Table.Briefing: China

Wasserstoff-Nutzung + Batterie-Recycling

  • Wasserstoff bleibt vorerst der Industrie vorbehalten
  • Asien liegt beim Batterie-Recycling vorn
  • VW-Chef-Diess: “Großteil des Bonus kommt aus China”
  • BYD verkauft mehr E-Autos als Tesla
  • Ifo sieht gefährliche Rohstoff-Abhängigkeit 
  • Standpunkt: Ökonom Keun Lee zum Halbleiter-Wettlauf Südkorea-China
Liebe Leserin, lieber Leser,

so manch einer steht dem Boom des Elektro-Antriebs skeptisch gegenüber und sieht in Wasserstoff eine weitaus zukunftsträchtigere Alternative. Entsprechend hat sich Christian Domke Seidel angeschaut, wie weit China im Bereich Wasserstoff-Mobilität bereits gekommen ist. Schließlich wurde bei den Olympischen Spielen in Peking öffentlichkeitswirksam der reibungslose Einsatz von Bussen und Shuttles mit Wasserstoffantrieb angepriesen. Doch bei genauerem Hinsehen wird klar: Pekings Wasserstoff-Pläne sind zwar ambitioniert. Doch in naher Zukunft dürfte Wasserstoff nicht für Autos genutzt werden. Die Energie wird aktuell vielmehr in anderen Bereichen benötigt.

Positive Veränderungen zeichnet sich hingegen bei E-Autos ab: In naher Zukunft wird eine große Menge ausgedienter E-Auto-Akkus anfallen, die als Rohstoff für neue Batterien dienen sollen. China liegt hier weit vorne. Chinesische Recycling-Unternehmen sind schon gut im Geschäft, während sich der Markt in Europa nur langsam entwickelt, berichtet Leonie Düngefeld. Investitionen in Recycling-Anlagen lohnen sich schließlich erst, wenn genug Material zum Recycling vorhanden ist. Hier kann China seine Vorteile als Früheinsteiger in die Elektromobilität ausspielen.

Viel Spaß beim Lesen!

Ihr
Felix Lee
Bild von Felix  Lee

Analyse

Wasserstoff-Mobilität bleibt vorerst ein Traum

Der Maxus Euniq 7 von SAIC auf einer Technikmesse in Shanghai: Chinesische Staatsbetriebe entdecken die Brennstoffzelle - mit Wasserstoff betriebene Autos. Wasserstoff-Mobilität soll eine größere Rolle spielen, doch wird das Gas für andere Dinge benötigt.
Spielen in der Realität kaum eine Rolle: Wasserstoff-Autos des chinesischen Herstellers SAIC

In der individuellen Mobilität wird Wasserstoff in absehbarer Zeit keine Rolle spielen. Auch nicht in China. Dafür sind Technologie und Infrastruktur im Bereich der batterieelektrischen Fahrzeuge zu weit fortgeschritten. Nennenswerte Marktchancen gibt es nur im Bereich der Lkw und Busse. So fasst Dirk Niemeier den Wasserstoff-Markt in der Volksrepublik China zusammen. Niemeier ist Direktor von Strategy&, der Strategieberatung von PricewaterhouseCoopers (PwC). Der vorhandene Wasserstoff werde an anderer Stelle sinnvoller eingesetzt. Das gelte auch für die Unmengen an Energie, die zu seiner Produktion benötigt werden.

China setzt durchaus auf Wasserstoff als universellen Energieträger. “Es ist in diesem Bereich ein ähnliches Wachstum geplant wie in Europa. Allerdings sehr viel später, weil es noch wenig Regularien und Förderungen gibt”, sagte Niemeier gegenüber Table.Media. Es gebe langfristige Zielsetzungen, aber noch keine aktuellen Gesetze, die den Einsatz im größeren Stil in der Industrie forcieren.

Ambitionierte Pläne, hürdenreiche Realität

Chinas Pläne im Bereich des Wasserstoffs klingen ambitioniert. Ab dem Jahr 2025 sollen jährlich 100.000 Tonnen grüner Wasserstoff produziert werden (China.Table berichtete). Im gleichen Zeitraum sollen 30 Gigawatt Speicherkapazität entstehen. Parallel entstehen Versuchsflotten von Brennstoffzellen-Fahrzeugen. Bei den Olympischen Spielen fuhren bereits entsprechende Busse und Shuttles. Bis 2025 sollen insgesamt 50.000 Brennstoffzellen-Fahrzeuge auf der Straße sein. Diese Zahl teilt sich in 40.000 Pkw und 10.000 Lkw auf. 

