seit einem Jahr ist die Welt eine andere: Der brutale Überfall der russischen Armee auf die Ukraine am 24. Februar 2022 hat nicht nur dieses Land und seine Menschen in Not und Leid gestürzt. Er hat auch Strukturen und Vertrauen beschädigt, die etwa für die Klimapolitik zentral sind. Zum Jahrestag dieser Zeitenwende schreiben wir deshalb darüber, wie Moskaus Energie- und Klimapolitik immer weiter die Klimakrise anheizt; wie Russland selbst darunter leidet; wie das Geschäftsmodell des Landes schwankt, das auf Export von Öl und Gas setzt; und wie die internationale Klimaforschung dadurch erschwert wird.
Auch in der Weltbank steht eine Zeitenwende an. Dafür arbeiten jedenfalls viele, die hoffen, dass ein neuer Präsident diese mächtige Institution aus Washington auf mehr Nachhaltigkeit und effektiven Klimaschutz trimmt. Wir liefern dazu Hintergründe, genauso wie zur Indien-Reise des Bundeskanzlers: Da spielt Klimapolitik in Gestalt von Industriepolitik eine wichtige Rolle. Denn Indien will sich ebenso wie die EU, China und die USA seinen Anteil an den Zukunftsmärkten sichern – und legt ebenfalls ein Milliardenprogramm zur Unterstützung der heimischen grünen Industrien auf. Und Indonesien beginnt mit einem Emissionshandel – während bei genau diesem Instrument in der EU der CO₂-Preis zum ersten Mal die 100-Euro-Marke erreicht.
Wir wünschen spannende Lektüre bei diesen Entwicklungen aus der ganzen Welt.
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Behalten Sie einen langen Atem!
Russlands Einmarsch in der Ukraine hat auch seine Klimapolitik verändert. Im April 2022 hatten einige Parlamentarier – unter ihnen Sergej Mironow, Chef und Duma-Fraktionsvorsitz der Partei Gerechtes Russland – als Antwort auf die westlichen Sanktionen sogar gefordert, Russland solle aus dem Pariser Klimaabkommen austreten. Das Land ist der viertgrößte Emittent von Treibhausgasen weltweit. Russland blieb schließlich Teil des Abkommens, obwohl Mironow seine Forderung wiederholte.
Ein Ausstieg hätte dem Klimaschutz und der Klimaforschung im Land noch mehr geschadet, als es der Krieg ohnehin tut. Doch Russland bemüht sich, in der globalen Klimadiplomatie aktiv und sichtbar zu bleiben. Auf der COP27 erklärten Vertreter der russischen Politik und Wirtschaft, sie sähen die Klimakrise als eine Möglichkeit der internationalen Zusammenarbeit. “Ohne Russland kann die Welt ihre Klimaprobleme nicht lösen”, sagte beispielsweise Wjatscheslaw Fetisow, Duma-Abgeordneter und Vorsitzender der Allrussischen Gesellschaft für Naturschutz, in Sharm el-Sheikh.
Allerdings schenkt man jetzt der Zusammenarbeit mit nicht-westlichen Ländern mehr Aufmerksamkeit. Russland versucht noch stärker als vor dem Krieg, Partnerschaften mit den Ländern des globalen Südens aufzubauen, indem es die globalisierungskritische und antiwestliche Karte spielt. Regelmäßig gibt es Aufrufe, etwa von Ilja Torosow, dem Ersten Stellvertretenden Minister für wirtschaftliche Entwicklung, oder Alexander Schokhin, dem Präsident der Russischen Union der Industriellen und Unternehmer, den “westlichen Richtlinien” in Klimafragen nicht zu folgen und eine eigene “souveräne” Klimaagenda zu entwickeln.
Sie folgen der Hoffnung, Investitionen aus befreundeten Ländern wie China, Indien oder den arabischen Staaten könnten die wegfallenden westlichen Investitionen ersetzen. Denn westliche Investoren in klimafreundliche Technik haben sich zurückgezogen oder ihre Pläne auf Eis gelegt. Und die Klimawissenschaft leidet unter dem Stopp vieler Kooperationsprogramme mit dem Westen.
Schon vor dem Krieg waren die russischen Pläne zur Emissionsreduzierung wenig ehrgeizig. Die Regierung verfolgt das Ziel, bis 2060 netto null Emissionen zu erreichen.
Seit 1990 ist der Treibhausgasausstoß im Land gefallen, vor allem aufgrund des wirtschaftlichen Abschwungs. Bis 2012 schrumpften die Emissionen bereits um ein Drittel. Die CO₂-Absorption durch Wälder war da noch nicht berücksichtigt. Derzeit liegen die Emissionen etwa 30 Prozent unter dem Niveau von 1990. Bezieht man die Senkenleistung der Wälder mit ein, sind es sogar minus 50 Prozent. Diese Rechnung ist allerdings im UN-System umstritten. Für das Jahr 2030 hat sich die russische Regierung ein Minus von 30 Prozent zum Ziel gesetzt. Berechnet man die CO₂-Absorption durch die Wälder mit ein, dürften die Emissionen in den kommenden Jahren, gemessen am 2030er-Ziel, sogar steigen.
Der Druck für mehr Klimaschutz kam vor allem von Experten und Aktivisten – und von einigen Unternehmen, insbesondere jenen, deren Produkte von den CBAM-Regeln der EU betroffen gewesen wären. Insgesamt hatte die Aussicht auf den CO₂-Grenzausgleich die russische Klimadebatte in Wirtschaft und Politik in den Jahren 2020 und 2021 stark intensiviert.
Heute gibt es zwar immer noch Unternehmen, die weiterhin erklären, Projekte zur Emissionsreduzierung durchzuführen, und die hoffen, die internationale Zusammenarbeit in dem Bereich auszubauen. Unter ihnen sind Firmen aus der Metall-, Holz- und Düngemittelbranche, aber auch Unternehmen aus dem Öl- und Gassektor – also vor allem Exportunternehmen.
Doch die westlichen Geschäftspartner und Investitionen fehlen. Und andere russische Unternehmen, vor allem aus dem Ölsektor, nutzen die aktuelle Lage, um von der Regierung eine Aufweichung von Umweltschutznormen zu verlangen. Angesichts der westlichen Sanktionen erhöhen sie ihren Druck.
Das Ministerium für wirtschaftliche Entwicklung hat bereits angedeutet, dass es den russischen Plan zur Umsetzung einer kohlenstoffarmen Entwicklungsstrategie bis 2050 überprüfen und womöglich ändern könnte. In dieser Sache ist noch nichts entschieden.
Aber eine Reihe von anderen Vorschriften aus den vergangenen Monaten schwächen die ohnehin schon unzureichende Klimapolitik des Landes weiter. So wurden:
Wie sich das auf die Emissionen des Landes auswirkt, lässt sich noch nicht beurteilen. Die Statistiken für 2022 sind noch nicht veröffentlicht. Insgesamt besteht die Tendenz, den öffentlichen Zugang zu vielen Regierungsdaten zu sperren. In einigen der jüngsten Szenario-Projektionen, die sich mit den künftigen Emissionen Russlands befassen, wird zwar erwähnt, dass es für das Land schwieriger sein könnte, genügend Finanzmittel und Technologien zu finden, um die Emissionen zu senken. Dennoch könnte der Treibhausgasausstoß aufgrund des wirtschaftlichen Abschwungs zurückgehen – so ähnlich wie es in den 90er Jahren schon einmal passierte.
In der Ukraine schätzt die Regierung die Umweltschäden durch den Krieg derweil auf 1,896 Billionen Hrywnja, umgerechnet etwa 50 Milliarden Euro. Die “Initiative on GHG Accounting of War” schätzt, dass alleine in den ersten sieben Monaten des Kriegs rund 100 Millionen zusätzliche Tonnen an CO₂-Emissionen entstanden sind. Das entspricht den Emissionen der Niederlande im gleichen Zeitraum.
Derzeit deutet alles darauf hin, dass die Grundpfeiler der russischen Klimapolitik mehr oder weniger gleich bleiben:
Zudem setzt das Land stark auf die CO₂-Sequestrierung durch Wälder und bezieht sie und andere Ökosysteme stärker in die Emissionsberichterstattung ein. Das ist innerhalb der russischen und internationalen wissenschaftlichen Gemeinschaft umstritten, denn die Wälder sind immer mehr von Waldbränden und anderen negativen Auswirkungen des Klimawandels und einer nicht nachhaltigen Waldbewirtschaftung betroffen. Ihre Fähigkeit, CO₂ aus der Atmosphäre aufzunehmen und zu speichern, könnte auf lange Sicht abnehmen. Von Angelina Davydova, Berlin
Herr Gustafson, wie hat der russische Angriff auf die Ukraine die globale Energie- und Klimapolitik verändert?
Der Angriff ist ein Wendepunkt. Er beschleunigt dramatisch die Veränderung in der russischen Klima- und Energiepolitik, die ohnehin kommen wird – mit weit reichenden Auswirkungen über das Land hinaus.
Welche Veränderung meinen Sie konkret?
In meinem Buch “Klimat: Russia in the Age of Climate Change”, das drei Monate vor der Invasion erschienen ist, hatte ich vorhergesagt: Noch in den 2020er Jahren würde Russland mit seinem alternativlosen Wirtschaftsmodell als Öl- und Gasexporteur gut verdienen. Erst in den 30er Jahren sah ich die russische Wirtschaft durch die Auswirkungen der Klimapolitik und einer abnehmenden globalen Nachfrage nach fossilen Brennstoffen zunehmend unter Druck geraten. Das passiert nun bereits heute. Russland hat seine eigene wirtschaftliche Position untergraben und sich als zuverlässiger Partner aus der Energiepolitik verabschiedet.
Welchen Folgen hat das für Russland?
Europa befreit sich aus seiner Abhängigkeit von russischem Öl und Gas, und die Kosten für den Export steigen. Das heißt: Russland verdient immer weniger. Bisher stammt immerhin die Hälfte seines Staatshaushalts aus fossilen Quellen. Russland wird ärmer.
Im Moment nicht. Russland verdient durch die hohen Öl- und Gaspreise gutes Geld.
Das war 2022, aber das wird nicht so bleiben. Vor allem, weil Putin auf dem europäischen Markt praktisch Gas-Selbstmord begangen hat. Bei Öl gehen die russischen Exporterlöse zurück – weil die Preise auf dem Weltmarkt wieder sinken, aber vor allem, weil die Kosten für den Export durch das Ölembargo steigen. Russland zahlt jetzt doppelt so hohe Frachtraten für Öltanker wie vor dem Krieg. Sie müssen mit dem Öl um ganz Europa herum nach Indien oder durch die lange und gefährliche Nordostpassage. Die Profite sind dramatisch niedriger als vorher.
Wie sehr leidet die Wirtschaft darunter?
Das russische Wirtschaftssystem steht nicht vor dem Zusammenbruch. Aber es ist die Stunde der Wahrheit. Und die Wahrheit heißt: weniger Profite, weniger zu verteilen in einem Land, das ärmer wird, weniger politischer Spielraum in einem politisch und ökonomisch teuren Krieg. Putins Nachfolger werden damit zurechtkommen müssen, was er getan hat: diplomatisch und ökonomisch.
Ist das fossile Wirtschaftsmodell Russlands damit am Ende?
Nein und Ja. Nein, weil Russland immer einen wirtschaftlichen Vorteil daraus ziehen wird, fossile Brennstoffe und andere Rohstoffe zu exportieren. Ja, weil der Profit daraus weniger werden wird.
Sind sich die russischen Eliten darüber im Klaren?
Ja. In der Hinsicht hat sich schon in den fünf Jahren vor der Invasion viel geändert. In der russischen Politik-Blase gab es viele Menschen – Unternehmer, Journalisten, Berater, junge Politiker bis hin zum stellvertretenden Premier Alexander Nowak -, die immer deutlicher erkannt hatten, dass die Abhängigkeit vom Export der Fossilen keine wirkliche Zukunft hat. Aber mit Beginn des Kriegs sind alle diese Debatten vorbei. Niemand spricht mehr über Alternativen zum fossilen Modell, niemand spricht mehr über die Klimafrage.
Eine echte Klimadebatte, vergleichbar mit Europa oder den USA, gab es auch bisher nicht in Russland.
Es stimmt, die Debatte in den kleinen Zirkeln hatte keine großen praktischen Auswirkungen. Aber die Lage ist auch kompliziert.
Inwiefern?
In Russland schreitet die Erwärmung zweieinhalbmal schneller voran als im globalen Durchschnitt. Zugleich ist Russland deutlich weniger anfällig für die Folgen des Klimawandels als etwa die USA: Es wohnen weniger Menschen an der Küste. Die Waldbrände finden nicht in dicht besiedelten Räumen wie Kalifornien, sondern in Sibirien statt. Die Landwirtschaft wird unter Dürre leiden, aber es werden auch durch das Auftauen neue Böden frei für den Anbau.
Der auftauende Permafrost ist wirklich ein Problem. 70 Prozent der russischen Landmasse liegt im Permafrost-Gebiet, das schädigt die Infrastruktur, und diese Regionen werden von der Politik komplett vernachlässigt. Zugleich sind neue ökonomische Gewinne möglich, wenn die Arktis eisfrei wird. Die ganze Energieplanung richtet sich auf die großen Gas- und Ölfelder in der Arktis: das Yamal-Feld und das Wostok-Feld in Sibirien.
Profitiert Russland also netto vom Klimawandel, wie Putin manchmal behauptet?
