Table.Briefing: China

Widodo in Peking + Hainan-Messe

  • Indonesiens Präsident bietet sich als guter Partner an
  • Deutsche Firmen ohne Interesse für Hainan-Messe
  • Sinolytics: Entkopplung bisher nur theoretisch
  • Neue Hitzewelle rollt durch Südchina
  • C919 schließt Praxistests ab
  • Telefonat Xi-Biden “steht bevor”
  • Tiktok Deutschland erhält Betriebsrat
  • Prozessauftakt gegen Anwalt Chang Weiping
  • Portrait: Stefan Geiger vom Chinaforum Bayern
Liebe Leserin, lieber Leser,

Joko Widodo ist der erste Staatschef, den Xi Jinping seit den Olympischen Winterspielen von Peking im Februar trifft. Der Besuch Wladimir Putins zur Eröffnung der Spiele ist heute legendär. Er führte zur Festlegung Chinas auf die Solidarität mit Russland. Das persönliche Gespräch mit dem indonesischen Präsidenten ist nun zwar bei weitem nicht so ominös. Doch es hat ebenfalls weitreichenden Symbolwert. China kümmere sich um seine Partner in Südostasien, lautet die Botschaft. So punkte Peking bei den Seidenstraßen-Ländern, schreibt Michael Radunski.

Deutsche Aussteller haben derweil die laufende Konsumgütermesse in Hainan weitgehend links liegengelassen. Ein Fehler, findet Frank Sieren. Dann Chinas Tropeninsel soll der Kern eines Freihandelsgefüges werden, das der Außenwirtschaft große Chancen bietet. Schließlich handelt es sich bei der Entwicklung des Standorts um ein Herzensprojekt Xis. Frankreich hat die Möglichkeiten bereits erkannt und nimmt in diesem Jahr als Ehrengast teil.

Ihr
Finn Mayer-Kuckuk
Bild von Finn  Mayer-Kuckuk

Analyse

Widodo bietet Xi außenpolitische Unterstützung an

Die Präsidenten Joko Widodo (Indonesien) und Xi Jinping am Dienstag in Peking.
Die Präsidenten Joko Widodo und Xi Jinping am Dienstag in Peking.

Es ist ein Bild mit Seltenheitswert in diesen Corona-Zeiten: Chinas Staatspräsident Xi Jinping lässt in Peking einen anderen Staatslenker auf Armeslänge an sich heran. Die Ehre gebührte seinem indonesischen Amtskollegen Joko Widodo. Die beiden Staatschefs haben am Dienstag vereinbart, die Beziehungen ihrer beiden Staaten zu großer strategischer Bedeutung auszubauen. So wollen sie weitreichenden globalen Einfluss gewinnen.

Es ist ein Besuch, der für beide Seiten wichtig ist. Für Xi markiert er das Ende seiner selbstgewählten Isolation: Es ist sein erstes direktes Treffen mit einem ausländischen Staatsoberhaupt seit den Olympischen Winterspielen im Februar. Seither hat Chinas strikte “Null-Covid”-Politik den persönlichen Austausch mit ausländischen Staatschefs verhindert – für eine Weltmacht wie China im Grunde ein unhaltbarer Zustand. Für Widodo wiederum geht es bei seinem Besuch in erster Linie darum, die wirtschaftliche Entwicklung seines Landes weiter voranzutreiben. Entsprechend standen die Bereiche Handel und Investitionen im Mittelpunkt der Gespräche.

China ist Indonesiens größter Handelspartner. Trotz nationaler und internationale Probleme wie Corona-Lockdowns und Containerstaus ist der bilaterale Handel im vergangenen Jahr um rund 70 Prozent gestiegen. Zudem ist China zum drittgrößten ausländischen Investor in Indonesien aufgestiegen – nach Singapur und Hongkong. “China hat durch seine wirtschaftliche Anziehungskraft sehr großen Einfluss in der Regierung von Joko Widodo gewonnen, insbesondere durch den mächtigsten Minister Indonesiens, Lujut Panjaitan”, erklärt David Engel, Indonesien-Experte beim Australian Strategic Policy Institute in Canberra gegenüber China.Table. “Lujuts Unternehmen sichern sich in mehreren für China wichtigen Sektoren, wie etwa der Metallerz-Verarbeitung, eine marktbeherrschende Stellung.”

China bleibt für Entwicklungsländer attraktiv

Es ist diese Art von Zusammenarbeit, die China für viele Entwicklungs- und Schwellenländer attraktiv macht: Das Geld fließt wirklich – es bleibt nicht bei Versprechen wie oftmals bei westlichen Partnern. Zudem koppelt Peking die Auszahlung nicht an Bedingungen wie Umweltschutz, demokratische Werte oder Anti-Korruptionsvorkehrungen. “Außerdem ist Indonesien ein zentraler Partner in Chinas Belt-and-Road-Initiative“, erklärt Habib Pashya, Wissenschaftlerin am Center of Indonesia-China Studies in Yogyakarta, gegenüber China.Table. Widodo wird in Peking daher wohl Indonesiens Teilnahme an Chinas großer Initiative nochmals untermauern.

Pashya erwartet außerdem, dass China weitere wirtschaftliche Zusagen machen wird, beispielsweise Investitionen in die Nickelindustrie in Sulawesi oder in den Ausbau des indonesischen Schienennetzes für Hochgeschwindigkeitszüge.

Doch ein anvisiertes Vorzeigeprojekt für die erfolgreiche Zusammenarbeit zwischen China und Indonesien hakt: Der Jakarta-Bandung-Express. Der Bau von Indonesiens erster Hochgeschwindigkeitsstrecke verzögert sich seit Jahren, gepaart mit einer Kostenexplosion um mehrere Milliarden Dollar. Widodo wird Xi deshalb drängen, das Projekt bis November fertigstellen zu lassen – zumindest für einen Probelauf. Es käme dann passend zum anstehenden G-20-Treffen in Bali – was im Interesse beider Präsidenten liegt. Für Indonesien wäre die Strecke trotz allem ein wichtiger Entwicklungserfolg. China wiederum kann sich als wohltätiger und technologisch beeindruckender Partner präsentieren.

Indonesien essenziell für Chinas Regionalpolitik

Doch zu der vom chinesischen Außenministerium zitierten Win-win-Situation für die beiden Staaten gehört auch die politische Komponente. So ist sich auch Habib Pashya sicher: “Bei dieser Reise wird sich Präsident Widodo nicht nur auf die Wirtschaftsbeziehungen konzentrieren.”

Indonesien ist das größte Land in Südostasien und die größte muslimische Nation der Welt. Und so ist Indonesien eine Art Primus-inter-pares innerhalb dem regionalen Staatenbund Asean. In allen Plänen, die China der US-Regierung unterstellt, würde das Inselreich eine wichtige Rolle spielen – von der vermeintlichen Einkreisung Chinas über den Aufbau einer asiatischen Nato bis hin zur Idee eines freien und offenen Indo-Pazifiks. Ein guter Draht nach Jakarta ist für Peking daher essenziell.

Zu guter Letzt hat Indonesien derzeit den Vorsitz der G20 inne. Xi wird daher mit Nachdruck darauf dringen, dass beim bevorstehenden G20-Gipfel im November in Bali keine für ihn unangenehme Themen auf die Tagesordnung kommen – sei es Pekings ausbleibende Verurteilung des russischen Angriffs auf die Ukraine oder Chinas Umgang mit der muslimischen Uiguren in Xinjiang.

Das habe in der Vergangenheit überaus erfolgreich funktioniert, sagt David Engel. “Es ist China tatsächlich gelungen, sowohl Indonesiens Regierung als auch die muslimischen Massenorganisationen davon abzuhalten, Peking wegen seiner Menschenrechtsbilanz herauszufordern, selbst wenn es um die Uiguren geht.”

China und Indonesien: Probleme nur im Südchinesischen Meer

Das größte Problem zwischen China und Indonesien liegt stattdessen im Südchinesischen Meer rund um die Natuna-Inseln. Dort besitzt Indonesien eine Ausschließliche Wirtschaftszone (AWZ), die allerdings innerhalb der chinesischen Gebietsansprüche liegt. Immer wieder kommt es deshalb zu Zwischenfällen, Schiffe der chinesischen Küstenwache dringen regelmäßig in die indonesische AWZ ein. Seit 2019 haben Indonesiens Behörden auch mutmaßliche chinesische Überwachungsdrohnen aus den Gewässern vor Süd-Sulawesi, den Riau-Inseln und Ost-Java geborgen.

David Engel ist sicher: “China schickt immer wieder hydrografische Vermessungsschiffe und Fischerboote in das Gebiet, manchmal sogar mit bewaffneter Eskorte.” Doch trotz dieser Spannungen gibt es keinen offiziellen Streit zwischen China und Indonesien. Experten sind sich einig: Das liegt vor allem an der wirtschaftlichen Anziehungskraft Chinas und den guten Handelsbeziehungen zwischen beiden Ländern. David Engel glaubt daher, dass das Natuna-Problem während des Besuchs in Peking ausgespart werde.

