Table.Briefing: China

ZEW-Leiter im Interview + Desinfizieren gegen Covid

  • Achim Wambach plädiert für Freihandel
  • China im Desinfektions-Wahn
  • EU beklagt Umstände von Bachelet-Reise
  • VW verteidigt Investitionsstandort Xinjiang
  • Shanghai vor Lockdown-Ende, neue Quarantäne in Peking
  • Xi erteilt Hongkongs künftigem Chef den Segen
  • CO2-Emissionen sinken das dritte Quartal in Folge
  • Portrait: Christoph Rehage hat China laufend erkundet
Liebe Leserin, lieber Leser,

zuerst die Corona-Pandemie, dann der Krieg in der Ukraine – die globalen Lieferketten stehen dieser Tage gehörig unter Druck. So erstaunt es nicht, dass immer mehr Regierungen über eine Entflechtung der globalen Wirtschaftszweige nachdenken. Auch im Hinblick auf China stellt die deutsche Regierung aktuell eine zu große Abhängigkeit fest. Immer häufiger wird deshalb die Re-Nationalisierung einzelner Lieferketten gefordert.

Wirtschaftsexperte Achim Wambach kann einer solchen Politik nichts abgewinnen. Im Gespräch mit Felix Lee erklärt der Leiter des Wirtschaftsforschungsinstituts ZEW, warum das Gegenteil die Lösung wäre. Wambachs Empfehlung: Mehr Freihandel wagen. Es gäbe noch viele Regionen auf der Welt, die eine Phase hohen Wirtschaftswachstums noch vor sich hätten und wo deutsche Unternehmen sich sehr gut positioniert könnten. Ein weiterer Vorteil gegenüber China: Nicht alle dieser Länder sind Autokratien. 

Denn wie autokratisch China vorgehen kann, lässt sich nicht zuletzt an der strikten Corona-Politik der Führung in Peking begutachten: Egal ob Straßen, Wohnungen, Pakete, Parks oder Restaurants – alles, was eine Oberfläche hat, wird dieser Tage desinfiziert. Selbst Menschen. Unser Team in Peking ist deshalb der Frage nachgegangen, wie effektiv die beißenden Gemische aus Ethanol, 1-Propanol oder 2-Propanol im Kampf gegen Corona tatsächlich sind: Sind die vermummten Desinfektionstruppen Chinas Wundermittel gegen Covid oder reines Hygienetheater?  

Viele neue Erkenntnisse bei der Lektüre wünscht

Ihr
Michael Radunski
Bild von Michael  Radunski

Analyse

“Von Abhängigkeiten lösen, aber nicht von China an sich”

ZEW-Präsident Achim Wambach, Copyright Anna Logue Fotografie
ZEW-Präsident Achim Wambach, Copyright Anna Logue Fotografie

Herr Wambach, vier Tage sollte Shanghais Lockdown zur Bekämpfung der Pandemie dauern. Jetzt sind es mehr als zwei Monate – während sich das Leben im Rest der Welt wieder normalisiert. Wie groß ist der Schaden für die deutsche Wirtschaft?

Chinas Lockdowns werden auf die globalen Lieferketten massive Auswirkungen haben. Wir werden in den nächsten Wochen zwar keinen abrupten Schock erleben, aber wir werden mit immer größeren Verzögerungen der Lieferzeiten konfrontiert. Außerdem werden die Preise dadurch wohl weiter steigen. Finanzmarkt-Experten, die wir regelmäßig befragen, erwarten zwar, dass sich die Lage in China in den nächsten sechs Monaten wieder leicht bessern wird. Aber auf einem niedrigen Niveau. Denn mit dem Ende der Corona-Maßnahmen werden die Probleme ja nicht vorbei sein. Es wird Monate dauern, bis der Handel wieder normal läuft.

Russlands Angriffskrieg auf die Ukraine zeigt uns einmal mehr, wie riskant es ist, sich zu sehr auf ein autoritäres Land einzulassen. Sollte uns Russland nicht auch mit Blick auf China eine Lehre sein?

Es gibt eine Reihe aktueller Studien, die sich anschauen, was auf uns zukäme, wenn wir aufhören würden, mit China zu handeln. Wir reden von einem Minus von etwa einem bis vier Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Der chinesische und der europäische Wirtschaftsraum sind stark verflochten.

Das klingt doch gar nicht so schlimm.

Wäre es aber. Etwa zehn Prozent der deutschen Exporte gehen nach China. Viele Absatz- und Beschaffungswege müssten im Falle scharfer Konflikte umgestellt werden. Der Verlust für die betroffenen Firmen wäre deutlich höher. Hinzu kommen die Investitionen deutscher Unternehmer im Land selbst. Sollte ihre Produktion dort beeinträchtigt werden, würde das zumindest ihren Firmenwert treffen. Ein Stopp des China-Geschäfts ist zwar machbar, würde der deutschen Wirtschaft aber sehr wehtun. Im Moment sehe ich eine solche Entwicklung aber nicht. Große deutsche Unternehmen investieren weiter in China. Es sind eher kleine Unternehmen, die wegen der vielen Sicherheitsauflagen ihre China-Geschäfte überdenken.

Verständlich, oder?

Sicherlich sollten wir nach den Erfahrungen der jüngeren Zeit jetzt genau schauen, in welchen Bereichen wir uns von bestimmten Ländern zu abhängig gemacht haben und wo wir neue Lieferketten aufbauen können. Das sind die Lehren aus dem Russland-Konflikt. Und diese Frage stellt sich jetzt auch jedes größere Unternehmen, das in China engagiert ist. Den meisten geht es aber darum, sich von den Abhängigkeiten zu lösen, nicht von China an sich.

Sind einige Firmen nicht längst von China an die Kandare genommen worden? VW und Daimler erwirtschaften mehr als die Hälfte ihres Umsatzes in der Volksrepublik.

Es wäre falsch, wenn VW jetzt sagen würde: Wir gehen komplett raus. Der Handel hat vielleicht nicht zu einem Wandel geführt, wie einst erhofft. Eine gewisse Stabilität in den Beziehungen hat der intensive Austausch aber schon gebracht. Ich denke, Volkswagen und andere Unternehmen werden nun genau ermitteln, wie verletzlich sie sind, sollte es irgendwann zu umfassenderen Sanktionen des Westens gegenüber China kommen.

Wie genau?

Ich empfehle den Unternehmen die Arbeit mit Belastungsszenarien. Jedes Unternehmen sollte alle möglichen Risiken durchgehen. Russland etwa hatte kaum jemand als Risiko auf dem Schirm. Sonst hätten wir nicht diese Gas-Abhängigkeit. Auch bei anderen Rohstoffen, etwa Seltene Erden oder auch Computerchips, gibt es zu große Abhängigkeiten von einigen wenigen Ländern.

Nur was folgt aus solchen Erkenntnissen?

Die deutschen Unternehmen sollten andere geografische Räume wieder stärker ins Auge nehmen: Indien und Südamerika etwa, im Falle von VW auch Nordamerika. Das heißt aber nicht, dass für VW in China alle Maschinen still stehen sollen. Ich plädiere dafür, weiter Handel zu betreiben, aber konsequent Abhängigkeiten zu reduzieren. Es reicht aber nicht aus, dass nur Unternehmen Risiko-Management betreiben. Wie wir zuletzt gesehen haben, gibt es systemische Risiken, die Unternehmen allein nicht angehen können. Und da ist die Politik gefragt, bei der Suche nach neuen Rohstoffquellen etwa, aber eben auch bei der Suche nach neuen Absatzmärkten, etwa durch mehr Handelsverträge.

Statt Renationalisierung plädieren Sie für mehr Freihandel?

Zumindest für einen diversifizierteren Handel. Um Abhängigkeiten zu vermeiden, sollte man nicht nur mit einem Partner handeln, sondern mit vielen. Es gibt noch viele Regionen auf der Welt, die eine Phase hohen Wirtschaftswachstums vor sich haben und wo deutsche Unternehmen, die viel Erfahrung mit internationalem Handel haben, sehr gut positioniert wären. Und nicht alle davon sind Autokratien. 

Stichwort Lieferkettengesetz: Auch wenn China in den vergangenen Jahren enorme Fortschritte bei der Einhaltung von Umwelt- und Sozialstandards gemacht hat, dürfte es für deutsche Unternehmen schwierig werden, die Einhaltung entlang aller Lieferketten gewährleisten zu können. In China fehlt es an unabhängigen Prüfstellen.

Die deutschen Unternehmen mussten ja auch schon vorher darlegen, was sie für Standards einhalten. Insofern ist das Thema nicht neu für sie. Ich halte das deutsche Lieferkettengesetz für einen guten Kompromiss. Es ist relativ vorsichtig in Hinblick auf die Anforderungen und die Tiefe, bis zu der man die Lieferkette kontrollieren kann. Aber demnächst kommt ja das europäische Pendant, was deutlich schärfer ausfallen soll. Das stellt manche deutsche Unternehmen schon vor größere Probleme.