Nein, das verhindern die externen Effekte in der globalen Wirtschaft: Die Profite aus dem Export von fossilen Energieträgern werden wegen der Klimapolitik sinken. Und jetzt durch das Embargo noch schneller.
Ist Russland als viertgrößter CO₂-Emittent der Welt ein Partner in der Lösung der Klimakrise?
Nein. Sie zeigten sich bei den COPs und sagen, wir sind grüner als alle anderen, denn wir haben so viel Wald und die Atomkraft. Und weil viele russischen Unternehmen etwa an der Londoner Börse notiert waren, mussten sie sich öffentlich mit diesen Fragen befassen. Aber das war keine Klimapolitik, sondern Propaganda. Und seit der Invasion ist auch das vorbei. Der Planungshorizont hat sich von Jahrzehnten auf den nächsten Monat verkürzt. Und weil Russland an der globalen Debatte über Klimapolitik nicht teilnimmt, kann es auch keinen Einfluss nehmen. Was in der Klimapolitik passiert, wird Russland genauso von außen treffen wie der Klimawandel. Und der wird 2050 ein entscheidender Faktor für Bevölkerung, Politik und Wirtschaft sein, wie auch anderswo. Aber anders als andere Länder ist Russland komplett unvorbereitet.
Wird Russland nach Putin ein Land nach den Fossilen sein?
Nein, Russland wird immer Öl exportieren, solange es jemand nachfragt. Denn welche Alternativen haben sie? Es gibt Landwirtschaft, Düngemittel, Atomkraft, Metalle, Waffen. Aber 2019, im letzten normalen Jahr, brachten diese Branchen Exporterlöse von etwa 60 Milliarden Dollar ein. Öl und Gas dagegen brachten zusammen mehr als 260 Milliarden.
Manche Leute sagen, man müsse Russland ein attraktives Angebot für eine Wirtschaft nach Putin und nach den Fossilen machen. Das Land hat riesige Potenziale für Erneuerbare oder den Export von grünem Wasserstoff. Sind solche Pläne realistisch?
Es stimmt, es gibt ein paar Grundlagen. Gazprom liebt die Wasserstoff-Geschichte, weil sie gut darin sind, mit Gasen zu hantieren. Und sie haben die CO₂-arme Energie, die Pipelines, das Gas, um daraus Wasserstoff zu machen. Rosatom liebt die Windgeschichte, denn sie wollen diversifizieren. Aber es gibt kein Geschäftsmodell für Erneuerbare in Russland. Das ist ein Binnenmarkt, auf dem Gas unschlagbar billig ist.
Kann es ein dekarbonisiertes Russland geben?
Ich sehe das nicht zu unseren Lebzeiten. Höchstens für Propaganda wie beim angeblichen grünen Wasserstoff und der Wiederaufforstung.
Thane Gustafson ist Professor für Politikwissenschaft an der Georgetown University in Washington, D.C.. Er arbeitet vor allem zur politischen Geschichte Russlands und der UdSSR und hat mehrere Bücher zur russischen Energie- und Klimapolitik veröffentlicht. Sie sind bei Harvard University Press erschienen.
Der Übergang Indiens zu einer kohlenstoffarmen Entwicklung und die gemeinsamen Anstrengungen zur Bekämpfung des Klimawandels werden ein wichtiger Bestandteil der Gespräche während des Besuchs von Bundeskanzler Olaf Scholz in Indien am 25. und 26. Februar sein. Das erklären indische und deutsche Regierungskreise.
Konkret werden Gespräche über Indiens Förderung eigener grüner Technologien erwartet, unter anderem Solar, Stromspeicher und Wasserstoff. Aber auch Fragen von Scholz “Klimaclub”, Modis “LiFE” -Lebensstil-Initiative und der Ausstieg aus den Fossilen sind Thema zwischen Deutschland und Indien. Das asiatische Land plant etwa, zum zweitgrößten Produzenten von Solartechnik zu werden. Alle diese Fragen gehörten zum “Kernbereich der deutsch-indischen Zusammenarbeit”, die man weiter verfolgen werde, heißt es in der Bundesregierung. Klima sei bei Besuchen in großen Volkswirtschaften ohnehin “immer ein Thema”.
Schon im Mai 2022 hatten Scholz und Premierminister Modi bei dessen Besuch in Berlin die Deutsch-Indische Partnerschaft für grüne und nachhaltige Entwicklung ins Leben gerufen. Sie soll:
Im Rahmen dieser Partnerschaft hat sich Deutschland verpflichtet, Indien mit mindestens zehn Milliarden Euro an neuen und zusätzlichen Zusagen bis 2030 zu unterstützen.
Seit dem Treffen zwischen Premierminister Modi und Bundeskanzler Scholz im Mai 2022 hat Indien:
Beim Rennen um die Zukunftsmärkte will Indien mithalten. Die EU hat ihren “Green Deal Industrial Plan” ausgerufen; die USA wollen mit ihrem 370-Milliarden-Dollar-Paket des “Inflation Reduction Act” (IRA) die grünen Industrien fördern. Und Indien hat das System der “produktionsbedingten Anreize” (Production linked Incentives, PLI) entwickelt. Es soll als neue Form der Staatshilfen den Aufbau etwa bei erneuerbaren Energien unterstützen. Statt fester Prozentsätze an Hilfen wie früher können Unternehmen Anreize im Verhältnis zu ihrer Produktion in Anspruch nehmen.
Ziel der neuen Förderlinien “ist es, dass Indien seine Verpflichtungen gegenüber der Welthandelsorganisation (WTO) besser erfüllen kann und dass die Regelung in Bezug auf Inlandsverkäufe und Exporte diskriminierungsfrei und neutral ist”, so Rajat Kathuria, Direktor und Geschäftsführer der politischen Denkfabrik Indian Council for Research on International Economic Relations (ICRIER)
Die PLI sollen auch die Produktion und den heimischen Verkauf von hocheffizienten PV-Modulen in Indien fördern. So sollen:
Fatih Birol, Chef der Internationalen Energieagentur IEA lobt denn auch: “Die produktionsgebundenen Anreize (PLI) in Indien ziehen viele in- und ausländische Investitionen für die PV-Herstellung an. Wenn ich mir die Zahlen für Indien anschaue, erwarten wir, dass die Produktionszahlen um mehr als das Zehnfache steigen werden. Die Regierungspolitik wird Indien zum zweitgrößten Standort für die PV-Herstellung machen.” Diese Einschätzung der IEA deckt sich mit den Prognosen der indischen Regierung.
PLI-Programme soll es auch für den Aufbau von Batteriespeichern geben. Die Kapazität soll auf 50 Gigawattstunden (GWh) ausgebaut werden. Auch der Einsatz von Batteriespeichern im Netzbereich soll beschleunigt werden. Außerdem soll der Stromsektor reformiert werden: Etwa sollen Gebühren und Subventionen pünktlicher gezahlt werden und mehr Wettbewerb im Verteilsektor zugelassen werden.
Auch für die Einführung von Elektroautos soll es PLI-Anreize geben. Dafür haben 26 Bundesstaaten eigene Maßnahmen und Ziele formuliert. Die Regierung hat mehrere Programme aufgelegt und mit viel Kapital ausgestattet, um den Verkehrssektor Richtung Elektro zu lenken. Unterstützen soll dabei auch die deutsch-indische Partnerschaft für umweltfreundliche urbane Mobilität, die 2019 ins Leben gerufen wurde.
Auch grüner Wasserstoff ist ein wichtiger Bestandteil von Indiens Plänen zur Dekarbonisierung, insbesondere im Hinblick auf den industriellen Wandel. Die Regierung genehmigte im Januar die National Green Hydrogen Mission mit einem anfänglichen Budget von knapp 190 Milliarden Rupien (etwa 2,2 Milliarden Euro). Bis 2030 sollen:
Scholz und Modi haben bereits vereinbart, einen deutsch-indischen Fahrplan für grünen Wasserstoff zu entwickeln, der auf den Vorschlägen der deutsch-indischen Taskforce für grünen Wasserstoff basiert. In diesem Bereich sind während des Besuchs des Bundeskanzlers Fortschritte zu erwarten.
Auf der COP26 in Glasgow stellte Premierminister Modi das Konzept “Lifestyle for the Environment (LiFE)” vor. Er rief die globale Gemeinschaft dazu auf, eine internationale Massenbewegung in Richtung “achtsame und bewusste Nutzung anstelle von gedankenlosem und zerstörerischem Konsum” anzustoßen, um die Umwelt zu schützen und zu erhalten. Indien treibt die Idee als G20-Vorsitz voran. Laut IEA könnte sie helfen, die Emissionslücke Richtung 1,5 Grad zu schließen.
Deutschland plant für die COP28 im Dezember eine Art formale Ankündigung zu den “Klimaclubs” und wünscht sich Partner außerhalb der G7, darunter Indien. Ein indischer Regierungsvertreter sagte, dass das Konzept und der Vorschlag derzeit geprüft werden. Der Schwerpunkt liegt dabei auf der Festlegung von Standards und Emissionsnormen für schwer zu dekarbonisierende Sektoren. Die Debatte könnte mit den indischen Bedenken zum europäischen CBAM verbunden werden.
Die indische Regierung arbeitet derzeit auch an einem Vorschlag für die “Just Energy Transition Partnership” (JETP). Wahrscheinlich geht es dabei um mehr erneuerbare Energien im Energiemix. Das Thema ist umstritten, aber klar ist: Ein JETP mit Indien wird, wenn es zustande kommt, ganz anders aussehen als die anderen bereits fertiggestellten. Bisher gibt es diese Partnerschaften mit Südafrika, Indonesien und Vietnam.
“Jedes der JETPs ist maßgeschneidert. So wird auch das JETP für Indien auf dessen Bedürfnisse zugeschnitten sein. Ein großer Teil meiner Arbeit hier besteht darin, zu hören, was für Indien von Interesse ist”, sagte die deutsche Klimabeauftragte und Staatssekretärin Jennifer Morgan bei einem Besuch in Indien im Gespräch mit Table.Media.
Ein mögliches weiteres Thema bei Scholz’ Indien-Besuch ist der indische Vorstoß auf internationaler Ebene zur Verminderung aller fossilen Brennstoffe. Das hatte die Modi-Regierung schon auf der COP27 in Sharm El-Sheikh formell vorgeschlagen. Deutschland und die EU waren grundsätzlich an einem gemeinsamen Vorgehen interessiert, scheiterten damit aber an der ägyptischen Konferenzführung. Indien ist nach wie vor sehr an diesem Thema interessiert.
Auf diese Gelegenheit haben viele Entwicklungs- und Klimapolitiker lange gewartet: Vergangene Woche kündigte der Präsident der Weltbankgruppe David Malpass an, er werde Ende Juni – ein Jahr vor Ablauf seiner fünfjährigen Amtszeit – von seinem Amt zurücktreten. Seitdem wird am Sitz der Bank in Washington nicht nur über mögliche Nachfolgerinnen und Nachfolger spekuliert. Wichtige Politiker fordern auch einen grundlegenden Kurswechsel.
Da der Weltbankchef traditionell von den USA berufen wird, wollen einige US-amerikanische Abgeordnete die neue Führung der Bank zu mehr Klimaschutz verpflichten. Reformer wie die Premierministerin von Barbados, Mia Mottley, fordern schon lange den Umbau des Finanzsystems. Und auch Deutschland, das hinter den Kulissen viele Jahre für eine Kurskorrektur geworben hat, legt eigene Ideen vor.
Die neue Führung müsse “die Bank zum zentralen ‘Change Agent’ für die anstehende sozial-ökologische Transformation der Weltwirtschaft machen”, erklärt Bundesentwicklungsministerin Svenja Schule (SPD), die Deutschland als Weltbank-Gouverneurin vertritt, gegenüber Table.Media. Die Bankengruppe müsse:
Schulze hatte bereits bei der Jahrestagung im Herbst zusammen mit anderen Anteilseignern die Weltbank zu solchen Änderungen aufgefordert. Mia Mottley fordert in ihrer “Bridgetown Initiative” seit 2022 einen umfassenden Umbau von Weltbank und Weltwährungsfonds (IWF) zu mehr Nachhaltigkeit. Zusammen mit Schulze schlug Mottley zusätzlich vor:
Kurz vor Malpass’ Rücktrittsankündigung hatte auch die US-Finanzministerin Janet Yellen stärkere Reformen angemahnt. Während seiner gesamten Amtszeit war Malpass, der 2019 von US-Präsident Donald Trump berufen wurde, Kritik ausgesetzt. Denn er unterstützte die Finanzierung fossiler Projekte in Entwicklungsländern und weigerte sich zunächst, die Verbrennung fossiler Rohstoffe als Ursache des Klimawandels zu benennen. Monatelang forderten Aktivisten und Politiker seinen Rücktritt.
In seinem Rücktrittsschreiben nannte Malpass keine Gründe für seine Entscheidung. Er betonte aber, die Bank habe während seiner Amtszeit Rekorde bei der Klimafinanzierung aufgestellt und einen Aktionsplan zum Klimawandel auf den Weg gebracht.
Die Weltbank vergibt Kredite zur Armutsbekämpfung an Länder mit niedrigem Einkommen. Obwohl sie erklärt hat, dass sie ihre Finanzierungsentscheidungen mit dem Pariser Klimaabkommen in Einklang bringen wird, hat sie sich nicht dazu verpflichtet, die Unterstützung für fossile Brennstoffe zu beenden. Laut einer NGO-Studie hat die Weltbank zwischen 2018 und 2020 insgesamt 5,7 Milliarden Dollar für die Finanzierung fossiler Brennstoffe bereitgestellt.