Indonesien gegen die USA einspannen

Denn Indonesien ist für China ein geopolitisch ein wichtiger strategischer Partner. Xi wird auf keinen Fall wollen, dass das Land fest ins US-Camp driftet. Xi Jinping wird also nach Ansicht Engels die US-Bündnispolitik in der Region kritisch ansprechen. Er tippt dabei auf Kritik an Aukus, dem Sicherheitspakt zwischen den USA, Australien und Großbritannien – und hierbei vor allem auf Australiens geplante Anschaffung von Atom-U-Booten aus Amerika.

Peking hatte mit scharfer Kritik auf das Bündnis reagiert. In Jakarta blieb es bei einem gewissen Unmut. Diesen Unmut wird Xi versuchen auszunutzen, um sich Indonesiens Zustimmung zu Chinas Vorwürfen zu sichern: dass durch Auskus regionale Spannungen eskalierten, ein Wettrüsten ausgelöst und der Frieden in der Region bedroht werde. Es ist vorstellbar, dass Xi dabei auch mit Druck arbeiten wird: Denn so großzügig Chinas wirtschaftliches Engagement auf den ersten Blick auch erscheinen mag – es hat durchaus einen Preis.

Widodo weiß das – er kennt aber auch den strategischen Wert seines Landes. Und so wird Indonesiens Präsident denn auch von Peking aus weiterfliegen nach Japan und Südkorea, beides enge und wichtige Partner der USA in der Region. Indonesien wird seine strategische Position nicht unter Wert anbieten.

  • Geopolitik
  • Handel
  • Südchinesisches Meer

Hainan Expo: Versprechen für die Zukunft – ohne deutsches Interesse

Luftaufnahme des Hainan International Convention and Exhibition Center mit geschwungenem weißem Dach - die Hainan Expo.
Luftaufnahme des Hainan International Convention and Exhibition Center: Es läuft die zweite Auflage der neuen Messe auf der Tropeninsel

Die Hainan Expo ist eine noch junge chinesische Messe. Aber sie ist durchaus wichtig und spannend. Denn die südchinesische Tropeninsel Hainan wird gerade als ein Zentrum der größten Freihandelszone der Welt, RCEP, aufgebaut. Darin haben sich neben China 14 weitere Länder zusammengeschlossen, die gemeinsam 30 Prozent der Weltbevölkerung stellen und 30 Prozent der globalen Wertschöpfung erwirtschaften.

Für Peking hat der Aufbau von Hainan heute eine ähnliche hohe Bedeutung wie in den vergangenen Dekaden der Aufbau von Shenzhen erst zur Werkbank der Welt und dann zum chinesischen Silicon Valley. Die Insel mit bis zu 1800 Meter hohen Bergen und schönen Stränden ist etwa so groß wie Nordrhein-Westfalen und besitzt den Status einer Provinz. Rund 10 Millionen Menschen leben derzeit dort. Wenn Peking seine Strategie wie geplant umsetzt, dürfte sich deren Leben in nächster Zeit ziemlich verändern.

Freihandelszonen im Vergleich. Hainan soll nach chinesischen Vorstellungen das Zentrum von RCEP werden. Die Hainan Expo soll dazu beitragen.
Freihandelszonen im Vergleich. Hainan soll nach chinesischen Vorstellungen das Zentrum von RCEP werden.

Bis 2025 soll Hainan ähnlich wie Hongkong vom Festland unabhängiger werden, damit Ausländer dort ohne Visum einreisen können. Die Steuern werden bei 15 Prozent gedeckelt. Das Welteinkommen bleibt steuerfrei. Man ist dann in China und doch nicht in China. Damit wird Hainan auch interessant für Investoren aus den Nachbarländern Chinas. Und es wird zum Wettbewerber für Hongkong und Singapur. Zudem sollen Warenbewegungen auf Hainan zollfrei abgewickelt werden können.

Deswegen ist die Hainan Expo so wichtig. Sie findet dieses Jahr erst zum zweiten Mal statt und öffnete am Montag ihre Tore in der Provinzhauptstadt Haikou im Norden der Insel. Veranstalter der mit vollem Namen China International Consumer Products Expo (CICPE) genannten Messe sind das Pekinger Handelsministerium und die Provinzregierung Hainan.

Hainan-Messe: Deutschland spielt kaum eine Rolle

Noch ist das Interesse des Auslands an der neuen Messe recht unterschiedlich. Frankreichs Botschafter in China, Laurent Bili, etwa trommelt für die Messe und vor allem die französischen Produkte. Frankreich ist dieses Jahr Ehrengastland. Allein das französische Kosmetikunternehmen L`Oreal hat einen Stand von über 620 Quadratmetern, ein Viertel mehr als im vergangenen Jahr. Bili war auch 2021 schon persönlich vor Ort gewesen, um Unternehmen wie die Kaufhauskette Galeries Lafayette zu unterstützen. “Die Messe hat ihr Versprechen gehalten”, resümierte damals Lawrence Shum, CEO von Galeries Lafayette China.

Ausgerechnet Japan, Chinas größter Rivale in Asien, hat in Haikou den mit 3.300 Quadratmetern größten Stand, gefolgt von den USA mit ebenfalls über 3.000 Quadratmetern. 2021 war die japanische Kosmetikmarke Shiseido war eine der ersten Firmen gewesen, die eine Teilnahme an der Messe zugesagt hatte. Die drei Länder führen die Gruppe der 750 Aussteller aus 61 Ländern an, die auf rund 100.000 Quadratmetern 1.600 internationale Marken anbieten. Selbst Australien, das in tiefen politischen Auseinandersetzungen mit Peking steckt, ist immerhin mit knapp 800 Quadratmetern dabei.

2021 war die Schweiz Ehrengastland gewesen. “Die Expo ist ein wichtiger Schritt vorwärts, wenn es darum geht, die Freihandelszone Hainan weiter aufzubauen und China tiefer in die Weltwirtschaft zu integrieren”, sagte damals der Schweizer Botschafter Bernardino Regazzoni.

Deutschland hingegen spielt auf dieser Messe kaum eine Rolle. Nur einzelne deutsche Aussteller sind dabei. Die deutschen Firmen agieren angesichts des angespannten politischen Klimas vorsichtig – und lassen möglicherweise auch deshalb die neue Messe erst einmal aus. Denn Berlin ist weiterhin wegen der Sanktionen (China.Table berichtete) verstimmt, die Peking als Reaktion auf EU-Menschenrechtssanktionen verhängt hat. Deutschland diskutiert derzeit zudem, wie es seine große wirtschaftliche Abhängigkeit von China reduzieren kann (China.Table berichtete)

Hainan: Künftige Handelsdrehscheibe und Konsumparadies?

Wie wichtig Hainan und die neue Messe einmal werden, ist noch offen und hängt davon ab, wie konsequent Peking am wirtschaftlichen Umbau der Provinz arbeitet. Chinas Politik entscheidet wieder mehr denn je, wohin die Ressourcen des Landes fließen. Daher spricht der aktuelle wirtschaftspolitische Rahmen durchaus dafür, die Hainan-Messe auf dem Schirm zu haben.

Präsident Xi Jinping hat die Messe zu einem Prioritätsprojekt erklärt. Sie solle “Chinas Verpflichtung zeigen, sich weiter der Welt zu öffnen und für die wirtschaftliche Globalisierung zu werben”. Angesichts der häufig beklagten Hürden beim Zugang zum Land mag das zynisch klingen. Doch gerade wegen der Schwierigkeiten in anderen Marktsegmenten erschien es den beteiligten Ländern offenbar strategisch klug, sich an dieser Messe zu beteiligten.

Die Konzepte der Regierung in Peking sehen auch vor, aus Hainan ein internationales Einkaufsparadies zu machen. Reisende aus aller Welt sollen dort die Gelegenheit zu einem visafreien Stopover haben und zollfrei einkaufen gehen. Jeder Reisende soll Produkte bis zum Wert von rund 15.000 US-Dollar kaufen können. Die Entwicklung Hainans passt damit auch in die Dual-Circulation-Strategie (China.Table berichtete) der Zentralregierung: den Binnenkonsum stärken und die internationalen Abhängigkeiten diversifizieren.

Hainan hat zudem auch strategische Bedeutung für Peking – als Raumfahrtzentrum etwa, oder als strategischer Brückenkopf in das von China in weiten Teilen beanspruchte Südchinesische Meer. Aus Wenchang auf Hainan starten regelmäßig chinesische Raketen ins All, etwa mit Satelliten. Wenchang soll zu einer der führenden internationalen Weltraumstädte aufgebaut werden. Vor wenigen Tagen begann dort zum Beispiel der Bau des ersten privaten Weltraumbahnhofs des Landes. Kommerzielle Raketen sollen ab 2024 von dort starten. 

