preiswerte Konkurrenz aus Fernost hat schon so manche deutsche Branche plattgemacht. Fernseher, Kameras, Solarzellen, Grundstoffe für Antibiotika, Spielwaren. Dieses Muster ist so fest verankert, dass sich Ängste davor leicht abrufen lassen. Nun fährt die chinesische Regierung ihre Subventionsmaschinerie hoch, um den eigenen Anbietern von Windkraftanlagen den Weg in die EU zu ebnen. Dort winkt üppiger Absatz. Schließlich steht das Großprojekt der Loslösung von geo- und klimapolitisch schädlichen Energieträgern an. Doch für Vestas und Gamesa ist noch nicht alles verloren, analysiert Nico Beckert. Denn ein 100 Meter langer Rotor für ein Windrad lässt sich nicht einfach in einen Container packen wie eine Solarzelle.
Folgenreich ist auch der Krieg in der Ukraine für die Lieferketten. Frank Sieren schaut auf die Auswirkungen der Versorgung mit dem Edelgas Neon. Es ist zwar vor allem für die Verwendung in altmodischen Leuchtstoffröhren bekannt. In Wirklichkeit findet es heute jedoch vor allem bei der Herstellung von Mikrochips Verwendung – und die sind bekanntlich ohnehin knapp. Davon könnte China profitieren, das als zweitgrößter Anbieter nach der Ukraine im US-Geschäft einspringen kann. Diese neue Abhängigkeit hat wiederum erhebliche Auswirkungen auf die Handelspolitik.
Um Deutschlands diplomatische Power geht es in unserem Portrait. Dort stellen wir Ihnen die künftige deutsche Botschafterin in Peking, Patricia Flor, vor. Wann Flor den Posten antreten wird, ist noch nicht klar – auch eine offizielle Mitteilung des Auswärtigen Amts zu der Besetzung fehlt noch. Und das, obwohl sowohl in Peking als auch in Berlin die Spatzen die Neuigkeit mittlerweile von den Dächern pfeifen.
Viele neue Erkenntnisse wünscht
Die Europäische Union will die erneuerbaren Energien infolge des russischen Kriegs in der Ukraine schneller ausbauen. Eine große Rolle spielt die Windkraft. Bis 2030 sollen 480 Gigawatt an Wind-Kapazität am Netz sein. Vor dem Ukraine-Schock waren 450 Gigawatt geplant. Das 2030-Ziel wurde somit um zusätzliche 30 Gigawatt erhöht.
Goldene Zeiten also für die europäische Windkraft-Industrie – könnte man meinen. Doch die Konkurrenz aus China drängt stärker auf den Weltmarkt und könnte vom europäischen Windkraft-Ausbau profitieren. Die europäische Industrie warnt deswegen schon vor einem Verlust von Marktanteilen. Ein Debakel wie die völlige Verdrängung der deutschen Solarwirtschaft durch übermächtige Konkurrenz aus Fernost ist indessen nicht zu befürchten.
Chinas Wind-Industrie ist in den letzten Jahren stark gewachsen. Die Hälfte der weltweit hergestellten Komponenten von Windkraftanlagen stammen aus chinesischer Produktion. Sechs der zehn größten Hersteller kommen aus der Volksrepublik. Seit 2019 haben sich die jährlichen Importe Europas von Windkraftanlagen aus China von 211 Millionen auf 411 Millionen Euro im vergangenen Jahr fast verdoppelt. Gleichzeitig schwächelt die europäische Konkurrenz. Vier der fünf europäischen Hersteller haben im vergangenen Jahr Verluste gemacht. Sie schließen Fabriken und bauen Jobs ab. Allein in Deutschland gingen nach Industrieangaben in den vergangenen sechs Jahren mehr als 50.000 Arbeitsplätze in der Wind-Industrie verloren.
Es scheint, als drohe der europäischen Wind-Industrie das gleiche Schicksal wie der Solar-Industrie. Doch dieses Fazit wäre verfrüht. Mit Vestas und Siemens Gamesa stammen zwei der weltweit fünf größten Wind-Unternehmen aus Europa. Und trotz steigender Importe ist Chinas Stellung in Europa noch nicht gefestigt. Der größte Teil der riesigen chinesischen Produktion wird von der Volksrepublik beim massiven Ausbau der Windkraft selbst genutzt. Doch es ist genau dieser massive Ausbau, der Europas Wind-Industrie schreckt. Eine starke Basis in der Heimat ermöglicht auch internationale Expansion. Chinesische Anbieter konkurrieren mit unschlagbaren Preisen und haben auch technisch aufgeholt.
Der große einheimische Markt begünstigt chinesische Anbieter. “Die schiere Größe seiner Produktionskapazitäten verschafft China einen großen Wettbewerbsvorteil” im Windenergie-Markt, sagt Xiaoyang Li vom Forschungs- und Beratungsunternehmen Wood Mackenzie. Auch Industrievertreter in Deutschland blicken besorgt auf die Entwicklungen. “In dem weitgehend abgeschotteten, aber sehr volumenstarken chinesischen Markt haben sich die chinesischen Hersteller technologisch an europäische Leistungsniveaus herangearbeitet”, sagt Wolfram Axthelm, Geschäftsführer des Bundesverbands WindEnergie. “Wir haben in der Vergangenheit erlebt, wie chinesische Unternehmen mit staatlicher Flankierung in neue Märkte vordringen.”
In Europa verhält es sich laut dem Industrieverband Windeurope genau umgekehrt. “Die geringe Größe des Marktes schadet der Lieferkette sehr”, heißt es in einem offenen Brief des Verbandes an EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. “Das Problem sind nicht die politischen Ziele” zum Ausbau der Windenergie, sagt Christoph Zipf vom Verband Windeurope. “Aber Ziele allein helfen nicht, wenn die Umsetzung dieser Ziele nicht ermöglicht wird. Das Problem sind die mangelnden Flächen und Genehmigungen.” Dadurch werde die Energiewende verschleppt.
Weil die Nachfrage in Europa nicht hoch genug ist, hat die Industrie Nachteile gegenüber China. Auf dem Weltmarkt verliere die europäische Industrie schon Marktanteile an China. Und chinesische Anbieter gewinnen zunehmend Aufträge zum Bau von Windparks in Europa – beispielsweise in Italien, Frankreich, Kroatien und Serbien, schreibt der Verband.
Eine Entscheidung des chinesischen Finanzministeriums könnte die Ungleichgewichte noch weiter vergrößern. Das Ministerium hat jüngst 63-Milliarden Dollar bereitgestellt, um versprochene Subventionen zügiger auszahlen zu können. Der Großteil des Geldes geht an die Entwickler von Wind- und Solar-Kraftwerken, wie Bloomberg berichtet. In den vergangenen Jahren hatten sich Subventions-Schulden angehäuft, da die erneuerbaren Energien schneller ausgebaut wurden als der Staat das Fördergeld aushändigen konnte. Die Zahlungsrückstände hatten sich auf die gesamte Lieferkette ausgewirkt, so ein Industrie-Insider. Die Freigabe der Mittel werde der Branche nun einen Schub geben.
Während die chinesischen Anbieter ihre Wettbewerbsfähigkeit stärken, verloren europäische Unternehmen in der Volksrepublik an Marktanteilen. Im Jahr 2021 haben sich die Installationen ausländischer Windkraftanlagenhersteller halbiert. Die Kosten ausländischer Unternehmen für Onshore-Anlagen sind in China fast doppelt so hoch wie die einheimischer Anbieter. Die Preise für chinesische Windturbinen sind laut Wood Mackenzie im Jahr 2021 um 24 Prozent gefallen. 2022 werden sie um weitere 20 Prozent sinken, so die Prognose des Forschungs- und Beratungsunternehmens. Hinzu kommen Regulierungen, die den Markt für ausländische Unternehmen “weitgehend abschotten”, wie Axthelm sagt.