Abgeordnete des US-Kongresses fordern daher ebenfalls, “die Weltbank muss sich aktiv um einen neuen Präsidenten bemühen, der die Herausforderungen der bereits vom Klimawandel betroffenen Nationen versteht”. Die US-Senatoren Ed Markey, Elizabeth Warren und Martin Heinrich stellen dazu in einem Brief an den Vorstand mehrere Fragen:
Der neue Präsident oder die neue Präsidentin wird das Amt jedoch in Zeiten energiepolitischer Turbulenzen und des Ukraine-Kriegs übernehmen. Preise und Versorgung mit Erdöl und Erdgas sind fragil, der Verbrauch von fossilen Brennstoffen ist im vergangenen Jahr gestiegen. So erwägt etwa Deutschland nach Angaben von Oil Change International die Finanzierung von zehn internationalen Projekten für fossile Brennstoffe im Wert von einer Milliarde Euro. Dazu gehört auch die umstrittene Erkundung von Erdgas vor der Küste Senegals.
Einige Entwicklungsländer wollen daher Finanzmittel für die Erschließung ihrer eigenen Kohle-, Öl- und Gasvorkommen. Sie verweisen auf die fehlende Klimafinanzierung, wie sie sich im verpassten Ziel von 100 Milliarden US-Dollar jährlicher Hilfe seit 2020 zeigt. Auf der COP27 machten Länder wie Namibia deutlich, dass ohne Klimafinanzierung mehr fossile Brennstoffe notwendig seien, um der Energiearmut zu entkommen.
Gleichzeitig treibt die Inflation die Kreditkosten und schmälert den Wert der Kredite, wodurch eines der wertvollsten Instrumente der Weltbank geschwächt wird. Selbst wenn der nächste Weltbankchef energisch das Klimaproblem angehen will, werden seine Ambitionen an politische und wirtschaftliche Grenzen stoßen.
Als potenzielle Kandidatinnen und Kandidaten an der Spitze der Weltbank nennt die Financial Times derzeit:
Die Gelegenheit für Veränderungen in der Weltbank scheint mit einer neuen Führung günstig. Allerdings könnte der angekündigte Rückzug von Malpass die Dinge auch komplizierter machen, fürchten manche. Mit Malpass als “lahmer Ente” könnten bei der Frühjahrstagung der Bank erste Veränderungen blockiert werden und sich die Diskussion seine Nachfolge konzentrieren.
23. Februar, 15 Uhr, Berlin
Diskussion Opportunities of the European Green Deal for Africa’s private sector
Das Africa Policy Research Institute (APRI) und die Friedrich-Naumann-Stiftung organisieren diese Veranstaltung zu den Auswirkungen des Europäischen Green Deals auf Afrika. Infos
24. Februar, 18 Uhr, Rötha
Diskussion Klimawandel, Klimaanpassung und die Energiewende im Leipzig Südraum
Die Veranstaltung der Friedrich-Ebert-Stiftung rückt die lokalen Auswirkungen des Klimawandels in den Mittelpunkt. Zum Thema diskutieren Vertreterinnen und Vertreter aus Politik, Wissenschaft und Industrie. Infos
24. Februar, 19 Uhr, München
Podiumsdiskussion NO FUTURE? Migration und Flucht in der Klimakrise
Die Klimakrise wird bei Migrationsfragen immer relevanter. Wie sollte Migrationspolitik in diesem Zusammenhang aussehen? Das wird auf der Veranstaltung von Fridays for Future und der Bellevue di Monaco Sozialgenossenschaft eG diskutiert. Infos
27. Februar bis 3. März, Bonn
Akademie Acht Jahre nach dem Pariser Klimaschutzabkommen – Alles heiße Luft?
Die Akademie der Friedrich-Ebert-Stiftung zieht Bilanz zum Pariser Klimaschutzabkommen. Dabei wird unter anderem die Rolle der EU diskutiert. Welche Zwischenziele wurden erreicht? Wo gibt es die größten Defizite? Infos und Anmeldung
27. Februar, 16 Uhr, Online
Webinar Kommt die Zeitenwende für den Naturschutz?
Wie kann das Aktionsprogramm der Bundesregierung (ANK) zu den Zielen der EU und zu globalen Abkommen wie dem Weltnaturschutzvertrag (Global Biodiversity Framework) beitragen? Diese und weitere Fragen werden auf dem Webinar der Deutschen Umwelthilfe diskutiert. Infos und Anmeldung
28. Februar, 9.30 Uhr, Berlin
Kongress Bundeskongress genossenschaftliche Energiewende 2023
Der Deutscher Genossenschafts- und Raiffeisenverband (DGRV) und der Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen e. V. (GdW) diskutieren auf dem Kongress mit Vertretern und Vertreterinnen aus der Politik über die Rolle von Genossenschaften bei der Energiewende. Ein Schwerpunkt liegt auf aktiver Bürgerbeteiligung. Infos
28. Februar, 9.30 Uhr, online
Seminar The Packaging and Packaging Waste Regulation – The Role of Closed Loop Circularity
Ende November 2022 hatte die EU-Kommission einen Entwurf für eine neue Regelung von Verpackungen und Verpackungsmüll vorgestellt. Auf dem Seminar von Euractiv wird diskutiert, wie Kreislaufwirtschaft dazu beitragen kann, die enormen Mengen an Müll zu reduzieren. Infos
28. Februar – 1. März, Münster/ Online
Tagung Kreislaufwirtschaftstage Münster
Die 18. Kreislaufwirtschaftstage Münster finden unter der Schirmherrschaft des Bundesministers Robert Habeck in Präsenz in Münster sowie Online statt. Die Konferenz konzentriert sich auf das Thema “Sichere Energie- und Rohstoffversorgung und die Rolle der Kreislaufwirtschaft”. Infos
1. März, 18 Uhr, Apenburg-Winterfeld
Diskussion Energie vom Acker – Nutzungskonflikte vermeiden
Die Landesregierung von Sachsen-Anhalt hat im Februar 2022 beschlossen, dass Ackerflächen von minderer Qualität mit PV-Anlagen ausgerüstet werden dürfen. Doch das Thema birgt auch Konfliktpotential. Ziel der Veranstaltung der Friedrich-Ebert-Stiftung ist es deshalb, die unterschiedlichen Aspekte zu beleuchten, fachlich zu informieren, um Nutzungskonflikte zu vermeiden, und langfristige Lösungsmöglichkeiten in den Blick zu nehmen. Infos
1. März, 18.30 Uhr, Online
Workshop Nachhaltig wirken!
Bei dem Workshop der Konrad-Adenauer-Stiftung geht es um praktische Handlungsansätze im Ehrenamt für Nachhaltigkeit und Umweltschutz. Info
Der europäische CO₂-Preis hat am Dienstag erstmals die Schwelle von 100 Euro pro Tonne überschritten. Das neue Rekordhoch – für das Recht, innerhalb des europäischen Emissionshandelssystems (ETS) eine Tonne CO₂ zu emittieren – lag am Dienstagmittag bei 100,70 Euro. Es gilt als historisches und für Klimaschützer psychologisches Ereignis. “Das ist ein wichtiges Signal für Investitionen in den Klimaschutz: Das knapper werdende #CO2Budget spiegelt sich in den steigenden Preisen wider”, schrieb die Klimawissenschaftlerin Brigitte Knopf auf Twitter. Experten und Analysten sehen hohe CO₂-Preise als eines der wichtigsten Instrumente, die industrielle Transformation voranzutreiben. Allein seit Jahresbeginn ist der CO₂-Preis im ETS um 20 Prozent angestiegen.
2005 startete der ETS mit einer Pilotphase, in der Industrieanlagen und Energieerzeuger ihre CO₂-Zertifikate zunächst noch kostenlos bekamen, aber erstmals nach strengen Vorgaben Emissionsdaten erheben mussten. Dennoch sank der Preis auf null Euro. Erst ab 2008, als eine feste Emissionsobergrenze sowie konkrete Ziele für die Emissionssenkung festgelegt wurden, stieg der CO₂-Preis wieder. Vor allem das niedrige Ambitionsniveau des ETS und das Überangebot an CO₂-Zertifikaten auf dem Markt verhinderten, dass sich im System ein wirksames Preissignal für den Klimaschutz entwickeln konnte. Der Preis dümpelte fast ein Jahrzehnt vor sich hin.
Mit der ersten größeren Reform des ETS wurde 2018 ein neues Ziel eingeführt: Bis 2030 sollen die Emissionen um 40 Prozent sinken. Zudem sorgt eine verschärfte Marktstabilitätsreserve seither dafür, dass überschüssige Zertifikate vom Markt genommen werden. Auch wenn ein Überangebot an Emissionsrechten bestehen blieb, antizipierte der Markt, dass die Zeit des unwirksamen Emissionshandels zu Ende geht – der Preis stieg wieder.
Die Ankündigung des Green Deal und des überarbeiteten EU-Klimazieles von minus 55 Prozent Emissionen bis 2030 sorgte abermals für einen Preisanstieg. Auch auf die Vorstellung des Fit-for-55-Pakets mit weitreichenden Reformen des ETS und auf den Regierungswechsel in Berlin folgten teils enorme Preissprünge, die auf eine Überhitzung des Systems hinwiesen. Mit Beginn des russischen Angriffskrieges in der Ukraine stürzte der Preis allerdings ab. Seitdem unterliegt der Markt zwar großen Schwankungen und erreichte in den vergangenen vier Wochen schon mehrfach knapp die 100-Euro-Marke, doch im Durchschnitt steigt er stetig. Der Preis von 100 Euro pro Tonne CO₂ ist also nicht auf ein bestimmtes Ereignis zurückzuführen, sondern das Resultat der derzeitigen europäischen Klimapolitik und der Reformen des Systems. luk
Trotz Rekord-Gaspreisen und starken ökonomischen Anreizen zur Reduktion der Gasverluste sind die Methan-Emissionen im Energiesektor weiterhin sehr hoch. Das zeigt der Global Methane Tracker 2023 der Internationalen Energieagentur (IEA), der am Dienstag vorgestellt wurde. “Es gibt einige Fortschritte, aber die Methan-Emissionen sinken nicht schnell genug”, sagte IEA-Chef Fatih Birol bei der Vorstellung.
Der Bericht zeigt:
Fatih Birol beklagte, der Sektor habe im Jahr 2022 einen Rekordgewinn von rund vier Billionen US-Dollar eingefahren. “Mit nur drei Prozent dieses Geldes könnten die Methan-Emissionen um 75 Prozent gesenkt werden”, rechnete Birol vor. Ein Großteil des Gasverlustes könnte ohne große Kosten und mit bewährten Mitteln – beispielsweise der Feststellung von Lecks oder der Reparatur und Erneuerung von alter Infrastruktur – verhindert werden. Durch den Einsatz von Satelliten konnten besonders große Methan-Lecks um zehn Prozent reduziert werden. Auch das Abfackeln von Gas (Flaring) wurde nach ersten IEA-Schätzungen global reduziert.
Die NGO Environmental Investigation Agency (EIA) kritisiert in einem Bericht die Untätigkeit der EU bei der Reduktion von Methan-Emissionen aus importierten Rohstoffen, wodurch die EU-Klimaziele gefährdet seien. Die EU importiert einen Großteil ihrer fossilen Energierohstoffe. Laut Schätzungen der NGO kommt es bei der Produktion dieses Erdgases, der Kohle und des Öls sowie beim Transport regelmäßig zu Methan-Austritten. Demnach waren importierte fossile Energien 2020 für Methanemissionen in Höhe von über acht Millionen Tonnen verantwortlich. Das sei vergleichbar mit 200 Millionen Tonnen CO₂ oder dem jährlichen CO₂-Ausstoß von 54 Kohlekraftwerken. Methan ist kurzfristig ein viel klimaschädlicheres Treibhausgas.
Das meiste Methan tritt laut EIA-Angaben bei der Produktion und dem Import aus Russland aus. Allerdings weist auch US-Gas keine viel bessere Methan-Bilanz auf. Einzig Gas aus Norwegen schneidet besser ab. Insgesamt dürfte der Ersatz russischen Gases durch Gas aus den USA und Norwegen jedoch nur zu einer geringen Verminderung der Methan-Emissionen beigetragen haben. Flüssigerdgas aus Katar und Australien sei laut EIA sogar für 60 bis 175 Prozent mehr Methan-Emissionen verantwortlich als russisches Gas.
Die NGO kritisiert den Vorschlag der EU-Kommission für eine Methan-Regulierung. Der Kommissionsvorschlag sehe keine Pflichten vor, die Methan-Emissionen aus importierten Energierohstoffen zu messen, darüber zu berichten oder sie zu senken, so die EIA. Die NGO fordert, die Importeure fossiler Brennstoffe müssten:
Marktteilnehmer, die sich nicht an diese Vorgaben halten, sollten auf dem EU-Markt keine Rohstoffe verkaufen dürfen, fordert die EIA. “Die technischen Voraussetzungen für die Umsetzung strenger Vorschriften in der gesamten Lieferkette sind zu geringen Kosten vorhanden”, so das Fazit der NGO. Das EU-Parlament müsse die Methan-Regulierung der Kommission nachschärfen. nib
Russlands Angriffskrieg auf die Ukraine hat teils große Auswirkungen auf die Wissenschaftskooperation und die Zusammenarbeit im Bereich des Klimawandels. Eine Erhebung des Research.Table zeigt:
Unter den 50 am stärksten vom Klimawandel bedrohten Regionen weltweit liegen überwiegend Provinzen und Städte in China, den USA und Indien. Ein weltweites Ranking der im Jahr 2050 am stärksten durch Extremwetterereignisse bedrohten Regionen zeigt, dass allein 16 der 20 meistgefährdeten Gebiete in China liegen. Die Küstenprovinz Jiangsu, auf die ein Zehntel der chinesischen Wirtschaftsleistung entfällt, gilt als am stärksten gefährdetes Gebiet. Gefolgt vom benachbarten Shandong und der großen Stahlproduktionsregion Hebei.