Die USA fordern immer stärker von ihren Verbündeten, sich zu entscheiden: China oder die USA. Deutschland wirkt in der Frage unentschieden.

Wenn es darauf ankam, hat sich Deutschland immer entschieden. Und zwar für die USA. Das war bei den Sanktionen gegen Iran so, das ist aktuell bei Russland der Fall. Dafür ist der amerikanische Markt zu wichtig, die USA sind als unser wichtigster Nato-Partner auch die relevante Schutzmacht. Für mich stellt sich die Frage, was eine solche Aufforderung der USA am Ende bedeutet? Auch amerikanische Unternehmen sind in China tätig. Und auch sie haben keine Pläne, das Land zu verlassen. Ich denke, den USA geht es vor allem um sicherheitsrelevante Technologien. Und da haben sich die Deutschen längst auf die Seite der USA geschlagen.

Droht kein Gegenschlag?

Die Spirale aus Sanktionen und Gegensanktionen ist altbekannt. Wenn wir Telekommunikationsunternehmen in Europa ausschließen, dann ist zu erwarten, dass China ähnlich reagiert. 

Wird das so bleiben?

Ich denke schon. Sollte Chinas Führung überreagieren und auch die Lieferung von Maschinen, Autos und Pharma aus Europa verbieten, würde das ja die Versorgung des eigenen Volkes stark beschneiden. Ich gehe davon aus, dass Gegensanktionen dosiert erfolgen.

Achim Wambach ist seit 2016 Präsident des ZEW, dem Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung. Der promovierte Physiker ist zudem Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Mannheim.

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Viel Rauch um nichts: Wie sinnlose Covid-Desinfektionen verpuffen

Desinfektion der Straßen von Zhengzhou

Egal ob Straßen, Wohnungen, Pakete und Briefe aus dem Ausland oder einfach Menschen. Chinas Behörden sind zu dem Schluss gekommen, dass so ziemlich alles, was eine Oberfläche hat, das Coronavirus übertragen kann. Deshalb wird gesprüht, was das Zeug hält. Soziale Netzwerke sind voll von Videos und Fotos, auf denen ganze Bataillone von Pandemie-Helfern in weißen Schutzanzügen durch die Straßen marschieren und mit ihren Sprühkanonen Fahrbahnen, Gehwege und jeden Laternenmast, der ihnen in den Weg kommt, einnebeln.

Doch sorgten Chinas Desinfektionstruppen anfangs noch für Belustigung, hat sich die Stimmung jedoch inzwischen massiv gedreht. Denn immer häufiger ordnen Behörden an, nicht nur in der Öffentlichkeit, sondern auch in Privatwohnungen zwangsweise zu desinfizieren. In Shanghai und anderen Teilen des Landes mehren sich Berichte von wütenden Wohnungsbesitzern, die in Quarantänezentren geschickt wurden. In ihrer Abwesenheit drangen Reinigungskräfte in ihre Häuser ein und hinterließen von Desinfektionsmitteln durchtränkte Möbel und Fußböden.

Für Entrüstung sorgen auch Bilder von Menschen, die sich in einer Reihe aufstellen müssen und dann mit Desinfektionsmittel beschossen werden. Viele Feuerwehrleute gehen in Shanghai nicht mehr ihrer eigentlichen Aufgabe nach, sondern sind längst fester Bestandteil der Desinfektionstruppen, die von Wohnung zu Wohnung ziehen. An Bahnhöfen und Flughäfen sind Desinfektionsroboter im Einsatz. 

Im Bahnhof von Huzhou kommt hingegen ein Desinfektionsroboter zum Einsatz

Experten verweisen darauf, dass all diese Bemühungen vor allem eines sind: Eine große Verschwendung von Ressourcen. Gleich mehrere Studien belegen, dass die Chance einer Übertragung des Virus über kontaminierte Oberflächen außerordentlich gering ist. Dafür könnte das Desinfizieren eine Gefahr für Gesundheit und Umwelt darstellen. 

Studien belegen geringes Infektionsrisiko über Oberflächen

Das US-Gesundheitsministerium schätzt, dass es beim Kontakt einer mit Covid-19 kontaminierten Oberfläche nur in einem von 10.000 Fällen zu einer Infektion komme. Eine zweijährige Studie, die im April im Journal of Exposure Science and Environmental Epidemiology veröffentlicht wurde, schätzt die Wahrscheinlichkeit sogar auf lediglich 1 zu 100.000.

Die meisten Beobachter sind sich vor dem Hintergrund solcher Zahlen einig, dass es den Behörden um andere Motive geht. Die Bilder sollen “das Vertrauen der Öffentlichkeit in staatliche Maßnahmen stärken”, sagte der Hongkonger Professor Nicholas Thomas gegenüber dem amerikanischen Fernsehsender CNN. Viele China-Beobachter sprechen im Zusammenhang mit der Sprüh-Kampagne nur noch von einem “Hygienetheater”, das nichts mehr mit sinnvollen Präventionsmaßnahmen zu tun hat. Dem Volk soll gezeigt werden, dass die Regierung nicht untätig ist. 

Draußen auf dem Sportplatz kümmern sich aber wieder Menschen um die Desinfektion

Einige Forscher halten die strikten Maßnahmen dennoch für folgerichtig. Das Desinfizieren von Oberflächen sei zwar für die Strategie der meisten Länder unerheblich, meint etwa Leo Poon, Forscher an der School of Public Health der Hongkong Universität. China, das eine Eliminierungsstrategie verfolge, bliebe jedoch kaum eine andere Wahl. 

Das Übertragungsrisiko sei zwar extrem gering. Jedoch könne jede einzelne Infektion eine neue Welle auslösen. Chinas Chefepidemiologe Wu Zunyou sagte kürzlich, dass die Wahrscheinlichkeit einer Infektion durch kontaminierte Oberflächen zwar gering sei, aber mit wiederholter Exposition möglich bliebe.

WHO: Groß angelegte Begasung nicht empfohlen

Eindeutig positioniert sich dagegen die Weltgesundheitsorganisation. In Außenbereichen sei eine groß angelegte Begasung “nicht empfohlen”, heißt es in den offiziellen Richtlinien der WHO. Straßen und Bürgersteige seien keine Infektionswege für das Virus. Das Sprühen von Desinfektionsmitteln könne “schädlich für die Gesundheit” sein und  Augen-, Atemwegs- oder Hautreizungen verursachen.

Sinnvoll seien Desinfektionsmaßnahmen dagegen an den richtigen Stellen: zu Hause, im Büro, in Schulen oder Fitnessstudios. Hier sei es angebracht, sogenannte High-Touch-Oberflächen regelmäßig zu desinfizieren. Als Beispiel nennt die WHO Tür- und Fenstergriffe, Arbeitsplatten in der Küche, Badezimmeroberflächen sowie Toiletten und Wasserhähne. Jörn Petring/Gregor Koppenburg

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News

EU bedauert Bachelet-Reise

Chinas Außenminister Wang Yi ist sichtlich erfreut über den Besuch von Michelle Bachelet in China. Die EU bedauert den Besuch.
Chinas Außenminister Wang Yi ist sichtlich erfreut über den Besuch von Michelle Bachelet in China.

Die Europäische Union hat ihr “Bedauern” über die Reise der UN-Menschenrechtsbeauftragten Michelle Bachelet zum Ausdruck gebracht. Bachelet habe während ihres Besuchs in Xinjiang in der vergangenen Woche keinen uneingeschränkten Zugang zu verfolgten Gruppen, Einzelpersonen und Haftanstalten gehabt, beklagte die Sprecherin des Europäischen Auswärtigen Dienstes (EEAS), Nabila Massrali, am Montag in Brüssel.

Massrali verwies auf umfangreiche “glaubwürdige Berichte über systematische Menschenrechtsverletzungen in Xinjiang” und sagte, “unabhängige Überwachung, Faktenfindung und Ermittlungen” seien die einzigen “glaubwürdigen” Wege, um die Situation in der westchinesischen Provinz richtig einschätzen zu können.

“Wir nehmen zwar zur Kenntnis, dass der Besuch keinen Ermittlungszwecken diente, bedauern jedoch, dass der Zugang der Hochkommissarin zu unabhängigen Organisationen der Zivilgesellschaft, Menschenrechtsverteidigern und Haftanstalten eingeschränkt war und ihr dies nicht erlaubte, das gesamte politische Ausmaß der Umerziehungslager in Xinjiang einzuschätzen“, sagte Massrali.

Derweil rühmt Peking Bachelets sechstägigen Besuch als großen Erfolg. Es war der erste Besuch der UN-Menschenrechtschefin in China seit 2005 (China.Table berichtete). “Westliche Länder haben große Anstrengungen unternommen, um den Besuch der Hochkommissarin zu stören und zu untergraben”, sagte Vize-Außenminister Ma Zhaoxu am Samstag. “Ihre Verschwörung war nicht erfolgreich.” Auch Bachelet selbst verteidigte ihre Reise nach China (China.Table berichtete).

