noch gelingt es den Autobauern weltweit, den Mangel an Halbleitern zu kaschieren – einige schlagen gar Profit daraus. Doch wie lange noch? Denn die derzeit extrem hohe Nachfrage und das geringe Angebot lassen die Preise weiter steigen. Christian Domke Seidel warnt in seiner Analyse, dass der Chipmangel in der Autobranche noch eine Weile anhalten wird. Die Firmen sollten daher dringend reagieren. Wie, das zeigen chinesische Autokonzerne: Die Guangzhou Automobile Group etwa beteiligt sich an lokalen Chipherstellern und fördert sie gezielt, während BYD sich Schürfrechte für Lithium sichert. Können die deutschen Autobauer da noch mithalten?
Der harte Corona-Lockdown in Shanghai ist indes nicht unbeteiligt daran, dass der chinesische Hersteller BYD mittlerweile an Tesla vorbeigezogen ist. BYD baut den Großteil seiner Fahrzeuge im südchinesischen Shenzhen, das weniger von Corona-Maßnahmen betroffen war als Shanghai, wo Tesla sitzt. Das ist aber nicht der einzige Grund für das Überholmanöver aus Shenzhen, wie unser Autorenteam in China schreibt: Auch technologisch habe BYD gut aufgeholt.
Viele neue Erkenntnisse bei der Lektüre wünscht
Der Markt für Halbleiter hat sich zum Dauerproblem für die Automobilhersteller entwickelt. Die Nachfrage steigt, das Angebot aber stagniert bestenfalls. Das hat Folgen: Es werden nicht mehr genug Autos gebaut, um die Nachfrage zu bedienen. So steigen zwar die Gewinnmargen, doch die Hersteller können ihre Wachstumspläne vergessen. Und das längerfristig. Eine neue Studie der Unternehmensberatung AlixPartners geht davon aus, dass der Mangel an Halbleitern auch im Jahr 2024 die Produktion beeinträchtigen wird.
Zentraler Aspekt sei, dass Elektroautos etwa zehnmal so viele Chips benötigen würden, wie herkömmliche Autos. Zusätzlich genieße die Autoindustrie bei den Chipproduzenten keine Priorität, so AlixPartners. Diese würde analoge Chips benötigen, die Hersteller der Halbleiter würden allerdings in die sehr viel profitablere Produktion von Mikrocontrollern investieren. Diese werden unter anderem in Unterhaltungselektronik und Mobiltelefonen eingesetzt.
Chinesische Hersteller reagieren auf die Engpässe und beteiligen sich an lokalen Chipherstellern. So etwa die Guangzhou Automobile Group (GAC). Der Schritt ist nur konsequent, schließlich kommen gerade einmal fünf Prozent der Halbleiter, die für den Automobilbau benötigt werden, aus der Volksrepublik.
Investitionen entlang der Wertschöpfungskette sind beispielsweise für BYD ein Erfolgsrezept. In den ersten fünf Monaten des Jahres 2022 habe die Marke seine Auslieferungen verdoppeln können, rechnet das Fachportal BSBC vor. Auf insgesamt 590.000 Stück. Kein anderer Hersteller weltweit verkaufte so viele New Energy Vehicle wie BYD.
Der große Vorteil der Marke ist, dass der Konzern auch der drittgrößte Batteriehersteller der Welt ist. Selbst Tesla möchte beim Konkurrenten einkaufen. Entscheidend ist, dass BYD zusätzlich Schürfrechte für Lithium in Chile besitzt und den Rohstoff selbst abbaut. Bald geht BYD Semiconductor an die Börse. Mit dem Erlös will der Hersteller die Entwicklung eigener Halbleiter finanzieren.
Doch selbst BYD kann die Nachfrage nur schwer bedienen. Das hat mit mangelnden Produktionskapazitäten zu tun. Derzeit wird schon die fünfte Fabrik gebaut. Nach Fertigstellung soll die Marke rund 3,4 Millionen Fahrzeuge pro Jahr fertigen können. Wobei Modelle mit Verbrennungsmotor seit Ende März nicht mehr im Programm sind.
Die Beteiligung an Chipherstellern alleine dürfte aber das Problem nicht beheben. Showa Denko KK, ein Chemiekonzern aus Japan, warnte gegenüber dem Nachrichtenportal Bloomberg News die Chipindustrie vor massiven Preissteigerungen in naher Zukunft. Der Konzern beliefert unter anderem Taiwan Semiconductor Manufacturing und Infineon mit Rohstoffen für die Chipproduktion.