In den USA wurden Florida (10), Kalifornien (19) und Texas (20) am höchsten eingestuft. Das pakistanische Punjab (18) sowie die indischen Provinzen Bihar (22) und Uttar Pradesh (25) gelten ebenfalls als besonders stark gefährdet.
Der Datensatz der Klimarisikoanalysten der Cross Dependency Initiative (XDI) vergleicht über 2.600 Staaten und Provinzen auf der ganzen Welt anhand von Modellprognosen für Schäden an Gebäuden und Grundstücken, die auf den Klimawandel zurückzuführen sind. Darunter:
Die Analyse bezieht sich auf die wahrscheinlichen Schäden bei einem Temperaturanstieg von drei Grad im Vergleich zum vorindustriellen Niveau – vom Weltklimarat IPCC als Worst-Case-Szenario beschrieben.
Die Prognosen von XDI gehen davon aus, dass extreme Wetterereignisse in diesen Regionen in den kommenden Jahren zunehmen werden. Guangzhous Hauptstadt Guangdong gilt mit dem Anstieg des Meeresspiegels bis 2050 demnach als “wirtschaftlich am stärksten gefährdete Stadt der Welt.”
Europa bekommt im globalen Vergleich zwar weniger Auswirkungen zu spüren, doch auch in Deutschland, Belgien und Italien zählen Gebiete zu den vulnerabelsten 100 Regionen. Niedersachsen (56), Flandern (64) und Venetien (74) wurden am höchsten eingestuft. Auch die Lombardei (117), Bayern (164) und die Metropolregion London (263) landen unter den gefährdetsten Regionen Europas. Somit liegen in den betroffenen Gebieten auch europäische Großstädte wie London, München, Mailand und Antwerpen. ari/luk
Seit Mittwoch gibt es in Indonesien einen CO₂-Emissionsmarkt für Kohlekraftwerke. Zunächst sind Kraftwerke mit einer Kapazität von mindestens 100 Megawatt verpflichtet, daran teilzunehmen. Wie Reuters berichtet, betrifft der CO₂-Handel damit 99 Anlagen mit einer Gesamtkapazität von 33 Gigawatt. Sie haben Emissionsquoten in Höhe von insgesamt 20 Millionen Tonnen CO₂ zugeteilt bekommen.
Die indonesische Regierung erwartet, dass der CO₂-Preis anfangs zwischen zwei und 18 US-Dollar je Tonne CO₂ rangiert. Es gibt Pläne, den Handel in Zukunft auf kleinere, fossile Kraftwerke auszuweiten.
Indonesien hat bereits Erfahrung mit einem freiwilligen CO₂-Handel für Kohlekraftwerke gesammelt. Im Jahr 2022 hatte das Land seine Klimaziele leicht verschärft. Statt einer Emissionsreduktion um 29 beziehungsweise 41 Prozent mit internationaler Unterstützung, wie 2015 zugesagt, sehen die Ziele nun vor, den Treibhausgasausstoß bis 2030 um fast 32 Prozent beziehungsweise 43 Prozent mit internationaler Unterstützung zu senken. Die G7-Staaten haben dem Land letztes Jahr im Rahmen einer “Partnerschaft zur gerechten Energiewende” (JETP) 20 Milliarden Dollar für einen schnelleren Kohleausstieg in Aussicht gestellt. nib
Als nachhaltig beworbene Fonds sind zuletzt deutlich CO₂-lastiger geworden, weil sie mehr Anlagegelder in fossile Unternehmen investiert haben. Das ist das Ergebnis einer am Dienstag veröffentlichten Studie der NGO Finanzwende. Sie untersuchte Portfolio-Bewegungen von 2.434 aktiv gemanagten und in Europa erhältlichen Fonds, die nach Artikel 8 und Artikel 9 der Sustainable Finance Disclosure Regulation (SDFR) als nachhaltig vermarktet werden dürfen.
Die Autoren der Studie verglichen die Portfolios zum Zeitpunkt Ende Dezember 2021 mit dem Zeitpunkt März 2022, also vor und kurz nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine am 24.2.2022. In dieser Zeitspanne seien die untersuchen Portfolios um 7,9 Prozent CO₂-intensiver geworden, schreiben die Autoren Alison Schultz und Magdalena Senn. Ihr Fazit: Das Greenwashing in vermeintlich nachhaltigen Fonds habe in Reaktion auf Techflaute, Ukrainekrise und Energiekrise “zugenommen”.
Unter dem Strich schnitten nachhaltige Fonds bei der Performance zuletzt deutlich schlechter ab als konventionelle Fonds. Zudem änderte sich die EU-Regulatorik am grünen Anlagemarkt, weswegen viele Anbieter Fonds aus der strengeren Artikel-9-Kategorie in die weniger strenge Artikel-8-Kategorie herabstuften. Vor allem Artikel-8-Fonds hätten Energieaktien gekauft und Tech-Aktien abgestoßen, um weiterhin Renditem einfahren zu können. Nur wenige Fonds seien über den gesamten Untersuchungszeitraum gar nicht in fossile Energie investiert gewesen.
Allerdings sei die Wirkung von nachhaltigen Geldanlagen, besonders von Aktienfonds, für die Transformation begrenzt, heißt es bei Finanzwende. Erheblich wichtiger seien adäquate politischen Rahmenbedingungen, eine nachhaltige Industriepolitik und die Bepreisung von CO₂. Denn eine solche Politik führe dazu, dass klimaschädliche Investitionen automatisch unrentabel würden “und eine nachhaltige Geldanlage die Regel”. cd
Die USA haben die zweite Phase eines Projekts zur Grundlagenforschung im Bereich solares Geoengineering gestartet. Dabei werden noch keine Partikel oder Gase in die Atmosphäre eingebracht. Vielmehr will die U.S. National Oceanic and Atmospheric Administration (NOAA) die Zusammensetzung der Stratosphäre genau erforschen. Die NOAA will dazu demnächst Stratosphärenflüge abhalten.
Viele wissenschaftliche Instrumente werden dabei erstmals eingesetzt. Dadurch lässt sich die natürliche Zusammensetzung der Stratosphäre in bisher nicht erreichter Detailtiefe erforschen, so ein Bericht von Science. “Man muss erst wissen, was da ist, bevor man daran herumwerkeln kann”, wird die NOAA-Wissenschaftlerin Karen Rosenlof zitiert.
Der US-Kongress hatte das NOAA-Forschungsprogramm im Jahr 2020 bewilligt. Es stehen jährlich zehn Millionen US-Dollar zur Verfügung. Bisher seien viele US-Bundesbehörden davor zurückgeschreckt, zum Thema Geoengineering zu forschen. Im März 2022 beauftragte der Kongress das Büro für Wissenschafts- und Technologiepolitik des Weißen Hauses mit der Ausarbeitung eines Forschungsplans. Details dazu wurden laut Science noch nicht veröffentlicht. nib
Zum Beginn der Fastenzeit ruft die ökumenische Aktion Klimafasten dazu auf, den eigenen Alltag klimafreundlicher zu gestalten. Unter dem Motto “Soviel du brauchst…” beteiligen sich 14 evangelische Landeskirchen, neun katholische Bistümer und Diözesanräte sowie die Hilfswerke Brot für die Welt und Misereor an dem Vorhaben.
Die Aktion soll die Chance bieten, Routinen zu überdenken, Neues auszuprobieren, und möglichst viele Elemente eines “schöpfungsfreundlichen” Lebensstils in den Alltag zu übernehmen. In jeder der sieben Wochen bis Ostern geht es dabei um ein anderes Thema, beispielsweise Energieverbrauch, Mobilität oder Artenvielfalt – und um die Frage, was man zum Glücklichsein braucht. ae
Es hat einige Jahre gedauert, aber mittlerweile ist der europäische Emissionshandel zu einem wirksamen Klimainstrument geworden. In dieser Woche hat der Preis für eine Tonne CO₂ die “magische Grenze” von 100 Euro überschritten. Florian Rothenberg verfolgt den Handel genau. Er ist Emissionshandels-Analyst beim Informationsdienst Independent Commodity Intelligence Services (ICIS) in Karlsruhe. Laut Rothenberg ist der hohe Preis “ein starker Antrieb für einen schnellen Ausbau von erneuerbaren Energien”. Sollte der Gaspreis bald weiter sinken, mache der hohe CO₂-Preis “einen Großteil der Kohleverstromung in Europa bald unrentabel”, so der Handelsexperte. Allerdings müsse man abwarten. “Das Preislevel muss sich auch erstmal bei 100 Euro etablieren”, so Rothenberg.
Während eines ersten Telefonats mit Table.Media hat sich Rothenberg eine Wolldecke umgehängt. Denn die Energiekrise beschäftigt ihn nicht nur beruflich; auch privat sind die hohen Energiepreise ein Thema für ihn: Weil er den Energiespar-Wettbewerb der Stadtwerke Karlsruhe gewinnen und seinen Verbrauch um mindestens 20 Prozent senken will, heizt er kaum noch und duscht kalt. Und zieht sich bei der Arbeit im Homeoffice eben warm an. Bis Ende März läuft der Wettbewerb noch, dann wird abgerechnet.
Im Job beschäftigt sich Rothenberg aktuell vor allem mit der Frage, wie sich der Einmarsch Russlands in die Ukraine auf den europäischen Emissionshandel und die Energiemärkte auswirkt.
Viele Marktteilnehmer, auch Rothenbergs Kunden, hatten zu Beginn des Kriegs befürchtet, dass die Politik den Emissionshandel vorübergehend aussetzt – die Preise für Strom und für Verschmutzungsrechte waren einfach zu stark gestiegen. “Vertrauen ist in dem Markt aber sehr wichtig”, sagt Rothenberg. Wenn ein Industriebetrieb jetzt Zertifikate für die kommenden zehn Jahre kaufe, müsse er sicher sein, dass es das System des Emissionshandels dann auch noch gebe.
Am Ende gab es einen Kompromiss, das Frontloading. Kurzfristig kommen mehr Zertifikate auf den Markt, die Unternehmen nun kaufen können, zukünftig dafür weniger. Dadurch habe man erreicht, dass der Emissionshandel kein Kollateralschaden der Energiekrise geworden sei, sagt der Experte. “Im Vergleich zu anderen Märkten wie dem Strom- oder dem Gasmarkt ist er glimpflich davongekommen.”
Seit sechs Jahren arbeitet der 28-jährige Rothenberg bei ICIS, und langweilig werde ihm dabei nicht, sagt er. Er hat Wirtschaftsingenieurwesen in Karlsruhe studiert, und dort ist es normal, dass man irgendwann von ICIS hört. “Emissionshandel bleibt eine Nische, und daher ist ICIS nicht allen Studierenden bekannt”, sagt Rothenberg. “Aber wer sich mit Energiewirtschaft beschäftigt, stolpert über uns.”
Kernthemen des Analysten sind Energiemärkte und Dekarbonisierung. Besonders spannend findet er, dass das Thema CO₂ “überall” sei: Ich muss sehr schnell verstehen, wo Energie gebraucht und verbraucht wird – und inwiefern das den Emissionshandel betrifft.”
Um diese Fragen zu beantworten, informiert er sich ständig über Trends, die die Märkte beeinflussen könnten, und sammelt Daten zu Nachfrage und Angebot von Verschmutzungszertifikaten. Er untersucht, wie sich Preise bilden, warum sie sinken oder steigen. Seine Analysen hält er in mathematischen Modellen fest, diskutiert die Ergebnisse mit Kolleginnen und Kollegen und dann mit seinen Kunden.
Der Green Deal der EU ist zurzeit ein wichtiges Thema für ihn. “Die große Frage ist, zu welchem CO₂-Preis Europa Net-Zero erreichen kann“, sagt Florian Rothenberg. Dabei geht es nicht um einen konkreten Euro-Betrag, sondern um einen Preispfad. Denn der ist einer der wichtigsten Entscheidungsfaktoren für Industrieunternehmen, um in Klimaschutz zu investieren.
Klimaforscherinnen und Klimaforscher kritisieren, dass die Ziele der EU nicht weit genug gehen. “Das ist wahrscheinlich richtig, doch ambitioniertere Ziele hätten schon vor fünf bis zehn Jahren angestoßen werden müssen”, sagt Rothenberg. “Für die Wirtschaft ist es ein Riesenschritt, bis zum Jahr 2030 die EU-Emissionen um 55 Prozent zu senken, denn sie braucht unglaublich lange, um sich umzubauen.”