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Sinolytics.Radar

Chinas Entkopplung bisher nur symbolisch

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  • Nach dem “Huawei-Schock” im Jahr 2019, als die Trump-Administration Huawei von wichtigen Technologien (insbesondere von Halbleitern) abschnitt, beschloss die chinesische Regierung, dass sie defensive Handelsinstrumente benötige, um sich gegen die Maßnahmen der USA zu wehren.
  • Innerhalb kurzer Zeit verabschiedete die chinesische Regierung mehrere Gesetze, die die Voraussetzungen für einen aktiveren Schutz der eigenen Wirtschaft schaffen sollten. Die Instrumente ähneln weitgehend der US-Gesetzgebung zum Handelsschutz – und zeigen die zunehmende Entkopplung zwischen dem Westen und der Volksrepublik.
  • Bei der ersten Maßnahme handelte es sich um eine überarbeitete Liste von Technologieexporten, gefolgt von Chinas erstem umfassenden Exportkontrollgesetz. Dieses sieht Genehmigungen für bestimmte Güter vor und erlaubt es China, Embargos auf Güter wie beispielsweise seltene Erden zu verhängen.
  • Gleichzeitig führte China die “Unreliable Entity List” ein, mit der Unternehmen sanktioniert werden, die Chinas nationale Sicherheit gefährden oder diskriminierende Maßnahmen wie Boykotte gegen chinesische Unternehmen ergreifen. Diese Liste dient somit als Vergeltungsmaßnahme gegen die von den USA verhängten Ausfuhrbeschränkungen.
  • Der Anwendungsbereich dieser Instrumente ist weit gefasst und mit dem Verweis auf die “nationale Sicherheit” sehr vage definiert. Dies räumt den chinesischen Behörden großen Spielraum ein, Transaktionen zu verhindern. Die Ausgestaltung der Gesetze ermöglicht es China auch, diese Instrumente als Druckmittel einzusetzen – etwa wenn sich ein Unternehmen “in die inneren Angelegenheiten Chinas einmischt”.
  • Da Peking diese handelspolitischen Instrumente bislang nur vorsichtig eingesetzt hat, bleiben sie jedoch weitgehend symbolisch. Dies liegt vor allem daran, dass die USA derzeit noch über fortschrittlichere Technologie verfügen und es China dadurch an Druckmitteln mangelt.

Sinolytics ist ein europäisches Beratungs- und Analyseunternehmen, das sich auf China spezialisiert hat. Es berät europäische Unternehmen bei der strategischen Ausrichtung und den konkreten Geschäftsaktivitäten in der Volksrepublik.

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  • Handel

News

Neue Hitzewelle trifft Süden und Westen

China ist – wie zahlreiche andere Länder weltweit – erneut von einer Hitzewelle betroffen. Die Nutzung von Klimaanlagen in den großen Städten belastet dabei gerade im Süden das Stromnetz ganz erheblich: In der Provinz Guangdong kommt es bereits zu Engpässen.

In China steigen die Temperaturen infolge des Klimawandels stärker als im globalen Durchschnitt. Die Wetterwarten des Landes melden fast monatlich neue Rekorde. Am Mittwoch werden in großen Teilen Südchinas Temperaturen über 37 Grad, zum Teil bis 40 Grad erwartet, ebenso in Xinjiang. fin

  • Guangdong
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C919 absolviert finale Testflüge

Chinas erster eigener Mittelstrecken-Passagierjet steht kurz vor dem Erhalt seines Lufttüchtigkeitszeugnisses. Die sechs ersten fertiggestellten Modelle der Comac C919 haben ihr Testflugprogramm erfolgreich absolviert; es fehlen nur noch die Auswertung von Daten und die offizielle Zulassung durch die Behörden. Wann die Zertifikate erteilt werden, ist noch nicht bekannt. Grundsätzlich steht der Auslieferung und dem kommerziellen Betrieb des Flugzeugs jedoch nichts mehr im Weg.

Die Herstellerfirma Commercial Aircraft Corporation of China (Comac) nannte das einen “Meilenstein”. Zu seiner Feier reihte die Piloten ihre sechs Maschinen am Flughafen Weinan in Shaanxi symbolisch auf. Das Flugzeug befand sich seit 2010 in der Entwicklung – deutlich länger als ursprünglich veranschlagt (China.Table berichtete). Es soll der 737 von Boeing und dem A320 von Airbus Konkurrenz machen. Für den Flieger liegen bereits 815 Bestellungen vor. fin

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Bald Gespräch Bidens mit Xi?

US-Präsident Joe Biden und Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping werden möglicherweise noch in dieser Woche miteinander sprechen. Biden stellte dies am Montag (US-Ortszeit) in Aussicht. “Das ist meine Erwartung, aber ich werde Ihnen Bescheid geben, wenn es so weit ist”, sagte Biden auf die Frage von Journalisten nach einem Gespräch in dieser Woche. Biden und Xi hatten zuletzt im März miteinander gesprochen. Seither haben sich die Beziehungen weiter verschlechtert. China droht den USA seit Tagen mit Konsequenzen, sollte die Vorsitzenden des US-Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, nach Taiwan reisen (China.Table berichtete). Umgekehrt kritisieren die USA Chinas Kuschelkurs mit Russland im Ukraine-Krieg und warnen vor einem möglichen Angriff auf Taiwan.

Die US-Regierung halte trotz allem die Kommunikationskanäle mit China offen, sagte die Sprecherin des Weißen Hauses, Karine Jean-Pierre. Es gebe Gespräche auf verschiedenen Ebenen. Dem Präsidenten wolle sie mit Blick auf ein mögliches Gespräch mit Xi Jinping aber nicht vorgreifen. Auch im Hinblick auf eine Pelosi-Reise nach Taipeh hielt sich Jean-Pierre bedeckt: Pelosi habe eine solche Reise nicht angekündigt; Kongressmitglieder entschieden unabhängig über ihre Reisen. Die Politikerin wird demnächst nach Asien reisen und erwägt dabei auch einen Abstecher nach Taipeh. ck

  • Geopolitik
  • Joe Biden
  • USA
  • Xi Jinping

Berlin-Büro von Tiktok darf Betriebsrat wählen

Die Mitarbeiter des Berliner Büros von Tiktok dürfen trotz Gegenwinds aus der Führungsetage einen Betriebsrat gründen. Das berichtet Nikkei Asia unter Berufung auf die Gewerkschaft Ver.di, die das Vorhaben unterstützt. Demnach trafen sich 102 der rund 200 Berliner Beschäftigten Mitte Juli zur Ernennung eines Wahlvorstands in der Ver.di-Bundeszentrale. Die eigentliche Wahl findet voraussichtlich im August statt. Eine zuvor digital durchgeführte Wahlvorstandsgründung war am rechtlichen Widerstand des Arbeitgebers gescheitert und verzögerte sich um ein Jahr.

Die Mitarbeiter erhoffen sich durch die Gründung eines Betriebsrates ein größeres Mitspracherecht, etwa bei Fragen zur Vergütung, Leistungsbewertung und zum Datenschutz. Der Social-Media-Riese, dessen Mutterkonzern Bytedance in Peking sitzt, steht wegen schlechter Bezahlung und stark belastender Arbeitsbedingungen weltweit in der Kritik. So wird dem Unternehmen unter anderem vorgeworfen, das berüchtigte chinesische “996”-Arbeitsmodell – bei dem Angestellte sechs Tage die Woche von 9:00 bis 21:00 Uhr arbeiten (China.Table berichtete) – in seine ausländischen Niederlassungen exportieren zu wollen.

Der Kurzvideo-Anbieter hat weltweit mehr als 800 Millionen Nutzer, davon 15 Millionen allein in Deutschland. Die Berliner Tiktok-Mitarbeiter sind vor allem mit der Moderation von Inhalten beschäftigt. In einer 8-Stunden-Schicht müssten sie etwa 1.000 Videos sichten und bearbeiten, schreibt Ver.di. Dieses Pensum sei jedoch nur möglich, indem man die Videos in vierfacher Geschwindigkeit abspiele. Dabei seien die Inhalte oft verstörend, von Misshandlungen über Tierquälerei bis hin zu Enthauptungen. Eine psychologische Betreuung sei nur schwer zu bekommen. “Wir müssen mehr Inhalte in kürzerer Zeit unter mehr Vorgaben sichten und bewerten”, erklärt Sean Krusch, einer der drei neu gewählten Wahlvorstände, gegenüber Ver.di. “Die Mitarbeitenden brauchen dringend ein Sprachrohr.” fpe

  • 996
  • Arbeit
  • Gesellschaft
  • Technologie
  • Tiktok

Prozessauftakt gegen Anwalt Chang Weiping

Hinter verschlossenen Türen hat am Dienstag in der nordwestchinesischen Stadt Baoji der Prozess gegen den 2020 festgenommenen Menschenrechtsanwalt Chang Weiping begonnen. Chang hatte sich viele Jahre für Benachteiligte in Chinas Gesellschaft eingesetzt – unter anderem für HIV-Infizierte und Mitglieder der LGBTQ-Community – und hatte zunehmend den Zorn der Regierung auf sich gezogen. Angeklagt ist Chang wegen “Untergrabung der Staatsmacht”.

