Analyse | Energiewende
Erscheinungsdatum: 23. September 2025

BMWE-Pläne: Erstaunliche Ähnlichkeiten zu Forderungen von RWE und Eon

Katherina Reiche auf einem Podium.
Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche hatte vergangene Woche ihr lange erwartetes Energiewende-Monitoring vorgestellt. (IMAGO / Mike Schmidt)

Das Zehn-Punkte-Papier, das Katherina Reiche zusammen mit dem Monitoring-Bericht vorgestellt hat, wirft Fragen auf. Die Fachabteilungen im BMWE waren daran kaum beteiligt. Gleichzeitig gibt es auffällige Ähnlichkeit zu einem Papier von RWE und Eon.

Als Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche vor einer Woche den lange erwarteten Monitoring-Bericht zur Energiewende vorgestellt hat, fiel vielen Beobachtern auf, dass die Forderungen, die sie daraus abgeleitet hat, teilweise im Widerspruch zu den Aussagen des Monitoring-Berichts selbst standen. Auch im Ministerium reagierten viele Experten überrascht auf die Vorschläge der Ministerin. Denn eingebunden waren die zuständigen Fachabteilungen in die Erarbeitung des Zehn-Punkte-Plans und des Presse-Papiers zum Monitoring-Bericht nach Informationen von Table.Briefings ganz überwiegend nicht. Die Auswertung des Berichts und die Erstellung der Papiere erfolgten demnach durch einen kleinen Kreis enger Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Ministerin.

Und es scheint so, als haben diese sich dabei stark an Forderungen aus der Industrie orientiert. Zumindest gibt es auffällige Ähnlichkeiten zwischen dem Zehn-Punkte-Papier des Ministeriums und einem Positionspapier, das die Energiekonzerne Eon und RWE im Frühjahr gemeinsam veröffentlicht haben. Schon der Titel „Marktorientiert und pragmatisch: Die Energiewende braucht einen Neustart“, erinnert stark an die Wortwahl des Ministeriums, das in seinem Papier „mehr Markt“, „Pragmatismus“ und „eine Neuausrichtung der Energiewende“ fordert.

Viele weitere Formulierungen weisen ebenfalls große Ähnlichkeit auf. So schreiben Eon und RWE in der Einleitung zu ihrem Papier, „dass weit über 15.000 Rechtsnormen die Verwirklichung des energiepolitischen Zieldreiecks – sicher, bezahlbar und klimaneutral – belasten und in Frage stellen“. Im Zehn-Punkte-Papier des Ministeriums ist zu lesen: „Über 15.000 Rechtsnormen stellen das energiepolitische Zieldreieck – sicher, bezahlbar und umweltverträglich – permanent auf den Prüfstand“. Die Konzerne erklären, Optionen müssten „nicht bis ins kleinste Teil ausbuchstabiert werden“; es genüge, „Leitplanken zu setzen“. Das Ministerium fordert „klare Leitplanken statt Detailsteuerung“.

Übereinstimmung gibt es auch bei den meisten Forderungen. Das gilt speziell für jene, die im Widerspruch zum Monitoring-Bericht stehen, etwa beim künftigen Ausbau und der Förderung erneuerbarer Energien.

  • RWE und Eon fordern, die „Erneuerbaren-Ausbauziele“ sollten „kritisch überprüft werden“. Im BMWE-Papier heißt es, die „Ausbaupfade für erneuerbare Energien“ sollten sich „an realistischen Strombedarfsszenarien orientieren“. Der Monitoring-Bericht stellt dagegen fest: „Selbst bei unterstellter geringerer Geschwindigkeit des Anstiegs des Brutto-Stromverbrauchs bleibt ein hohes Tempo beim Ausbau der Erneuerbaren Energien in den nächsten Jahren zur Erreichung klimapolitischer Ziele notwendig.“

  • Im Papier der Energiekonzerne heißt es, auch kleinere Erzeuger sollten „am Markt teilnehmen und keine fixe Einspeisevergütung mehr erhalten (insbesondere auch Aufdach-PV)“. Im Zehn-Punkte-Plan kündigt das Ministerium „die konsequente Abschaffung der fixen Einspeisevergütung“ an; auf der Pressekonferenz nannte Katherina Reiche wie schon zuvor als Beispiel private Solaranlagen auf Hausdächern.