Der Zugewinn an Wettbewerbsfähigkeit begünstigt die globale Expansion chinesischer Anbieter. Sie “haben sich bisher auf den lokalen Markt konzentriert, werden aber in den kommenden Jahren wahrscheinlich stärker in den internationalen Wettbewerb treten, da sie ihre Preise senken konnten, während die europäischen und amerikanischen Hersteller mit steigenden Materialkosten zu kämpfen haben”, so das Fazit der Analysten von Wood Mackenzie.
Wird sich die Herstellung von Windkraftanlagen also von Europa zusehends nach China verlagern? Das ist unwahrscheinlich. Denn die Wind-Industrie unterscheidet sich entscheidend von der Solar-Industrie. Hersteller von Solarmodulen produzieren ein Massenprodukt, das sich leicht um die halbe Welt transportieren lässt. Die Wind-Industrie ist viel komplexer. Die Anlagen bestehen aus bis zu 8.000 Komponenten, schreibt Ilaria Mazzocco. “Windkraftanlagenhersteller sind in der Regel auch direkt an der Wartung und Installation beteiligt”, so die China-Energieexpertin vom “Center for Strategic & International Studies”. Die Anlagenhersteller haben häufig eine lokale Präsenz.
Einige chinesische Anbieter hegen deswegen auch Pläne, Produktionsanlagen in Europa aufzubauen. Europäische Hersteller nehmen diese neue Konkurrenz ernst, wie ein Industrievertreter sagt. Mazzocco hält es für unwahrscheinlich, dass chinesische Anbieter “andere führende Unternehmen und bestehende Lieferketten vollständigen verdrängen werden”. Dagegen sprechen auch Vorschriften zur lokalen Wertschöpfung.
Bloomberg NEF geht davon aus, dass diese Vorschriften in Zukunft wichtiger werden und bei der Auftragsvergabe “qualitativen Kriterien” eine größere Rolle zukommt. Der Preis könnte als ausschlaggebender Faktor also an Bedeutung verlieren. Dafür sprechen auch neue EU-Richtlinien für Staatshilfen im Bereich Klima, Umweltschutz und Energie. Sie erlauben es Regierungen, bei der Auftragsvergabe auch stärker auf andere Kriterien wie beispielsweise lokale Wertschöpfung zu achten.
Es war kein Zufall, dass die amerikanische Regierung bereits am 11. Februar, also 14 Tage bevor Putin seinen Krieg startete, die eigene Halbleiterindustrie gewarnt hat, sich nach neuen Bezugsquellen für das Gas Neon umzusehen. Die Ukraine liefert etwa die Hälfte des seltenen Edelgases weltweit, das zur Herstellung von Computerchips benutzt wird. Und sogar 90 Prozent der von den USA benutzten Menge. Putins Krieg hat also eine weitere große Schwachstelle des Westens in der Globalisierung sichtbar werden lassen.
Bereits einen Tag nach Kriegsbeginn durfte der deutsche Gaskonzern Linde AG verkünden, dass er 250 Millionen US-Dollar in Texas investieren wird, um eine neue Produktionsanlage für Neon zu bauen. Dort können 40 Millionen Liter pro Jahr zusätzlich hergestellt werden. Nur vier Tage später meldete die chinesische Staatszeitung Global Times, dass auch China seine Produktion ausbaut. Denn auch China hat nur Reserven für drei bis sechs Monate.
Es sollte kommen wie von Washington befürchtet: Einer der beiden führenden Neon-Hersteller der Ukraine, Ingas in Mariupol, der sonst 15.000 bis 20.000 Kubikmeter Neon im Monat produziert, wurde bombardiert. Die Stadt ist ohne Wasser und Strom. Hunderttausende Menschen sind von den Russen eingekesselt.
Das andere Unternehmen, Cryoin in Odessa, hat seine Produktion bereits am 24. Februar, dem Beginn des Krieges, eingestellt. Die Mitarbeiter und das Management sitzen zu Hause in ihren Kellern, weil sie eine Bombardierung des Unternehmens befürchten. Selbst in China haben sich seit dem 24. Februar die Neon-Preise verneunfacht. Und China ist in einer weit besseren Lage als die USA und Europa. Die Volksrepublik ist nach der Ukraine der zweitgrößte Hersteller von Neon, mit einem Weltmarktanteil von 30 Prozent. Der drittgrößte ist ausgerechnet Russland.
Putins Krieg hat also einen großen Schwachpunkt des Westens aufgezeigt. Denn Chips braucht man für fast alles. Selbst für die Amerikaner ergibt es nun Sinn, mehr Neon-Gas in China zu kaufen. Eine Ironie der Globalisierung. “Chinas Weltmarktanteil könnte sich nun auf 50 Prozent erhöhen”, vermutet Chen Zhina, der Geschäftsführer der Changzhou Naxin Special Gases in der Boomprovinz Jiangsu südlich von Shanghai, der bereits zahlreiche internationale Anfragen erhalten hat.
China hat auf den Neon-Schock der Annexion der Krim 2014 am weitreichendsten reagiert, indem es seine Produktion ausgeweitet hat. In Folge der Annexion stiegen die Neon-Preise seinerzeit um 600 Prozent. Die Europäer reagierten ebenfalls: Sie haben ihre Chip-Maschinen so weiterentwickelt, dass sie weniger Neon bei der Produktion brauchen.
Das holländische Unternehmen ASML, einer der führenden Hersteller von Maschinen zur Produktion von Halbleiterelementen, hat dank einer Entwicklung des Tochterunternehmens Cymer inzwischen die Menge des benötigten Neons bei seinen Lithografie-Maschinen um 30 bis 50 Prozent gesenkt. ASML beziffert seine Abhängigkeit von Lieferungen aus der Ukraine aktuell auf rund 20 Prozent.
Nun kommt die US-Handelspolitik beim Blick auf China womöglich vom Regen in die Traufe. Immerhin haben US-Hersteller nach der Annexion der Krim Reserven angelegt, “sodass es nicht unmittelbar zu Versorgungsengpässen kommt”, wie die Semiconductor Industry Association betont. In sechs Monaten sind diese Reserven allerdings aufgebraucht. Niemand weiß derzeit, wie es dann in der Ukraine aussieht.
Damit relativiert sich US-Präsident Joe Bidens Sanktionsstrategie gegenüber Russland, die er auch China aufzwingen möchte. Neon ist nur ein Beispiel für seltene Gase und Minerale, über die die Ukraine und Russland mit der Weltwirtschaft verknüpft sind (China.Table berichtete).
Bereits Ende Februar hatte Biden keinen Zweifel daran gelassen, was sein Ziel ist: “Wir werden Russland die Möglichkeit nehmen, in der Wirtschaft des 21. Jahrhundert wettbewerbsfähig zu sein.” Mitte März legte seine Handelsministerin Gina Raimondo noch einmal nach und drohte auch China: “Es ist in Chinas eigenem Interesse, keine Chips nach Russland zu liefern. Es wäre verheerend für Chinas Fähigkeit, solche Chips zu produzieren.”
Die USA können “im Grunde jedes chinesische Unternehmen schließen”, das die Sanktionen verletzt, so Raimondo. Womöglich ist Washington bald jedoch gezwungen, kleinere Brötchen zu backen. Denn Putin verfügt mit den Neon-Produktionsanlagen und anderen Rohstoffen über ein Faustpfand, das er bei Friedensverhandlungen nutzen kann. Peking ist in dieser Frage hin- und hergerissen: Einerseits will es schnellstmöglich Frieden, andererseits soll Washington spüren, dass Sanktionen nicht funktionieren.