Die deutsche Botschafterin Patricia Flor sprach auf Twitter von einem “traurigen Tag für die Menschenrechte in China”. Chang habe große Teile seines Lebens für den Kampf gegen Diskriminierung aufgewendet. “Der Mut und die Leistungen von Chang Weiping sollten gefeiert und nicht bestraft werden”, schrieb Flor. “Wir stehen seiner Frau, Familie, Freunden und Kollegen bei und fordern die chinesischen Behörden auf, ihn freizulassen.” ck

  • Menschenrechte
  • Zivilgesellschaft

Presseschau

Seltene Erden: Bund will weniger Abhängigkeit von China TAGESSCHAU
Von China gebaut: Kroatien eröffnet Brücke über die Adria SPIEGEL
Angst vor einer Eskalation mit China: Nancy Pelosis Taiwan-Reise ärgert Peking und den US-Präsidenten HANDELSBLATT
Biden administration working behind the scenes to convince Pelosi of the risks of traveling to Taiwan CNN
What’s the Taiwan-China conflict all about? DW
Will China Move on Taiwan? NYTIMES
Adidas senkt Prognose: China-Lockdown und wenig Konsumlaune WELT
China and Indonesia agree to boost relations during Beijing meeting DW
Ist Putin Xi Jinpings “nützlicher Idiot”? WELT
Scheinprozess gegen Anwalt: Chinas “trauriger Tag für die Menschenrechte” RND
Eine eindringliche Performance in Berlin macht Chinas Staatsterror begreifbar TAGESSPIEGEL
How Xi Jinping’s Hong Kong, Xinjiang trips help him tout his achievements DW
China Targeted Fed to Build Informant Network and Access Data, Probe Finds WSJ
Beijing hits back as UK leadership contenders sharpen China rhetoric CNN
U.S. accuses China of increased South China Sea ‘provocations’ REUTERS
Hotter, Longer and More Widespread Heat Waves Scorch China NYTIMES
China’s top chip maker SMIC may have achieved tech breakthrough, experts say SCMP

Heads

Stefan Geiger – Bayern und China rücken zusammen

Stefan Geiger
Stefan Geiger ist Geschäftsführer des Chinaforums Bayern und Organisator des Bayerisch-Chinesischen Frühlingfestes am Donnerstag in München.

Der Besprechungsraum des Chinaforums Bayern ist voller Gastgeschenke von Besuchen chinesischer Delegationen. Vasen und Teller stehen neben Büchern zu klassischer Malerei, dazwischen finden sich auch allerlei gemusterte Krawatten. “Schöne Staubfänger” nennt Geschäftsführer Stefan Geiger die Gegenstände scherzhaft. Er ist auch selbst geübt im Verschenken, führt deutsche und chinesische Unternehmen zusammen. Da er weiß, wie sehr man in China Spiele liebt, hat Geiger mit seinem Team ein Europa-Quartett entworfen, nach dem Vorbild des Kartenspiels aus Kindertagen. Auch das eine oder andere Lebkuchenherz mit bayerischen oder chinesischen Sprüchen zählt er zu seinem kreativen Geschenk-Repertoire. Schenken ist Teil des Dialogs. Und um den geht es dem studierten Sinologen.

Als Stefan Geiger beschloss, Regionalwissenschaften China zu studieren, war er noch kein einziges Mal dort gewesen. Heute blickt er auf eine Vielzahl an Reisen zurück – noch immer fasziniert von “einem der spannendsten Länder der Welt”, wie er sagt. “Ich finde, wir reden aktuell sehr viel übereinander und sehr wenig miteinander”, so Geiger. Ein großes Problem. Meinungen seien verhärtet – zum Coronavirus oder aktuell im Ukraine-Krieg. In deutschen Medien kommt für ihn zu kurz, wie die Chinesinnen und Chinesen über die behandelten Themen denken. Persönlich versucht er, sich ein Bild zu verschaffen, regelmäßig mit seinem Netzwerk im Austausch zu bleiben.

In puncto Pandemie sei klar, dass sich die Menschen in China wieder mehr Freiheit wünschten. “Die pendeln zwischen Verzweiflung, Wut und Sarkasmus”, beschreibt Geiger die Lage an den Lockdown-Brennpunkten. “Das hat schon etwas mit den Menschen dort gemacht.” Unruhe und Zweifel an der Corona-Politik sind für den Experten in der chinesischen Bevölkerung spürbar. Ratlos stimmt ihn, dass kein Strategiewechsel erkennbar zu sein scheint; nur ein ewiger Kreislauf aus Lockdowns und Quarantäne.

Durch den Krieg in Europa nähern sich derweil China und Russland derzeit wieder stärker an, auch getrieben durch die Abneigung gegenüber den USA und deren Ausweitung ihrer Machteinflüsse. “Der gemeinsame Feind verbindet die beiden mehr als eine gegenseitige Freundschaft”, so Geiger.

Vorfreude auf Bayerisch-Chinesisches Fest in München

Gespannt blickt Geiger als Geschäftsführer und Organisator nun auf den 28. Juli – das Bayerisch-Chinesische Frühlingsfest, das in diesem Jahr erst im Sommer stattfindet. Die Vorbereitungen laufen auf Hochtouren, die Halle ist ausverkauft. 440 Gäste werden erwartet, unter anderem aus Politik und Sport. “Wir wollen mit dem Frühlingsfest eine Plattform zur Verfügung stellen, mit der dieser nötige Austausch stattfinden kann.” Dass sehr viele Chinesinnen und Chinesen daran teilnehmen werden, erfreut Geiger besonders. Die Abendveranstaltung sieht er als Treffpunkt, wo die gesamte China-Community zusammenkommt. Die “entspannte und schöne Stimmung”, die dort immer herrsche, sei wichtiger denn je.

Seine Wurzeln hat der 51-Jährige im Schwarzwald. Nach Zwischenstationen im Norden, unter anderem in Hannover, nennt Stefan Geiger jetzt München sein Zuhause. Er erinnert sich noch genau an seine erste China-Reise. 1995 blieb er ein ganzes Jahr in Nanjing, im Osten der Volksrepublik: “Das war das Ausgefallenste, was ich je gesehen habe: Eselskarren neben Mercedes 500.” Das Land ist für ihn nicht immer schön, sondern auch schmutzig und laut. Vor allem aber eines: spannend. Pandemiebedingt liegt sein letzter Besuch jetzt jedoch mehr als 30 Monate zurück.

Das junge Bayern und das junge China präsentieren

Das Geburtsjahr des Wahlbayern fällt auf das traditionelle Tierkreiszeichen Hund, das Eigenschaften wie Treue und Bodenständigkeit verkörpert. Etwas zu langweilig für seinen Geschmack. Stünde es ihm frei, würde er den Drachen wählen, dem Selbstbewusstsein, Intelligenz und Enthusiasmus zugeschrieben werden. Stefan Geiger ist sportbegeistert. Er schaut nicht nur gern ein Volleyball-Match oder Basketball-Turnier im TV an, sondern schwingt sich auch selbst aufs Mountainbike oder geht zum Tennis und Squash spielen.

Das junge Bayern präsentieren, und das junge China: Das will Geiger mit seinem vierköpfigen Team vom Chinaforum. An dem Abend sei kein Platz für Klischees, kündigt er an. “Bei uns wird es niemals einen Löwentanz oder Schuhplattler geben.” Stattdessen stünden der Chinesische Nationalcircus und eine bayerische Rapperin auf dem Programm. Das Fest kann kommen. Julia Klann

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Personalien

Li Lina ist jetzt bei der European Climate Foundation (ECF) am Standort Berlin Direktorin für Asienstrategie im Pool-fund on International Energy (PIE). Zuvor war sie in Berlin bei der Klima-Beratungsfirma Adelphi tätig.  

Li Huanting von der Finanzaufsicht der Provinz Henan steht ein Disziplinarverfahren bevor. Hintergrund ist die Bankenkrise in der Region, wegen der zahlreiche Bürger ihre Ersparnisse nicht abheben konnten.

Ändert sich etwas in Ihrer Organisation? Schicken Sie doch einen Hinweis für unserer Personal-Rubrik an heads@table.media!

Dessert

Luftaufnahme der Bucht von Shek O mit vielen Sonnenschirmen

Glück hat, wer in der aktuellen Hitzwelle Zugang zu einem Strand hat – wie hier in der Bucht des kleinen Dorfes Shek O im felsigen Südosten von Hong Kong Island. Die Bucht ist eine der schönsten der Sonderverwaltungszone, eingerahmt von Felsen, mit Blick auf den offenen Pazifik, der ein wenig für Abkühlung sorgt.