Hideki Somemiya, der Finanzvorstand, kündigte an, dass “die aktuellen Marktbewegungen uns zwingen, doppelt so viel zu berechnen, wie ursprünglich geplant.” Hintergrund seien enorme Energiekosten, unterbrochene Lieferketten und ein schwacher Yen. Sein Unternehmen habe den Verkauf bestimmter Rohstoffe bereits eingestellt und Verträge mit Kunden beendet, wenn es keine Basis für eine rentable Zusammenarbeit gäbe. Selbst der Rückzug aus einzelnen Geschäftsbereichen steht zur Diskussion. Der große Schock für die Autohersteller könnte also noch kommen.
Doch es gibt auch gute Nachrichten, wie die Studie von AlixPartners vorrechnet. Aufgrund der hohen Nachfrage und des geringen Angebots hätten die 25 größten Automobilhersteller ihre Umsatzrendite um 2,5 Prozentpunkte gesteigert – auf über 10,3 Prozent. Ein Trend, der noch ein wenig anhalten dürfte. “Die Automobilproduktion wird die Nachfrage erst 2025 wieder übersteigen”, erklärte Fabian Piontek, Berater bei AlixPartners, gegenüber Reuters.
Das beste Beispiel dafür ist Daimler Truck. Dessen Vorstandschef Martin Daum erklärte jüngst auf der Jahreshauptversammlung, dass die Jahresproduktion von über einer halben Million Fahrzeuge längst ausverkauft sei. Trotz einer Preissteigerung von rund zehn Prozent. AlixPartners mahnt aber zur Vorsicht. Die zusätzlichen Gewinne seien dringend nötig, da die Investitionskosten für Elektroautos in den kommenden fünf Jahren bei weltweit rund 500 Milliarden Dollar liegen würden.
Zumal der größte Automarkt der Welt mit den größten Wachstumsraten immer noch China ist. BYD hat hier auch deswegen Erfolg, weil das Unternehmen sich zu großen Teilen über den günstigen Preis definiert. Die Marge beträgt gerade einmal 1,5 Prozent.
Tesla hatte in den vergangenen Monaten in China mit deutlichen Problemen zu kämpfen. Weil die Fabrik in Shanghai vom großen Lockdown betroffen war, verkaufte der US-Autobauer laut Schätzungen 80.000 bis 100.000 Autos weniger als eigentlich geplant.
Dies war auch der maßgebliche Grund dafür, dass der Konzern von Elon Musk bei seinen weltweiten Verkäufen erstmals seit drei Jahren wieder hinter den chinesischen Elektro-Platzhirschen BYD zurückgefallen ist. Während Tesla in der ersten Jahreshälfte weltweit 564.000 Autos absetzte, konnte der Shenzhener Konzern 641.000 Fahrzeuge verkaufen – das sind 300 Prozent mehr als im Vorjahresvergleich.
Ganz gerecht ist der Vergleich von Tesla und BYD freilich nicht. Denn während Tesla ausschließlich Premium-Elektroautos produziert, handelt es sich bei rund der Hälfte der von BYD produzierten Fahrzeuge noch um Plug-in-Hybride. Die haben neben einer großen Batterie auch einen Verbrennungsmotor. Hinzu kommt geografisches Glück. BYD baut den Großteil seiner Fahrzeuge im südchinesischen Shenzhen, das weniger von harten Corona-Maßnahmen betroffen war als Shanghai.
Unter Autoexperten gibt es dennoch kaum Zweifel, dass BYD seine steile Erfolgsgeschichte fortsetzen wird und auch außerhalb Chinas sowohl für Tesla als auch für die deutschen Premium-Hersteller in Zukunft die wohl größte Herausforderung darstellen wird. US-Investor Warren Buffett hatte anscheinend den richtigen Riecher, als er sich bereits 2008 mit acht Prozent an BYD beteiligte. Der Aktienkurs des an der Hongkonger Börse gelisteten Unternehmens hat sich seitdem mehr als verzwanzigfacht. Erst Ende Juni markierten die Papiere ein neues Allzeithoch.
Mitte der 1990er Jahre vom ehemaligen Universitätsprofessor Wang Chuanfu gegründet, begann BYD als Hersteller von wiederaufladbaren Batterien, bevor es Anfang der 2000er-Jahre in die Automobilindustrie expandierte. Davon, dass BYD seine eigenen Batterien herstellt und viel in Forschung investiert hat, profitiert das Unternehmen immer spürbarer.