Denn China ist im Handelsstreit mit den USA wiederholt selbst Ziel von Sanktionen geworden. Zum Beispiel ließen Chip-Sanktionen von Präsident Donald Trump die Smartphone-Sparte des damaligen Weltmarktführers Huawei einbrechen. Heute ist das Unternehmen aus Shenzhen nicht einmal mehr unter den Top 5. Derzeit ist Peking gezwungen, sich bei den Spitzenchips an Sanktionen der Amerikaner gegen Russland zu halten. Denn Washington sitzt am längeren Hebel. Das ärgert Peking.
Bisher stellt sich Peking auf den Standpunkt, dass “China die normalen Handelsbeziehungen mit Russland fortführt”, ohne dass sich ein drittes Land darin einzumischen hat. Die Realität sieht anders aus: Will Peking in diesem aufgeheizten Konflikt auf Nummer sicher gehen, kann es nur die einfacheren Chips an Russland liefern, die China bereits ganz allein herstellt. Chips, die in Haushaltsgeräten und Autos verbaut werden, aber nicht solche, die für Smartphones oder gar Militärgerät gebraucht werden. Das sind immerhin noch 75 Prozent der Chips.
Sollte der Konflikt länger andauern, könnte sich das ändern und die Wertigkeit der an Russland gelieferten Halbleiter steigen. Die Zeit jedenfalls spielt für China. Die schlimmste Befürchtung der westlichen Industrie zeichnet sich durch den Ukraine-Konflikt deutlicher ab denn je: Russland und China verfügen gemeinsam über Produktionsanlagen für Edelgase und Seltene Erden, sowie die Technologie, um unabhängig von den USA die weltweit schnellsten Chips herzustellen. In den kommenden fünf Jahren ist das kein unwahrscheinliches Szenario.
China will bis zum Jahr 2025 zwischen 100.000 und 200.000 Tonnen grünen Wasserstoff jährlich herstellen. Langfristig soll eine starke Wasserstoff-Industrie aufgebaut werden. Das geht aus einem neuen Plan der Nationalen Entwicklungs- und Reformkommission (NDRC) hervor, der am Mittwoch vorgestellt wurde. Zudem sollen 50.000 Wasserstoff-Fahrzeuge bis 2025 auf die Straße gebracht werden, wie Reuters berichtet. Dazu zählen auch Lkw.
Grüner Wasserstoff soll dazu beitragen, die nationalen Klimaziele zu erreichen, sagte Wang Xiang, der stellvertretende Direktor der Abteilung für Hochtechnologie bei der NDRC. Wasserstoff ist “ein wichtiger Bestandteil” von Chinas zukünftigem Energiesystem, so der Plan. Kurzfristig wird grüner Wasserstoff allerdings kaum positive Klimaeffekte haben. China produziert derzeit pro Jahr 33 Millionen Tonnen Wasserstoff. Nach Angaben der Regierung werden etwa 80 Prozent davon mit Kohle und Erdgas erzeugt, der Rest ist hauptsächlich ein Nebenprodukt der Industrie. 200.000 Tonnen grüner Wasserstoff wären dementsprechend lediglich ein Tropfen auf den heißen Stein.
Wang sagte, dass der größte Teil des chinesischen Wasserstoffs zwar aus fossilen Brennstoffen hergestellt wird, das Potenzial von grünem Wasserstoff jedoch enorm ist, da das Land über die weltweit größte Kapazität an erneuerbaren Energien verfügt. Fast alle Provinzen und Regionen in China haben Wasserstoff in ihre Entwicklungspläne aufgenommen. Mehr als 120 grüne Wasserstoffprojekte sind in der Entwicklung.
Laut NDRC befindet sich Chinas Wasserstoff-Industrie noch in einer frühen Phase der Entwicklung. Die industrielle Innovationsfähigkeit ist noch nicht allzu stark. Bei wichtigen Komponenten und Grundstoffen sei die Industrie noch auf Importe angewiesen. Die Wettbewerbsfähigkeit der Industrie soll gestärkt werden. nib
Asiens größtes Erdgas- und Mineralölunternehmen Sinopec hat Insidern zufolge Gespräche mit Russland über eine gemeinsame Gaschemieanlage sowie ein Gemeinschaftsunternehmen zur Vermarktung von russischem Gas in China vorübergehend ausgesetzt. Die Projekte belaufen sich laut einem Bericht von Reuters auf einen Wert von einer halben Milliarde Dollar.
Peking hatte sich zuvor wiederholt dafür ausgesprochen, den normalen Wirtschafts- und Handelsaustausch mit Russland aufrechtzuerhalten und von Sanktionen abzusehen. Gleichzeitig ist Chinas Regierung offenbar darauf bedacht, nicht ebenfalls mit Sanktionen belegt zu werden, wenn sie Russland in diesen Zeiten zu eng zur Seite steht.
Wie aus einer am Sonntag bei der Shanghaier Börse eingereichten Unternehmenserklärung hervorgeht, möchte Sinopec dieses Jahr so viel investieren wie nie zuvor in seiner Geschichte. Der Konzern erwartet demnach, bis zum Ende des Jahres rund 31 Milliarden Dollar auszugeben, 18 Prozent mehr als im Vorjahr. Das Hauptaugenmerk der Investitionen liegt dabei auf den Erdölvorkommen in Shunbei und Tahe sowie den Erdgasfeldern in der Provinz Sichuan und der Inneren Mongolei. fpe
Chinas größtes börsennotiertes Kohleunternehmen, Shenhua Energy Co., will in Zukunft mehr auf saubere Energie setzen. Dafür will Shenhua bis 2030 mindestens 40 Prozent seiner jährlichen Investitionen in den Bereich Erneuerbare Energien lenken.
Im vergangenen Jahr hatte Shenhua gerade einmal 0,08 Prozent seiner Ausgaben in Erneuerbare Energien investiert. Das Unternehmen ist Teil der staatlichen China Energy Investment Corp., die im Jahr 2021 als größtes Kohlebergbauunternehmen 570 Millionen Tonnen Kohle produzierte. Nach eigenen Angaben erzeugte Shenhua im gleichen Zeitraum 177 Millionen Tonnen Emissionen von Treibhausgasen durch die Verbrennung von Kohle.
Die chinesische Regierung baut die Kapazitäten von Erneuerbaren Energien aus, um spätestens 2030 den Höhepunkt der CO2-Emissionen erreichen zu können. Trotz des schnellen Wachstums erneuerbarer Energien ist China für seine Stromerzeugung aber nach wie vor stark von fossilen Brennstoffen abhängig, wobei mehr als die Hälfte des Stroms aus Kohlekraftwerken stammt.
Zuletzt hatte Peking angekündigt, fünf neue Kohlekraftwerke bauen zu wollen (China.Table berichtete) und das Kohleangebot zu erhöhen. Zu der Entscheidung beigetragen hatte ein Emergieengpass im Land im Herbst vergangenen Jahres, als zahlreiche Unternehmen, aber auch private Haushalte ihren Verbrauch massiv einschränken mussten.