Wie die Zeitung South China Morning Post berichtet, soll die EU kommende Woche einen vollständigen Bericht zur Reise erhalten. rad

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VW-Chef: “Volkswagen verbessert Situation der Uiguren”

Volkswagen will trotz der neuen Enthüllungen über Menschenrechtsverletzungen an der muslimischen Minderheit der Uiguren in China sein Werk in der Provinz Xinjiang weiter betreiben. “Ich glaube, dass die Präsenz der SAIC Volkswagen dazu führt, dass sich die Situation für die Menschen verbessert“, sagte Volkswagen-Chef Herbert Diess der Zeitung “Handelsblatt” (Montagausgabe) mit Blick auf das dortige Gemeinschaftsunternehmen Saic Volkswagen. “Wir reisen dort hin, stellen wie überall auf der Welt sicher, dass unsere Arbeitsstandards durchgesetzt, kulturelle und religiöse Unterschiede respektiert werden.” Gäbe es Ansatzpunkte für Vergehen, würde dagegen vorgegangen, sagte Diess weiter.

VW steht immer wieder in der Kritik, weil der Autohersteller zusammen mit dem chinesischen Staatskonzern Saic seit 2013 eine Fabrik in der Stadt Urumqi betreibt. Jüngst sollen dem Dax-Konzern dort vom Bund Investitionsgarantien verwehrt worden sein (China.Table berichtete). Das bedeutet, dass der Autobauer die finanziellen Risiken selbst tragen muss.

Erst in der vergangenen Woche drangen neue Beweise für schwere Menschenrechtsverbrechen an den Uiguren an die Öffentlichkeit (China.Table berichtete). Zahlreiche Regierungen und Parlamente demokratischer Staaten sowie Menschenrechtsorganisationen werfen China vor, mindestens eine Million Muslime in Lagern in der westlichen Provinz Xinjiang gegen deren Willen festzuhalten. Die US-Regierung spricht wegen des systematisch gesteuerten Rückgangs der Geburtenzahlen unter Uiguren sowie Gewalt, Folterungen und Mord durch chinesische Behörden von einem Genozid. Die Regierung in Peking weist die Vorwürfe als Lügen kategorisch zurück.

Der chinesische Markt ist für Volkswagen jedoch extrem wichtig. Die Wolfsburger sind dort Branchenprimus. Konzernchef Diess ist trotz der jüngsten Corona-Lockdowns und der Wirtschaftsabkühlung in China zuversichtlich, dass die Volksrepublik Wachstumsmotor bleiben wird: “Obwohl China schon heute der größte Automarkt der Welt ist, werden in Relation zur Bevölkerung immer noch vergleichsweise wenige Fahrzeuge verkauft”, erläuterte Diess. So komme China beim Bestand auf 250 bis 300 Autos pro 1000 Einwohner. In Deutschland liege der Bestand bei etwa 600, in den USA seien es ungefähr 800. “Allein diese Zahlen machen deutlich, dass China mit Abstand der größte Wachstumsmarkt bleiben wird”, sagte Diess. rtr

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Shanghai bereitet Ausstieg aus Lockdown am Mittwoch vor

Zwei Monate nach Beginn des Lockdowns in Shanghai laufen die Vorbereitungen für ein Ende der strengen Corona-Auflagen. Ab Mittwoch, 00.00 Uhr (Ortszeit), würden bestimmte Einschränkungen der persönlichen Bewegungsfreiheit aufgehoben, erklärte die Stadtverwaltung am Montag. So sollen die Menschen wieder ihre Wohngebiete verlassen können, wenn sie nicht in Hochrisiko-Vierteln leben. Anfang des Monats waren die Einschränkungen drastisch verschärft worden (China.Table berichtete).

“Die epidemische Lage in unserer Stadt ist effektiv unter Kontrolle gebracht worden und die Situation verbessert sich weiter”, erklärte die Stadtverwaltung auf ihrem Kanal des Messengerdienstes WeChat. Die Bewohner sollten aber weiter dazu angehalten werden, Masken zu tragen, Menschenansammlungen zu meiden und sich impfen zu lassen. Bereits zuvor war Unternehmen erlaubt worden, ihren Betrieb wieder aufzunehmen.

Shanghai: Lockerungen nur Theorie?

Allerdings beschweren sich viele Einwohner:innen der Stadt darüber, dass versprochene Lockerungen lediglich in der Theorie existierten, von den Nachbarschaftskomitees einzelner Wohnblöcke aber effektiv verhindert würden. Mit entsprechender Skepsis sehen viele Betroffene der vermeintlichen Rückkehr in Richtung Normalität entgegen.

Ab Mittwoch werde auch der öffentliche Nahverkehr weitgehend in den Regelbetrieb zurückkehren, teilte die Verwaltung derweil mit. Zudem dürften Privatfahrzeuge wieder ohne vorherige Genehmigung auf die Straßen. Zuletzt durfte man selbst im eigenen Auto ohne ausdrückliche Erlaubnis nicht fahren.

Die Stadt habe einen Härtetest unter extremen Bedingungen bestanden, erklärte Shanghais KP-Sekretär Li Qiang. Nun werde man alles tun, um die wirtschaftliche Erholung voranzutreiben.

Peking: Ein Corona-Fall, tausende in Quarantäne

Unterdessen sind in Peking Tausende Menschen unter Corona-Quarantäne gestellt worden, weil sich ein Nachbar nicht an die Anordnung zur Selbstisolierung gehalten hatte und später positiv auf das Virus getestet wurde. Der 42 Jahre alte Mann hatte wiederholt die Anordnung der Behörden verletzt, nachdem er nach dem Besuch eines Einkaufszentrums als Kontaktperson eines positiven Falls eingestuft worden war.

Mehrmals habe er seine Wohnung verlassen und sei in der Nachbarschaft spazieren gegangen, hieß es. Später wurden der Mann und seine Frau positiv getestet. Daraufhin mussten sich 5.000 Nachbarn des Wohnblocks zu Hause isolieren. 250, die mit ihm dasselbe Gebäude bewohnen, wurden in Quarantänezentren verfrachtet.

China setzt auf eine strikte Null-Covid-Strategie. Mit strengen Abriegelungen, Massentests und langen Quarantänezeiten versuchen die Behörden, Ausbrüche sofort zu stoppen. Verstöße gegen die Vorschriften werden hart bestraft. Auch gegen den 42-Jährigen wird jetzt ermittelt. rtr/rad

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Hongkongs neuer Chef genießt volles Vertrauen der Zentrale

Der künftige Hongkonger Regierungschef John Lee geht mit voller Rückendeckung der chinesischen Zentrale in seine erste Amtszeit. Drei Wochen nach seiner Wahl war der 64-Jährige am Samstag zum Antrittsbesuch nach Peking gereist. Dort hatte ihn am Montag Chinas Staatschef Xi Jinping empfangen und ihm sein volles Vertrauen ausgesprochen. Lee war der Wunschkandidat der Kommunistischen Partei für die Nachfolge der noch amtierenden Carrie Lam (China.Table berichtete). Am 1. Juli wird er die Regierungsgeschäfte seiner Vorgängerin übernehmen.

“Ich bin überzeugt davon, dass die Spitze der neuen Regierung definitiv eine neue Atmosphäre schaffen und ein neues Kapitel in Hongkong aufschlagen wird”, sagte Xi. Lee besitze “den Schneid, Verantwortung zu übernehmen” und habe “zur Wahrung der nationalen Sicherheit und des Wohlstands und der Stabilität Hongkongs” beigetragen. “Die Zentralregierung bestätigt und vertraut Ihnen voll und ganz”, sagte Xi.

Lee ist ehemaliger Polizist und Sicherheitsminister Hongkongs. Während der Protestbewegung vor knapp drei Jahren, an der sich Millionen Menschen wegen des Verlusts ihrer Bürgerrechte beteiligt hatten, aber auch in den Jahren danach spielte Lee eine zentrale Rolle bei der politischen Säuberung der Stadt im Sinne Pekings (China.Table berichtete). Oppositionelle Politiker, Publizisten oder Aktivisten sitzen entweder in Haft oder sind ins ausländische Exil geflohen.

Kritiker sehen in Lees Wahl das endgültige Ende jeglicher Rechtsstaatlichkeit in Hongkong und den nominellen Beginn einer autoritären Herrschaft in der ehemaligen britischen Kronkolonie. grz

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Längster CO2-Rückgang seit einem Jahrzehnt

Chinas Kohlendioxid-Emissionen sind in den ersten drei Monaten des Jahres 2022 um geschätzte 1,4 Prozent zurückgegangen. Es ist somit das dritte Quartal in Folge mit sinkenden Emissionen. Einer Analyse von Carbon Brief zufolge ist das der längste Emissionsrückgang in China seit mindestens einem Jahrzehnt.