“BYD hat sich in den letzten fünf Jahren deutlich weiterentwickelt und nach oben positioniert”, so der deutsche Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer. Die Fahrzeuge seien modern, “state of the art” und damit auch deutliche Wettbewerber für die deutschen Premium-Hersteller in China.
Ein wesentlicher Punkt sei das große Batterie-Knowhow von BYD, das etwa in der sogenannten Blade-Batterie zum Ausdruck komme. Dabei handelt es sich um großformatige prismatische Zellen, die deutlich höhere Energiedichten auf gleichem Volumen erlauben. “BYD bildet hier die Spitze der Entwicklung ab”, sagt Dudenhöffer.
Auch bei der Batterie-Integration ins Fahrzeug sei BYD sehr innovativ und nutze bereits die sogenannte Cell-to-Chassis-Technik. Hierbei werden die Batterien direkt mit dem Fahrgestell verbunden, womit das Gewicht des Autos reduziert werden kann (China.Table berichtete). Cell-to-Chassis macht zwar auch Tesla – BYD sei hier aber Mercedes und BMW deutlich voraus.
Die steigenden Verkaufszahlen, so Dudenhöffer, seien daher keine Eintagsfliege. “BYD wird bald auch in Europa auf sich aufmerksam machen”, schlussfolgert der Autoexperte, der aber auch anderen chinesischen Herstellern gute Chancen einräumt. SAIC, FAW, XPeng, Nio, Geely, Lynck & Co, Polestar zeigten, wie stark die Chinesen sind und sich Stück für Stück in den westlichen Automärkten nach oben entwickelten. “Wir kommen in die Phase, in der die Teslas von China lernen”, ist Dudenhöffer überzeugt.
BYD verkauft bereits heute Elektrobusse in Europa, Japan und Indien und unternimmt Schritte, um auch PKW in Europa, Australien, Lateinamerika und den Philippinen auf den Markt zu bringen. Erst Anfang des Monats unterzeichneten die Chinesen einen Vertrag mit dem niederländischen Autohändler Louwman. Auch in Südostasien prüft BYD derzeit seine Möglichkeiten. Jörn Petring/Gregor Koppenburg
Der Autokonzern Stellantis stellt die Produktion des Jeeps in China ein. Damit beendet der Opel-Mutterkonzern ein zwölfjähriges Joint Venture mit der GAC Group. Als Grund führte Stellantis in einer Mitteilung am Montag an, dass es nicht gelungen sei, die Mehrheit an dem Joint Venture mit Guangzhou Automobile Group zu erlangen.
“Stellantis beabsichtigt, mit der GAC Group bei der geordneten Beendigung des im März 2010 gegründeten Joint Ventures zusammenzuarbeiten, das in den letzten Jahren Verluste erwirtschaftet hat”, hieß es. Die Beendigung des 2010 begonnenen Joint-Ventures wird im ersten Halbjahr 2022 zu einer nicht zahlungswirksamen Wertminderung in Höhe von etwa 297 Millionen Euro führen.
Im Januar hatte Stellantis noch angekündigt, den Anteil an dem Joint Venture mit GAC von 50 auf 75 Prozent erhöhen zu wollen, nachdem eine Gesetzesänderung zusätzliche ausländische Investitionen in solche Joint Ventures ermöglicht hatte. Doch das Vorhaben scheiterte, zwischen den beiden Partnern kam es zu einem Riss. Nun verordnet Chief Executive Officer Carlos Tavares dem Unternehmen eine neue Strategie: In Zukunft will Stellantis sich auf den Import von Fahrzeugen nach China konzentrieren. rad
Chinesische Behörden bereiten Insidern zufolge eine Geldstrafe von mehr als einer Milliarde Euro gegen den Fahrdienstanbieter Didi vor. Es gehe um eine Zahlung von mehr als acht Milliarden Yuan (umgerechnet 1,25 Milliarden Euro), rund fünf Prozent von Didis Jahresumsatz, sagten mit der Angelegenheit vertraute Personen am Dienstag. Zuerst hatte das Wall Street Journal darüber berichtet. Die Strafzahlung könnte die Untersuchung über rechtswidrige Cybersicherheitspraktiken des Unternehmens beenden und den Weg zur Aufhebung von Restriktionen für das Geschäft ebnen.