Sein eigener CO₂-Fußabdruck, gibt Rothenberg zu, ist “wahrscheinlich deutlich schlechter als der Weltdurchschnitt”. Denn er reist gerne und fliegt dafür auch mit dem Flugzeug. Immerhin nimmt er die Bahn, wenn er geschäftlich unterwegs ist, um Emissionen einzusparen. “Ich glaube, dass jeder einen kleinen Teil gegen den Klimawandel unternehmen kann und auch sollte.” Patricia Hoffhaus
seit einem Jahr ist die Welt eine andere: Der brutale Überfall der russischen Armee auf die Ukraine am 24. Februar 2022 hat nicht nur dieses Land und seine Menschen in Not und Leid gestürzt. Er hat auch Strukturen und Vertrauen beschädigt, die etwa für die Klimapolitik zentral sind. Zum Jahrestag dieser Zeitenwende schreiben wir deshalb darüber, wie Moskaus Energie- und Klimapolitik immer weiter die Klimakrise anheizt; wie Russland selbst darunter leidet; wie das Geschäftsmodell des Landes schwankt, das auf Export von Öl und Gas setzt; und wie die internationale Klimaforschung dadurch erschwert wird.
Auch in der Weltbank steht eine Zeitenwende an. Dafür arbeiten jedenfalls viele, die hoffen, dass ein neuer Präsident diese mächtige Institution aus Washington auf mehr Nachhaltigkeit und effektiven Klimaschutz trimmt. Wir liefern dazu Hintergründe, genauso wie zur Indien-Reise des Bundeskanzlers: Da spielt Klimapolitik in Gestalt von Industriepolitik eine wichtige Rolle. Denn Indien will sich ebenso wie die EU, China und die USA seinen Anteil an den Zukunftsmärkten sichern – und legt ebenfalls ein Milliardenprogramm zur Unterstützung der heimischen grünen Industrien auf. Und Indonesien beginnt mit einem Emissionshandel – während bei genau diesem Instrument in der EU der CO₂-Preis zum ersten Mal die 100-Euro-Marke erreicht.
Wir wünschen spannende Lektüre bei diesen Entwicklungen aus der ganzen Welt.
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Behalten Sie einen langen Atem!
Russlands Einmarsch in der Ukraine hat auch seine Klimapolitik verändert. Im April 2022 hatten einige Parlamentarier – unter ihnen Sergej Mironow, Chef und Duma-Fraktionsvorsitz der Partei Gerechtes Russland – als Antwort auf die westlichen Sanktionen sogar gefordert, Russland solle aus dem Pariser Klimaabkommen austreten. Das Land ist der viertgrößte Emittent von Treibhausgasen weltweit. Russland blieb schließlich Teil des Abkommens, obwohl Mironow seine Forderung wiederholte.
Ein Ausstieg hätte dem Klimaschutz und der Klimaforschung im Land noch mehr geschadet, als es der Krieg ohnehin tut. Doch Russland bemüht sich, in der globalen Klimadiplomatie aktiv und sichtbar zu bleiben. Auf der COP27 erklärten Vertreter der russischen Politik und Wirtschaft, sie sähen die Klimakrise als eine Möglichkeit der internationalen Zusammenarbeit. “Ohne Russland kann die Welt ihre Klimaprobleme nicht lösen”, sagte beispielsweise Wjatscheslaw Fetisow, Duma-Abgeordneter und Vorsitzender der Allrussischen Gesellschaft für Naturschutz, in Sharm el-Sheikh.
Allerdings schenkt man jetzt der Zusammenarbeit mit nicht-westlichen Ländern mehr Aufmerksamkeit. Russland versucht noch stärker als vor dem Krieg, Partnerschaften mit den Ländern des globalen Südens aufzubauen, indem es die globalisierungskritische und antiwestliche Karte spielt. Regelmäßig gibt es Aufrufe, etwa von Ilja Torosow, dem Ersten Stellvertretenden Minister für wirtschaftliche Entwicklung, oder Alexander Schokhin, dem Präsident der Russischen Union der Industriellen und Unternehmer, den “westlichen Richtlinien” in Klimafragen nicht zu folgen und eine eigene “souveräne” Klimaagenda zu entwickeln.
Sie folgen der Hoffnung, Investitionen aus befreundeten Ländern wie China, Indien oder den arabischen Staaten könnten die wegfallenden westlichen Investitionen ersetzen. Denn westliche Investoren in klimafreundliche Technik haben sich zurückgezogen oder ihre Pläne auf Eis gelegt. Und die Klimawissenschaft leidet unter dem Stopp vieler Kooperationsprogramme mit dem Westen.
Schon vor dem Krieg waren die russischen Pläne zur Emissionsreduzierung wenig ehrgeizig. Die Regierung verfolgt das Ziel, bis 2060 netto null Emissionen zu erreichen.
Seit 1990 ist der Treibhausgasausstoß im Land gefallen, vor allem aufgrund des wirtschaftlichen Abschwungs. Bis 2012 schrumpften die Emissionen bereits um ein Drittel. Die CO₂-Absorption durch Wälder war da noch nicht berücksichtigt. Derzeit liegen die Emissionen etwa 30 Prozent unter dem Niveau von 1990. Bezieht man die Senkenleistung der Wälder mit ein, sind es sogar minus 50 Prozent. Diese Rechnung ist allerdings im UN-System umstritten. Für das Jahr 2030 hat sich die russische Regierung ein Minus von 30 Prozent zum Ziel gesetzt. Berechnet man die CO₂-Absorption durch die Wälder mit ein, dürften die Emissionen in den kommenden Jahren, gemessen am 2030er-Ziel, sogar steigen.
Der Druck für mehr Klimaschutz kam vor allem von Experten und Aktivisten – und von einigen Unternehmen, insbesondere jenen, deren Produkte von den CBAM-Regeln der EU betroffen gewesen wären. Insgesamt hatte die Aussicht auf den CO₂-Grenzausgleich die russische Klimadebatte in Wirtschaft und Politik in den Jahren 2020 und 2021 stark intensiviert.
Heute gibt es zwar immer noch Unternehmen, die weiterhin erklären, Projekte zur Emissionsreduzierung durchzuführen, und die hoffen, die internationale Zusammenarbeit in dem Bereich auszubauen. Unter ihnen sind Firmen aus der Metall-, Holz- und Düngemittelbranche, aber auch Unternehmen aus dem Öl- und Gassektor – also vor allem Exportunternehmen.
Doch die westlichen Geschäftspartner und Investitionen fehlen. Und andere russische Unternehmen, vor allem aus dem Ölsektor, nutzen die aktuelle Lage, um von der Regierung eine Aufweichung von Umweltschutznormen zu verlangen. Angesichts der westlichen Sanktionen erhöhen sie ihren Druck.
Das Ministerium für wirtschaftliche Entwicklung hat bereits angedeutet, dass es den russischen Plan zur Umsetzung einer kohlenstoffarmen Entwicklungsstrategie bis 2050 überprüfen und womöglich ändern könnte. In dieser Sache ist noch nichts entschieden.
Aber eine Reihe von anderen Vorschriften aus den vergangenen Monaten schwächen die ohnehin schon unzureichende Klimapolitik des Landes weiter. So wurden:
Wie sich das auf die Emissionen des Landes auswirkt, lässt sich noch nicht beurteilen. Die Statistiken für 2022 sind noch nicht veröffentlicht. Insgesamt besteht die Tendenz, den öffentlichen Zugang zu vielen Regierungsdaten zu sperren. In einigen der jüngsten Szenario-Projektionen, die sich mit den künftigen Emissionen Russlands befassen, wird zwar erwähnt, dass es für das Land schwieriger sein könnte, genügend Finanzmittel und Technologien zu finden, um die Emissionen zu senken. Dennoch könnte der Treibhausgasausstoß aufgrund des wirtschaftlichen Abschwungs zurückgehen – so ähnlich wie es in den 90er Jahren schon einmal passierte.
In der Ukraine schätzt die Regierung die Umweltschäden durch den Krieg derweil auf 1,896 Billionen Hrywnja, umgerechnet etwa 50 Milliarden Euro. Die “Initiative on GHG Accounting of War” schätzt, dass alleine in den ersten sieben Monaten des Kriegs rund 100 Millionen zusätzliche Tonnen an CO₂-Emissionen entstanden sind. Das entspricht den Emissionen der Niederlande im gleichen Zeitraum.
Derzeit deutet alles darauf hin, dass die Grundpfeiler der russischen Klimapolitik mehr oder weniger gleich bleiben:
Zudem setzt das Land stark auf die CO₂-Sequestrierung durch Wälder und bezieht sie und andere Ökosysteme stärker in die Emissionsberichterstattung ein. Das ist innerhalb der russischen und internationalen wissenschaftlichen Gemeinschaft umstritten, denn die Wälder sind immer mehr von Waldbränden und anderen negativen Auswirkungen des Klimawandels und einer nicht nachhaltigen Waldbewirtschaftung betroffen. Ihre Fähigkeit, CO₂ aus der Atmosphäre aufzunehmen und zu speichern, könnte auf lange Sicht abnehmen. Von Angelina Davydova, Berlin
Herr Gustafson, wie hat der russische Angriff auf die Ukraine die globale Energie- und Klimapolitik verändert?
Der Angriff ist ein Wendepunkt. Er beschleunigt dramatisch die Veränderung in der russischen Klima- und Energiepolitik, die ohnehin kommen wird – mit weit reichenden Auswirkungen über das Land hinaus.
Welche Veränderung meinen Sie konkret?
In meinem Buch “Klimat: Russia in the Age of Climate Change”, das drei Monate vor der Invasion erschienen ist, hatte ich vorhergesagt: Noch in den 2020er Jahren würde Russland mit seinem alternativlosen Wirtschaftsmodell als Öl- und Gasexporteur gut verdienen. Erst in den 30er Jahren sah ich die russische Wirtschaft durch die Auswirkungen der Klimapolitik und einer abnehmenden globalen Nachfrage nach fossilen Brennstoffen zunehmend unter Druck geraten. Das passiert nun bereits heute. Russland hat seine eigene wirtschaftliche Position untergraben und sich als zuverlässiger Partner aus der Energiepolitik verabschiedet.
Welchen Folgen hat das für Russland?
Europa befreit sich aus seiner Abhängigkeit von russischem Öl und Gas, und die Kosten für den Export steigen. Das heißt: Russland verdient immer weniger. Bisher stammt immerhin die Hälfte seines Staatshaushalts aus fossilen Quellen. Russland wird ärmer.
Im Moment nicht. Russland verdient durch die hohen Öl- und Gaspreise gutes Geld.
Das war 2022, aber das wird nicht so bleiben. Vor allem, weil Putin auf dem europäischen Markt praktisch Gas-Selbstmord begangen hat. Bei Öl gehen die russischen Exporterlöse zurück – weil die Preise auf dem Weltmarkt wieder sinken, aber vor allem, weil die Kosten für den Export durch das Ölembargo steigen. Russland zahlt jetzt doppelt so hohe Frachtraten für Öltanker wie vor dem Krieg. Sie müssen mit dem Öl um ganz Europa herum nach Indien oder durch die lange und gefährliche Nordostpassage. Die Profite sind dramatisch niedriger als vorher.
Wie sehr leidet die Wirtschaft darunter?
Das russische Wirtschaftssystem steht nicht vor dem Zusammenbruch. Aber es ist die Stunde der Wahrheit. Und die Wahrheit heißt: weniger Profite, weniger zu verteilen in einem Land, das ärmer wird, weniger politischer Spielraum in einem politisch und ökonomisch teuren Krieg. Putins Nachfolger werden damit zurechtkommen müssen, was er getan hat: diplomatisch und ökonomisch.
Ist das fossile Wirtschaftsmodell Russlands damit am Ende?
Nein und Ja. Nein, weil Russland immer einen wirtschaftlichen Vorteil daraus ziehen wird, fossile Brennstoffe und andere Rohstoffe zu exportieren. Ja, weil der Profit daraus weniger werden wird.
Sind sich die russischen Eliten darüber im Klaren?
Ja. In der Hinsicht hat sich schon in den fünf Jahren vor der Invasion viel geändert. In der russischen Politik-Blase gab es viele Menschen – Unternehmer, Journalisten, Berater, junge Politiker bis hin zum stellvertretenden Premier Alexander Nowak -, die immer deutlicher erkannt hatten, dass die Abhängigkeit vom Export der Fossilen keine wirkliche Zukunft hat. Aber mit Beginn des Kriegs sind alle diese Debatten vorbei. Niemand spricht mehr über Alternativen zum fossilen Modell, niemand spricht mehr über die Klimafrage.
Eine echte Klimadebatte, vergleichbar mit Europa oder den USA, gab es auch bisher nicht in Russland.
Es stimmt, die Debatte in den kleinen Zirkeln hatte keine großen praktischen Auswirkungen. Aber die Lage ist auch kompliziert.
Inwiefern?
In Russland schreitet die Erwärmung zweieinhalbmal schneller voran als im globalen Durchschnitt. Zugleich ist Russland deutlich weniger anfällig für die Folgen des Klimawandels als etwa die USA: Es wohnen weniger Menschen an der Küste. Die Waldbrände finden nicht in dicht besiedelten Räumen wie Kalifornien, sondern in Sibirien statt. Die Landwirtschaft wird unter Dürre leiden, aber es werden auch durch das Auftauen neue Böden frei für den Anbau.
Der auftauende Permafrost ist wirklich ein Problem. 70 Prozent der russischen Landmasse liegt im Permafrost-Gebiet, das schädigt die Infrastruktur, und diese Regionen werden von der Politik komplett vernachlässigt. Zugleich sind neue ökonomische Gewinne möglich, wenn die Arktis eisfrei wird. Die ganze Energieplanung richtet sich auf die großen Gas- und Ölfelder in der Arktis: das Yamal-Feld und das Wostok-Feld in Sibirien.
Profitiert Russland also netto vom Klimawandel, wie Putin manchmal behauptet?