Im Sommer 2021 hatten die CO2-Emissionen ihren Höhepunkt erreicht, ehe die Regierung die Immobilienpolitik verschärfte, um Spekulationen und finanzielle Risiken einzudämmen. Seither sind die Emissionen gesunken.

Gründe für den aktuellen Rückgang Anfang 2022 sind vor allem die anhaltende Abschwächung im Immobiliensektor, starke Zuwächse bei sauberer Energie und – im März – strenge Maßnahmen zur Bekämpfung von Covid-19.

Den Analysten von Carbon Brief zufolge sei es sehr wahrscheinlich, dass sich auch im zweiten Quartal 2022 der Trend sinkender Emissionen fortsetzen werde – selbst wenn der chinesische Bausektor sein Tief durchlaufen hat. Denn die Auswirkungen der Lockdowns in Folge der Corona-Politik seien viel entscheidender, schreibt Lauri Myllyvirta vom Centre for Research on Energy and Clean Air. rad

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  • Erneuerbare Energien
  • Klima
  • Umwelt

Presseschau

Handel zwischen China und Russland wächst TAGESSCHAU
Maschinenbauer: Wachstum hängt an Energie und China STERN
VW-Chef hält an Fabrik in Uiguren-Region fest TAGESSCHAU
Deutschland kritisiert China-Reise von UN-Menschenrechtskommissarin Michelle Bachelet ZEIT
CDU-Politiker und Chef des Auswärtigen Ausschusses des EU-Parlaments David McAllister fordert härtere Gangart gegenüber China MERKUR
China spioniert die russische Militärforschung digital aus DEUTSCHLANDFUNK
China und der Ukraine-Krieg: Die Propaganda-Maschine der Blogger SÜDDEUTSCHE
Chinesische Propaganda dank SEO in den SERP und auf Youtube T3N
China flexes naval muscle with huge new aircraft carrier THE TIMES
China, Pacific islands unable to agree on security pact CNN
New Australian opposition leader says China ‘biggest issue’ AP NEWS
Corona in China: Studenten protestieren gegen strenge Auflagen FAZ
Pekinger verstößt gegen Quarantäne – 5000 Nachbarn müssen in Isolation SPIEGEL
Corona-Pandemie: Warum China noch immer alles desinfiziert HEISE
Oil Prices Top $120 as China Eases Lockdowns WSJ
Taiwan jets scramble as China air force enters air defence zone REUTERS
Taiwans Botschafter Jhy-Wey Shieh im Interview: “Gefahr eines Angriffs von China ist real” N-TV
US congressional delegation makes surprise visit to Taiwan CNN
‘Tragically ugly’ school textbook causes social media outcry in China THE GUARDIAN
Chinesischer Raumflug mit drei Raumfahrern steht kurz bevor MDR
Lion in China Zoo Becomes Internet Hit Over Unique Hairstyle NEWSWEEK

Portrait

Christoph Rehage – Zu Fuß durch China

Christoph Rehage begann seine Wandertour vor 15 Jahren in Peking, China.
Christoph Rehage begann seine Wandertour vor 15 Jahren in Peking

Christoph Rehage ist Wanderer, Reiseblogger und Autor. Seit 15 Jahren läuft er zu Fuß durch Asien und Osteuropa. Und er schreibt seine Erlebnisse auf. Sein erstes Buch “The Longest Way” erzählt vom Mosaik eines vielschichtigen Chinas und dem Fluch, weiterlaufen zu wollen, was immer auch geschieht.

Angefangen hat die Reise am 9. November 2007, seinem 26. Geburtstag. Rehage hatte zuvor zwei Jahre in Peking verbracht und dort studiert. Nach Deutschland wollte er zu Fuß zurückkehren. Es war der Beginn einer Reise zu sich selbst, die noch immer nicht zu Ende ist. Nur wenn es dringende persönliche Anlässe gibt, setzt er sich in den Flieger oder den Zug in Richtung Deutschland – familiäre Dinge, Arztbesuche, Lesetouren. Sind die erledigt, geht es dorthin zurück, wo der Trip unterbrochen wurde.

China habe ihn von Beginn an fasziniert: “Die Esskultur war großartig, die Menschen unglaublich kreativ, gastfreundlich, hilfsbereit.” Und je länger er lief, desto mehr lernte er das Land und all seine Widersprüche kennen.

“Sie wissen immer, wo ich bin”

Überall wurde der Mann mit offenen Armen empfangen. Während sein Bart immer weiter wuchs, kam er bei Familien unter, schlief auf Feldern, in Tempeln oder im Hinterzimmer eines Restaurants. Beim Wandern bekam er die Chance, sich intensiv mit Mönchen, Polizeibeamten oder Sexarbeiterinnen auszutauschen, die seinen Weg kreuzten. Auf ausgetrampelten Touristenpfaden hätte er diese Menschen vielleicht auch getroffen, doch die Gelegenheit zum intensiven Austausch hätte sich wohl kaum ergeben.

Rehage lernte die Weltoffenheit der Chinesen auf der einen, ihre Vorsicht im eigenen Land auf der anderen Seite hautnah kennen. “Ich hatte immer das Gefühl, in China liege etwas Tragisches, dass die Menschen dort einander weniger vertrauten als mir.”

Mit der lokalen und sozialen Überwachung, mit der die Chinesen täglich leben müssen, kam Rehage selbst zum ersten Mal 2010 in Konflikt, als er sich mit der lokalen Polizei in Kuytun und Wusu stritt. “Mir wurde der Pass weggenommen, und ich musste ein paar Tage im Hotel bleiben. Damals habe ich verstanden: Sie wissen immer, wo ich bin.” Kontrolle und Autoritarismus sind aus seiner Sicht seit 2010 kontinuierlich schlimmer geworden. “Als ich das erste Mal 2005 in Peking ankam, haben die Leute noch offen gesprochen. Das ist völlig vorbei.”

Als er 2012 durch seine Bücher in China zu einer öffentlichen Person wurde, spürte er das mehr denn je. “Ich hatte plötzlich Einblicke hinter die Kulissen, die man als Tourist nicht bekommt. Ich bekam das Gefühl, es gibt viele Mitläufer in China, die das System selbst nicht gut finden.” Er habe sich lange an die rote Linie der Zensur gehalten. Mit dem Machtantritt von Xi Jinping wurde diese aber immer restriktiver. “Ich konnte und wollte nicht länger schweigen. Deshalb fing ich an, zu reden.” Über Taiwan, Genozide, “alles, was sie nicht hören wollten.” Was Rehage aber auf dem Herzen lag.

Der Kontakt nach China ist abgerissen

Heute sind Rehages Kanäle aufgrund seiner politischen Meinungen in China gesperrt. Zu den meisten seiner Bekannten dort hat er keinen Kontakt mehr. “Ich will sie nicht in Gefahr bringen.” Drei seiner Freunde, von denen er im Buch erzählt, sind verstorben. Ein anderer war – wie er später erfuhr – zwei Jahre in einem Internierungslager in Xinjiang. “Ich trage China immer in meinem Herzen, aber hinter mir stürzen die Brücken ein.”

So zwiespältig wie sein Verhältnis zu China ist auch das zum Laufen. Er würde gern irgendwo ankommen, sagt er, “aber bisher musste ich immer wieder los”. Nach China durchwanderte er Kasachstan, Kirgistan, Usbekistan, Iran, Türkei und Georgien. Weder die Pandemie noch die Diagnose einer Multiplen Sklerose hinderten ihn lange daran, weiterzulaufen. Zurzeit ist Rehage in Serbien. Auf Instagram kann man seinen Trip mitverfolgen.

Inzwischen aber freut er sich darauf, seine Reise bald zu beenden und in Deutschland anzukommen. Gleichzeitig habe er aber auch Angst davor. “Ich habe Angst, dass die Zufriedenheit nicht einsetzt, und ich wieder weiter muss.” Doch vielleicht lässt er sich am Ende auch in Georgien nieder. “Es war das erste Land, wo ich das Gefühl hatte, hier ist Freiheit.” Lisa Marie Jordan

  • Gesellschaft
  • Xinjiang

Personalie

Miriam Steiner wechselt vom Mainzer Lerchenberg ins ZDF-Studio nach Peking. Als Fernseh-Korrespondentin wird Steiner in der chinesischen Hauptstadt das Team um Ulf Roeller verstärken.