Zuvor hatte die chinesische Internetaufsichtsbehörde eine Untersuchung der Datensicherheitspraktiken des Unternehmens eingeleitet und Didi aufgefordert, insgesamt 25 Apps zu entfernen (China.Table berichtete). Mit der Strafe könnte der Uber-Konkurrent seine Apps in den inländischen App-Stores wiederherstellen und neue Nutzer seiner Plattform gewinnen. Zudem könne Didi nach einer möglichen Strafzahlung einen Anlauf zu einem Börsengang in Hongkong starten. rtr/nib
Chinas Behörden haben zwei Pläne für nachhaltige Städte veröffentlicht. Mit dem “14. Fünfjahresplan für eine Urbanisierung neuen Typs” und einem Implementierungsplan zur Begrenzung des CO2-Ausstoßes im städtischen und ländlichen Bausektor sollen die Städte und der Bausektor nachhaltiger werden, wie die Beratungsfirma Trivium China berichtet. Der Fünfjahresplan sieht unter anderem eine:
Der Implementierungsplan sieht bis zum Jahr 2025 folgende Ziele vor:
Die fast zeitgleiche Publikation dieser Pläne deutet laut Trivium darauf hin, dass sich Peking mehr Anstrengungen im Bereich nachhaltiger Städte und einem weniger CO2-intensiven Bausektor wünscht. nib
Chinas Wirtschaftswachstum im zweiten Quartal ist hinter den ohnehin schon pessimistischen Erwartungen zurückgeblieben. Wie das Pekinger Statistikamt am Freitag berichtete, legte die Wirtschaft im Vorjahresvergleich lediglich noch um 0,4 Prozent zu. Vorhergesagt hatten Analysten im Durchschnitt ein Wachstum zwischen einem und 1,4 Prozent.
Verglichen mit dem ersten Quartal schrumpfte die Wirtschaft sogar um 2,6 Prozent. Ein so niedriges Wachstum gab es in China zuletzt nur während des ersten Ausbruchs der Corona-Pandemie im Jahr 2020.
Die schwachen Daten verdeutlichen, wie stark die Corona-Lockdowns in Shanghai und anderen Metropolen der Wirtschaft geschadet haben. Auch bei deutschen Wirtschaftsvertretern lösten die schwachen Daten neue Rufe nach einer Lockerung der Corona-Maßnahmen aus. “Die Quartalswachstumszahlen spiegeln deutlich die negativen Effekte der chinesischen Null-Corona-Politik auf die Wirtschaft wider”, sagte Jens Hildebrandt, Geschäftsführendes Vorstandsmitglied der Deutschen Handelskammer in China (AHK). Die neuen Daten hätten gezeigt, dass Nachfrage, Produktion und Lieferketten fast zum Erliegen kamen.
Peking steht nun vor der schwierigen Aufgabe, die Wirtschaft in der zweiten Jahreshälfte anzukurbeln. Gleichzeitig will es aber nicht von seinen Corona-Maßnahmen abrücken. Jeder neue Ausbruch könnte die wackelige Konjunktur noch weiter aus der Bahn werfen. Auch droht der zuletzt erstarkte Export als Wachstumsstütze wegzufallen, sollte sich die Konjunktur auf für China wichtigen Märkten wie der EU und den USA weiter abkühlen.
Es zeichnet sich ab, dass Peking vor allem auf neue Schulden und Infrastruktur-Investitionen setzen wird, um der Wirtschaft neuen Schwung zu verleihen (China.Table berichtete). Ökonomen bezweifeln jedoch, dass selbst mit solch massiven Maßnahmen das bisher angestrebte Wachstumsziel von 5,5 Prozent noch erreicht werden kann. jpt
Susanne Gildehaus ist seit Mai Manager Data Analytics & Reporting für Daimler Trucks Asia. Sie war zuvor bei Mercedes-Benz unter anderem als Datenanalystin tätig.
Carina Mingle ist neue Kommunikationsleiterin der Außenhandelskammer in Peking. Sie folgt auf Olivia Helvadijian.
Fan Xinhe ist neue Pressesprecherin der Europäischen Handelskammer in China. Sie ist im Pekinger Büro der Kammer stationiert.