Nein, das verhindern die externen Effekte in der globalen Wirtschaft: Die Profite aus dem Export von fossilen Energieträgern werden wegen der Klimapolitik sinken. Und jetzt durch das Embargo noch schneller.
Ist Russland als viertgrößter CO₂-Emittent der Welt ein Partner in der Lösung der Klimakrise?
Nein. Sie zeigten sich bei den COPs und sagen, wir sind grüner als alle anderen, denn wir haben so viel Wald und die Atomkraft. Und weil viele russischen Unternehmen etwa an der Londoner Börse notiert waren, mussten sie sich öffentlich mit diesen Fragen befassen. Aber das war keine Klimapolitik, sondern Propaganda. Und seit der Invasion ist auch das vorbei. Der Planungshorizont hat sich von Jahrzehnten auf den nächsten Monat verkürzt. Und weil Russland an der globalen Debatte über Klimapolitik nicht teilnimmt, kann es auch keinen Einfluss nehmen. Was in der Klimapolitik passiert, wird Russland genauso von außen treffen wie der Klimawandel. Und der wird 2050 ein entscheidender Faktor für Bevölkerung, Politik und Wirtschaft sein, wie auch anderswo. Aber anders als andere Länder ist Russland komplett unvorbereitet.
Wird Russland nach Putin ein Land nach den Fossilen sein?
Nein, Russland wird immer Öl exportieren, solange es jemand nachfragt. Denn welche Alternativen haben sie? Es gibt Landwirtschaft, Düngemittel, Atomkraft, Metalle, Waffen. Aber 2019, im letzten normalen Jahr, brachten diese Branchen Exporterlöse von etwa 60 Milliarden Dollar ein. Öl und Gas dagegen brachten zusammen mehr als 260 Milliarden.
Manche Leute sagen, man müsse Russland ein attraktives Angebot für eine Wirtschaft nach Putin und nach den Fossilen machen. Das Land hat riesige Potenziale für Erneuerbare oder den Export von grünem Wasserstoff. Sind solche Pläne realistisch?
Es stimmt, es gibt ein paar Grundlagen. Gazprom liebt die Wasserstoff-Geschichte, weil sie gut darin sind, mit Gasen zu hantieren. Und sie haben die CO₂-arme Energie, die Pipelines, das Gas, um daraus Wasserstoff zu machen. Rosatom liebt die Windgeschichte, denn sie wollen diversifizieren. Aber es gibt kein Geschäftsmodell für Erneuerbare in Russland. Das ist ein Binnenmarkt, auf dem Gas unschlagbar billig ist.
Kann es ein dekarbonisiertes Russland geben?
Ich sehe das nicht zu unseren Lebzeiten. Höchstens für Propaganda wie beim angeblichen grünen Wasserstoff und der Wiederaufforstung.
Thane Gustafson ist Professor für Politikwissenschaft an der Georgetown University in Washington, D.C.. Er arbeitet vor allem zur politischen Geschichte Russlands und der UdSSR und hat mehrere Bücher zur russischen Energie- und Klimapolitik veröffentlicht. Sie sind bei Harvard University Press erschienen.
Der Übergang Indiens zu einer kohlenstoffarmen Entwicklung und die gemeinsamen Anstrengungen zur Bekämpfung des Klimawandels werden ein wichtiger Bestandteil der Gespräche während des Besuchs von Bundeskanzler Olaf Scholz in Indien am 25. und 26. Februar sein. Das erklären indische und deutsche Regierungskreise.
Konkret werden Gespräche über Indiens Förderung eigener grüner Technologien erwartet, unter anderem Solar, Stromspeicher und Wasserstoff. Aber auch Fragen von Scholz “Klimaclub”, Modis “LiFE” -Lebensstil-Initiative und der Ausstieg aus den Fossilen sind Thema zwischen Deutschland und Indien. Das asiatische Land plant etwa, zum zweitgrößten Produzenten von Solartechnik zu werden. Alle diese Fragen gehörten zum “Kernbereich der deutsch-indischen Zusammenarbeit”, die man weiter verfolgen werde, heißt es in der Bundesregierung. Klima sei bei Besuchen in großen Volkswirtschaften ohnehin “immer ein Thema”.
Schon im Mai 2022 hatten Scholz und Premierminister Modi bei dessen Besuch in Berlin die Deutsch-Indische Partnerschaft für grüne und nachhaltige Entwicklung ins Leben gerufen. Sie soll:
Im Rahmen dieser Partnerschaft hat sich Deutschland verpflichtet, Indien mit mindestens zehn Milliarden Euro an neuen und zusätzlichen Zusagen bis 2030 zu unterstützen.
Seit dem Treffen zwischen Premierminister Modi und Bundeskanzler Scholz im Mai 2022 hat Indien:
Beim Rennen um die Zukunftsmärkte will Indien mithalten. Die EU hat ihren “Green Deal Industrial Plan” ausgerufen; die USA wollen mit ihrem 370-Milliarden-Dollar-Paket des “Inflation Reduction Act” (IRA) die grünen Industrien fördern. Und Indien hat das System der “produktionsbedingten Anreize” (Production linked Incentives, PLI) entwickelt. Es soll als neue Form der Staatshilfen den Aufbau etwa bei erneuerbaren Energien unterstützen. Statt fester Prozentsätze an Hilfen wie früher können Unternehmen Anreize im Verhältnis zu ihrer Produktion in Anspruch nehmen.
Ziel der neuen Förderlinien “ist es, dass Indien seine Verpflichtungen gegenüber der Welthandelsorganisation (WTO) besser erfüllen kann und dass die Regelung in Bezug auf Inlandsverkäufe und Exporte diskriminierungsfrei und neutral ist”, so Rajat Kathuria, Direktor und Geschäftsführer der politischen Denkfabrik Indian Council for Research on International Economic Relations (ICRIER)
Die PLI sollen auch die Produktion und den heimischen Verkauf von hocheffizienten PV-Modulen in Indien fördern. So sollen:
Fatih Birol, Chef der Internationalen Energieagentur IEA lobt denn auch: “Die produktionsgebundenen Anreize (PLI) in Indien ziehen viele in- und ausländische Investitionen für die PV-Herstellung an. Wenn ich mir die Zahlen für Indien anschaue, erwarten wir, dass die Produktionszahlen um mehr als das Zehnfache steigen werden. Die Regierungspolitik wird Indien zum zweitgrößten Standort für die PV-Herstellung machen.” Diese Einschätzung der IEA deckt sich mit den Prognosen der indischen Regierung.
PLI-Programme soll es auch für den Aufbau von Batteriespeichern geben. Die Kapazität soll auf 50 Gigawattstunden (GWh) ausgebaut werden. Auch der Einsatz von Batteriespeichern im Netzbereich soll beschleunigt werden. Außerdem soll der Stromsektor reformiert werden: Etwa sollen Gebühren und Subventionen pünktlicher gezahlt werden und mehr Wettbewerb im Verteilsektor zugelassen werden.
Auch für die Einführung von Elektroautos soll es PLI-Anreize geben. Dafür haben 26 Bundesstaaten eigene Maßnahmen und Ziele formuliert. Die Regierung hat mehrere Programme aufgelegt und mit viel Kapital ausgestattet, um den Verkehrssektor Richtung Elektro zu lenken. Unterstützen soll dabei auch die deutsch-indische Partnerschaft für umweltfreundliche urbane Mobilität, die 2019 ins Leben gerufen wurde.
Auch grüner Wasserstoff ist ein wichtiger Bestandteil von Indiens Plänen zur Dekarbonisierung, insbesondere im Hinblick auf den industriellen Wandel. Die Regierung genehmigte im Januar die National Green Hydrogen Mission mit einem anfänglichen Budget von knapp 190 Milliarden Rupien (etwa 2,2 Milliarden Euro). Bis 2030 sollen:
Scholz und Modi haben bereits vereinbart, einen deutsch-indischen Fahrplan für grünen Wasserstoff zu entwickeln, der auf den Vorschlägen der deutsch-indischen Taskforce für grünen Wasserstoff basiert. In diesem Bereich sind während des Besuchs des Bundeskanzlers Fortschritte zu erwarten.
Auf der COP26 in Glasgow stellte Premierminister Modi das Konzept “Lifestyle for the Environment (LiFE)” vor. Er rief die globale Gemeinschaft dazu auf, eine internationale Massenbewegung in Richtung “achtsame und bewusste Nutzung anstelle von gedankenlosem und zerstörerischem Konsum” anzustoßen, um die Umwelt zu schützen und zu erhalten. Indien treibt die Idee als G20-Vorsitz voran. Laut IEA könnte sie helfen, die Emissionslücke Richtung 1,5 Grad zu schließen.
Deutschland plant für die COP28 im Dezember eine Art formale Ankündigung zu den “Klimaclubs” und wünscht sich Partner außerhalb der G7, darunter Indien. Ein indischer Regierungsvertreter sagte, dass das Konzept und der Vorschlag derzeit geprüft werden. Der Schwerpunkt liegt dabei auf der Festlegung von Standards und Emissionsnormen für schwer zu dekarbonisierende Sektoren. Die Debatte könnte mit den indischen Bedenken zum europäischen CBAM verbunden werden.
Die indische Regierung arbeitet derzeit auch an einem Vorschlag für die “Just Energy Transition Partnership” (JETP). Wahrscheinlich geht es dabei um mehr erneuerbare Energien im Energiemix. Das Thema ist umstritten, aber klar ist: Ein JETP mit Indien wird, wenn es zustande kommt, ganz anders aussehen als die anderen bereits fertiggestellten. Bisher gibt es diese Partnerschaften mit Südafrika, Indonesien und Vietnam.
“Jedes der JETPs ist maßgeschneidert. So wird auch das JETP für Indien auf dessen Bedürfnisse zugeschnitten sein. Ein großer Teil meiner Arbeit hier besteht darin, zu hören, was für Indien von Interesse ist”, sagte die deutsche Klimabeauftragte und Staatssekretärin Jennifer Morgan bei einem Besuch in Indien im Gespräch mit Table.Media.
Ein mögliches weiteres Thema bei Scholz’ Indien-Besuch ist der indische Vorstoß auf internationaler Ebene zur Verminderung aller fossilen Brennstoffe. Das hatte die Modi-Regierung schon auf der COP27 in Sharm El-Sheikh formell vorgeschlagen. Deutschland und die EU waren grundsätzlich an einem gemeinsamen Vorgehen interessiert, scheiterten damit aber an der ägyptischen Konferenzführung. Indien ist nach wie vor sehr an diesem Thema interessiert.
Auf diese Gelegenheit haben viele Entwicklungs- und Klimapolitiker lange gewartet: Vergangene Woche kündigte der Präsident der Weltbankgruppe David Malpass an, er werde Ende Juni – ein Jahr vor Ablauf seiner fünfjährigen Amtszeit – von seinem Amt zurücktreten. Seitdem wird am Sitz der Bank in Washington nicht nur über mögliche Nachfolgerinnen und Nachfolger spekuliert. Wichtige Politiker fordern auch einen grundlegenden Kurswechsel.
Da der Weltbankchef traditionell von den USA berufen wird, wollen einige US-amerikanische Abgeordnete die neue Führung der Bank zu mehr Klimaschutz verpflichten. Reformer wie die Premierministerin von Barbados, Mia Mottley, fordern schon lange den Umbau des Finanzsystems. Und auch Deutschland, das hinter den Kulissen viele Jahre für eine Kurskorrektur geworben hat, legt eigene Ideen vor.
Die neue Führung müsse “die Bank zum zentralen ‘Change Agent’ für die anstehende sozial-ökologische Transformation der Weltwirtschaft machen”, erklärt Bundesentwicklungsministerin Svenja Schule (SPD), die Deutschland als Weltbank-Gouverneurin vertritt, gegenüber Table.Media. Die Bankengruppe müsse:
Schulze hatte bereits bei der Jahrestagung im Herbst zusammen mit anderen Anteilseignern die Weltbank zu solchen Änderungen aufgefordert. Mia Mottley fordert in ihrer “Bridgetown Initiative” seit 2022 einen umfassenden Umbau von Weltbank und Weltwährungsfonds (IWF) zu mehr Nachhaltigkeit. Zusammen mit Schulze schlug Mottley zusätzlich vor:
Kurz vor Malpass’ Rücktrittsankündigung hatte auch die US-Finanzministerin Janet Yellen stärkere Reformen angemahnt. Während seiner gesamten Amtszeit war Malpass, der 2019 von US-Präsident Donald Trump berufen wurde, Kritik ausgesetzt. Denn er unterstützte die Finanzierung fossiler Projekte in Entwicklungsländern und weigerte sich zunächst, die Verbrennung fossiler Rohstoffe als Ursache des Klimawandels zu benennen. Monatelang forderten Aktivisten und Politiker seinen Rücktritt.
In seinem Rücktrittsschreiben nannte Malpass keine Gründe für seine Entscheidung. Er betonte aber, die Bank habe während seiner Amtszeit Rekorde bei der Klimafinanzierung aufgestellt und einen Aktionsplan zum Klimawandel auf den Weg gebracht.
Die Weltbank vergibt Kredite zur Armutsbekämpfung an Länder mit niedrigem Einkommen. Obwohl sie erklärt hat, dass sie ihre Finanzierungsentscheidungen mit dem Pariser Klimaabkommen in Einklang bringen wird, hat sie sich nicht dazu verpflichtet, die Unterstützung für fossile Brennstoffe zu beenden. Laut einer NGO-Studie hat die Weltbank zwischen 2018 und 2020 insgesamt 5,7 Milliarden Dollar für die Finanzierung fossiler Brennstoffe bereitgestellt.