Aktuell produziert China 33 Millionen Tonnen Wasserstoff pro Jahr – hauptsächlich grauer Wasserstoff, der aus Erdgas, Kohle und Öl erzeugt wird (China.Table berichtete). Der Wasserstoff geht nahezu vollständig in die Chemieindustrie, wo er als Ausgangsstoff dient. Auch die versprochenen 30 Gigawatt Speicherkapazität sind gerade einmal vier Prozent der ebenfalls geplanten 800 Gigawatt an zusätzlichen Erzeugungsmenge. 

Dazu kommen die ambitionierten Ziele bei der Reduktion der Treibhausgase. China möchte bis 2060 klimaneutral sein. Der größte Stolperstein dabei ist die Abhängigkeit von Kohlekraftwerken. Die geplanten Solar- und Windkraftanlagen müssen also langfristig die Energie der Kohlekraftwerke ersetzen. Das heißt, sie steht nicht für extrem energieaufwändige Zusatzprojekte wie den Ausbau der Wasserstoffindustrie zur Verfügung, wie Niemeyer erklärt. 

Während Kohlekraftwerke zwischen 7.000 und 8.000 Stunden im Jahr Strom produzieren, tun Windräder das nur an etwa 2.500 Stunden pro Jahr. Das bedeutet, dass für die gleiche Menge Strom sehr viel mehr Leistung installiert werden muss. Zudem sind riesige Energiespeicher notwendig. Das führt zu einem Marktnachteil: “Grüner Wasserstoff ist derzeit noch deutlich teurer als grauer Wasserstoff. Insbesondere, wenn es keinen CO2-Preis für die fossilen Ausgangsprodukte gibt”, sagt Niemeier. Solange dieser Unterschied bestehe, rechne PwC mit Stagnation des Geschäfts.

Langfristige Marktchancen von Wasserstoff in China

Doch natürlich wird auch in China die Erforschung von Wasserstoff vorangetrieben. “Es gibt fünf Citycluster, in denen die Erzeugung und Verwendung von grünem Wasserstoff und Fuelcell-Fahrzeugen forciert wird”, erklärt Niemeier. “Weil deren Wasserstoffbedarf geringer ist, lässt sich dieser Bereich leichter mit kleineren dezentralen Anlagen entwickeln.”

Mit entsprechenden Erfolgen. “In China kommen deutlich günstigere Geräte und Aggregate zum Einsatz. Allerdings ist ihr Wirkungsgrad geringer.” Falls der Markt zukünftig stark wachse, könnten die günstigeren Geräte eine Rolle spielen. Ausländische Investoren und Firmen sind dabei nicht vorgesehen. Die Förderungen in diesem Bereich zielen darauf ab, eine lokale Wertschöpfung zu erhalten, während Elektroautos noch mit der Gießkanne gefördert wurden.

Entsprechend weit sind auch Brennstoffzellen-Fahrzeuge davon entfernt, im Alltag eine Rolle zu spielen. “Nach unserer Einschätzung werden batterieelektrische Pkw nicht von wasserstoffbetriebenen Fahrzeugen abgelöst werden.” Vor allem auch, weil die notwendige Infrastruktur nicht existiert, die Elektro-Ladeinfrastruktur aber sehr wohl. Zwar arbeitet die Kommunistische Partei am Aufbau eines Tankstellennetzes, das jedoch in erster Linie für Busse und Lkw gedacht sei. Diese seien technisch jedoch ungeeignet, auch Pkw zu bedienen, so Niemeier.

  • Autoindustrie

Batterie-Recycling: China liegt weit vor Europa 

Batterieherstellung bei der Firma Jiangsu Tafel New Energy in Nanjing. Im Recycling der Batterien liegt China weit vor Europa.
Batterieherstellung bei der Firma Jiangsu Tafel New Energy in Nanjing

Nun steht es fest: Ab 2035 werden in der EU keine Verbrenner-Autos mehr auf den Markt kommen, stattdessen übernehmen Elektrofahrzeuge die europäischen Straßen. Die Mobilität hängt dann an Lithium-Ionen-Batterien – und an deren Wiederverwertung, denn die EU will eine Kreislaufwirtschaft erreichen und muss mit Rohstoffengpässen jonglieren.

Das Recycling dieser Batterien ist dabei alternativlos. Seit 2006 ist es in der Europäischen Union verboten, Batterien auf Deponien zu entsorgen. Außerdem ist es strategisch relevant geworden: durch den Green Deal, das Ziel einer Kreislaufwirtschaft und den Wettlauf, sich von Rohstoffimporten unabhängiger zu machen.

Möglicherweise lässt sich hier etwas von den Ländern Ostasiens lernen. Im globalen Vergleich liegt China weit vorn: Mit 188.000 Tonnen pro Jahr können dortige Unternehmen doppelt so viele Lithium-Ionen-Batterien recyceln wie Firmen in Europa und haben mehr als dreimal so viele Kapazitäten wie die USA, berechneten Forscher Anfang dieses Jahres. Sie beriefen sich auf Zahlen von Ende 2021.