Ändert sich etwas in Ihrer Organisation? Schicken Sie doch einen Hinweis für unserer Personal-Rubrik an heads@table.media!
noch gelingt es den Autobauern weltweit, den Mangel an Halbleitern zu kaschieren – einige schlagen gar Profit daraus. Doch wie lange noch? Denn die derzeit extrem hohe Nachfrage und das geringe Angebot lassen die Preise weiter steigen. Christian Domke Seidel warnt in seiner Analyse, dass der Chipmangel in der Autobranche noch eine Weile anhalten wird. Die Firmen sollten daher dringend reagieren. Wie, das zeigen chinesische Autokonzerne: Die Guangzhou Automobile Group etwa beteiligt sich an lokalen Chipherstellern und fördert sie gezielt, während BYD sich Schürfrechte für Lithium sichert. Können die deutschen Autobauer da noch mithalten?
Der harte Corona-Lockdown in Shanghai ist indes nicht unbeteiligt daran, dass der chinesische Hersteller BYD mittlerweile an Tesla vorbeigezogen ist. BYD baut den Großteil seiner Fahrzeuge im südchinesischen Shenzhen, das weniger von Corona-Maßnahmen betroffen war als Shanghai, wo Tesla sitzt. Das ist aber nicht der einzige Grund für das Überholmanöver aus Shenzhen, wie unser Autorenteam in China schreibt: Auch technologisch habe BYD gut aufgeholt.
Viele neue Erkenntnisse bei der Lektüre wünscht
Der Markt für Halbleiter hat sich zum Dauerproblem für die Automobilhersteller entwickelt. Die Nachfrage steigt, das Angebot aber stagniert bestenfalls. Das hat Folgen: Es werden nicht mehr genug Autos gebaut, um die Nachfrage zu bedienen. So steigen zwar die Gewinnmargen, doch die Hersteller können ihre Wachstumspläne vergessen. Und das längerfristig. Eine neue Studie der Unternehmensberatung AlixPartners geht davon aus, dass der Mangel an Halbleitern auch im Jahr 2024 die Produktion beeinträchtigen wird.
Zentraler Aspekt sei, dass Elektroautos etwa zehnmal so viele Chips benötigen würden, wie herkömmliche Autos. Zusätzlich genieße die Autoindustrie bei den Chipproduzenten keine Priorität, so AlixPartners. Diese würde analoge Chips benötigen, die Hersteller der Halbleiter würden allerdings in die sehr viel profitablere Produktion von Mikrocontrollern investieren. Diese werden unter anderem in Unterhaltungselektronik und Mobiltelefonen eingesetzt.
Chinesische Hersteller reagieren auf die Engpässe und beteiligen sich an lokalen Chipherstellern. So etwa die Guangzhou Automobile Group (GAC). Der Schritt ist nur konsequent, schließlich kommen gerade einmal fünf Prozent der Halbleiter, die für den Automobilbau benötigt werden, aus der Volksrepublik.
Investitionen entlang der Wertschöpfungskette sind beispielsweise für BYD ein Erfolgsrezept. In den ersten fünf Monaten des Jahres 2022 habe die Marke seine Auslieferungen verdoppeln können, rechnet das Fachportal BSBC vor. Auf insgesamt 590.000 Stück. Kein anderer Hersteller weltweit verkaufte so viele New Energy Vehicle wie BYD.
Der große Vorteil der Marke ist, dass der Konzern auch der drittgrößte Batteriehersteller der Welt ist. Selbst Tesla möchte beim Konkurrenten einkaufen. Entscheidend ist, dass BYD zusätzlich Schürfrechte für Lithium in Chile besitzt und den Rohstoff selbst abbaut. Bald geht BYD Semiconductor an die Börse. Mit dem Erlös will der Hersteller die Entwicklung eigener Halbleiter finanzieren.
Doch selbst BYD kann die Nachfrage nur schwer bedienen. Das hat mit mangelnden Produktionskapazitäten zu tun. Derzeit wird schon die fünfte Fabrik gebaut. Nach Fertigstellung soll die Marke rund 3,4 Millionen Fahrzeuge pro Jahr fertigen können. Wobei Modelle mit Verbrennungsmotor seit Ende März nicht mehr im Programm sind.
Die Beteiligung an Chipherstellern alleine dürfte aber das Problem nicht beheben. Showa Denko KK, ein Chemiekonzern aus Japan, warnte gegenüber dem Nachrichtenportal Bloomberg News die Chipindustrie vor massiven Preissteigerungen in naher Zukunft. Der Konzern beliefert unter anderem Taiwan Semiconductor Manufacturing und Infineon mit Rohstoffen für die Chipproduktion.