China.Table Redaktion

CHINA.TABLE REDAKTION

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    • Indonesiens Präsident bietet sich als guter Partner an
    • Deutsche Firmen ohne Interesse für Hainan-Messe
    • Sinolytics: Entkopplung bisher nur theoretisch
    • Neue Hitzewelle rollt durch Südchina
    • C919 schließt Praxistests ab
    • Telefonat Xi-Biden “steht bevor”
    • Tiktok Deutschland erhält Betriebsrat
    • Prozessauftakt gegen Anwalt Chang Weiping
    • Portrait: Stefan Geiger vom Chinaforum Bayern
    Liebe Leserin, lieber Leser,

    Joko Widodo ist der erste Staatschef, den Xi Jinping seit den Olympischen Winterspielen von Peking im Februar trifft. Der Besuch Wladimir Putins zur Eröffnung der Spiele ist heute legendär. Er führte zur Festlegung Chinas auf die Solidarität mit Russland. Das persönliche Gespräch mit dem indonesischen Präsidenten ist nun zwar bei weitem nicht so ominös. Doch es hat ebenfalls weitreichenden Symbolwert. China kümmere sich um seine Partner in Südostasien, lautet die Botschaft. So punkte Peking bei den Seidenstraßen-Ländern, schreibt Michael Radunski.

    Deutsche Aussteller haben derweil die laufende Konsumgütermesse in Hainan weitgehend links liegengelassen. Ein Fehler, findet Frank Sieren. Dann Chinas Tropeninsel soll der Kern eines Freihandelsgefüges werden, das der Außenwirtschaft große Chancen bietet. Schließlich handelt es sich bei der Entwicklung des Standorts um ein Herzensprojekt Xis. Frankreich hat die Möglichkeiten bereits erkannt und nimmt in diesem Jahr als Ehrengast teil.

    Ihr
    Finn Mayer-Kuckuk
    Bild von Finn  Mayer-Kuckuk

    Analyse

    Widodo bietet Xi außenpolitische Unterstützung an

    Die Präsidenten Joko Widodo (Indonesien) und Xi Jinping am Dienstag in Peking.
    Die Präsidenten Joko Widodo und Xi Jinping am Dienstag in Peking.

    Es ist ein Bild mit Seltenheitswert in diesen Corona-Zeiten: Chinas Staatspräsident Xi Jinping lässt in Peking einen anderen Staatslenker auf Armeslänge an sich heran. Die Ehre gebührte seinem indonesischen Amtskollegen Joko Widodo. Die beiden Staatschefs haben am Dienstag vereinbart, die Beziehungen ihrer beiden Staaten zu großer strategischer Bedeutung auszubauen. So wollen sie weitreichenden globalen Einfluss gewinnen.

    Es ist ein Besuch, der für beide Seiten wichtig ist. Für Xi markiert er das Ende seiner selbstgewählten Isolation: Es ist sein erstes direktes Treffen mit einem ausländischen Staatsoberhaupt seit den Olympischen Winterspielen im Februar. Seither hat Chinas strikte “Null-Covid”-Politik den persönlichen Austausch mit ausländischen Staatschefs verhindert – für eine Weltmacht wie China im Grunde ein unhaltbarer Zustand. Für Widodo wiederum geht es bei seinem Besuch in erster Linie darum, die wirtschaftliche Entwicklung seines Landes weiter voranzutreiben. Entsprechend standen die Bereiche Handel und Investitionen im Mittelpunkt der Gespräche.

    China ist Indonesiens größter Handelspartner. Trotz nationaler und internationale Probleme wie Corona-Lockdowns und Containerstaus ist der bilaterale Handel im vergangenen Jahr um rund 70 Prozent gestiegen. Zudem ist China zum drittgrößten ausländischen Investor in Indonesien aufgestiegen – nach Singapur und Hongkong. “China hat durch seine wirtschaftliche Anziehungskraft sehr großen Einfluss in der Regierung von Joko Widodo gewonnen, insbesondere durch den mächtigsten Minister Indonesiens, Lujut Panjaitan”, erklärt David Engel, Indonesien-Experte beim Australian Strategic Policy Institute in Canberra gegenüber China.Table. “Lujuts Unternehmen sichern sich in mehreren für China wichtigen Sektoren, wie etwa der Metallerz-Verarbeitung, eine marktbeherrschende Stellung.”

    China bleibt für Entwicklungsländer attraktiv

    Es ist diese Art von Zusammenarbeit, die China für viele Entwicklungs- und Schwellenländer attraktiv macht: Das Geld fließt wirklich – es bleibt nicht bei Versprechen wie oftmals bei westlichen Partnern. Zudem koppelt Peking die Auszahlung nicht an Bedingungen wie Umweltschutz, demokratische Werte oder Anti-Korruptionsvorkehrungen. “Außerdem ist Indonesien ein zentraler Partner in Chinas Belt-and-Road-Initiative“, erklärt Habib Pashya, Wissenschaftlerin am Center of Indonesia-China Studies in Yogyakarta, gegenüber China.Table. Widodo wird in Peking daher wohl Indonesiens Teilnahme an Chinas großer Initiative nochmals untermauern.

    Pashya erwartet außerdem, dass China weitere wirtschaftliche Zusagen machen wird, beispielsweise Investitionen in die Nickelindustrie in Sulawesi oder in den Ausbau des indonesischen Schienennetzes für Hochgeschwindigkeitszüge.

    Doch ein anvisiertes Vorzeigeprojekt für die erfolgreiche Zusammenarbeit zwischen China und Indonesien hakt: Der Jakarta-Bandung-Express. Der Bau von Indonesiens erster Hochgeschwindigkeitsstrecke verzögert sich seit Jahren, gepaart mit einer Kostenexplosion um mehrere Milliarden Dollar. Widodo wird Xi deshalb drängen, das Projekt bis November fertigstellen zu lassen – zumindest für einen Probelauf. Es käme dann passend zum anstehenden G-20-Treffen in Bali – was im Interesse beider Präsidenten liegt. Für Indonesien wäre die Strecke trotz allem ein wichtiger Entwicklungserfolg. China wiederum kann sich als wohltätiger und technologisch beeindruckender Partner präsentieren.

    Indonesien essenziell für Chinas Regionalpolitik

    Doch zu der vom chinesischen Außenministerium zitierten Win-win-Situation für die beiden Staaten gehört auch die politische Komponente. So ist sich auch Habib Pashya sicher: “Bei dieser Reise wird sich Präsident Widodo nicht nur auf die Wirtschaftsbeziehungen konzentrieren.”

    Indonesien ist das größte Land in Südostasien und die größte muslimische Nation der Welt. Und so ist Indonesien eine Art Primus-inter-pares innerhalb dem regionalen Staatenbund Asean. In allen Plänen, die China der US-Regierung unterstellt, würde das Inselreich eine wichtige Rolle spielen – von der vermeintlichen Einkreisung Chinas über den Aufbau einer asiatischen Nato bis hin zur Idee eines freien und offenen Indo-Pazifiks. Ein guter Draht nach Jakarta ist für Peking daher essenziell.

    Zu guter Letzt hat Indonesien derzeit den Vorsitz der G20 inne. Xi wird daher mit Nachdruck darauf dringen, dass beim bevorstehenden G20-Gipfel im November in Bali keine für ihn unangenehme Themen auf die Tagesordnung kommen – sei es Pekings ausbleibende Verurteilung des russischen Angriffs auf die Ukraine oder Chinas Umgang mit der muslimischen Uiguren in Xinjiang.

    Das habe in der Vergangenheit überaus erfolgreich funktioniert, sagt David Engel. “Es ist China tatsächlich gelungen, sowohl Indonesiens Regierung als auch die muslimischen Massenorganisationen davon abzuhalten, Peking wegen seiner Menschenrechtsbilanz herauszufordern, selbst wenn es um die Uiguren geht.”

    China und Indonesien: Probleme nur im Südchinesischen Meer

    Das größte Problem zwischen China und Indonesien liegt stattdessen im Südchinesischen Meer rund um die Natuna-Inseln. Dort besitzt Indonesien eine Ausschließliche Wirtschaftszone (AWZ), die allerdings innerhalb der chinesischen Gebietsansprüche liegt. Immer wieder kommt es deshalb zu Zwischenfällen, Schiffe der chinesischen Küstenwache dringen regelmäßig in die indonesische AWZ ein. Seit 2019 haben Indonesiens Behörden auch mutmaßliche chinesische Überwachungsdrohnen aus den Gewässern vor Süd-Sulawesi, den Riau-Inseln und Ost-Java geborgen.

    David Engel ist sicher: “China schickt immer wieder hydrografische Vermessungsschiffe und Fischerboote in das Gebiet, manchmal sogar mit bewaffneter Eskorte.” Doch trotz dieser Spannungen gibt es keinen offiziellen Streit zwischen China und Indonesien. Experten sind sich einig: Das liegt vor allem an der wirtschaftlichen Anziehungskraft Chinas und den guten Handelsbeziehungen zwischen beiden Ländern. David Engel glaubt daher, dass das Natuna-Problem während des Besuchs in Peking ausgespart werde.