Abgeordnete des US-Kongresses fordern daher ebenfalls, “die Weltbank muss sich aktiv um einen neuen Präsidenten bemühen, der die Herausforderungen der bereits vom Klimawandel betroffenen Nationen versteht”. Die US-Senatoren Ed Markey, Elizabeth Warren und Martin Heinrich stellen dazu in einem Brief an den Vorstand mehrere Fragen:
Der neue Präsident oder die neue Präsidentin wird das Amt jedoch in Zeiten energiepolitischer Turbulenzen und des Ukraine-Kriegs übernehmen. Preise und Versorgung mit Erdöl und Erdgas sind fragil, der Verbrauch von fossilen Brennstoffen ist im vergangenen Jahr gestiegen. So erwägt etwa Deutschland nach Angaben von Oil Change International die Finanzierung von zehn internationalen Projekten für fossile Brennstoffe im Wert von einer Milliarde Euro. Dazu gehört auch die umstrittene Erkundung von Erdgas vor der Küste Senegals.
Einige Entwicklungsländer wollen daher Finanzmittel für die Erschließung ihrer eigenen Kohle-, Öl- und Gasvorkommen. Sie verweisen auf die fehlende Klimafinanzierung, wie sie sich im verpassten Ziel von 100 Milliarden US-Dollar jährlicher Hilfe seit 2020 zeigt. Auf der COP27 machten Länder wie Namibia deutlich, dass ohne Klimafinanzierung mehr fossile Brennstoffe notwendig seien, um der Energiearmut zu entkommen.
Gleichzeitig treibt die Inflation die Kreditkosten und schmälert den Wert der Kredite, wodurch eines der wertvollsten Instrumente der Weltbank geschwächt wird. Selbst wenn der nächste Weltbankchef energisch das Klimaproblem angehen will, werden seine Ambitionen an politische und wirtschaftliche Grenzen stoßen.
Als potenzielle Kandidatinnen und Kandidaten an der Spitze der Weltbank nennt die Financial Times derzeit:
Die Gelegenheit für Veränderungen in der Weltbank scheint mit einer neuen Führung günstig. Allerdings könnte der angekündigte Rückzug von Malpass die Dinge auch komplizierter machen, fürchten manche. Mit Malpass als “lahmer Ente” könnten bei der Frühjahrstagung der Bank erste Veränderungen blockiert werden und sich die Diskussion seine Nachfolge konzentrieren.
23. Februar, 15 Uhr, Berlin
Diskussion Opportunities of the European Green Deal for Africa’s private sector
Das Africa Policy Research Institute (APRI) und die Friedrich-Naumann-Stiftung organisieren diese Veranstaltung zu den Auswirkungen des Europäischen Green Deals auf Afrika. Infos
24. Februar, 18 Uhr, Rötha
Diskussion Klimawandel, Klimaanpassung und die Energiewende im Leipzig Südraum
Die Veranstaltung der Friedrich-Ebert-Stiftung rückt die lokalen Auswirkungen des Klimawandels in den Mittelpunkt. Zum Thema diskutieren Vertreterinnen und Vertreter aus Politik, Wissenschaft und Industrie. Infos
24. Februar, 19 Uhr, München
Podiumsdiskussion NO FUTURE? Migration und Flucht in der Klimakrise
Die Klimakrise wird bei Migrationsfragen immer relevanter. Wie sollte Migrationspolitik in diesem Zusammenhang aussehen? Das wird auf der Veranstaltung von Fridays for Future und der Bellevue di Monaco Sozialgenossenschaft eG diskutiert. Infos
27. Februar bis 3. März, Bonn
Akademie Acht Jahre nach dem Pariser Klimaschutzabkommen – Alles heiße Luft?
Die Akademie der Friedrich-Ebert-Stiftung zieht Bilanz zum Pariser Klimaschutzabkommen. Dabei wird unter anderem die Rolle der EU diskutiert. Welche Zwischenziele wurden erreicht? Wo gibt es die größten Defizite? Infos und Anmeldung
27. Februar, 16 Uhr, Online
Webinar Kommt die Zeitenwende für den Naturschutz?
Wie kann das Aktionsprogramm der Bundesregierung (ANK) zu den Zielen der EU und zu globalen Abkommen wie dem Weltnaturschutzvertrag (Global Biodiversity Framework) beitragen? Diese und weitere Fragen werden auf dem Webinar der Deutschen Umwelthilfe diskutiert. Infos und Anmeldung
28. Februar, 9.30 Uhr, Berlin
Kongress Bundeskongress genossenschaftliche Energiewende 2023
Der Deutscher Genossenschafts- und Raiffeisenverband (DGRV) und der Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen e. V. (GdW) diskutieren auf dem Kongress mit Vertretern und Vertreterinnen aus der Politik über die Rolle von Genossenschaften bei der Energiewende. Ein Schwerpunkt liegt auf aktiver Bürgerbeteiligung. Infos
28. Februar, 9.30 Uhr, online
Seminar The Packaging and Packaging Waste Regulation – The Role of Closed Loop Circularity
Ende November 2022 hatte die EU-Kommission einen Entwurf für eine neue Regelung von Verpackungen und Verpackungsmüll vorgestellt. Auf dem Seminar von Euractiv wird diskutiert, wie Kreislaufwirtschaft dazu beitragen kann, die enormen Mengen an Müll zu reduzieren. Infos
28. Februar – 1. März, Münster/ Online
Tagung Kreislaufwirtschaftstage Münster
Die 18. Kreislaufwirtschaftstage Münster finden unter der Schirmherrschaft des Bundesministers Robert Habeck in Präsenz in Münster sowie Online statt. Die Konferenz konzentriert sich auf das Thema “Sichere Energie- und Rohstoffversorgung und die Rolle der Kreislaufwirtschaft”. Infos
1. März, 18 Uhr, Apenburg-Winterfeld
Diskussion Energie vom Acker – Nutzungskonflikte vermeiden
Die Landesregierung von Sachsen-Anhalt hat im Februar 2022 beschlossen, dass Ackerflächen von minderer Qualität mit PV-Anlagen ausgerüstet werden dürfen. Doch das Thema birgt auch Konfliktpotential. Ziel der Veranstaltung der Friedrich-Ebert-Stiftung ist es deshalb, die unterschiedlichen Aspekte zu beleuchten, fachlich zu informieren, um Nutzungskonflikte zu vermeiden, und langfristige Lösungsmöglichkeiten in den Blick zu nehmen. Infos
1. März, 18.30 Uhr, Online
Workshop Nachhaltig wirken!
Bei dem Workshop der Konrad-Adenauer-Stiftung geht es um praktische Handlungsansätze im Ehrenamt für Nachhaltigkeit und Umweltschutz. Info
Der europäische CO₂-Preis hat am Dienstag erstmals die Schwelle von 100 Euro pro Tonne überschritten. Das neue Rekordhoch – für das Recht, innerhalb des europäischen Emissionshandelssystems (ETS) eine Tonne CO₂ zu emittieren – lag am Dienstagmittag bei 100,70 Euro. Es gilt als historisches und für Klimaschützer psychologisches Ereignis. “Das ist ein wichtiges Signal für Investitionen in den Klimaschutz: Das knapper werdende #CO2Budget spiegelt sich in den steigenden Preisen wider”, schrieb die Klimawissenschaftlerin Brigitte Knopf auf Twitter. Experten und Analysten sehen hohe CO₂-Preise als eines der wichtigsten Instrumente, die industrielle Transformation voranzutreiben. Allein seit Jahresbeginn ist der CO₂-Preis im ETS um 20 Prozent angestiegen.
2005 startete der ETS mit einer Pilotphase, in der Industrieanlagen und Energieerzeuger ihre CO₂-Zertifikate zunächst noch kostenlos bekamen, aber erstmals nach strengen Vorgaben Emissionsdaten erheben mussten. Dennoch sank der Preis auf null Euro. Erst ab 2008, als eine feste Emissionsobergrenze sowie konkrete Ziele für die Emissionssenkung festgelegt wurden, stieg der CO₂-Preis wieder. Vor allem das niedrige Ambitionsniveau des ETS und das Überangebot an CO₂-Zertifikaten auf dem Markt verhinderten, dass sich im System ein wirksames Preissignal für den Klimaschutz entwickeln konnte. Der Preis dümpelte fast ein Jahrzehnt vor sich hin.
Mit der ersten größeren Reform des ETS wurde 2018 ein neues Ziel eingeführt: Bis 2030 sollen die Emissionen um 40 Prozent sinken. Zudem sorgt eine verschärfte Marktstabilitätsreserve seither dafür, dass überschüssige Zertifikate vom Markt genommen werden. Auch wenn ein Überangebot an Emissionsrechten bestehen blieb, antizipierte der Markt, dass die Zeit des unwirksamen Emissionshandels zu Ende geht – der Preis stieg wieder.
Die Ankündigung des Green Deal und des überarbeiteten EU-Klimazieles von minus 55 Prozent Emissionen bis 2030 sorgte abermals für einen Preisanstieg. Auch auf die Vorstellung des Fit-for-55-Pakets mit weitreichenden Reformen des ETS und auf den Regierungswechsel in Berlin folgten teils enorme Preissprünge, die auf eine Überhitzung des Systems hinwiesen. Mit Beginn des russischen Angriffskrieges in der Ukraine stürzte der Preis allerdings ab. Seitdem unterliegt der Markt zwar großen Schwankungen und erreichte in den vergangenen vier Wochen schon mehrfach knapp die 100-Euro-Marke, doch im Durchschnitt steigt er stetig. Der Preis von 100 Euro pro Tonne CO₂ ist also nicht auf ein bestimmtes Ereignis zurückzuführen, sondern das Resultat der derzeitigen europäischen Klimapolitik und der Reformen des Systems. luk
Trotz Rekord-Gaspreisen und starken ökonomischen Anreizen zur Reduktion der Gasverluste sind die Methan-Emissionen im Energiesektor weiterhin sehr hoch. Das zeigt der Global Methane Tracker 2023 der Internationalen Energieagentur (IEA), der am Dienstag vorgestellt wurde. “Es gibt einige Fortschritte, aber die Methan-Emissionen sinken nicht schnell genug”, sagte IEA-Chef Fatih Birol bei der Vorstellung.
Der Bericht zeigt:
Fatih Birol beklagte, der Sektor habe im Jahr 2022 einen Rekordgewinn von rund vier Billionen US-Dollar eingefahren. “Mit nur drei Prozent dieses Geldes könnten die Methan-Emissionen um 75 Prozent gesenkt werden”, rechnete Birol vor. Ein Großteil des Gasverlustes könnte ohne große Kosten und mit bewährten Mitteln – beispielsweise der Feststellung von Lecks oder der Reparatur und Erneuerung von alter Infrastruktur – verhindert werden. Durch den Einsatz von Satelliten konnten besonders große Methan-Lecks um zehn Prozent reduziert werden. Auch das Abfackeln von Gas (Flaring) wurde nach ersten IEA-Schätzungen global reduziert.
Die NGO Environmental Investigation Agency (EIA) kritisiert in einem Bericht die Untätigkeit der EU bei der Reduktion von Methan-Emissionen aus importierten Rohstoffen, wodurch die EU-Klimaziele gefährdet seien. Die EU importiert einen Großteil ihrer fossilen Energierohstoffe. Laut Schätzungen der NGO kommt es bei der Produktion dieses Erdgases, der Kohle und des Öls sowie beim Transport regelmäßig zu Methan-Austritten. Demnach waren importierte fossile Energien 2020 für Methanemissionen in Höhe von über acht Millionen Tonnen verantwortlich. Das sei vergleichbar mit 200 Millionen Tonnen CO₂ oder dem jährlichen CO₂-Ausstoß von 54 Kohlekraftwerken. Methan ist kurzfristig ein viel klimaschädlicheres Treibhausgas.
Das meiste Methan tritt laut EIA-Angaben bei der Produktion und dem Import aus Russland aus. Allerdings weist auch US-Gas keine viel bessere Methan-Bilanz auf. Einzig Gas aus Norwegen schneidet besser ab. Insgesamt dürfte der Ersatz russischen Gases durch Gas aus den USA und Norwegen jedoch nur zu einer geringen Verminderung der Methan-Emissionen beigetragen haben. Flüssigerdgas aus Katar und Australien sei laut EIA sogar für 60 bis 175 Prozent mehr Methan-Emissionen verantwortlich als russisches Gas.
Die NGO kritisiert den Vorschlag der EU-Kommission für eine Methan-Regulierung. Der Kommissionsvorschlag sehe keine Pflichten vor, die Methan-Emissionen aus importierten Energierohstoffen zu messen, darüber zu berichten oder sie zu senken, so die EIA. Die NGO fordert, die Importeure fossiler Brennstoffe müssten:
Marktteilnehmer, die sich nicht an diese Vorgaben halten, sollten auf dem EU-Markt keine Rohstoffe verkaufen dürfen, fordert die EIA. “Die technischen Voraussetzungen für die Umsetzung strenger Vorschriften in der gesamten Lieferkette sind zu geringen Kosten vorhanden”, so das Fazit der NGO. Das EU-Parlament müsse die Methan-Regulierung der Kommission nachschärfen. nib
Russlands Angriffskrieg auf die Ukraine hat teils große Auswirkungen auf die Wissenschaftskooperation und die Zusammenarbeit im Bereich des Klimawandels. Eine Erhebung des Research.Table zeigt:
Unter den 50 am stärksten vom Klimawandel bedrohten Regionen weltweit liegen überwiegend Provinzen und Städte in China, den USA und Indien. Ein weltweites Ranking der im Jahr 2050 am stärksten durch Extremwetterereignisse bedrohten Regionen zeigt, dass allein 16 der 20 meistgefährdeten Gebiete in China liegen. Die Küstenprovinz Jiangsu, auf die ein Zehntel der chinesischen Wirtschaftsleistung entfällt, gilt als am stärksten gefährdetes Gebiet. Gefolgt vom benachbarten Shandong und der großen Stahlproduktionsregion Hebei.