Hideki Somemiya, der Finanzvorstand, kündigte an, dass “die aktuellen Marktbewegungen uns zwingen, doppelt so viel zu berechnen, wie ursprünglich geplant.” Hintergrund seien enorme Energiekosten, unterbrochene Lieferketten und ein schwacher Yen. Sein Unternehmen habe den Verkauf bestimmter Rohstoffe bereits eingestellt und Verträge mit Kunden beendet, wenn es keine Basis für eine rentable Zusammenarbeit gäbe. Selbst der Rückzug aus einzelnen Geschäftsbereichen steht zur Diskussion. Der große Schock für die Autohersteller könnte also noch kommen.
Doch es gibt auch gute Nachrichten, wie die Studie von AlixPartners vorrechnet. Aufgrund der hohen Nachfrage und des geringen Angebots hätten die 25 größten Automobilhersteller ihre Umsatzrendite um 2,5 Prozentpunkte gesteigert – auf über 10,3 Prozent. Ein Trend, der noch ein wenig anhalten dürfte. “Die Automobilproduktion wird die Nachfrage erst 2025 wieder übersteigen”, erklärte Fabian Piontek, Berater bei AlixPartners, gegenüber Reuters.
Das beste Beispiel dafür ist Daimler Truck. Dessen Vorstandschef Martin Daum erklärte jüngst auf der Jahreshauptversammlung, dass die Jahresproduktion von über einer halben Million Fahrzeuge längst ausverkauft sei. Trotz einer Preissteigerung von rund zehn Prozent. AlixPartners mahnt aber zur Vorsicht. Die zusätzlichen Gewinne seien dringend nötig, da die Investitionskosten für Elektroautos in den kommenden fünf Jahren bei weltweit rund 500 Milliarden Dollar liegen würden.
Zumal der größte Automarkt der Welt mit den größten Wachstumsraten immer noch China ist. BYD hat hier auch deswegen Erfolg, weil das Unternehmen sich zu großen Teilen über den günstigen Preis definiert. Die Marge beträgt gerade einmal 1,5 Prozent.
Tesla hatte in den vergangenen Monaten in China mit deutlichen Problemen zu kämpfen. Weil die Fabrik in Shanghai vom großen Lockdown betroffen war, verkaufte der US-Autobauer laut Schätzungen 80.000 bis 100.000 Autos weniger als eigentlich geplant.
Dies war auch der maßgebliche Grund dafür, dass der Konzern von Elon Musk bei seinen weltweiten Verkäufen erstmals seit drei Jahren wieder hinter den chinesischen Elektro-Platzhirschen BYD zurückgefallen ist. Während Tesla in der ersten Jahreshälfte weltweit 564.000 Autos absetzte, konnte der Shenzhener Konzern 641.000 Fahrzeuge verkaufen – das sind 300 Prozent mehr als im Vorjahresvergleich.
Ganz gerecht ist der Vergleich von Tesla und BYD freilich nicht. Denn während Tesla ausschließlich Premium-Elektroautos produziert, handelt es sich bei rund der Hälfte der von BYD produzierten Fahrzeuge noch um Plug-in-Hybride. Die haben neben einer großen Batterie auch einen Verbrennungsmotor. Hinzu kommt geografisches Glück. BYD baut den Großteil seiner Fahrzeuge im südchinesischen Shenzhen, das weniger von harten Corona-Maßnahmen betroffen war als Shanghai.
Unter Autoexperten gibt es dennoch kaum Zweifel, dass BYD seine steile Erfolgsgeschichte fortsetzen wird und auch außerhalb Chinas sowohl für Tesla als auch für die deutschen Premium-Hersteller in Zukunft die wohl größte Herausforderung darstellen wird. US-Investor Warren Buffett hatte anscheinend den richtigen Riecher, als er sich bereits 2008 mit acht Prozent an BYD beteiligte. Der Aktienkurs des an der Hongkonger Börse gelisteten Unternehmens hat sich seitdem mehr als verzwanzigfacht. Erst Ende Juni markierten die Papiere ein neues Allzeithoch.
Mitte der 1990er Jahre vom ehemaligen Universitätsprofessor Wang Chuanfu gegründet, begann BYD als Hersteller von wiederaufladbaren Batterien, bevor es Anfang der 2000er-Jahre in die Automobilindustrie expandierte. Davon, dass BYD seine eigenen Batterien herstellt und viel in Forschung investiert hat, profitiert das Unternehmen immer spürbarer.