    Indonesien gegen die USA einspannen

    Denn Indonesien ist für China ein geopolitisch ein wichtiger strategischer Partner. Xi wird auf keinen Fall wollen, dass das Land fest ins US-Camp driftet. Xi Jinping wird also nach Ansicht Engels die US-Bündnispolitik in der Region kritisch ansprechen. Er tippt dabei auf Kritik an Aukus, dem Sicherheitspakt zwischen den USA, Australien und Großbritannien – und hierbei vor allem auf Australiens geplante Anschaffung von Atom-U-Booten aus Amerika.

    Peking hatte mit scharfer Kritik auf das Bündnis reagiert. In Jakarta blieb es bei einem gewissen Unmut. Diesen Unmut wird Xi versuchen auszunutzen, um sich Indonesiens Zustimmung zu Chinas Vorwürfen zu sichern: dass durch Auskus regionale Spannungen eskalierten, ein Wettrüsten ausgelöst und der Frieden in der Region bedroht werde. Es ist vorstellbar, dass Xi dabei auch mit Druck arbeiten wird: Denn so großzügig Chinas wirtschaftliches Engagement auf den ersten Blick auch erscheinen mag – es hat durchaus einen Preis.

    Widodo weiß das – er kennt aber auch den strategischen Wert seines Landes. Und so wird Indonesiens Präsident denn auch von Peking aus weiterfliegen nach Japan und Südkorea, beides enge und wichtige Partner der USA in der Region. Indonesien wird seine strategische Position nicht unter Wert anbieten.

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    Hainan Expo: Versprechen für die Zukunft – ohne deutsches Interesse

    Luftaufnahme des Hainan International Convention and Exhibition Center mit geschwungenem weißem Dach - die Hainan Expo.
    Luftaufnahme des Hainan International Convention and Exhibition Center: Es läuft die zweite Auflage der neuen Messe auf der Tropeninsel

    Die Hainan Expo ist eine noch junge chinesische Messe. Aber sie ist durchaus wichtig und spannend. Denn die südchinesische Tropeninsel Hainan wird gerade als ein Zentrum der größten Freihandelszone der Welt, RCEP, aufgebaut. Darin haben sich neben China 14 weitere Länder zusammengeschlossen, die gemeinsam 30 Prozent der Weltbevölkerung stellen und 30 Prozent der globalen Wertschöpfung erwirtschaften.

    Für Peking hat der Aufbau von Hainan heute eine ähnliche hohe Bedeutung wie in den vergangenen Dekaden der Aufbau von Shenzhen erst zur Werkbank der Welt und dann zum chinesischen Silicon Valley. Die Insel mit bis zu 1800 Meter hohen Bergen und schönen Stränden ist etwa so groß wie Nordrhein-Westfalen und besitzt den Status einer Provinz. Rund 10 Millionen Menschen leben derzeit dort. Wenn Peking seine Strategie wie geplant umsetzt, dürfte sich deren Leben in nächster Zeit ziemlich verändern.

    Freihandelszonen im Vergleich. Hainan soll nach chinesischen Vorstellungen das Zentrum von RCEP werden. Die Hainan Expo soll dazu beitragen.
    Freihandelszonen im Vergleich. Hainan soll nach chinesischen Vorstellungen das Zentrum von RCEP werden.

    Bis 2025 soll Hainan ähnlich wie Hongkong vom Festland unabhängiger werden, damit Ausländer dort ohne Visum einreisen können. Die Steuern werden bei 15 Prozent gedeckelt. Das Welteinkommen bleibt steuerfrei. Man ist dann in China und doch nicht in China. Damit wird Hainan auch interessant für Investoren aus den Nachbarländern Chinas. Und es wird zum Wettbewerber für Hongkong und Singapur. Zudem sollen Warenbewegungen auf Hainan zollfrei abgewickelt werden können.

    Deswegen ist die Hainan Expo so wichtig. Sie findet dieses Jahr erst zum zweiten Mal statt und öffnete am Montag ihre Tore in der Provinzhauptstadt Haikou im Norden der Insel. Veranstalter der mit vollem Namen China International Consumer Products Expo (CICPE) genannten Messe sind das Pekinger Handelsministerium und die Provinzregierung Hainan.

    Hainan-Messe: Deutschland spielt kaum eine Rolle

    Noch ist das Interesse des Auslands an der neuen Messe recht unterschiedlich. Frankreichs Botschafter in China, Laurent Bili, etwa trommelt für die Messe und vor allem die französischen Produkte. Frankreich ist dieses Jahr Ehrengastland. Allein das französische Kosmetikunternehmen L`Oreal hat einen Stand von über 620 Quadratmetern, ein Viertel mehr als im vergangenen Jahr. Bili war auch 2021 schon persönlich vor Ort gewesen, um Unternehmen wie die Kaufhauskette Galeries Lafayette zu unterstützen. “Die Messe hat ihr Versprechen gehalten”, resümierte damals Lawrence Shum, CEO von Galeries Lafayette China.

    Ausgerechnet Japan, Chinas größter Rivale in Asien, hat in Haikou den mit 3.300 Quadratmetern größten Stand, gefolgt von den USA mit ebenfalls über 3.000 Quadratmetern. 2021 war die japanische Kosmetikmarke Shiseido war eine der ersten Firmen gewesen, die eine Teilnahme an der Messe zugesagt hatte. Die drei Länder führen die Gruppe der 750 Aussteller aus 61 Ländern an, die auf rund 100.000 Quadratmetern 1.600 internationale Marken anbieten. Selbst Australien, das in tiefen politischen Auseinandersetzungen mit Peking steckt, ist immerhin mit knapp 800 Quadratmetern dabei.

    2021 war die Schweiz Ehrengastland gewesen. “Die Expo ist ein wichtiger Schritt vorwärts, wenn es darum geht, die Freihandelszone Hainan weiter aufzubauen und China tiefer in die Weltwirtschaft zu integrieren”, sagte damals der Schweizer Botschafter Bernardino Regazzoni.

    Deutschland hingegen spielt auf dieser Messe kaum eine Rolle. Nur einzelne deutsche Aussteller sind dabei. Die deutschen Firmen agieren angesichts des angespannten politischen Klimas vorsichtig – und lassen möglicherweise auch deshalb die neue Messe erst einmal aus. Denn Berlin ist weiterhin wegen der Sanktionen (China.Table berichtete) verstimmt, die Peking als Reaktion auf EU-Menschenrechtssanktionen verhängt hat. Deutschland diskutiert derzeit zudem, wie es seine große wirtschaftliche Abhängigkeit von China reduzieren kann (China.Table berichtete)

    Hainan: Künftige Handelsdrehscheibe und Konsumparadies?

    Wie wichtig Hainan und die neue Messe einmal werden, ist noch offen und hängt davon ab, wie konsequent Peking am wirtschaftlichen Umbau der Provinz arbeitet. Chinas Politik entscheidet wieder mehr denn je, wohin die Ressourcen des Landes fließen. Daher spricht der aktuelle wirtschaftspolitische Rahmen durchaus dafür, die Hainan-Messe auf dem Schirm zu haben.

    Präsident Xi Jinping hat die Messe zu einem Prioritätsprojekt erklärt. Sie solle “Chinas Verpflichtung zeigen, sich weiter der Welt zu öffnen und für die wirtschaftliche Globalisierung zu werben”. Angesichts der häufig beklagten Hürden beim Zugang zum Land mag das zynisch klingen. Doch gerade wegen der Schwierigkeiten in anderen Marktsegmenten erschien es den beteiligten Ländern offenbar strategisch klug, sich an dieser Messe zu beteiligten.

    Die Konzepte der Regierung in Peking sehen auch vor, aus Hainan ein internationales Einkaufsparadies zu machen. Reisende aus aller Welt sollen dort die Gelegenheit zu einem visafreien Stopover haben und zollfrei einkaufen gehen. Jeder Reisende soll Produkte bis zum Wert von rund 15.000 US-Dollar kaufen können. Die Entwicklung Hainans passt damit auch in die Dual-Circulation-Strategie (China.Table berichtete) der Zentralregierung: den Binnenkonsum stärken und die internationalen Abhängigkeiten diversifizieren.

    Hainan hat zudem auch strategische Bedeutung für Peking – als Raumfahrtzentrum etwa, oder als strategischer Brückenkopf in das von China in weiten Teilen beanspruchte Südchinesische Meer. Aus Wenchang auf Hainan starten regelmäßig chinesische Raketen ins All, etwa mit Satelliten. Wenchang soll zu einer der führenden internationalen Weltraumstädte aufgebaut werden. Vor wenigen Tagen begann dort zum Beispiel der Bau des ersten privaten Weltraumbahnhofs des Landes. Kommerzielle Raketen sollen ab 2024 von dort starten. 