Dessert

Das erste freischwimmende chinesische Tiefsee-Windrad namens Fuyao wird von einem Schleppboot in Position gebracht. Fuyao befindet sich vor der Küste der Provinz Guangdong, wo die Wassertiefe durchschnittlich 65 Meter beträgt, und ist mit einer taifunresistenten 6,2-Megawatt-Windkraftanlage ausgestattet

China.Table Redaktion

CHINA.TABLE REDAKTION

Licenses:
    • Achim Wambach plädiert für Freihandel
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    • Xi erteilt Hongkongs künftigem Chef den Segen
    • CO2-Emissionen sinken das dritte Quartal in Folge
    • Portrait: Christoph Rehage hat China laufend erkundet
    Liebe Leserin, lieber Leser,

    zuerst die Corona-Pandemie, dann der Krieg in der Ukraine – die globalen Lieferketten stehen dieser Tage gehörig unter Druck. So erstaunt es nicht, dass immer mehr Regierungen über eine Entflechtung der globalen Wirtschaftszweige nachdenken. Auch im Hinblick auf China stellt die deutsche Regierung aktuell eine zu große Abhängigkeit fest. Immer häufiger wird deshalb die Re-Nationalisierung einzelner Lieferketten gefordert.

    Wirtschaftsexperte Achim Wambach kann einer solchen Politik nichts abgewinnen. Im Gespräch mit Felix Lee erklärt der Leiter des Wirtschaftsforschungsinstituts ZEW, warum das Gegenteil die Lösung wäre. Wambachs Empfehlung: Mehr Freihandel wagen. Es gäbe noch viele Regionen auf der Welt, die eine Phase hohen Wirtschaftswachstums noch vor sich hätten und wo deutsche Unternehmen sich sehr gut positioniert könnten. Ein weiterer Vorteil gegenüber China: Nicht alle dieser Länder sind Autokratien. 

    Denn wie autokratisch China vorgehen kann, lässt sich nicht zuletzt an der strikten Corona-Politik der Führung in Peking begutachten: Egal ob Straßen, Wohnungen, Pakete, Parks oder Restaurants – alles, was eine Oberfläche hat, wird dieser Tage desinfiziert. Selbst Menschen. Unser Team in Peking ist deshalb der Frage nachgegangen, wie effektiv die beißenden Gemische aus Ethanol, 1-Propanol oder 2-Propanol im Kampf gegen Corona tatsächlich sind: Sind die vermummten Desinfektionstruppen Chinas Wundermittel gegen Covid oder reines Hygienetheater?  

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    Michael Radunski
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    “Von Abhängigkeiten lösen, aber nicht von China an sich”

    ZEW-Präsident Achim Wambach, Copyright Anna Logue Fotografie
    ZEW-Präsident Achim Wambach, Copyright Anna Logue Fotografie

    Herr Wambach, vier Tage sollte Shanghais Lockdown zur Bekämpfung der Pandemie dauern. Jetzt sind es mehr als zwei Monate – während sich das Leben im Rest der Welt wieder normalisiert. Wie groß ist der Schaden für die deutsche Wirtschaft?

    Chinas Lockdowns werden auf die globalen Lieferketten massive Auswirkungen haben. Wir werden in den nächsten Wochen zwar keinen abrupten Schock erleben, aber wir werden mit immer größeren Verzögerungen der Lieferzeiten konfrontiert. Außerdem werden die Preise dadurch wohl weiter steigen. Finanzmarkt-Experten, die wir regelmäßig befragen, erwarten zwar, dass sich die Lage in China in den nächsten sechs Monaten wieder leicht bessern wird. Aber auf einem niedrigen Niveau. Denn mit dem Ende der Corona-Maßnahmen werden die Probleme ja nicht vorbei sein. Es wird Monate dauern, bis der Handel wieder normal läuft.

    Russlands Angriffskrieg auf die Ukraine zeigt uns einmal mehr, wie riskant es ist, sich zu sehr auf ein autoritäres Land einzulassen. Sollte uns Russland nicht auch mit Blick auf China eine Lehre sein?

    Es gibt eine Reihe aktueller Studien, die sich anschauen, was auf uns zukäme, wenn wir aufhören würden, mit China zu handeln. Wir reden von einem Minus von etwa einem bis vier Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Der chinesische und der europäische Wirtschaftsraum sind stark verflochten.

    Das klingt doch gar nicht so schlimm.

    Wäre es aber. Etwa zehn Prozent der deutschen Exporte gehen nach China. Viele Absatz- und Beschaffungswege müssten im Falle scharfer Konflikte umgestellt werden. Der Verlust für die betroffenen Firmen wäre deutlich höher. Hinzu kommen die Investitionen deutscher Unternehmer im Land selbst. Sollte ihre Produktion dort beeinträchtigt werden, würde das zumindest ihren Firmenwert treffen. Ein Stopp des China-Geschäfts ist zwar machbar, würde der deutschen Wirtschaft aber sehr wehtun. Im Moment sehe ich eine solche Entwicklung aber nicht. Große deutsche Unternehmen investieren weiter in China. Es sind eher kleine Unternehmen, die wegen der vielen Sicherheitsauflagen ihre China-Geschäfte überdenken.

    Verständlich, oder?

    Sicherlich sollten wir nach den Erfahrungen der jüngeren Zeit jetzt genau schauen, in welchen Bereichen wir uns von bestimmten Ländern zu abhängig gemacht haben und wo wir neue Lieferketten aufbauen können. Das sind die Lehren aus dem Russland-Konflikt. Und diese Frage stellt sich jetzt auch jedes größere Unternehmen, das in China engagiert ist. Den meisten geht es aber darum, sich von den Abhängigkeiten zu lösen, nicht von China an sich.

    Sind einige Firmen nicht längst von China an die Kandare genommen worden? VW und Daimler erwirtschaften mehr als die Hälfte ihres Umsatzes in der Volksrepublik.

    Es wäre falsch, wenn VW jetzt sagen würde: Wir gehen komplett raus. Der Handel hat vielleicht nicht zu einem Wandel geführt, wie einst erhofft. Eine gewisse Stabilität in den Beziehungen hat der intensive Austausch aber schon gebracht. Ich denke, Volkswagen und andere Unternehmen werden nun genau ermitteln, wie verletzlich sie sind, sollte es irgendwann zu umfassenderen Sanktionen des Westens gegenüber China kommen.

    Wie genau?

    Ich empfehle den Unternehmen die Arbeit mit Belastungsszenarien. Jedes Unternehmen sollte alle möglichen Risiken durchgehen. Russland etwa hatte kaum jemand als Risiko auf dem Schirm. Sonst hätten wir nicht diese Gas-Abhängigkeit. Auch bei anderen Rohstoffen, etwa Seltene Erden oder auch Computerchips, gibt es zu große Abhängigkeiten von einigen wenigen Ländern.

    Nur was folgt aus solchen Erkenntnissen?

    Die deutschen Unternehmen sollten andere geografische Räume wieder stärker ins Auge nehmen: Indien und Südamerika etwa, im Falle von VW auch Nordamerika. Das heißt aber nicht, dass für VW in China alle Maschinen still stehen sollen. Ich plädiere dafür, weiter Handel zu betreiben, aber konsequent Abhängigkeiten zu reduzieren. Es reicht aber nicht aus, dass nur Unternehmen Risiko-Management betreiben. Wie wir zuletzt gesehen haben, gibt es systemische Risiken, die Unternehmen allein nicht angehen können. Und da ist die Politik gefragt, bei der Suche nach neuen Rohstoffquellen etwa, aber eben auch bei der Suche nach neuen Absatzmärkten, etwa durch mehr Handelsverträge.

    Statt Renationalisierung plädieren Sie für mehr Freihandel?

    Zumindest für einen diversifizierteren Handel. Um Abhängigkeiten zu vermeiden, sollte man nicht nur mit einem Partner handeln, sondern mit vielen. Es gibt noch viele Regionen auf der Welt, die eine Phase hohen Wirtschaftswachstums vor sich haben und wo deutsche Unternehmen, die viel Erfahrung mit internationalem Handel haben, sehr gut positioniert wären. Und nicht alle davon sind Autokratien. 

    Stichwort Lieferkettengesetz: Auch wenn China in den vergangenen Jahren enorme Fortschritte bei der Einhaltung von Umwelt- und Sozialstandards gemacht hat, dürfte es für deutsche Unternehmen schwierig werden, die Einhaltung entlang aller Lieferketten gewährleisten zu können. In China fehlt es an unabhängigen Prüfstellen.

    Die deutschen Unternehmen mussten ja auch schon vorher darlegen, was sie für Standards einhalten. Insofern ist das Thema nicht neu für sie. Ich halte das deutsche Lieferkettengesetz für einen guten Kompromiss. Es ist relativ vorsichtig in Hinblick auf die Anforderungen und die Tiefe, bis zu der man die Lieferkette kontrollieren kann. Aber demnächst kommt ja das europäische Pendant, was deutlich schärfer ausfallen soll. Das stellt manche deutsche Unternehmen schon vor größere Probleme.

    Die USA fordern immer stärker von ihren Verbündeten, sich zu entscheiden: China oder die USA. Deutschland wirkt in der Frage unentschieden.

