Thema des Tages | Industriepolitik
Erscheinungsdatum: 18. November 2025

Fünfjahresplan: Wenn Science-Fiction zur Strategie wird

Eine Roboterhand im Pekinger Humanoid Robot Innovation Center (Foto. Imago)

Im neuen Fünfjahresplan spielen auch Technologien eine Rolle, die noch weit von der Marktreife entfernt sind. China will bei diesen zukunftsträchtigen Industrien der Erste sein.

Peking hat im 15. Fünfjahresplan eine Vision für den technologischen Durchmarsch des Landes entworfen. In den Empfehlungen des Zentralkomitees für die Wirtschaftsplanung der Jahre 2026 bis 2030 heißt es, China solle „traditionelle Industrien aufrüsten, aufstrebende ausbauen und Zukunftsindustrien kultivieren“. Wie konkret dabei der Bereich der zukünftigen Industrien behandelt wird, die weit über den eigentlichen Planungszeitraum von fünf Jahren hinausreichen, lässt Beobachter aufhorchen.

„Es geht nicht mehr darum aufzuholen. China will in neuen, zukunftsträchtigen Industrien der Erste sein“, sagt Technologieexperte Peter Fintl von der Beratungsgesellschaft Capgemini zu Table.Briefings. Bereiche, die vielen wahrscheinlich wie Science-Fiction vorkommen, würden jetzt „fester Teil der Industrialisierungsstrategie“.

Das Partei-Dokument nennt sechs Felder, die als strategische Zukunftsindustrien identifiziert werden:

  • Quanteninformatik: Computertechnologie auf Basis der Quantenphysik, die etwa Rechenleistungen ermöglicht, die weit über heutige Supercomputer hinausgehen.

  • Biomanufacturing: Hier geht es um die industrielle Nutzung biologischer Prozesse. Es handelt sich um ein Herstellungsverfahren, das lebende Zellen oder deren Komponenten nutzt, um kommerzielle Produkte wie Medikamente, Biokraftstoffe, Kosmetika und nachhaltige Materialien zu produzieren.

  • Wasserstoff- und Fusionsenergie: Es handelt sich um zwei Ansätze für saubere Energiegewinnung: Wasserstoff als Speichermedium für erneuerbare Energie, Kernfusion als langfristig nahezu unerschöpfliche Energiequelle.

  • Gehirn-Computer-Schnittstellen: Technologien, die das menschliche Gehirn direkt mit Maschinen verbinden, etwa für medizinische oder robotische Anwendungen.

  • Verkörperte künstliche Intelligenz: KI-Systeme, die in physische Roboter oder Geräte integriert sind und selbstständig handeln oder lernen können.

  • 6G-Kommunikation: Die nächste Generation des Mobilfunks, die extrem schnelle Datenübertragung und nahezu verzögerungsfreie Vernetzung ermöglichen soll.

Die staatliche Wirtschaftszeitung Economic Daily schreibt: „Dass das Zentralkomitee diese sechs Leitbahnen als Kernrichtungen der Zukunftsindustrien festgelegt hat, ist keine bloße technische Aufzählung, sondern beruht auf Chinas industriellen Stärken und Entwicklungsgesetzen.“ Die sechs Zukunftsindustrien bildeten die „Weiterführung und Aufrüstung“ früherer Strategien und sollten als „Kernträger der neuen produktiven Kräfte“ dienen. Sie seien, so der Kommentar weiter, zugleich Schlüssel, um technologische Engpässe zu überwinden und langfristig ein starkes Fertigungsland aufzubauen.

Klar in der Strategie verankert ist, dass nicht einfach wild in alle Richtungen geforscht wird. „Der Wettbewerb um Zukunftsindustrien ist ein Wettbewerb der Konzentration. Wer seine Ressourcen präzise auf die zentralen Bahnen richtet, wird den Vorsprung erringen“, heißt es in dem Kommentar.

Aus Sicht westlicher Beobachter markiert der Plan eine neue Phase. Martin Geißler, Berater bei Advyce & Company, sieht in dem Programm eine konsequente, aber neu akzentuierte Fortsetzung der bisherigen Industriepolitik. „Das ist im Grunde die logische Fortsetzung der bisherigen Politik, aber mit einem neuen Fokus“, so Geißler zu Table.Briefings. „Neu ist, dass die Zukunftstechnologien so explizit genannt werden - das erhöht den Druck auf die chinesische Industrie in genau diesen Bereichen.“

Besonders zwei Felder stechen aus seiner Sicht hervor: „Kommunikationstechnologie bleibt für China absolut zentral - das betrifft sowohl 6G als auch Quantencomputing.“ 6G sei entscheidend für die Steuerung autonomer Drohnen und Roboter, also für militärische und industrielle Anwendungen zugleich. Beim Quantencomputing ziele China auf ein „unentschlüsselbares Quanten-Internet“, eine Technologie, die der Partei im Extremfall vollständige Kontrolle über Informationsflüsse verschaffen könne. „In beiden Bereichen dürfte China kompromisslos all-in gehen.“

Experte Geißler wünscht sich, dass auch Deutschland und die EU einen ähnlich konkreten Zukunftsplan erarbeiten. „Eines der großen Probleme ist bisher, dass China sehr langfristig denkt - während Europa nur kurzfristig reagiert.“ Was es brauche, sei „eine langfristige Vision für die Zukunft der europäischen Wirtschaft“. Auch strategische Fehler wie die Verkäufe von Schlüsselunternehmen wie Nexperia oder Kuka dürften sich nicht wiederholen.

Letzte Aktualisierung: 20. November 2025

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