Gleichzeitig ist der Staatskonzern China Energy Investment, laut Daten von BloombergNEF, auch der weltweit zweitgrößte Entwickler erneuerbarer Energien mit mehr als 41 Gigawatt Stromerzeugungsprojekten. Die meisten seiner erneuerbaren Projekte laufen bisher über Longyuan Power Group Corp, einer weiteren börsennotierten Tochtergesellschaft. niw
China strebt in den nächsten Jahren einen massiven Ausbau seiner Energie-Systeme und ein flexibleres Stromnetz an. Das geht aus einem neuen Fünfjahresplan für den Energiesektor hervor. Im Mittelpunkt des Plans steht die Energiesicherheit. Erneuerbare Energien sollen einen Großteil des Zuwachses bei der Stromerzeugungs-Kapazität ausmachen, wie Bloomberg berichtet. Für Dunkelflauten sollen demnach Kohlekraftwerke als Backup umgerüstet werden und flexibler operieren, um die Stromversorgung sicherzustellen und das Netz zu stabilisieren. Ebenso sollen Pumpspeicher-Kraftwerke ausgebaut werden. Sie dienen als Energiespeicher (China.Table berichtet). Der Ausbau von Fernleitungen soll fortgesetzt werden, um die stromhungrigen Städte im Osten des Landes mit den im Westen gelegenen, idealen Gebieten für erneuerbare Energien zu verbinden.
Die Rohöl-Förderung des Landes soll stabil bei vier Millionen Barrel pro Tag gehalten werden. Die jährliche Erdgasproduktion soll bis 2025 auf 230 Milliarden Kubikmeter ansteigen. Derzeit beträgt sie 205 Milliarden Kubikmeter, wie Reuters berichtet. China werde die Exploration und Erschließung von Ressourcen wie Schieferöl und Schiefergas demnach “aktiv ausweiten”. Der Anteil nicht-fossiler Energieträger am Gesamtenergieverbrauch soll bis zum Jahr 2025 von 16 Prozent (2020) auf 25 Prozent anwachsen. Der Einsatz von Kohle in der Schwerindustrie soll eingedämmt werden.
Der Fünfjahresplan enthält weder Einzelheiten über die Höhe der für 2025 angestrebten CO2-Emissionen noch einen Zeitplan für die Reduktion von CO2-Emissionen. Laut dem Energieexperten Lauri Myllyvirta soll der Plan die “Voraussetzungen für die Erreichung des Spitzenwertes der Treibhausgas-Emissionen und die Senkung der Emissionen schaffen”. Ob der in dem Plan enthaltene Ausbau sauberer Energiequellen ausreicht, um die Klimaziele zu erreichen, hänge laut Myllyvirta “ganz vom Wachstum der Energienachfrage ab, das wiederum vor allem von der Wirtschaftspolitik abhängt”. nib
Patricia Flors bisherige Karriere hat sie schon in alle Himmelsrichtungen verschlagen. Nun ist klar, was ihre nächste Station wird: Die Spitzendiplomatin wird deutsche Botschafterin in Peking. Flor bringt jahrelange Erfahrung in der deutschen und europäischen Diplomatie mit. Ihre Stationen in Japan und die Zuständigkeit für den Indo-Pazifik führten sie in wichtige Nachbarregionen Chinas.
Schon vor gut zehn Jahren, als eine gemeinsame EU-Außenpolitik noch weit weniger präsent war als heute, wechselte Flor in den Dienst des Europäischen Auswärtigen Dienstes (EEAS): “Ich war überzeugte deutsche Diplomatin. Ich glaube aber, dass wir im globalen Maßstab nur dann Einfluss haben werden, wenn wir als EU auftreten. Wo es darum geht, wer sitzt mit am Tisch mit den anderen Großen, da wird zunehmend die EU gefragt sein”, sagte Flor dem Deutschlandfunk damals.
Flor blieb der EU-Außenpolitik – mit einigen Zwischenstopps in der deutschen Diplomatie – treu. Als derzeitige EU-Botschafterin in Japan gilt die 60-Jährige innerhalb des EEAS als zuverlässig und beliebt beim EU-Außenbeauftragten Josep Borrell. Berlin hatte offenbar bereits nach dem Regierungswechsel erhöhtes Interesse an einem Einsatz Flors für die Bundesrepublik. Die als Grünen-nah geltenden Flor wurde zeitweise auch als neue Staatsministerin im Außenministerium gehandelt. Arbeitserfahrung unter dem grünen Außenminister Joschka Fischer hat sie bereits.
Statt Diplomatie in Berlin heißt es jetzt aber weiterhin Ausland für die gebürtige Bayerin, die ihre ersten beruflichen Schritte in einem ganz anderen Metier machte: Nach dem Abitur und Volontariat bei den Nürnberger Nachrichten arbeitete sie als Redakteurin und freie Journalistin in den USA. Sie studierte Geschichte, Philosophie, Slawistik und osteuropäische Geschichte in Bamberg und Erlangen.
1992 trat sie in den Auswärtigen Dienst ein und wurde in der deutschen Botschaft in Kasachstan eingesetzt. 1995 promovierte Flor nach Forschungsaufenthalten in Großbritannien und Russland in osteuropäischer Geschichte und Volkswirtschaftslehre. 1996 wechselte sie zur Deutschen Ständigen Vertretung bei den Vereinten Nationen in New York, wo sie von 1998 bis 2000 Vorsitzende der Kommission für Frauenrechte der UN war. Ihren Einsatz für Frauen und eine feministische Diplomatie behält sie auch auf weiteren Karriere-Stationen bei: “Während all meiner Posten habe ich mich immer für die Sache der Frauen eingesetzt“, sagte Flor bei einer Veranstaltung.
Die bisherige Liste von Flors Posten ist lang. Ihre Einsätze brachten sie immer wieder zurück in die deutsche Hauptstadt. Unter Joschka Fischer war Flor von 2002 bis 2006 Leiterin des Parlaments- und Kabinettsreferats im Auswärtigen Amt, bevor sie deutsche Botschafterin in Georgien wurde. Ab März 2010 kehrt sie als Beauftragte für Osteuropa, den Kaukasus und Zentralasien ins Auswärtige Amt zurück. Den Fokus auf der wichtigen Nachbarregion Chinas behielt sie auch bei als sie 2012 erstmals den Wechsel auf die EU-Ebene vollzog und Sonderbeauftragte der Europäischen Union für Zentralasien wurde.
Gut ein Jahr später stellte China erstmals die “Belt and Road”-Initiative vor, in der Zentralasien eine wichtige Rolle für Peking spielt. Flor setzte sich damals bereits für eine engere Zusammenarbeit der EU und den dortigen Staaten ein. An Interesse an einer Kooperation mangele es nicht in Zentralasien, trotz enger Verbindungen zu China und vor allem Russland, sagte Flor in einem Interview.
Im Jahr 2014 kehrte Flor von Brüssel erneut zurück nach Berlin. Unter dem SPD-Außenminister Frank-Walter Steinmeier wurde sie Leiterin der Abteilung für die Vereinten Nationen im Auswärtigen Amt. Anschließend leitete sie die erweiterte Abteilung für Internationale Ordnung, Vereinte Nationen und Rüstungskontrolle und war Beauftragte der Bundesregierung für Fragen der Abrüstung und Rüstungskontrolle.