“BYD hat sich in den letzten fünf Jahren deutlich weiterentwickelt und nach oben positioniert”, so der deutsche Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer. Die Fahrzeuge seien modern, “state of the art” und damit auch deutliche Wettbewerber für die deutschen Premium-Hersteller in China.
Ein wesentlicher Punkt sei das große Batterie-Knowhow von BYD, das etwa in der sogenannten Blade-Batterie zum Ausdruck komme. Dabei handelt es sich um großformatige prismatische Zellen, die deutlich höhere Energiedichten auf gleichem Volumen erlauben. “BYD bildet hier die Spitze der Entwicklung ab”, sagt Dudenhöffer.
Auch bei der Batterie-Integration ins Fahrzeug sei BYD sehr innovativ und nutze bereits die sogenannte Cell-to-Chassis-Technik. Hierbei werden die Batterien direkt mit dem Fahrgestell verbunden, womit das Gewicht des Autos reduziert werden kann (China.Table berichtete). Cell-to-Chassis macht zwar auch Tesla – BYD sei hier aber Mercedes und BMW deutlich voraus.
Die steigenden Verkaufszahlen, so Dudenhöffer, seien daher keine Eintagsfliege. “BYD wird bald auch in Europa auf sich aufmerksam machen”, schlussfolgert der Autoexperte, der aber auch anderen chinesischen Herstellern gute Chancen einräumt. SAIC, FAW, XPeng, Nio, Geely, Lynck & Co, Polestar zeigten, wie stark die Chinesen sind und sich Stück für Stück in den westlichen Automärkten nach oben entwickelten. “Wir kommen in die Phase, in der die Teslas von China lernen”, ist Dudenhöffer überzeugt.
BYD verkauft bereits heute Elektrobusse in Europa, Japan und Indien und unternimmt Schritte, um auch PKW in Europa, Australien, Lateinamerika und den Philippinen auf den Markt zu bringen. Erst Anfang des Monats unterzeichneten die Chinesen einen Vertrag mit dem niederländischen Autohändler Louwman. Auch in Südostasien prüft BYD derzeit seine Möglichkeiten. Jörn Petring/Gregor Koppenburg
Der Autokonzern Stellantis stellt die Produktion des Jeeps in China ein. Damit beendet der Opel-Mutterkonzern ein zwölfjähriges Joint Venture mit der GAC Group. Als Grund führte Stellantis in einer Mitteilung am Montag an, dass es nicht gelungen sei, die Mehrheit an dem Joint Venture mit Guangzhou Automobile Group zu erlangen.
“Stellantis beabsichtigt, mit der GAC Group bei der geordneten Beendigung des im März 2010 gegründeten Joint Ventures zusammenzuarbeiten, das in den letzten Jahren Verluste erwirtschaftet hat”, hieß es. Die Beendigung des 2010 begonnenen Joint-Ventures wird im ersten Halbjahr 2022 zu einer nicht zahlungswirksamen Wertminderung in Höhe von etwa 297 Millionen Euro führen.
Im Januar hatte Stellantis noch angekündigt, den Anteil an dem Joint Venture mit GAC von 50 auf 75 Prozent erhöhen zu wollen, nachdem eine Gesetzesänderung zusätzliche ausländische Investitionen in solche Joint Ventures ermöglicht hatte. Doch das Vorhaben scheiterte, zwischen den beiden Partnern kam es zu einem Riss. Nun verordnet Chief Executive Officer Carlos Tavares dem Unternehmen eine neue Strategie: In Zukunft will Stellantis sich auf den Import von Fahrzeugen nach China konzentrieren. rad
Chinesische Behörden bereiten Insidern zufolge eine Geldstrafe von mehr als einer Milliarde Euro gegen den Fahrdienstanbieter Didi vor. Es gehe um eine Zahlung von mehr als acht Milliarden Yuan (umgerechnet 1,25 Milliarden Euro), rund fünf Prozent von Didis Jahresumsatz, sagten mit der Angelegenheit vertraute Personen am Dienstag. Zuerst hatte das Wall Street Journal darüber berichtet. Die Strafzahlung könnte die Untersuchung über rechtswidrige Cybersicherheitspraktiken des Unternehmens beenden und den Weg zur Aufhebung von Restriktionen für das Geschäft ebnen.