    Wenn es darauf ankam, hat sich Deutschland immer entschieden. Und zwar für die USA. Das war bei den Sanktionen gegen Iran so, das ist aktuell bei Russland der Fall. Dafür ist der amerikanische Markt zu wichtig, die USA sind als unser wichtigster Nato-Partner auch die relevante Schutzmacht. Für mich stellt sich die Frage, was eine solche Aufforderung der USA am Ende bedeutet? Auch amerikanische Unternehmen sind in China tätig. Und auch sie haben keine Pläne, das Land zu verlassen. Ich denke, den USA geht es vor allem um sicherheitsrelevante Technologien. Und da haben sich die Deutschen längst auf die Seite der USA geschlagen.

    Droht kein Gegenschlag?

    Die Spirale aus Sanktionen und Gegensanktionen ist altbekannt. Wenn wir Telekommunikationsunternehmen in Europa ausschließen, dann ist zu erwarten, dass China ähnlich reagiert. 

    Wird das so bleiben?

    Ich denke schon. Sollte Chinas Führung überreagieren und auch die Lieferung von Maschinen, Autos und Pharma aus Europa verbieten, würde das ja die Versorgung des eigenen Volkes stark beschneiden. Ich gehe davon aus, dass Gegensanktionen dosiert erfolgen.

    Achim Wambach ist seit 2016 Präsident des ZEW, dem Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung. Der promovierte Physiker ist zudem Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Mannheim.

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    Viel Rauch um nichts: Wie sinnlose Covid-Desinfektionen verpuffen

    Desinfektion der Straßen von Zhengzhou

    Egal ob Straßen, Wohnungen, Pakete und Briefe aus dem Ausland oder einfach Menschen. Chinas Behörden sind zu dem Schluss gekommen, dass so ziemlich alles, was eine Oberfläche hat, das Coronavirus übertragen kann. Deshalb wird gesprüht, was das Zeug hält. Soziale Netzwerke sind voll von Videos und Fotos, auf denen ganze Bataillone von Pandemie-Helfern in weißen Schutzanzügen durch die Straßen marschieren und mit ihren Sprühkanonen Fahrbahnen, Gehwege und jeden Laternenmast, der ihnen in den Weg kommt, einnebeln.

    Doch sorgten Chinas Desinfektionstruppen anfangs noch für Belustigung, hat sich die Stimmung jedoch inzwischen massiv gedreht. Denn immer häufiger ordnen Behörden an, nicht nur in der Öffentlichkeit, sondern auch in Privatwohnungen zwangsweise zu desinfizieren. In Shanghai und anderen Teilen des Landes mehren sich Berichte von wütenden Wohnungsbesitzern, die in Quarantänezentren geschickt wurden. In ihrer Abwesenheit drangen Reinigungskräfte in ihre Häuser ein und hinterließen von Desinfektionsmitteln durchtränkte Möbel und Fußböden.

    Für Entrüstung sorgen auch Bilder von Menschen, die sich in einer Reihe aufstellen müssen und dann mit Desinfektionsmittel beschossen werden. Viele Feuerwehrleute gehen in Shanghai nicht mehr ihrer eigentlichen Aufgabe nach, sondern sind längst fester Bestandteil der Desinfektionstruppen, die von Wohnung zu Wohnung ziehen. An Bahnhöfen und Flughäfen sind Desinfektionsroboter im Einsatz. 

    Im Bahnhof von Huzhou kommt hingegen ein Desinfektionsroboter zum Einsatz

    Experten verweisen darauf, dass all diese Bemühungen vor allem eines sind: Eine große Verschwendung von Ressourcen. Gleich mehrere Studien belegen, dass die Chance einer Übertragung des Virus über kontaminierte Oberflächen außerordentlich gering ist. Dafür könnte das Desinfizieren eine Gefahr für Gesundheit und Umwelt darstellen. 

    Studien belegen geringes Infektionsrisiko über Oberflächen

    Das US-Gesundheitsministerium schätzt, dass es beim Kontakt einer mit Covid-19 kontaminierten Oberfläche nur in einem von 10.000 Fällen zu einer Infektion komme. Eine zweijährige Studie, die im April im Journal of Exposure Science and Environmental Epidemiology veröffentlicht wurde, schätzt die Wahrscheinlichkeit sogar auf lediglich 1 zu 100.000.

    Die meisten Beobachter sind sich vor dem Hintergrund solcher Zahlen einig, dass es den Behörden um andere Motive geht. Die Bilder sollen “das Vertrauen der Öffentlichkeit in staatliche Maßnahmen stärken”, sagte der Hongkonger Professor Nicholas Thomas gegenüber dem amerikanischen Fernsehsender CNN. Viele China-Beobachter sprechen im Zusammenhang mit der Sprüh-Kampagne nur noch von einem “Hygienetheater”, das nichts mehr mit sinnvollen Präventionsmaßnahmen zu tun hat. Dem Volk soll gezeigt werden, dass die Regierung nicht untätig ist. 

    Draußen auf dem Sportplatz kümmern sich aber wieder Menschen um die Desinfektion

    Einige Forscher halten die strikten Maßnahmen dennoch für folgerichtig. Das Desinfizieren von Oberflächen sei zwar für die Strategie der meisten Länder unerheblich, meint etwa Leo Poon, Forscher an der School of Public Health der Hongkong Universität. China, das eine Eliminierungsstrategie verfolge, bliebe jedoch kaum eine andere Wahl. 

    Das Übertragungsrisiko sei zwar extrem gering. Jedoch könne jede einzelne Infektion eine neue Welle auslösen. Chinas Chefepidemiologe Wu Zunyou sagte kürzlich, dass die Wahrscheinlichkeit einer Infektion durch kontaminierte Oberflächen zwar gering sei, aber mit wiederholter Exposition möglich bliebe.

    WHO: Groß angelegte Begasung nicht empfohlen

    Eindeutig positioniert sich dagegen die Weltgesundheitsorganisation. In Außenbereichen sei eine groß angelegte Begasung “nicht empfohlen”, heißt es in den offiziellen Richtlinien der WHO. Straßen und Bürgersteige seien keine Infektionswege für das Virus. Das Sprühen von Desinfektionsmitteln könne “schädlich für die Gesundheit” sein und  Augen-, Atemwegs- oder Hautreizungen verursachen.

    Sinnvoll seien Desinfektionsmaßnahmen dagegen an den richtigen Stellen: zu Hause, im Büro, in Schulen oder Fitnessstudios. Hier sei es angebracht, sogenannte High-Touch-Oberflächen regelmäßig zu desinfizieren. Als Beispiel nennt die WHO Tür- und Fenstergriffe, Arbeitsplatten in der Küche, Badezimmeroberflächen sowie Toiletten und Wasserhähne. Jörn Petring/Gregor Koppenburg

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    EU bedauert Bachelet-Reise

    Chinas Außenminister Wang Yi ist sichtlich erfreut über den Besuch von Michelle Bachelet in China. Die EU bedauert den Besuch.
    Chinas Außenminister Wang Yi ist sichtlich erfreut über den Besuch von Michelle Bachelet in China.

    Die Europäische Union hat ihr “Bedauern” über die Reise der UN-Menschenrechtsbeauftragten Michelle Bachelet zum Ausdruck gebracht. Bachelet habe während ihres Besuchs in Xinjiang in der vergangenen Woche keinen uneingeschränkten Zugang zu verfolgten Gruppen, Einzelpersonen und Haftanstalten gehabt, beklagte die Sprecherin des Europäischen Auswärtigen Dienstes (EEAS), Nabila Massrali, am Montag in Brüssel.

    Massrali verwies auf umfangreiche “glaubwürdige Berichte über systematische Menschenrechtsverletzungen in Xinjiang” und sagte, “unabhängige Überwachung, Faktenfindung und Ermittlungen” seien die einzigen “glaubwürdigen” Wege, um die Situation in der westchinesischen Provinz richtig einschätzen zu können.

    “Wir nehmen zwar zur Kenntnis, dass der Besuch keinen Ermittlungszwecken diente, bedauern jedoch, dass der Zugang der Hochkommissarin zu unabhängigen Organisationen der Zivilgesellschaft, Menschenrechtsverteidigern und Haftanstalten eingeschränkt war und ihr dies nicht erlaubte, das gesamte politische Ausmaß der Umerziehungslager in Xinjiang einzuschätzen“, sagte Massrali.

    Derweil rühmt Peking Bachelets sechstägigen Besuch als großen Erfolg. Es war der erste Besuch der UN-Menschenrechtschefin in China seit 2005 (China.Table berichtete). “Westliche Länder haben große Anstrengungen unternommen, um den Besuch der Hochkommissarin zu stören und zu untergraben”, sagte Vize-Außenminister Ma Zhaoxu am Samstag. “Ihre Verschwörung war nicht erfolgreich.” Auch Bachelet selbst verteidigte ihre Reise nach China (China.Table berichtete).