Nach gut vier Jahren in der deutschen Hauptstadt zog es sie erneut ins Ausland: Seit Mitte 2018 ist Flor Botschafterin der Europäischen Union in Japan. In der Position setzt sie sich unter anderem für eine engere Zusammenarbeit der EU und der Indo-Pazifik-Region ein – vor allem die dabei von Brüssel auch vorgesehene erhöhte militärische Präsenz im Indo-Pazifik mit Schiffen stößt der Volksrepublik regelmäßig sauer auf. Als neue deutsche Botschafterin wird Flor diese Pläne aus Europa nun in Peking verteidigen müssen. Amelie Richter
preiswerte Konkurrenz aus Fernost hat schon so manche deutsche Branche plattgemacht. Fernseher, Kameras, Solarzellen, Grundstoffe für Antibiotika, Spielwaren. Dieses Muster ist so fest verankert, dass sich Ängste davor leicht abrufen lassen. Nun fährt die chinesische Regierung ihre Subventionsmaschinerie hoch, um den eigenen Anbietern von Windkraftanlagen den Weg in die EU zu ebnen. Dort winkt üppiger Absatz. Schließlich steht das Großprojekt der Loslösung von geo- und klimapolitisch schädlichen Energieträgern an. Doch für Vestas und Gamesa ist noch nicht alles verloren, analysiert Nico Beckert. Denn ein 100 Meter langer Rotor für ein Windrad lässt sich nicht einfach in einen Container packen wie eine Solarzelle.
Folgenreich ist auch der Krieg in der Ukraine für die Lieferketten. Frank Sieren schaut auf die Auswirkungen der Versorgung mit dem Edelgas Neon. Es ist zwar vor allem für die Verwendung in altmodischen Leuchtstoffröhren bekannt. In Wirklichkeit findet es heute jedoch vor allem bei der Herstellung von Mikrochips Verwendung – und die sind bekanntlich ohnehin knapp. Davon könnte China profitieren, das als zweitgrößter Anbieter nach der Ukraine im US-Geschäft einspringen kann. Diese neue Abhängigkeit hat wiederum erhebliche Auswirkungen auf die Handelspolitik.
Um Deutschlands diplomatische Power geht es in unserem Portrait. Dort stellen wir Ihnen die künftige deutsche Botschafterin in Peking, Patricia Flor, vor. Wann Flor den Posten antreten wird, ist noch nicht klar – auch eine offizielle Mitteilung des Auswärtigen Amts zu der Besetzung fehlt noch. Und das, obwohl sowohl in Peking als auch in Berlin die Spatzen die Neuigkeit mittlerweile von den Dächern pfeifen.
Viele neue Erkenntnisse wünscht
Die Europäische Union will die erneuerbaren Energien infolge des russischen Kriegs in der Ukraine schneller ausbauen. Eine große Rolle spielt die Windkraft. Bis 2030 sollen 480 Gigawatt an Wind-Kapazität am Netz sein. Vor dem Ukraine-Schock waren 450 Gigawatt geplant. Das 2030-Ziel wurde somit um zusätzliche 30 Gigawatt erhöht.
Goldene Zeiten also für die europäische Windkraft-Industrie – könnte man meinen. Doch die Konkurrenz aus China drängt stärker auf den Weltmarkt und könnte vom europäischen Windkraft-Ausbau profitieren. Die europäische Industrie warnt deswegen schon vor einem Verlust von Marktanteilen. Ein Debakel wie die völlige Verdrängung der deutschen Solarwirtschaft durch übermächtige Konkurrenz aus Fernost ist indessen nicht zu befürchten.
Chinas Wind-Industrie ist in den letzten Jahren stark gewachsen. Die Hälfte der weltweit hergestellten Komponenten von Windkraftanlagen stammen aus chinesischer Produktion. Sechs der zehn größten Hersteller kommen aus der Volksrepublik. Seit 2019 haben sich die jährlichen Importe Europas von Windkraftanlagen aus China von 211 Millionen auf 411 Millionen Euro im vergangenen Jahr fast verdoppelt. Gleichzeitig schwächelt die europäische Konkurrenz. Vier der fünf europäischen Hersteller haben im vergangenen Jahr Verluste gemacht. Sie schließen Fabriken und bauen Jobs ab. Allein in Deutschland gingen nach Industrieangaben in den vergangenen sechs Jahren mehr als 50.000 Arbeitsplätze in der Wind-Industrie verloren.
Es scheint, als drohe der europäischen Wind-Industrie das gleiche Schicksal wie der Solar-Industrie. Doch dieses Fazit wäre verfrüht. Mit Vestas und Siemens Gamesa stammen zwei der weltweit fünf größten Wind-Unternehmen aus Europa. Und trotz steigender Importe ist Chinas Stellung in Europa noch nicht gefestigt. Der größte Teil der riesigen chinesischen Produktion wird von der Volksrepublik beim massiven Ausbau der Windkraft selbst genutzt. Doch es ist genau dieser massive Ausbau, der Europas Wind-Industrie schreckt. Eine starke Basis in der Heimat ermöglicht auch internationale Expansion. Chinesische Anbieter konkurrieren mit unschlagbaren Preisen und haben auch technisch aufgeholt.
Der große einheimische Markt begünstigt chinesische Anbieter. “Die schiere Größe seiner Produktionskapazitäten verschafft China einen großen Wettbewerbsvorteil” im Windenergie-Markt, sagt Xiaoyang Li vom Forschungs- und Beratungsunternehmen Wood Mackenzie. Auch Industrievertreter in Deutschland blicken besorgt auf die Entwicklungen. “In dem weitgehend abgeschotteten, aber sehr volumenstarken chinesischen Markt haben sich die chinesischen Hersteller technologisch an europäische Leistungsniveaus herangearbeitet”, sagt Wolfram Axthelm, Geschäftsführer des Bundesverbands WindEnergie. “Wir haben in der Vergangenheit erlebt, wie chinesische Unternehmen mit staatlicher Flankierung in neue Märkte vordringen.”
In Europa verhält es sich laut dem Industrieverband Windeurope genau umgekehrt. “Die geringe Größe des Marktes schadet der Lieferkette sehr”, heißt es in einem offenen Brief des Verbandes an EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. “Das Problem sind nicht die politischen Ziele” zum Ausbau der Windenergie, sagt Christoph Zipf vom Verband Windeurope. “Aber Ziele allein helfen nicht, wenn die Umsetzung dieser Ziele nicht ermöglicht wird. Das Problem sind die mangelnden Flächen und Genehmigungen.” Dadurch werde die Energiewende verschleppt.
Weil die Nachfrage in Europa nicht hoch genug ist, hat die Industrie Nachteile gegenüber China. Auf dem Weltmarkt verliere die europäische Industrie schon Marktanteile an China. Und chinesische Anbieter gewinnen zunehmend Aufträge zum Bau von Windparks in Europa – beispielsweise in Italien, Frankreich, Kroatien und Serbien, schreibt der Verband.
Eine Entscheidung des chinesischen Finanzministeriums könnte die Ungleichgewichte noch weiter vergrößern. Das Ministerium hat jüngst 63-Milliarden Dollar bereitgestellt, um versprochene Subventionen zügiger auszahlen zu können. Der Großteil des Geldes geht an die Entwickler von Wind- und Solar-Kraftwerken, wie Bloomberg berichtet. In den vergangenen Jahren hatten sich Subventions-Schulden angehäuft, da die erneuerbaren Energien schneller ausgebaut wurden als der Staat das Fördergeld aushändigen konnte. Die Zahlungsrückstände hatten sich auf die gesamte Lieferkette ausgewirkt, so ein Industrie-Insider. Die Freigabe der Mittel werde der Branche nun einen Schub geben.
Während die chinesischen Anbieter ihre Wettbewerbsfähigkeit stärken, verloren europäische Unternehmen in der Volksrepublik an Marktanteilen. Im Jahr 2021 haben sich die Installationen ausländischer Windkraftanlagenhersteller halbiert. Die Kosten ausländischer Unternehmen für Onshore-Anlagen sind in China fast doppelt so hoch wie die einheimischer Anbieter. Die Preise für chinesische Windturbinen sind laut Wood Mackenzie im Jahr 2021 um 24 Prozent gefallen. 2022 werden sie um weitere 20 Prozent sinken, so die Prognose des Forschungs- und Beratungsunternehmens. Hinzu kommen Regulierungen, die den Markt für ausländische Unternehmen “weitgehend abschotten”, wie Axthelm sagt.