In Ländern wie China und Südkorea sei schon sehr viel früher Recyclingmaterial angefallen als in Europa oder den USA, erklärt Matthias Buchert, Bereichsleiter Ressourcen & Mobilität am Öko-Institut. Da es dort schon früher einen Markt und größere Produktionskapazitäten für Lithium-Ionen-Zellen gab, wurde auch die Recyclingindustrie schneller hochgefahren. Firmen konnten dort gewissermaßen bereits mit Produktionsschrott und Mangelware Recyclingverfahren erproben und optimieren.

Zudem haben die Regierungen seit 2012 den Aufbau des Recyclingsektors für Lithium-Ionen-Batterien nach vorne gebracht. 2018 wurden Hersteller in China zur Zusammenarbeit mit Recyclingunternehmen verpflichtet. Allerdings landen dort viele Batterien noch immer auf der Müllhalde oder bei Unternehmen, welche die Akkus illegal mit veralteten und umweltbelastenden Verfahren recyceln (China.Table berichtete).

Riesige Menge an Altbatterien erwartet

Deutschland steht nun seinerseits unter Druck, seine Kapazitäten sehr schnell hochzufahren. Das Öko-Institut hat berechnet, dass in Deutschland ab 2035 pro Jahr etwa 1,2 Millionen Tonnen Lithium-Ionen-Batterien auf den Markt kommen und recycelt werden müssen. Hinzu kommen Akkus aus LKW und Bussen. Angesichts der Größe dieser Batterien – die eines Tesla Model 3 Long Range enthält 4416 Zellen und wiegt 480 Kilogramm – geht es um unglaubliche Mengen an Abfällen.

Der europäische Recyclingmarkt für Lithium-Ionen-Batterien wird, zeitversetzt mit dem Wachstum der Elektromobilität, in den kommenden zwanzig Jahren stark wachsen, sagt Buchert. Er rechnet damit, dass er spätestens Mitte der 2020er-Jahre anziehen wird. Dann wird auch hier in großem Stil Produktionsschrott anfallen – aus den Gigafactories, die nun in Europa den Betrieb aufnehmen. “Nach 2030 wird das noch ganz andere Dimensionen annehmen”, sagt Buchert.

In der Industrie geht man davon aus, dass es eine Arbeitsteilung in Europa geben wird, sagt er: “Wahrscheinlich wird eine größere Anzahl an Unternehmen mit kleineren Kapazitäten die ersten, mechanischen Schritte des Verfahrens übernehmen und etwa ein halbes Dutzend größere Unternehmen das Endrefining.”

Europäischem Markt fehlen Investitionen

Die größte zurzeit aktive Anlage in Europa betreibt die Firma SungEel HiTech im ungarischen Bátonyterenye. Es handelt sich um die Tochter eines südkoreanischen Unternehmens. Dort können 50.000 Tonnen Lithium-Ionen-Batterien pro Jahr recycelt werden. Deutschland hat laut der Studie von Anfang 2022 europaweit die höchsten Recyclingkapazitäten: Recycelt werden können hier 54.000 Tonnen Lithium-Ionen-Batterien. Auf 10.000 Tonnen davon kommt die Firma Redux mit ihrer Anlage in Bremerhaven.

In den kommenden Jahren werden in Europa etliche Anlagen mit Kapazitäten von mehreren Zehntausend Tonnen im Jahr hinzukommen, etwa in Spanien, Frankreich, Großbritannien, Deutschland, Polen und den skandinavischen Ländern. Northvolt plant, ab 2030 im schwedischen Skellefteå jährlich 125.000 Tonnen Lithium-Ionen-Batterien zu recyceln. Das größte Projekt plant derzeit der belgische Konzern Umicore: Er wird seine Recyclingkapazitäten auf 150.000 Tonnen pro Jahr erhöhen, sagte dessen Leiter für Government Affairs EU, Jan Tytgat, in der vergangenen Woche in Berlin.

Torsten Brandenburg, Referent im Bundeswirtschaftsministerium, sieht die Herausforderung für den europäischen Markt in den fehlenden Investitionen. “Wir müssen den Kreislauf der Wertschöpfungskette in Europa schließen, um gegenüber Asien aufzuholen“, sagte er bei einer Diskussion der EIT Raw Materials.

Deutschland und China stehen dabei grundsätzlich vor denselben Hürden, die mit Hilfe staatlicher Regulierungen zu überwinden sind. “Wie auf jedem jungen Markt ist die Herausforderung im Recycling, dass Unternehmen zunächst mehrere Millionen Euro in die Anlagen investieren müssen”, sagt Matthias Buchert. Zurzeit lohnt sich dies noch nicht wirklich: Die Akkus von E-Autos haben eine Nutzungsdauer von durchschnittlich zehn Jahren, es wird also dauern, bis Recycler überhaupt größere Mengen an Material bekommen. Buchert spricht von dem “Henne-Ei-Problem”: Je größer eine Recycling-Anlage, desto wirtschaftlicher kann sie arbeiten – jedoch nur, wenn sie ausgelastet ist.