Zuvor hatte die chinesische Internetaufsichtsbehörde eine Untersuchung der Datensicherheitspraktiken des Unternehmens eingeleitet und Didi aufgefordert, insgesamt 25 Apps zu entfernen (China.Table berichtete). Mit der Strafe könnte der Uber-Konkurrent seine Apps in den inländischen App-Stores wiederherstellen und neue Nutzer seiner Plattform gewinnen. Zudem könne Didi nach einer möglichen Strafzahlung einen Anlauf zu einem Börsengang in Hongkong starten. rtr/nib
Chinas Behörden haben zwei Pläne für nachhaltige Städte veröffentlicht. Mit dem “14. Fünfjahresplan für eine Urbanisierung neuen Typs” und einem Implementierungsplan zur Begrenzung des CO2-Ausstoßes im städtischen und ländlichen Bausektor sollen die Städte und der Bausektor nachhaltiger werden, wie die Beratungsfirma Trivium China berichtet. Der Fünfjahresplan sieht unter anderem eine:
Der Implementierungsplan sieht bis zum Jahr 2025 folgende Ziele vor:
Die fast zeitgleiche Publikation dieser Pläne deutet laut Trivium darauf hin, dass sich Peking mehr Anstrengungen im Bereich nachhaltiger Städte und einem weniger CO2-intensiven Bausektor wünscht. nib
Chinas Wirtschaftswachstum im zweiten Quartal ist hinter den ohnehin schon pessimistischen Erwartungen zurückgeblieben. Wie das Pekinger Statistikamt am Freitag berichtete, legte die Wirtschaft im Vorjahresvergleich lediglich noch um 0,4 Prozent zu. Vorhergesagt hatten Analysten im Durchschnitt ein Wachstum zwischen einem und 1,4 Prozent.
Verglichen mit dem ersten Quartal schrumpfte die Wirtschaft sogar um 2,6 Prozent. Ein so niedriges Wachstum gab es in China zuletzt nur während des ersten Ausbruchs der Corona-Pandemie im Jahr 2020.
Die schwachen Daten verdeutlichen, wie stark die Corona-Lockdowns in Shanghai und anderen Metropolen der Wirtschaft geschadet haben. Auch bei deutschen Wirtschaftsvertretern lösten die schwachen Daten neue Rufe nach einer Lockerung der Corona-Maßnahmen aus. “Die Quartalswachstumszahlen spiegeln deutlich die negativen Effekte der chinesischen Null-Corona-Politik auf die Wirtschaft wider”, sagte Jens Hildebrandt, Geschäftsführendes Vorstandsmitglied der Deutschen Handelskammer in China (AHK). Die neuen Daten hätten gezeigt, dass Nachfrage, Produktion und Lieferketten fast zum Erliegen kamen.
Peking steht nun vor der schwierigen Aufgabe, die Wirtschaft in der zweiten Jahreshälfte anzukurbeln. Gleichzeitig will es aber nicht von seinen Corona-Maßnahmen abrücken. Jeder neue Ausbruch könnte die wackelige Konjunktur noch weiter aus der Bahn werfen. Auch droht der zuletzt erstarkte Export als Wachstumsstütze wegzufallen, sollte sich die Konjunktur auf für China wichtigen Märkten wie der EU und den USA weiter abkühlen.
Es zeichnet sich ab, dass Peking vor allem auf neue Schulden und Infrastruktur-Investitionen setzen wird, um der Wirtschaft neuen Schwung zu verleihen (China.Table berichtete). Ökonomen bezweifeln jedoch, dass selbst mit solch massiven Maßnahmen das bisher angestrebte Wachstumsziel von 5,5 Prozent noch erreicht werden kann. jpt
Susanne Gildehaus ist seit Mai Manager Data Analytics & Reporting für Daimler Trucks Asia. Sie war zuvor bei Mercedes-Benz unter anderem als Datenanalystin tätig.
Carina Mingle ist neue Kommunikationsleiterin der Außenhandelskammer in Peking. Sie folgt auf Olivia Helvadijian.
Fan Xinhe ist neue Pressesprecherin der Europäischen Handelskammer in China. Sie ist im Pekinger Büro der Kammer stationiert.
Ändert sich etwas in Ihrer Organisation? Schicken Sie doch einen Hinweis für unserer Personal-Rubrik an heads@table.media!