Der Zugewinn an Wettbewerbsfähigkeit begünstigt die globale Expansion chinesischer Anbieter. Sie “haben sich bisher auf den lokalen Markt konzentriert, werden aber in den kommenden Jahren wahrscheinlich stärker in den internationalen Wettbewerb treten, da sie ihre Preise senken konnten, während die europäischen und amerikanischen Hersteller mit steigenden Materialkosten zu kämpfen haben”, so das Fazit der Analysten von Wood Mackenzie.
Wird sich die Herstellung von Windkraftanlagen also von Europa zusehends nach China verlagern? Das ist unwahrscheinlich. Denn die Wind-Industrie unterscheidet sich entscheidend von der Solar-Industrie. Hersteller von Solarmodulen produzieren ein Massenprodukt, das sich leicht um die halbe Welt transportieren lässt. Die Wind-Industrie ist viel komplexer. Die Anlagen bestehen aus bis zu 8.000 Komponenten, schreibt Ilaria Mazzocco. “Windkraftanlagenhersteller sind in der Regel auch direkt an der Wartung und Installation beteiligt”, so die China-Energieexpertin vom “Center for Strategic & International Studies”. Die Anlagenhersteller haben häufig eine lokale Präsenz.
Einige chinesische Anbieter hegen deswegen auch Pläne, Produktionsanlagen in Europa aufzubauen. Europäische Hersteller nehmen diese neue Konkurrenz ernst, wie ein Industrievertreter sagt. Mazzocco hält es für unwahrscheinlich, dass chinesische Anbieter “andere führende Unternehmen und bestehende Lieferketten vollständigen verdrängen werden”. Dagegen sprechen auch Vorschriften zur lokalen Wertschöpfung.
Bloomberg NEF geht davon aus, dass diese Vorschriften in Zukunft wichtiger werden und bei der Auftragsvergabe “qualitativen Kriterien” eine größere Rolle zukommt. Der Preis könnte als ausschlaggebender Faktor also an Bedeutung verlieren. Dafür sprechen auch neue EU-Richtlinien für Staatshilfen im Bereich Klima, Umweltschutz und Energie. Sie erlauben es Regierungen, bei der Auftragsvergabe auch stärker auf andere Kriterien wie beispielsweise lokale Wertschöpfung zu achten.
Es war kein Zufall, dass die amerikanische Regierung bereits am 11. Februar, also 14 Tage bevor Putin seinen Krieg startete, die eigene Halbleiterindustrie gewarnt hat, sich nach neuen Bezugsquellen für das Gas Neon umzusehen. Die Ukraine liefert etwa die Hälfte des seltenen Edelgases weltweit, das zur Herstellung von Computerchips benutzt wird. Und sogar 90 Prozent der von den USA benutzten Menge. Putins Krieg hat also eine weitere große Schwachstelle des Westens in der Globalisierung sichtbar werden lassen.
Bereits einen Tag nach Kriegsbeginn durfte der deutsche Gaskonzern Linde AG verkünden, dass er 250 Millionen US-Dollar in Texas investieren wird, um eine neue Produktionsanlage für Neon zu bauen. Dort können 40 Millionen Liter pro Jahr zusätzlich hergestellt werden. Nur vier Tage später meldete die chinesische Staatszeitung Global Times, dass auch China seine Produktion ausbaut. Denn auch China hat nur Reserven für drei bis sechs Monate.
Es sollte kommen wie von Washington befürchtet: Einer der beiden führenden Neon-Hersteller der Ukraine, Ingas in Mariupol, der sonst 15.000 bis 20.000 Kubikmeter Neon im Monat produziert, wurde bombardiert. Die Stadt ist ohne Wasser und Strom. Hunderttausende Menschen sind von den Russen eingekesselt.
Das andere Unternehmen, Cryoin in Odessa, hat seine Produktion bereits am 24. Februar, dem Beginn des Krieges, eingestellt. Die Mitarbeiter und das Management sitzen zu Hause in ihren Kellern, weil sie eine Bombardierung des Unternehmens befürchten. Selbst in China haben sich seit dem 24. Februar die Neon-Preise verneunfacht. Und China ist in einer weit besseren Lage als die USA und Europa. Die Volksrepublik ist nach der Ukraine der zweitgrößte Hersteller von Neon, mit einem Weltmarktanteil von 30 Prozent. Der drittgrößte ist ausgerechnet Russland.
Putins Krieg hat also einen großen Schwachpunkt des Westens aufgezeigt. Denn Chips braucht man für fast alles. Selbst für die Amerikaner ergibt es nun Sinn, mehr Neon-Gas in China zu kaufen. Eine Ironie der Globalisierung. “Chinas Weltmarktanteil könnte sich nun auf 50 Prozent erhöhen”, vermutet Chen Zhina, der Geschäftsführer der Changzhou Naxin Special Gases in der Boomprovinz Jiangsu südlich von Shanghai, der bereits zahlreiche internationale Anfragen erhalten hat.
China hat auf den Neon-Schock der Annexion der Krim 2014 am weitreichendsten reagiert, indem es seine Produktion ausgeweitet hat. In Folge der Annexion stiegen die Neon-Preise seinerzeit um 600 Prozent. Die Europäer reagierten ebenfalls: Sie haben ihre Chip-Maschinen so weiterentwickelt, dass sie weniger Neon bei der Produktion brauchen.
Das holländische Unternehmen ASML, einer der führenden Hersteller von Maschinen zur Produktion von Halbleiterelementen, hat dank einer Entwicklung des Tochterunternehmens Cymer inzwischen die Menge des benötigten Neons bei seinen Lithografie-Maschinen um 30 bis 50 Prozent gesenkt. ASML beziffert seine Abhängigkeit von Lieferungen aus der Ukraine aktuell auf rund 20 Prozent.
Nun kommt die US-Handelspolitik beim Blick auf China womöglich vom Regen in die Traufe. Immerhin haben US-Hersteller nach der Annexion der Krim Reserven angelegt, “sodass es nicht unmittelbar zu Versorgungsengpässen kommt”, wie die Semiconductor Industry Association betont. In sechs Monaten sind diese Reserven allerdings aufgebraucht. Niemand weiß derzeit, wie es dann in der Ukraine aussieht.
Damit relativiert sich US-Präsident Joe Bidens Sanktionsstrategie gegenüber Russland, die er auch China aufzwingen möchte. Neon ist nur ein Beispiel für seltene Gase und Minerale, über die die Ukraine und Russland mit der Weltwirtschaft verknüpft sind (China.Table berichtete).
Bereits Ende Februar hatte Biden keinen Zweifel daran gelassen, was sein Ziel ist: “Wir werden Russland die Möglichkeit nehmen, in der Wirtschaft des 21. Jahrhundert wettbewerbsfähig zu sein.” Mitte März legte seine Handelsministerin Gina Raimondo noch einmal nach und drohte auch China: “Es ist in Chinas eigenem Interesse, keine Chips nach Russland zu liefern. Es wäre verheerend für Chinas Fähigkeit, solche Chips zu produzieren.”
Die USA können “im Grunde jedes chinesische Unternehmen schließen”, das die Sanktionen verletzt, so Raimondo. Womöglich ist Washington bald jedoch gezwungen, kleinere Brötchen zu backen. Denn Putin verfügt mit den Neon-Produktionsanlagen und anderen Rohstoffen über ein Faustpfand, das er bei Friedensverhandlungen nutzen kann. Peking ist in dieser Frage hin- und hergerissen: Einerseits will es schnellstmöglich Frieden, andererseits soll Washington spüren, dass Sanktionen nicht funktionieren.