Gleiches ist bei den Aussagen zu Smart Metern zu beobachten. RWE und Eon (das selbst viele Verteilnetze betreibt) fordern: „Der Roll Out sollte daher allein in die Verantwortung der Verteilnetzbetreiber gelegt werden“. Diese Forderung übernimmt das BMWE im Zehn-Punkte-Papier: „Die Verantwortung für den verpflichtenden Rollout liegt künftig bei den Verteilnetzbetreibern“, heißt es dort. Andere Unternehmen, die sogenannten wettbewerblichen Messstellenbetreiber, wären damit ausgeschlossen. Im Monitoring-Bericht wird hingegen für die gegenteilige Lösung plädiert: „Gleiche Wettbewerbsbedingungen für grundzuständige und wettbewerbliche Messstellenbetreiber beschleunigen den Rollout.“

Einigkeit zwischen Industrie und Ministerium besteht auch in der Ablehnung einer Teilung der deutschen Strompreiszone. Die Unternehmen halten es für erforderlich, dass „die einheitliche deutsche Strompreiszone erhalten bleibt“. Das Ministerium erklärt: „Die einheitliche Stromgebotszone bleibt erhalten.“ Im Monitoring-Bericht, der ja der offizielle Anlass für das Papier des Ministeriums war, findet sich dagegen explizit der Hinweis, dass die Frage eines möglichen Gebotszonen-Splits nicht Teil des Gutachtens sei.

Auch beim Wasserstoff übernimmt das BMWE sämtliche Forderungen der Energiekonzerne.

  • RWE und Eon beklagen die angeblich „unnötig hohen regulatorischen Hürden für die Erzeugung von ‘erneuerbarem’ und ‘low-carbon’ H₂“, etwa die „Definition von grünem Wasserstoff auf EU-Ebene“. Das BMWE kündigt an: „Überkomplexe Vorgaben – wie die strenge Definition von ‘grünem Wasserstoff‘ auf EU-Ebene – werden abgebaut und durch pragmatische Kriterien ersetzt.“

  • RWE und Eon fordern: „Um die Kosten zu begrenzen, sollte es keine Unterscheidung zwischen den Arten des kohlenstoffarmen Wasserstoffs geben“. Das Ministerium stimmt zu: „Kohlenstoffarmer Wasserstoff (Low-Carbon Hydrogen) wird gleichberechtigt behandelt.“

  • Zum Wasserstoff-Kernnetz erklären die Energiekonzerne, dessen Auslegung solle „bedarfsgerecht und nicht orientiert an einem Maximalziel erfolgen“. Das Ministerium, das bisher einen konkreten Zielpfad verfolgt hat, kündigt nun an, das Netz werde „stufenweise und in enger Abstimmung mit Maßnahmen und Entwicklungen auf der Nachfrageseite“ ausgebaut.

  • Die heimische Produktion von Wasserstoff stellen Eon und RWE infrage: „Die aktuellen Elektrolyseur-Ausbauziele sollten gestrichen werden“, fordern sie. Und auch hier revidiert das BMWE seine bisherige Position, indem es im Zehn-Punkte-Papier erklärt, die „aktuellen Elektrolyseur-Ausbauziele werden durch flexible Ziele ersetzt“. Im Monitoring-Bericht findet sich zwar ebenfalls die Warnung, dass das Elektrolyseur-Ziel für 2030 „kaum erreichbar“ erscheine – allerdings verbunden mit dem Hinweis, heimische Wasserstoff-Produktion könne „die Versorgungssicherheit erhöhen und Flexibilität im Stromsystem bereitstellen“.

Das Ministerium beantwortet die Frage, welche Rolle das Eon-RWE-Papier beim Erstellen des Zehn-Punkte-Plans gestellt hat, nicht eindeutig. „Die Debatte in Deutschland zur Energiepolitik ist intensiv“, teilte ein Sprecher von Katherina Reiche mit. „Entsprechend liegen auch Stellungnahmen von vielen Stakeholdern vor, die die Ministerin und ihr Haus zur Kenntnis nehmen und wägen.“ Die zehn Maßnahmen aus dem Papier seien „ihre zentralen Einschätzungen zur Energiepolitik und bauen auf den Erkenntnissen des Monitoringberichts auf“. Dabei stehe Reiche „im ständigen Austausch mit Fachleuten ihres Hauses“.

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Korrektur, 23.09.2025: In einer früheren Fassung waren beim Thema Smart Meter die Zitate aus den Papieren der Stromkonzerne und des Ministeriums vertauscht. Wir bitten um Entschuldigung.

Letzte Aktualisierung: 25. September 2025

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