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    Chinas Entkopplung bisher nur symbolisch

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    • Nach dem “Huawei-Schock” im Jahr 2019, als die Trump-Administration Huawei von wichtigen Technologien (insbesondere von Halbleitern) abschnitt, beschloss die chinesische Regierung, dass sie defensive Handelsinstrumente benötige, um sich gegen die Maßnahmen der USA zu wehren.
    • Innerhalb kurzer Zeit verabschiedete die chinesische Regierung mehrere Gesetze, die die Voraussetzungen für einen aktiveren Schutz der eigenen Wirtschaft schaffen sollten. Die Instrumente ähneln weitgehend der US-Gesetzgebung zum Handelsschutz – und zeigen die zunehmende Entkopplung zwischen dem Westen und der Volksrepublik.
    • Bei der ersten Maßnahme handelte es sich um eine überarbeitete Liste von Technologieexporten, gefolgt von Chinas erstem umfassenden Exportkontrollgesetz. Dieses sieht Genehmigungen für bestimmte Güter vor und erlaubt es China, Embargos auf Güter wie beispielsweise seltene Erden zu verhängen.
    • Gleichzeitig führte China die “Unreliable Entity List” ein, mit der Unternehmen sanktioniert werden, die Chinas nationale Sicherheit gefährden oder diskriminierende Maßnahmen wie Boykotte gegen chinesische Unternehmen ergreifen. Diese Liste dient somit als Vergeltungsmaßnahme gegen die von den USA verhängten Ausfuhrbeschränkungen.
    • Der Anwendungsbereich dieser Instrumente ist weit gefasst und mit dem Verweis auf die “nationale Sicherheit” sehr vage definiert. Dies räumt den chinesischen Behörden großen Spielraum ein, Transaktionen zu verhindern. Die Ausgestaltung der Gesetze ermöglicht es China auch, diese Instrumente als Druckmittel einzusetzen – etwa wenn sich ein Unternehmen “in die inneren Angelegenheiten Chinas einmischt”.
    • Da Peking diese handelspolitischen Instrumente bislang nur vorsichtig eingesetzt hat, bleiben sie jedoch weitgehend symbolisch. Dies liegt vor allem daran, dass die USA derzeit noch über fortschrittlichere Technologie verfügen und es China dadurch an Druckmitteln mangelt.

    Sinolytics ist ein europäisches Beratungs- und Analyseunternehmen, das sich auf China spezialisiert hat. Es berät europäische Unternehmen bei der strategischen Ausrichtung und den konkreten Geschäftsaktivitäten in der Volksrepublik.

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    Neue Hitzewelle trifft Süden und Westen

    China ist – wie zahlreiche andere Länder weltweit – erneut von einer Hitzewelle betroffen. Die Nutzung von Klimaanlagen in den großen Städten belastet dabei gerade im Süden das Stromnetz ganz erheblich: In der Provinz Guangdong kommt es bereits zu Engpässen.

    In China steigen die Temperaturen infolge des Klimawandels stärker als im globalen Durchschnitt. Die Wetterwarten des Landes melden fast monatlich neue Rekorde. Am Mittwoch werden in großen Teilen Südchinas Temperaturen über 37 Grad, zum Teil bis 40 Grad erwartet, ebenso in Xinjiang. fin

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    C919 absolviert finale Testflüge

    Chinas erster eigener Mittelstrecken-Passagierjet steht kurz vor dem Erhalt seines Lufttüchtigkeitszeugnisses. Die sechs ersten fertiggestellten Modelle der Comac C919 haben ihr Testflugprogramm erfolgreich absolviert; es fehlen nur noch die Auswertung von Daten und die offizielle Zulassung durch die Behörden. Wann die Zertifikate erteilt werden, ist noch nicht bekannt. Grundsätzlich steht der Auslieferung und dem kommerziellen Betrieb des Flugzeugs jedoch nichts mehr im Weg.

    Die Herstellerfirma Commercial Aircraft Corporation of China (Comac) nannte das einen “Meilenstein”. Zu seiner Feier reihte die Piloten ihre sechs Maschinen am Flughafen Weinan in Shaanxi symbolisch auf. Das Flugzeug befand sich seit 2010 in der Entwicklung – deutlich länger als ursprünglich veranschlagt (China.Table berichtete). Es soll der 737 von Boeing und dem A320 von Airbus Konkurrenz machen. Für den Flieger liegen bereits 815 Bestellungen vor. fin

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    Bald Gespräch Bidens mit Xi?

    US-Präsident Joe Biden und Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping werden möglicherweise noch in dieser Woche miteinander sprechen. Biden stellte dies am Montag (US-Ortszeit) in Aussicht. “Das ist meine Erwartung, aber ich werde Ihnen Bescheid geben, wenn es so weit ist”, sagte Biden auf die Frage von Journalisten nach einem Gespräch in dieser Woche. Biden und Xi hatten zuletzt im März miteinander gesprochen. Seither haben sich die Beziehungen weiter verschlechtert. China droht den USA seit Tagen mit Konsequenzen, sollte die Vorsitzenden des US-Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, nach Taiwan reisen (China.Table berichtete). Umgekehrt kritisieren die USA Chinas Kuschelkurs mit Russland im Ukraine-Krieg und warnen vor einem möglichen Angriff auf Taiwan.

    Die US-Regierung halte trotz allem die Kommunikationskanäle mit China offen, sagte die Sprecherin des Weißen Hauses, Karine Jean-Pierre. Es gebe Gespräche auf verschiedenen Ebenen. Dem Präsidenten wolle sie mit Blick auf ein mögliches Gespräch mit Xi Jinping aber nicht vorgreifen. Auch im Hinblick auf eine Pelosi-Reise nach Taipeh hielt sich Jean-Pierre bedeckt: Pelosi habe eine solche Reise nicht angekündigt; Kongressmitglieder entschieden unabhängig über ihre Reisen. Die Politikerin wird demnächst nach Asien reisen und erwägt dabei auch einen Abstecher nach Taipeh. ck

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    Berlin-Büro von Tiktok darf Betriebsrat wählen

    Die Mitarbeiter des Berliner Büros von Tiktok dürfen trotz Gegenwinds aus der Führungsetage einen Betriebsrat gründen. Das berichtet Nikkei Asia unter Berufung auf die Gewerkschaft Ver.di, die das Vorhaben unterstützt. Demnach trafen sich 102 der rund 200 Berliner Beschäftigten Mitte Juli zur Ernennung eines Wahlvorstands in der Ver.di-Bundeszentrale. Die eigentliche Wahl findet voraussichtlich im August statt. Eine zuvor digital durchgeführte Wahlvorstandsgründung war am rechtlichen Widerstand des Arbeitgebers gescheitert und verzögerte sich um ein Jahr.

    Die Mitarbeiter erhoffen sich durch die Gründung eines Betriebsrates ein größeres Mitspracherecht, etwa bei Fragen zur Vergütung, Leistungsbewertung und zum Datenschutz. Der Social-Media-Riese, dessen Mutterkonzern Bytedance in Peking sitzt, steht wegen schlechter Bezahlung und stark belastender Arbeitsbedingungen weltweit in der Kritik. So wird dem Unternehmen unter anderem vorgeworfen, das berüchtigte chinesische “996”-Arbeitsmodell – bei dem Angestellte sechs Tage die Woche von 9:00 bis 21:00 Uhr arbeiten (China.Table berichtete) – in seine ausländischen Niederlassungen exportieren zu wollen.

    Der Kurzvideo-Anbieter hat weltweit mehr als 800 Millionen Nutzer, davon 15 Millionen allein in Deutschland. Die Berliner Tiktok-Mitarbeiter sind vor allem mit der Moderation von Inhalten beschäftigt. In einer 8-Stunden-Schicht müssten sie etwa 1.000 Videos sichten und bearbeiten, schreibt Ver.di. Dieses Pensum sei jedoch nur möglich, indem man die Videos in vierfacher Geschwindigkeit abspiele. Dabei seien die Inhalte oft verstörend, von Misshandlungen über Tierquälerei bis hin zu Enthauptungen. Eine psychologische Betreuung sei nur schwer zu bekommen. “Wir müssen mehr Inhalte in kürzerer Zeit unter mehr Vorgaben sichten und bewerten”, erklärt Sean Krusch, einer der drei neu gewählten Wahlvorstände, gegenüber Ver.di. “Die Mitarbeitenden brauchen dringend ein Sprachrohr.” fpe

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    Prozessauftakt gegen Anwalt Chang Weiping

    Hinter verschlossenen Türen hat am Dienstag in der nordwestchinesischen Stadt Baoji der Prozess gegen den 2020 festgenommenen Menschenrechtsanwalt Chang Weiping begonnen. Chang hatte sich viele Jahre für Benachteiligte in Chinas Gesellschaft eingesetzt – unter anderem für HIV-Infizierte und Mitglieder der LGBTQ-Community – und hatte zunehmend den Zorn der Regierung auf sich gezogen. Angeklagt ist Chang wegen “Untergrabung der Staatsmacht”.