Denn China ist im Handelsstreit mit den USA wiederholt selbst Ziel von Sanktionen geworden. Zum Beispiel ließen Chip-Sanktionen von Präsident Donald Trump die Smartphone-Sparte des damaligen Weltmarktführers Huawei einbrechen. Heute ist das Unternehmen aus Shenzhen nicht einmal mehr unter den Top 5. Derzeit ist Peking gezwungen, sich bei den Spitzenchips an Sanktionen der Amerikaner gegen Russland zu halten. Denn Washington sitzt am längeren Hebel. Das ärgert Peking.
Bisher stellt sich Peking auf den Standpunkt, dass “China die normalen Handelsbeziehungen mit Russland fortführt”, ohne dass sich ein drittes Land darin einzumischen hat. Die Realität sieht anders aus: Will Peking in diesem aufgeheizten Konflikt auf Nummer sicher gehen, kann es nur die einfacheren Chips an Russland liefern, die China bereits ganz allein herstellt. Chips, die in Haushaltsgeräten und Autos verbaut werden, aber nicht solche, die für Smartphones oder gar Militärgerät gebraucht werden. Das sind immerhin noch 75 Prozent der Chips.
Sollte der Konflikt länger andauern, könnte sich das ändern und die Wertigkeit der an Russland gelieferten Halbleiter steigen. Die Zeit jedenfalls spielt für China. Die schlimmste Befürchtung der westlichen Industrie zeichnet sich durch den Ukraine-Konflikt deutlicher ab denn je: Russland und China verfügen gemeinsam über Produktionsanlagen für Edelgase und Seltene Erden, sowie die Technologie, um unabhängig von den USA die weltweit schnellsten Chips herzustellen. In den kommenden fünf Jahren ist das kein unwahrscheinliches Szenario.
China will bis zum Jahr 2025 zwischen 100.000 und 200.000 Tonnen grünen Wasserstoff jährlich herstellen. Langfristig soll eine starke Wasserstoff-Industrie aufgebaut werden. Das geht aus einem neuen Plan der Nationalen Entwicklungs- und Reformkommission (NDRC) hervor, der am Mittwoch vorgestellt wurde. Zudem sollen 50.000 Wasserstoff-Fahrzeuge bis 2025 auf die Straße gebracht werden, wie Reuters berichtet. Dazu zählen auch Lkw.
Grüner Wasserstoff soll dazu beitragen, die nationalen Klimaziele zu erreichen, sagte Wang Xiang, der stellvertretende Direktor der Abteilung für Hochtechnologie bei der NDRC. Wasserstoff ist “ein wichtiger Bestandteil” von Chinas zukünftigem Energiesystem, so der Plan. Kurzfristig wird grüner Wasserstoff allerdings kaum positive Klimaeffekte haben. China produziert derzeit pro Jahr 33 Millionen Tonnen Wasserstoff. Nach Angaben der Regierung werden etwa 80 Prozent davon mit Kohle und Erdgas erzeugt, der Rest ist hauptsächlich ein Nebenprodukt der Industrie. 200.000 Tonnen grüner Wasserstoff wären dementsprechend lediglich ein Tropfen auf den heißen Stein.
Wang sagte, dass der größte Teil des chinesischen Wasserstoffs zwar aus fossilen Brennstoffen hergestellt wird, das Potenzial von grünem Wasserstoff jedoch enorm ist, da das Land über die weltweit größte Kapazität an erneuerbaren Energien verfügt. Fast alle Provinzen und Regionen in China haben Wasserstoff in ihre Entwicklungspläne aufgenommen. Mehr als 120 grüne Wasserstoffprojekte sind in der Entwicklung.
Laut NDRC befindet sich Chinas Wasserstoff-Industrie noch in einer frühen Phase der Entwicklung. Die industrielle Innovationsfähigkeit ist noch nicht allzu stark. Bei wichtigen Komponenten und Grundstoffen sei die Industrie noch auf Importe angewiesen. Die Wettbewerbsfähigkeit der Industrie soll gestärkt werden. nib
Asiens größtes Erdgas- und Mineralölunternehmen Sinopec hat Insidern zufolge Gespräche mit Russland über eine gemeinsame Gaschemieanlage sowie ein Gemeinschaftsunternehmen zur Vermarktung von russischem Gas in China vorübergehend ausgesetzt. Die Projekte belaufen sich laut einem Bericht von Reuters auf einen Wert von einer halben Milliarde Dollar.
Peking hatte sich zuvor wiederholt dafür ausgesprochen, den normalen Wirtschafts- und Handelsaustausch mit Russland aufrechtzuerhalten und von Sanktionen abzusehen. Gleichzeitig ist Chinas Regierung offenbar darauf bedacht, nicht ebenfalls mit Sanktionen belegt zu werden, wenn sie Russland in diesen Zeiten zu eng zur Seite steht.
Wie aus einer am Sonntag bei der Shanghaier Börse eingereichten Unternehmenserklärung hervorgeht, möchte Sinopec dieses Jahr so viel investieren wie nie zuvor in seiner Geschichte. Der Konzern erwartet demnach, bis zum Ende des Jahres rund 31 Milliarden Dollar auszugeben, 18 Prozent mehr als im Vorjahr. Das Hauptaugenmerk der Investitionen liegt dabei auf den Erdölvorkommen in Shunbei und Tahe sowie den Erdgasfeldern in der Provinz Sichuan und der Inneren Mongolei. fpe
Chinas größtes börsennotiertes Kohleunternehmen, Shenhua Energy Co., will in Zukunft mehr auf saubere Energie setzen. Dafür will Shenhua bis 2030 mindestens 40 Prozent seiner jährlichen Investitionen in den Bereich Erneuerbare Energien lenken.
Im vergangenen Jahr hatte Shenhua gerade einmal 0,08 Prozent seiner Ausgaben in Erneuerbare Energien investiert. Das Unternehmen ist Teil der staatlichen China Energy Investment Corp., die im Jahr 2021 als größtes Kohlebergbauunternehmen 570 Millionen Tonnen Kohle produzierte. Nach eigenen Angaben erzeugte Shenhua im gleichen Zeitraum 177 Millionen Tonnen Emissionen von Treibhausgasen durch die Verbrennung von Kohle.
Die chinesische Regierung baut die Kapazitäten von Erneuerbaren Energien aus, um spätestens 2030 den Höhepunkt der CO2-Emissionen erreichen zu können. Trotz des schnellen Wachstums erneuerbarer Energien ist China für seine Stromerzeugung aber nach wie vor stark von fossilen Brennstoffen abhängig, wobei mehr als die Hälfte des Stroms aus Kohlekraftwerken stammt.
Zuletzt hatte Peking angekündigt, fünf neue Kohlekraftwerke bauen zu wollen (China.Table berichtete) und das Kohleangebot zu erhöhen. Zu der Entscheidung beigetragen hatte ein Emergieengpass im Land im Herbst vergangenen Jahres, als zahlreiche Unternehmen, aber auch private Haushalte ihren Verbrauch massiv einschränken mussten.