In den USA wurden Florida (10), Kalifornien (19) und Texas (20) am höchsten eingestuft. Das pakistanische Punjab (18) sowie die indischen Provinzen Bihar (22) und Uttar Pradesh (25) gelten ebenfalls als besonders stark gefährdet.
Der Datensatz der Klimarisikoanalysten der Cross Dependency Initiative (XDI) vergleicht über 2.600 Staaten und Provinzen auf der ganzen Welt anhand von Modellprognosen für Schäden an Gebäuden und Grundstücken, die auf den Klimawandel zurückzuführen sind. Darunter:
Die Analyse bezieht sich auf die wahrscheinlichen Schäden bei einem Temperaturanstieg von drei Grad im Vergleich zum vorindustriellen Niveau – vom Weltklimarat IPCC als Worst-Case-Szenario beschrieben.
Die Prognosen von XDI gehen davon aus, dass extreme Wetterereignisse in diesen Regionen in den kommenden Jahren zunehmen werden. Guangzhous Hauptstadt Guangdong gilt mit dem Anstieg des Meeresspiegels bis 2050 demnach als “wirtschaftlich am stärksten gefährdete Stadt der Welt.”
Europa bekommt im globalen Vergleich zwar weniger Auswirkungen zu spüren, doch auch in Deutschland, Belgien und Italien zählen Gebiete zu den vulnerabelsten 100 Regionen. Niedersachsen (56), Flandern (64) und Venetien (74) wurden am höchsten eingestuft. Auch die Lombardei (117), Bayern (164) und die Metropolregion London (263) landen unter den gefährdetsten Regionen Europas. Somit liegen in den betroffenen Gebieten auch europäische Großstädte wie London, München, Mailand und Antwerpen. ari/luk
Seit Mittwoch gibt es in Indonesien einen CO₂-Emissionsmarkt für Kohlekraftwerke. Zunächst sind Kraftwerke mit einer Kapazität von mindestens 100 Megawatt verpflichtet, daran teilzunehmen. Wie Reuters berichtet, betrifft der CO₂-Handel damit 99 Anlagen mit einer Gesamtkapazität von 33 Gigawatt. Sie haben Emissionsquoten in Höhe von insgesamt 20 Millionen Tonnen CO₂ zugeteilt bekommen.
Die indonesische Regierung erwartet, dass der CO₂-Preis anfangs zwischen zwei und 18 US-Dollar je Tonne CO₂ rangiert. Es gibt Pläne, den Handel in Zukunft auf kleinere, fossile Kraftwerke auszuweiten.
Indonesien hat bereits Erfahrung mit einem freiwilligen CO₂-Handel für Kohlekraftwerke gesammelt. Im Jahr 2022 hatte das Land seine Klimaziele leicht verschärft. Statt einer Emissionsreduktion um 29 beziehungsweise 41 Prozent mit internationaler Unterstützung, wie 2015 zugesagt, sehen die Ziele nun vor, den Treibhausgasausstoß bis 2030 um fast 32 Prozent beziehungsweise 43 Prozent mit internationaler Unterstützung zu senken. Die G7-Staaten haben dem Land letztes Jahr im Rahmen einer “Partnerschaft zur gerechten Energiewende” (JETP) 20 Milliarden Dollar für einen schnelleren Kohleausstieg in Aussicht gestellt. nib
Als nachhaltig beworbene Fonds sind zuletzt deutlich CO₂-lastiger geworden, weil sie mehr Anlagegelder in fossile Unternehmen investiert haben. Das ist das Ergebnis einer am Dienstag veröffentlichten Studie der NGO Finanzwende. Sie untersuchte Portfolio-Bewegungen von 2.434 aktiv gemanagten und in Europa erhältlichen Fonds, die nach Artikel 8 und Artikel 9 der Sustainable Finance Disclosure Regulation (SDFR) als nachhaltig vermarktet werden dürfen.
Die Autoren der Studie verglichen die Portfolios zum Zeitpunkt Ende Dezember 2021 mit dem Zeitpunkt März 2022, also vor und kurz nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine am 24.2.2022. In dieser Zeitspanne seien die untersuchen Portfolios um 7,9 Prozent CO₂-intensiver geworden, schreiben die Autoren Alison Schultz und Magdalena Senn. Ihr Fazit: Das Greenwashing in vermeintlich nachhaltigen Fonds habe in Reaktion auf Techflaute, Ukrainekrise und Energiekrise “zugenommen”.
Unter dem Strich schnitten nachhaltige Fonds bei der Performance zuletzt deutlich schlechter ab als konventionelle Fonds. Zudem änderte sich die EU-Regulatorik am grünen Anlagemarkt, weswegen viele Anbieter Fonds aus der strengeren Artikel-9-Kategorie in die weniger strenge Artikel-8-Kategorie herabstuften. Vor allem Artikel-8-Fonds hätten Energieaktien gekauft und Tech-Aktien abgestoßen, um weiterhin Renditem einfahren zu können. Nur wenige Fonds seien über den gesamten Untersuchungszeitraum gar nicht in fossile Energie investiert gewesen.
Allerdings sei die Wirkung von nachhaltigen Geldanlagen, besonders von Aktienfonds, für die Transformation begrenzt, heißt es bei Finanzwende. Erheblich wichtiger seien adäquate politischen Rahmenbedingungen, eine nachhaltige Industriepolitik und die Bepreisung von CO₂. Denn eine solche Politik führe dazu, dass klimaschädliche Investitionen automatisch unrentabel würden “und eine nachhaltige Geldanlage die Regel”. cd
Die USA haben die zweite Phase eines Projekts zur Grundlagenforschung im Bereich solares Geoengineering gestartet. Dabei werden noch keine Partikel oder Gase in die Atmosphäre eingebracht. Vielmehr will die U.S. National Oceanic and Atmospheric Administration (NOAA) die Zusammensetzung der Stratosphäre genau erforschen. Die NOAA will dazu demnächst Stratosphärenflüge abhalten.
Viele wissenschaftliche Instrumente werden dabei erstmals eingesetzt. Dadurch lässt sich die natürliche Zusammensetzung der Stratosphäre in bisher nicht erreichter Detailtiefe erforschen, so ein Bericht von Science. “Man muss erst wissen, was da ist, bevor man daran herumwerkeln kann”, wird die NOAA-Wissenschaftlerin Karen Rosenlof zitiert.
Der US-Kongress hatte das NOAA-Forschungsprogramm im Jahr 2020 bewilligt. Es stehen jährlich zehn Millionen US-Dollar zur Verfügung. Bisher seien viele US-Bundesbehörden davor zurückgeschreckt, zum Thema Geoengineering zu forschen. Im März 2022 beauftragte der Kongress das Büro für Wissenschafts- und Technologiepolitik des Weißen Hauses mit der Ausarbeitung eines Forschungsplans. Details dazu wurden laut Science noch nicht veröffentlicht. nib
Zum Beginn der Fastenzeit ruft die ökumenische Aktion Klimafasten dazu auf, den eigenen Alltag klimafreundlicher zu gestalten. Unter dem Motto “Soviel du brauchst…” beteiligen sich 14 evangelische Landeskirchen, neun katholische Bistümer und Diözesanräte sowie die Hilfswerke Brot für die Welt und Misereor an dem Vorhaben.
Die Aktion soll die Chance bieten, Routinen zu überdenken, Neues auszuprobieren, und möglichst viele Elemente eines “schöpfungsfreundlichen” Lebensstils in den Alltag zu übernehmen. In jeder der sieben Wochen bis Ostern geht es dabei um ein anderes Thema, beispielsweise Energieverbrauch, Mobilität oder Artenvielfalt – und um die Frage, was man zum Glücklichsein braucht. ae
Es hat einige Jahre gedauert, aber mittlerweile ist der europäische Emissionshandel zu einem wirksamen Klimainstrument geworden. In dieser Woche hat der Preis für eine Tonne CO₂ die “magische Grenze” von 100 Euro überschritten. Florian Rothenberg verfolgt den Handel genau. Er ist Emissionshandels-Analyst beim Informationsdienst Independent Commodity Intelligence Services (ICIS) in Karlsruhe. Laut Rothenberg ist der hohe Preis “ein starker Antrieb für einen schnellen Ausbau von erneuerbaren Energien”. Sollte der Gaspreis bald weiter sinken, mache der hohe CO₂-Preis “einen Großteil der Kohleverstromung in Europa bald unrentabel”, so der Handelsexperte. Allerdings müsse man abwarten. “Das Preislevel muss sich auch erstmal bei 100 Euro etablieren”, so Rothenberg.
Während eines ersten Telefonats mit Table.Media hat sich Rothenberg eine Wolldecke umgehängt. Denn die Energiekrise beschäftigt ihn nicht nur beruflich; auch privat sind die hohen Energiepreise ein Thema für ihn: Weil er den Energiespar-Wettbewerb der Stadtwerke Karlsruhe gewinnen und seinen Verbrauch um mindestens 20 Prozent senken will, heizt er kaum noch und duscht kalt. Und zieht sich bei der Arbeit im Homeoffice eben warm an. Bis Ende März läuft der Wettbewerb noch, dann wird abgerechnet.
Im Job beschäftigt sich Rothenberg aktuell vor allem mit der Frage, wie sich der Einmarsch Russlands in die Ukraine auf den europäischen Emissionshandel und die Energiemärkte auswirkt.
Viele Marktteilnehmer, auch Rothenbergs Kunden, hatten zu Beginn des Kriegs befürchtet, dass die Politik den Emissionshandel vorübergehend aussetzt – die Preise für Strom und für Verschmutzungsrechte waren einfach zu stark gestiegen. “Vertrauen ist in dem Markt aber sehr wichtig”, sagt Rothenberg. Wenn ein Industriebetrieb jetzt Zertifikate für die kommenden zehn Jahre kaufe, müsse er sicher sein, dass es das System des Emissionshandels dann auch noch gebe.
Am Ende gab es einen Kompromiss, das Frontloading. Kurzfristig kommen mehr Zertifikate auf den Markt, die Unternehmen nun kaufen können, zukünftig dafür weniger. Dadurch habe man erreicht, dass der Emissionshandel kein Kollateralschaden der Energiekrise geworden sei, sagt der Experte. “Im Vergleich zu anderen Märkten wie dem Strom- oder dem Gasmarkt ist er glimpflich davongekommen.”
Seit sechs Jahren arbeitet der 28-jährige Rothenberg bei ICIS, und langweilig werde ihm dabei nicht, sagt er. Er hat Wirtschaftsingenieurwesen in Karlsruhe studiert, und dort ist es normal, dass man irgendwann von ICIS hört. “Emissionshandel bleibt eine Nische, und daher ist ICIS nicht allen Studierenden bekannt”, sagt Rothenberg. “Aber wer sich mit Energiewirtschaft beschäftigt, stolpert über uns.”
Kernthemen des Analysten sind Energiemärkte und Dekarbonisierung. Besonders spannend findet er, dass das Thema CO₂ “überall” sei: Ich muss sehr schnell verstehen, wo Energie gebraucht und verbraucht wird – und inwiefern das den Emissionshandel betrifft.”
Um diese Fragen zu beantworten, informiert er sich ständig über Trends, die die Märkte beeinflussen könnten, und sammelt Daten zu Nachfrage und Angebot von Verschmutzungszertifikaten. Er untersucht, wie sich Preise bilden, warum sie sinken oder steigen. Seine Analysen hält er in mathematischen Modellen fest, diskutiert die Ergebnisse mit Kolleginnen und Kollegen und dann mit seinen Kunden.
Der Green Deal der EU ist zurzeit ein wichtiges Thema für ihn. “Die große Frage ist, zu welchem CO₂-Preis Europa Net-Zero erreichen kann“, sagt Florian Rothenberg. Dabei geht es nicht um einen konkreten Euro-Betrag, sondern um einen Preispfad. Denn der ist einer der wichtigsten Entscheidungsfaktoren für Industrieunternehmen, um in Klimaschutz zu investieren.
Klimaforscherinnen und Klimaforscher kritisieren, dass die Ziele der EU nicht weit genug gehen. “Das ist wahrscheinlich richtig, doch ambitioniertere Ziele hätten schon vor fünf bis zehn Jahren angestoßen werden müssen”, sagt Rothenberg. “Für die Wirtschaft ist es ein Riesenschritt, bis zum Jahr 2030 die EU-Emissionen um 55 Prozent zu senken, denn sie braucht unglaublich lange, um sich umzubauen.”
Sein eigener CO₂-Fußabdruck, gibt Rothenberg zu, ist “wahrscheinlich deutlich schlechter als der Weltdurchschnitt”. Denn er reist gerne und fliegt dafür auch mit dem Flugzeug. Immerhin nimmt er die Bahn, wenn er geschäftlich unterwegs ist, um Emissionen einzusparen. “Ich glaube, dass jeder einen kleinen Teil gegen den Klimawandel unternehmen kann und auch sollte.” Patricia Hoffhaus