    Die deutsche Botschafterin Patricia Flor sprach auf Twitter von einem “traurigen Tag für die Menschenrechte in China”. Chang habe große Teile seines Lebens für den Kampf gegen Diskriminierung aufgewendet. “Der Mut und die Leistungen von Chang Weiping sollten gefeiert und nicht bestraft werden”, schrieb Flor. “Wir stehen seiner Frau, Familie, Freunden und Kollegen bei und fordern die chinesischen Behörden auf, ihn freizulassen.” ck

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    Presseschau

    Seltene Erden: Bund will weniger Abhängigkeit von China TAGESSCHAU
    Von China gebaut: Kroatien eröffnet Brücke über die Adria SPIEGEL
    Angst vor einer Eskalation mit China: Nancy Pelosis Taiwan-Reise ärgert Peking und den US-Präsidenten HANDELSBLATT
    Biden administration working behind the scenes to convince Pelosi of the risks of traveling to Taiwan CNN
    What’s the Taiwan-China conflict all about? DW
    Will China Move on Taiwan? NYTIMES
    Adidas senkt Prognose: China-Lockdown und wenig Konsumlaune WELT
    China and Indonesia agree to boost relations during Beijing meeting DW
    Ist Putin Xi Jinpings “nützlicher Idiot”? WELT
    Scheinprozess gegen Anwalt: Chinas “trauriger Tag für die Menschenrechte” RND
    Eine eindringliche Performance in Berlin macht Chinas Staatsterror begreifbar TAGESSPIEGEL
    How Xi Jinping’s Hong Kong, Xinjiang trips help him tout his achievements DW
    China Targeted Fed to Build Informant Network and Access Data, Probe Finds WSJ
    Beijing hits back as UK leadership contenders sharpen China rhetoric CNN
    U.S. accuses China of increased South China Sea ‘provocations’ REUTERS
    Hotter, Longer and More Widespread Heat Waves Scorch China NYTIMES
    China’s top chip maker SMIC may have achieved tech breakthrough, experts say SCMP

    Heads

    Stefan Geiger – Bayern und China rücken zusammen

    Stefan Geiger
    Stefan Geiger ist Geschäftsführer des Chinaforums Bayern und Organisator des Bayerisch-Chinesischen Frühlingfestes am Donnerstag in München.

    Der Besprechungsraum des Chinaforums Bayern ist voller Gastgeschenke von Besuchen chinesischer Delegationen. Vasen und Teller stehen neben Büchern zu klassischer Malerei, dazwischen finden sich auch allerlei gemusterte Krawatten. “Schöne Staubfänger” nennt Geschäftsführer Stefan Geiger die Gegenstände scherzhaft. Er ist auch selbst geübt im Verschenken, führt deutsche und chinesische Unternehmen zusammen. Da er weiß, wie sehr man in China Spiele liebt, hat Geiger mit seinem Team ein Europa-Quartett entworfen, nach dem Vorbild des Kartenspiels aus Kindertagen. Auch das eine oder andere Lebkuchenherz mit bayerischen oder chinesischen Sprüchen zählt er zu seinem kreativen Geschenk-Repertoire. Schenken ist Teil des Dialogs. Und um den geht es dem studierten Sinologen.

    Als Stefan Geiger beschloss, Regionalwissenschaften China zu studieren, war er noch kein einziges Mal dort gewesen. Heute blickt er auf eine Vielzahl an Reisen zurück – noch immer fasziniert von “einem der spannendsten Länder der Welt”, wie er sagt. “Ich finde, wir reden aktuell sehr viel übereinander und sehr wenig miteinander”, so Geiger. Ein großes Problem. Meinungen seien verhärtet – zum Coronavirus oder aktuell im Ukraine-Krieg. In deutschen Medien kommt für ihn zu kurz, wie die Chinesinnen und Chinesen über die behandelten Themen denken. Persönlich versucht er, sich ein Bild zu verschaffen, regelmäßig mit seinem Netzwerk im Austausch zu bleiben.

    In puncto Pandemie sei klar, dass sich die Menschen in China wieder mehr Freiheit wünschten. “Die pendeln zwischen Verzweiflung, Wut und Sarkasmus”, beschreibt Geiger die Lage an den Lockdown-Brennpunkten. “Das hat schon etwas mit den Menschen dort gemacht.” Unruhe und Zweifel an der Corona-Politik sind für den Experten in der chinesischen Bevölkerung spürbar. Ratlos stimmt ihn, dass kein Strategiewechsel erkennbar zu sein scheint; nur ein ewiger Kreislauf aus Lockdowns und Quarantäne.

    Durch den Krieg in Europa nähern sich derweil China und Russland derzeit wieder stärker an, auch getrieben durch die Abneigung gegenüber den USA und deren Ausweitung ihrer Machteinflüsse. “Der gemeinsame Feind verbindet die beiden mehr als eine gegenseitige Freundschaft”, so Geiger.

    Vorfreude auf Bayerisch-Chinesisches Fest in München

    Gespannt blickt Geiger als Geschäftsführer und Organisator nun auf den 28. Juli – das Bayerisch-Chinesische Frühlingsfest, das in diesem Jahr erst im Sommer stattfindet. Die Vorbereitungen laufen auf Hochtouren, die Halle ist ausverkauft. 440 Gäste werden erwartet, unter anderem aus Politik und Sport. “Wir wollen mit dem Frühlingsfest eine Plattform zur Verfügung stellen, mit der dieser nötige Austausch stattfinden kann.” Dass sehr viele Chinesinnen und Chinesen daran teilnehmen werden, erfreut Geiger besonders. Die Abendveranstaltung sieht er als Treffpunkt, wo die gesamte China-Community zusammenkommt. Die “entspannte und schöne Stimmung”, die dort immer herrsche, sei wichtiger denn je.

    Seine Wurzeln hat der 51-Jährige im Schwarzwald. Nach Zwischenstationen im Norden, unter anderem in Hannover, nennt Stefan Geiger jetzt München sein Zuhause. Er erinnert sich noch genau an seine erste China-Reise. 1995 blieb er ein ganzes Jahr in Nanjing, im Osten der Volksrepublik: “Das war das Ausgefallenste, was ich je gesehen habe: Eselskarren neben Mercedes 500.” Das Land ist für ihn nicht immer schön, sondern auch schmutzig und laut. Vor allem aber eines: spannend. Pandemiebedingt liegt sein letzter Besuch jetzt jedoch mehr als 30 Monate zurück.

    Das junge Bayern und das junge China präsentieren

    Das Geburtsjahr des Wahlbayern fällt auf das traditionelle Tierkreiszeichen Hund, das Eigenschaften wie Treue und Bodenständigkeit verkörpert. Etwas zu langweilig für seinen Geschmack. Stünde es ihm frei, würde er den Drachen wählen, dem Selbstbewusstsein, Intelligenz und Enthusiasmus zugeschrieben werden. Stefan Geiger ist sportbegeistert. Er schaut nicht nur gern ein Volleyball-Match oder Basketball-Turnier im TV an, sondern schwingt sich auch selbst aufs Mountainbike oder geht zum Tennis und Squash spielen.

    Das junge Bayern präsentieren, und das junge China: Das will Geiger mit seinem vierköpfigen Team vom Chinaforum. An dem Abend sei kein Platz für Klischees, kündigt er an. “Bei uns wird es niemals einen Löwentanz oder Schuhplattler geben.” Stattdessen stünden der Chinesische Nationalcircus und eine bayerische Rapperin auf dem Programm. Das Fest kann kommen. Julia Klann

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    Personalien

    Li Lina ist jetzt bei der European Climate Foundation (ECF) am Standort Berlin Direktorin für Asienstrategie im Pool-fund on International Energy (PIE). Zuvor war sie in Berlin bei der Klima-Beratungsfirma Adelphi tätig.  

    Li Huanting von der Finanzaufsicht der Provinz Henan steht ein Disziplinarverfahren bevor. Hintergrund ist die Bankenkrise in der Region, wegen der zahlreiche Bürger ihre Ersparnisse nicht abheben konnten.

    Ändert sich etwas in Ihrer Organisation? Schicken Sie doch einen Hinweis für unserer Personal-Rubrik an heads@table.media!

    Dessert

    Luftaufnahme der Bucht von Shek O mit vielen Sonnenschirmen

    Glück hat, wer in der aktuellen Hitzwelle Zugang zu einem Strand hat – wie hier in der Bucht des kleinen Dorfes Shek O im felsigen Südosten von Hong Kong Island. Die Bucht ist eine der schönsten der Sonderverwaltungszone, eingerahmt von Felsen, mit Blick auf den offenen Pazifik, der ein wenig für Abkühlung sorgt.

    China.Table Redaktion

    CHINA.TABLE REDAKTION

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