Gleichzeitig ist der Staatskonzern China Energy Investment, laut Daten von BloombergNEF, auch der weltweit zweitgrößte Entwickler erneuerbarer Energien mit mehr als 41 Gigawatt Stromerzeugungsprojekten. Die meisten seiner erneuerbaren Projekte laufen bisher über Longyuan Power Group Corp, einer weiteren börsennotierten Tochtergesellschaft. niw
China strebt in den nächsten Jahren einen massiven Ausbau seiner Energie-Systeme und ein flexibleres Stromnetz an. Das geht aus einem neuen Fünfjahresplan für den Energiesektor hervor. Im Mittelpunkt des Plans steht die Energiesicherheit. Erneuerbare Energien sollen einen Großteil des Zuwachses bei der Stromerzeugungs-Kapazität ausmachen, wie Bloomberg berichtet. Für Dunkelflauten sollen demnach Kohlekraftwerke als Backup umgerüstet werden und flexibler operieren, um die Stromversorgung sicherzustellen und das Netz zu stabilisieren. Ebenso sollen Pumpspeicher-Kraftwerke ausgebaut werden. Sie dienen als Energiespeicher (China.Table berichtet). Der Ausbau von Fernleitungen soll fortgesetzt werden, um die stromhungrigen Städte im Osten des Landes mit den im Westen gelegenen, idealen Gebieten für erneuerbare Energien zu verbinden.
Die Rohöl-Förderung des Landes soll stabil bei vier Millionen Barrel pro Tag gehalten werden. Die jährliche Erdgasproduktion soll bis 2025 auf 230 Milliarden Kubikmeter ansteigen. Derzeit beträgt sie 205 Milliarden Kubikmeter, wie Reuters berichtet. China werde die Exploration und Erschließung von Ressourcen wie Schieferöl und Schiefergas demnach “aktiv ausweiten”. Der Anteil nicht-fossiler Energieträger am Gesamtenergieverbrauch soll bis zum Jahr 2025 von 16 Prozent (2020) auf 25 Prozent anwachsen. Der Einsatz von Kohle in der Schwerindustrie soll eingedämmt werden.
Der Fünfjahresplan enthält weder Einzelheiten über die Höhe der für 2025 angestrebten CO2-Emissionen noch einen Zeitplan für die Reduktion von CO2-Emissionen. Laut dem Energieexperten Lauri Myllyvirta soll der Plan die “Voraussetzungen für die Erreichung des Spitzenwertes der Treibhausgas-Emissionen und die Senkung der Emissionen schaffen”. Ob der in dem Plan enthaltene Ausbau sauberer Energiequellen ausreicht, um die Klimaziele zu erreichen, hänge laut Myllyvirta “ganz vom Wachstum der Energienachfrage ab, das wiederum vor allem von der Wirtschaftspolitik abhängt”. nib
Patricia Flors bisherige Karriere hat sie schon in alle Himmelsrichtungen verschlagen. Nun ist klar, was ihre nächste Station wird: Die Spitzendiplomatin wird deutsche Botschafterin in Peking. Flor bringt jahrelange Erfahrung in der deutschen und europäischen Diplomatie mit. Ihre Stationen in Japan und die Zuständigkeit für den Indo-Pazifik führten sie in wichtige Nachbarregionen Chinas.
Schon vor gut zehn Jahren, als eine gemeinsame EU-Außenpolitik noch weit weniger präsent war als heute, wechselte Flor in den Dienst des Europäischen Auswärtigen Dienstes (EEAS): “Ich war überzeugte deutsche Diplomatin. Ich glaube aber, dass wir im globalen Maßstab nur dann Einfluss haben werden, wenn wir als EU auftreten. Wo es darum geht, wer sitzt mit am Tisch mit den anderen Großen, da wird zunehmend die EU gefragt sein”, sagte Flor dem Deutschlandfunk damals.
Flor blieb der EU-Außenpolitik – mit einigen Zwischenstopps in der deutschen Diplomatie – treu. Als derzeitige EU-Botschafterin in Japan gilt die 60-Jährige innerhalb des EEAS als zuverlässig und beliebt beim EU-Außenbeauftragten Josep Borrell. Berlin hatte offenbar bereits nach dem Regierungswechsel erhöhtes Interesse an einem Einsatz Flors für die Bundesrepublik. Die als Grünen-nah geltenden Flor wurde zeitweise auch als neue Staatsministerin im Außenministerium gehandelt. Arbeitserfahrung unter dem grünen Außenminister Joschka Fischer hat sie bereits.
Statt Diplomatie in Berlin heißt es jetzt aber weiterhin Ausland für die gebürtige Bayerin, die ihre ersten beruflichen Schritte in einem ganz anderen Metier machte: Nach dem Abitur und Volontariat bei den Nürnberger Nachrichten arbeitete sie als Redakteurin und freie Journalistin in den USA. Sie studierte Geschichte, Philosophie, Slawistik und osteuropäische Geschichte in Bamberg und Erlangen.
1992 trat sie in den Auswärtigen Dienst ein und wurde in der deutschen Botschaft in Kasachstan eingesetzt. 1995 promovierte Flor nach Forschungsaufenthalten in Großbritannien und Russland in osteuropäischer Geschichte und Volkswirtschaftslehre. 1996 wechselte sie zur Deutschen Ständigen Vertretung bei den Vereinten Nationen in New York, wo sie von 1998 bis 2000 Vorsitzende der Kommission für Frauenrechte der UN war. Ihren Einsatz für Frauen und eine feministische Diplomatie behält sie auch auf weiteren Karriere-Stationen bei: “Während all meiner Posten habe ich mich immer für die Sache der Frauen eingesetzt“, sagte Flor bei einer Veranstaltung.
Die bisherige Liste von Flors Posten ist lang. Ihre Einsätze brachten sie immer wieder zurück in die deutsche Hauptstadt. Unter Joschka Fischer war Flor von 2002 bis 2006 Leiterin des Parlaments- und Kabinettsreferats im Auswärtigen Amt, bevor sie deutsche Botschafterin in Georgien wurde. Ab März 2010 kehrt sie als Beauftragte für Osteuropa, den Kaukasus und Zentralasien ins Auswärtige Amt zurück. Den Fokus auf der wichtigen Nachbarregion Chinas behielt sie auch bei als sie 2012 erstmals den Wechsel auf die EU-Ebene vollzog und Sonderbeauftragte der Europäischen Union für Zentralasien wurde.
Gut ein Jahr später stellte China erstmals die “Belt and Road”-Initiative vor, in der Zentralasien eine wichtige Rolle für Peking spielt. Flor setzte sich damals bereits für eine engere Zusammenarbeit der EU und den dortigen Staaten ein. An Interesse an einer Kooperation mangele es nicht in Zentralasien, trotz enger Verbindungen zu China und vor allem Russland, sagte Flor in einem Interview.
Im Jahr 2014 kehrte Flor von Brüssel erneut zurück nach Berlin. Unter dem SPD-Außenminister Frank-Walter Steinmeier wurde sie Leiterin der Abteilung für die Vereinten Nationen im Auswärtigen Amt. Anschließend leitete sie die erweiterte Abteilung für Internationale Ordnung, Vereinte Nationen und Rüstungskontrolle und war Beauftragte der Bundesregierung für Fragen der Abrüstung und Rüstungskontrolle.
Nach gut vier Jahren in der deutschen Hauptstadt zog es sie erneut ins Ausland: Seit Mitte 2018 ist Flor Botschafterin der Europäischen Union in Japan. In der Position setzt sie sich unter anderem für eine engere Zusammenarbeit der EU und der Indo-Pazifik-Region ein – vor allem die dabei von Brüssel auch vorgesehene erhöhte militärische Präsenz im Indo-Pazifik mit Schiffen stößt der Volksrepublik regelmäßig sauer auf. Als neue deutsche Botschafterin wird Flor diese Pläne aus Europa nun in Peking verteidigen müssen. Amelie Richter