern faire und gleichberechtigte Behandlung innerhalb der gesamten Suchergebnisseite.“
Das deutsche Preisvergleichsportal Idealo hatte das EuGH-Verfahren gegen Google Shopping über eine Tochtergesellschaft zunächst als Beschwerdeführer und anschließend als Streithelfer begleitet. Parallel dazu reichte Idealo 2019 eine Schadenersatzklage gegen Google im Volumen von 500 Millionen Euro beim Landgericht Berlin ein. Dieses Verfahren wird jetzt wieder aufgenommen.
„Das Landgericht Berlin hat inzwischen sein Personal aufgestockt“, sagt Sonntag. „Wir rechnen mit einem zügigen Verfahren.“ Und mit reichlich Beweismaterial. „Für das Gerichtsverfahren vor dem EuGH hat die Kommission sieben Jahre Recherchearbeit geleistet “, erläutert Sonntag. Sie habe unter anderem herausgefunden, wie viel Traffic Google auf die eigenen Dienste umgeleitet habe (self-preferencing). „Dieses Material können wir jetzt im Verfahren nutzen.“
Sonntag nennt den DMA eine Meisterleistung, da er sofort greife, sobald sich die designierten Unternehmen nicht an die Regeln halten. „Der DMA ist ein wirksames und schnell wirkendes Instrument“, meint Sonntag. „Es kommt jetzt nur darauf an, ihn auch umzusetzen. Dazu braucht die Kommission Mut und Entscheidungswillen.“ Noch sei alles in etwa so, wie es vorher war. „Google macht weiter so wie vor 15 Jahren. Ich gehe aber davon aus, dass das Urteil Grundsatzwirkung auch auf andere Märkte hat“, sagt Sonntag.
Außerdem braucht die Kommission Leute für die Umsetzung. Nur wenige Wochen nachdem der DMA auf die Gatekeeper angewendet wurde, eröffnete die Kommission im März 2024 Verfahren wegen mutmaßlicher Verstöße gegen Apple, Alphabet und Meta. Die Kommission veröffentlichte vorläufige Feststellungen zum Pay-or-Consent-Modell von Meta im Juli 2024 und zu Apples Steuerungsregeln für den App Store im Juni 2024.
„Diese Durchsetzungsmaßnahmen zielen in erster Linie darauf ab, die Gatekeeper zu freiwilliger Einhaltung zu bewegen“, teilt eine Kommissionssprecherin mit. Die Kommission habe nach diesen Maßnahmen bereits Änderungen gesehen : Zum Beispiel teste Apple jetzt neue Lösungen, um die DMA-Verpflichtungen zu erfüllen, gemäß denen Gatekeeper den Nutzern die Wahl von Standardbrowsern und Suchmaschinen sowie die Deinstallation vorinstallierter Gatekeeper-Apps ermöglichen müssen.
„Wichtig ist, dass die Durchsetzungsarbeit der Kommission nicht nur Fälle der Nichteinhaltung verfolgt: Wir sind in ständigem Dialog mit allen Gatekeepern über alle ihre Verpflichtungen“, sagte die Sprecherin.
Renate Nikolay, stellvertretende Generaldirektorin der DG CNECT, spricht von einem „permanenten Monitoring“. Zudem könne die Kommission wesentlich schneller reagieren. „Auch die Perspektive hat sich geändert: Beim DMA nehmen wir die Perspektive des Binnenmarkts ein. Anders als bei Anti-Trust-Verfahren liegt die Burden-of-Proof nun bei den Unternehmen.“
Um auch die betroffenen Wettbewerber einzubinden und um für direktes Feedback zu den von den Gatekeepern vorgeschlagenen Maßnahmen zu sorgen, veranstaltet die Kommission Workshops mit interessierten Unternehmen.
Die Umsetzung und Durchsetzung des Digital Markets Act ist ein gemeinsames Projekt der Generaldirektion Kommunikationsnetze, Inhalte und Technologien (DG CNECT) und der Generaldirektion Wettbewerb (DG COMP), unterstützt vom juristischen Dienst der Kommission. „In den beiden Generaldirektionen haben wir mehrere operative Einheiten, die, wie im Gesetzgebungsvorschlag für die Durchsetzung des DMA vorgesehen, insgesamt etwa 100 Mitarbeiter im Jahr 2024 umfassen“, so die Sprecherin. Zudem greife die Kommission auf das Fachwissen von Behörden der Mitgliedstaaten zurück und benenne externe Experten.
„Das heißt nicht, dass das auf Dauer ausreicht“, sagte Nikolay. „Aber es ist ein gut organisiertes Team und es ist gut angelaufen.“