    Wie die Zeitung South China Morning Post berichtet, soll die EU kommende Woche einen vollständigen Bericht zur Reise erhalten. rad

    • EU
    • Menschenrechte
    • Vereinte Nationen
    • Xinjiang
    • Zivilgesellschaft

    VW-Chef: “Volkswagen verbessert Situation der Uiguren”

    Volkswagen will trotz der neuen Enthüllungen über Menschenrechtsverletzungen an der muslimischen Minderheit der Uiguren in China sein Werk in der Provinz Xinjiang weiter betreiben. “Ich glaube, dass die Präsenz der SAIC Volkswagen dazu führt, dass sich die Situation für die Menschen verbessert“, sagte Volkswagen-Chef Herbert Diess der Zeitung “Handelsblatt” (Montagausgabe) mit Blick auf das dortige Gemeinschaftsunternehmen Saic Volkswagen. “Wir reisen dort hin, stellen wie überall auf der Welt sicher, dass unsere Arbeitsstandards durchgesetzt, kulturelle und religiöse Unterschiede respektiert werden.” Gäbe es Ansatzpunkte für Vergehen, würde dagegen vorgegangen, sagte Diess weiter.

    VW steht immer wieder in der Kritik, weil der Autohersteller zusammen mit dem chinesischen Staatskonzern Saic seit 2013 eine Fabrik in der Stadt Urumqi betreibt. Jüngst sollen dem Dax-Konzern dort vom Bund Investitionsgarantien verwehrt worden sein (China.Table berichtete). Das bedeutet, dass der Autobauer die finanziellen Risiken selbst tragen muss.

    Erst in der vergangenen Woche drangen neue Beweise für schwere Menschenrechtsverbrechen an den Uiguren an die Öffentlichkeit (China.Table berichtete). Zahlreiche Regierungen und Parlamente demokratischer Staaten sowie Menschenrechtsorganisationen werfen China vor, mindestens eine Million Muslime in Lagern in der westlichen Provinz Xinjiang gegen deren Willen festzuhalten. Die US-Regierung spricht wegen des systematisch gesteuerten Rückgangs der Geburtenzahlen unter Uiguren sowie Gewalt, Folterungen und Mord durch chinesische Behörden von einem Genozid. Die Regierung in Peking weist die Vorwürfe als Lügen kategorisch zurück.

    Der chinesische Markt ist für Volkswagen jedoch extrem wichtig. Die Wolfsburger sind dort Branchenprimus. Konzernchef Diess ist trotz der jüngsten Corona-Lockdowns und der Wirtschaftsabkühlung in China zuversichtlich, dass die Volksrepublik Wachstumsmotor bleiben wird: “Obwohl China schon heute der größte Automarkt der Welt ist, werden in Relation zur Bevölkerung immer noch vergleichsweise wenige Fahrzeuge verkauft”, erläuterte Diess. So komme China beim Bestand auf 250 bis 300 Autos pro 1000 Einwohner. In Deutschland liege der Bestand bei etwa 600, in den USA seien es ungefähr 800. “Allein diese Zahlen machen deutlich, dass China mit Abstand der größte Wachstumsmarkt bleiben wird”, sagte Diess. rtr

    • Autoindustrie

    Shanghai bereitet Ausstieg aus Lockdown am Mittwoch vor

    Zwei Monate nach Beginn des Lockdowns in Shanghai laufen die Vorbereitungen für ein Ende der strengen Corona-Auflagen. Ab Mittwoch, 00.00 Uhr (Ortszeit), würden bestimmte Einschränkungen der persönlichen Bewegungsfreiheit aufgehoben, erklärte die Stadtverwaltung am Montag. So sollen die Menschen wieder ihre Wohngebiete verlassen können, wenn sie nicht in Hochrisiko-Vierteln leben. Anfang des Monats waren die Einschränkungen drastisch verschärft worden (China.Table berichtete).

    “Die epidemische Lage in unserer Stadt ist effektiv unter Kontrolle gebracht worden und die Situation verbessert sich weiter”, erklärte die Stadtverwaltung auf ihrem Kanal des Messengerdienstes WeChat. Die Bewohner sollten aber weiter dazu angehalten werden, Masken zu tragen, Menschenansammlungen zu meiden und sich impfen zu lassen. Bereits zuvor war Unternehmen erlaubt worden, ihren Betrieb wieder aufzunehmen.

    Shanghai: Lockerungen nur Theorie?

    Allerdings beschweren sich viele Einwohner:innen der Stadt darüber, dass versprochene Lockerungen lediglich in der Theorie existierten, von den Nachbarschaftskomitees einzelner Wohnblöcke aber effektiv verhindert würden. Mit entsprechender Skepsis sehen viele Betroffene der vermeintlichen Rückkehr in Richtung Normalität entgegen.

    Ab Mittwoch werde auch der öffentliche Nahverkehr weitgehend in den Regelbetrieb zurückkehren, teilte die Verwaltung derweil mit. Zudem dürften Privatfahrzeuge wieder ohne vorherige Genehmigung auf die Straßen. Zuletzt durfte man selbst im eigenen Auto ohne ausdrückliche Erlaubnis nicht fahren.

    Die Stadt habe einen Härtetest unter extremen Bedingungen bestanden, erklärte Shanghais KP-Sekretär Li Qiang. Nun werde man alles tun, um die wirtschaftliche Erholung voranzutreiben.

    Peking: Ein Corona-Fall, tausende in Quarantäne

    Unterdessen sind in Peking Tausende Menschen unter Corona-Quarantäne gestellt worden, weil sich ein Nachbar nicht an die Anordnung zur Selbstisolierung gehalten hatte und später positiv auf das Virus getestet wurde. Der 42 Jahre alte Mann hatte wiederholt die Anordnung der Behörden verletzt, nachdem er nach dem Besuch eines Einkaufszentrums als Kontaktperson eines positiven Falls eingestuft worden war.

    Mehrmals habe er seine Wohnung verlassen und sei in der Nachbarschaft spazieren gegangen, hieß es. Später wurden der Mann und seine Frau positiv getestet. Daraufhin mussten sich 5.000 Nachbarn des Wohnblocks zu Hause isolieren. 250, die mit ihm dasselbe Gebäude bewohnen, wurden in Quarantänezentren verfrachtet.

    China setzt auf eine strikte Null-Covid-Strategie. Mit strengen Abriegelungen, Massentests und langen Quarantänezeiten versuchen die Behörden, Ausbrüche sofort zu stoppen. Verstöße gegen die Vorschriften werden hart bestraft. Auch gegen den 42-Jährigen wird jetzt ermittelt. rtr/rad

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    • Gesundheit
    • Peking

    Hongkongs neuer Chef genießt volles Vertrauen der Zentrale

    Der künftige Hongkonger Regierungschef John Lee geht mit voller Rückendeckung der chinesischen Zentrale in seine erste Amtszeit. Drei Wochen nach seiner Wahl war der 64-Jährige am Samstag zum Antrittsbesuch nach Peking gereist. Dort hatte ihn am Montag Chinas Staatschef Xi Jinping empfangen und ihm sein volles Vertrauen ausgesprochen. Lee war der Wunschkandidat der Kommunistischen Partei für die Nachfolge der noch amtierenden Carrie Lam (China.Table berichtete). Am 1. Juli wird er die Regierungsgeschäfte seiner Vorgängerin übernehmen.

    “Ich bin überzeugt davon, dass die Spitze der neuen Regierung definitiv eine neue Atmosphäre schaffen und ein neues Kapitel in Hongkong aufschlagen wird”, sagte Xi. Lee besitze “den Schneid, Verantwortung zu übernehmen” und habe “zur Wahrung der nationalen Sicherheit und des Wohlstands und der Stabilität Hongkongs” beigetragen. “Die Zentralregierung bestätigt und vertraut Ihnen voll und ganz”, sagte Xi.

    Lee ist ehemaliger Polizist und Sicherheitsminister Hongkongs. Während der Protestbewegung vor knapp drei Jahren, an der sich Millionen Menschen wegen des Verlusts ihrer Bürgerrechte beteiligt hatten, aber auch in den Jahren danach spielte Lee eine zentrale Rolle bei der politischen Säuberung der Stadt im Sinne Pekings (China.Table berichtete). Oppositionelle Politiker, Publizisten oder Aktivisten sitzen entweder in Haft oder sind ins ausländische Exil geflohen.

    Kritiker sehen in Lees Wahl das endgültige Ende jeglicher Rechtsstaatlichkeit in Hongkong und den nominellen Beginn einer autoritären Herrschaft in der ehemaligen britischen Kronkolonie. grz

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    Längster CO2-Rückgang seit einem Jahrzehnt

    Chinas Kohlendioxid-Emissionen sind in den ersten drei Monaten des Jahres 2022 um geschätzte 1,4 Prozent zurückgegangen. Es ist somit das dritte Quartal in Folge mit sinkenden Emissionen. Einer Analyse von Carbon Brief zufolge ist das der längste Emissionsrückgang in China seit mindestens einem Jahrzehnt.

    Im Sommer 2021 hatten die CO2-Emissionen ihren Höhepunkt erreicht, ehe die Regierung die Immobilienpolitik verschärfte, um Spekulationen und finanzielle Risiken einzudämmen. Seither sind die Emissionen gesunken.

    Gründe für den aktuellen Rückgang Anfang 2022 sind vor allem die anhaltende Abschwächung im Immobiliensektor, starke Zuwächse bei sauberer Energie und – im März – strenge Maßnahmen zur Bekämpfung von Covid-19.

    Den Analysten von Carbon Brief zufolge sei es sehr wahrscheinlich, dass sich auch im zweiten Quartal 2022 der Trend sinkender Emissionen fortsetzen werde – selbst wenn der chinesische Bausektor sein Tief durchlaufen hat. Denn die Auswirkungen der Lockdowns in Folge der Corona-Politik seien viel entscheidender, schreibt Lauri Myllyvirta vom Centre for Research on Energy and Clean Air. rad

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    Presseschau

    Handel zwischen China und Russland wächst TAGESSCHAU
    Maschinenbauer: Wachstum hängt an Energie und China STERN
    VW-Chef hält an Fabrik in Uiguren-Region fest TAGESSCHAU
    Deutschland kritisiert China-Reise von UN-Menschenrechtskommissarin Michelle Bachelet ZEIT
    CDU-Politiker und Chef des Auswärtigen Ausschusses des EU-Parlaments David McAllister fordert härtere Gangart gegenüber China MERKUR
    China spioniert die russische Militärforschung digital aus DEUTSCHLANDFUNK
    China und der Ukraine-Krieg: Die Propaganda-Maschine der Blogger SÜDDEUTSCHE
    Chinesische Propaganda dank SEO in den SERP und auf Youtube T3N
    China flexes naval muscle with huge new aircraft carrier THE TIMES
    China, Pacific islands unable to agree on security pact CNN
    New Australian opposition leader says China ‘biggest issue’ AP NEWS
    Corona in China: Studenten protestieren gegen strenge Auflagen FAZ
    Pekinger verstößt gegen Quarantäne – 5000 Nachbarn müssen in Isolation SPIEGEL
    Corona-Pandemie: Warum China noch immer alles desinfiziert HEISE
    Oil Prices Top $120 as China Eases Lockdowns WSJ
    Taiwan jets scramble as China air force enters air defence zone REUTERS
    Taiwans Botschafter Jhy-Wey Shieh im Interview: “Gefahr eines Angriffs von China ist real” N-TV
    US congressional delegation makes surprise visit to Taiwan CNN
    ‘Tragically ugly’ school textbook causes social media outcry in China THE GUARDIAN
    Chinesischer Raumflug mit drei Raumfahrern steht kurz bevor MDR
    Lion in China Zoo Becomes Internet Hit Over Unique Hairstyle NEWSWEEK

    Portrait

    Christoph Rehage – Zu Fuß durch China

    Christoph Rehage begann seine Wandertour vor 15 Jahren in Peking, China.
    Christoph Rehage begann seine Wandertour vor 15 Jahren in Peking

    Christoph Rehage ist Wanderer, Reiseblogger und Autor. Seit 15 Jahren läuft er zu Fuß durch Asien und Osteuropa. Und er schreibt seine Erlebnisse auf. Sein erstes Buch “The Longest Way” erzählt vom Mosaik eines vielschichtigen Chinas und dem Fluch, weiterlaufen zu wollen, was immer auch geschieht.

    Angefangen hat die Reise am 9. November 2007, seinem 26. Geburtstag. Rehage hatte zuvor zwei Jahre in Peking verbracht und dort studiert. Nach Deutschland wollte er zu Fuß zurückkehren. Es war der Beginn einer Reise zu sich selbst, die noch immer nicht zu Ende ist. Nur wenn es dringende persönliche Anlässe gibt, setzt er sich in den Flieger oder den Zug in Richtung Deutschland – familiäre Dinge, Arztbesuche, Lesetouren. Sind die erledigt, geht es dorthin zurück, wo der Trip unterbrochen wurde.

    China habe ihn von Beginn an fasziniert: “Die Esskultur war großartig, die Menschen unglaublich kreativ, gastfreundlich, hilfsbereit.” Und je länger er lief, desto mehr lernte er das Land und all seine Widersprüche kennen.

    “Sie wissen immer, wo ich bin”

    Überall wurde der Mann mit offenen Armen empfangen. Während sein Bart immer weiter wuchs, kam er bei Familien unter, schlief auf Feldern, in Tempeln oder im Hinterzimmer eines Restaurants. Beim Wandern bekam er die Chance, sich intensiv mit Mönchen, Polizeibeamten oder Sexarbeiterinnen auszutauschen, die seinen Weg kreuzten. Auf ausgetrampelten Touristenpfaden hätte er diese Menschen vielleicht auch getroffen, doch die Gelegenheit zum intensiven Austausch hätte sich wohl kaum ergeben.

    Rehage lernte die Weltoffenheit der Chinesen auf der einen, ihre Vorsicht im eigenen Land auf der anderen Seite hautnah kennen. “Ich hatte immer das Gefühl, in China liege etwas Tragisches, dass die Menschen dort einander weniger vertrauten als mir.”

    Mit der lokalen und sozialen Überwachung, mit der die Chinesen täglich leben müssen, kam Rehage selbst zum ersten Mal 2010 in Konflikt, als er sich mit der lokalen Polizei in Kuytun und Wusu stritt. “Mir wurde der Pass weggenommen, und ich musste ein paar Tage im Hotel bleiben. Damals habe ich verstanden: Sie wissen immer, wo ich bin.” Kontrolle und Autoritarismus sind aus seiner Sicht seit 2010 kontinuierlich schlimmer geworden. “Als ich das erste Mal 2005 in Peking ankam, haben die Leute noch offen gesprochen. Das ist völlig vorbei.”

    Als er 2012 durch seine Bücher in China zu einer öffentlichen Person wurde, spürte er das mehr denn je. “Ich hatte plötzlich Einblicke hinter die Kulissen, die man als Tourist nicht bekommt. Ich bekam das Gefühl, es gibt viele Mitläufer in China, die das System selbst nicht gut finden.” Er habe sich lange an die rote Linie der Zensur gehalten. Mit dem Machtantritt von Xi Jinping wurde diese aber immer restriktiver. “Ich konnte und wollte nicht länger schweigen. Deshalb fing ich an, zu reden.” Über Taiwan, Genozide, “alles, was sie nicht hören wollten.” Was Rehage aber auf dem Herzen lag.

    Der Kontakt nach China ist abgerissen

    Heute sind Rehages Kanäle aufgrund seiner politischen Meinungen in China gesperrt. Zu den meisten seiner Bekannten dort hat er keinen Kontakt mehr. “Ich will sie nicht in Gefahr bringen.” Drei seiner Freunde, von denen er im Buch erzählt, sind verstorben. Ein anderer war – wie er später erfuhr – zwei Jahre in einem Internierungslager in Xinjiang. “Ich trage China immer in meinem Herzen, aber hinter mir stürzen die Brücken ein.”

    So zwiespältig wie sein Verhältnis zu China ist auch das zum Laufen. Er würde gern irgendwo ankommen, sagt er, “aber bisher musste ich immer wieder los”. Nach China durchwanderte er Kasachstan, Kirgistan, Usbekistan, Iran, Türkei und Georgien. Weder die Pandemie noch die Diagnose einer Multiplen Sklerose hinderten ihn lange daran, weiterzulaufen. Zurzeit ist Rehage in Serbien. Auf Instagram kann man seinen Trip mitverfolgen.

    Inzwischen aber freut er sich darauf, seine Reise bald zu beenden und in Deutschland anzukommen. Gleichzeitig habe er aber auch Angst davor. “Ich habe Angst, dass die Zufriedenheit nicht einsetzt, und ich wieder weiter muss.” Doch vielleicht lässt er sich am Ende auch in Georgien nieder. “Es war das erste Land, wo ich das Gefühl hatte, hier ist Freiheit.” Lisa Marie Jordan

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    Personalie

    Miriam Steiner wechselt vom Mainzer Lerchenberg ins ZDF-Studio nach Peking. Als Fernseh-Korrespondentin wird Steiner in der chinesischen Hauptstadt das Team um Ulf Roeller verstärken.

    Dessert

    Das erste freischwimmende chinesische Tiefsee-Windrad namens Fuyao wird von einem Schleppboot in Position gebracht. Fuyao befindet sich vor der Küste der Provinz Guangdong, wo die Wassertiefe durchschnittlich 65 Meter beträgt, und ist mit einer taifunresistenten 6,2-Megawatt-Windkraftanlage ausgestattet

    China.Table Redaktion

    CHINA.TABLE REDAKTION

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