Ambitionierte EU-Batterieverordnung

Das Problem in Deutschland liegt laut der Deutschen Umwelthilfe (DUH) derzeit auch in der gesetzlichen Sammelquote, die nicht eingehalten wird. Laut Batteriegesetz müssen 50 Prozent der Alt-Gerätebatterien gesammelt werden, was die EU-Mindestvorgabe von 45 Prozent übertrifft. Laut DUH lag die Zahl der Lithium-Ionen-Akkus bei nur etwa 32 Prozent. Hersteller müssen die auf den Markt gebrachten Batteriemengen angeben und die Batterien zurücknehmen, über ein eigenes oder eines von sechs etablierten Rücknahmesystemen. Die DUH fordert deshalb einen Kostenausgleich für Sammelsysteme, ambitionierte Sammelquoten sowie ein Pfandsystem für Lithium-Ionen-Akkus.

Ab wann das Batterie-Recycling wirklich kostendeckend sein wird, wird auch von den Rohstoffpreisen beeinflusst. Mineralien wie Lithium sind zurzeit sehr teuer, zudem wird in aktuellen Studien vor Engpässen aufgrund der hohen Nachfrage gewarnt. Bleiben die Preise auf einem derart hohen Niveau und werden die Verfahren und die Logistik schnell optimiert, könne das Recycling schon sehr bald profitabel werden, so Buchert.

Ein wichtiges Signal an Investoren kommt bald aus Brüssel: Die EU wird eine neue Batterie-Verordnung verabschieden. Diese befindet sich zurzeit in den Trilog-Verhandlungen. Die neuen Vorgaben sehen unter anderem vor, dass Autohersteller für das Recycling von Altbatterien aus ihren Elektrofahrzeugen verantwortlich sind, dass neue Lithium-Ionen-Batterien einen bestimmten Anteil an recyceltem Material enthalten und neue Batterien leichter recycelbar sein müssen. Die Mindestsammelquoten sollen bis 2030 auf 85 Prozent erhöht und Batterien mit einem digitalen Herkunftspass versehen werden. Der Vorschlag wird von verschiedenen Seiten als Meilenstein gelobt, da er den gesamten Lebenszyklus von Batterien reguliert.

  • Autoindustrie
  • EU-Batterieverordnung

News

VW-Chef: Lassen uns von Partner über Menschenrechte informieren

VW-Chef Herbert Diess warnt vor einem Konfrontationskurs zu China. Die Grundhaltung der deutschen Regierung gegenüber der Volksrepublik bereite ihm Sorgen, sagte Diess dem Spiegel in einem am Donnerstag veröffentlichten Interview. “Wir brauchen noch mehr Dialog“, forderte der VW-Chef. “Die chinesische Führung kann auch mit harten europäischen Positionen umgehen – aber man sollte darüber sprechen – und man sollte die wirtschaftlichen Auswirkungen verstehen.”

Würde sich Deutschland von der Volksrepublik abkoppeln, gäbe es laut dem VW-Chef sehr viel weniger Wachstum, Wohlstand und Beschäftigung. “Hierzulande wird extrem unterschätzt, wie stark unser Wohlstand von China mitfinanziert wird.” Von den Entwicklern in Deutschland würden die Hälfte für Kundinnen und Kunden in China arbeiten, so Diess. Und: “Meinen Führungskräften sage ich immer: Ein Großteil eures Bonus wird in China erwirtschaftet.” Der VW-Chef hofft auf “eine weitere Öffnung Chinas”. Die Volksrepublik werde “sich auch im Wertesystem weiter positiv entwickeln”, so Diess.

Befragt nach dem VW-Werk in Xinjiang versicherte Diess, er lasse sich mehrmals im Jahr von seinem Joint-Venture Partner über die Arbeitsbedingungen informieren. Selbst war er noch nicht vor Ort. Der Partner ist das Staatsunternehmen SAIC. Volkswagen ist in China Marktführer. Dies ist trotz der jüngsten Corona-Lockdowns und der Wirtschaftsabkühlung in China zuversichtlich, dass die Volksrepublik Wachstumsmotor bleiben wird. rtr/nib

  • Autoindustrie

BYD überholt Tesla

Der chinesische Autobauer BYD hat Tesla als größten E-Auto-Bauer überholt. Laut Unternehmensangaben hat das Unternehmen aus Shenzhen im 1. Halbjahr des laufenden Jahres 641.000 Autos verkauft. Tesla hat im gleichen Zeitraum 564.000 Einheiten abgesetzt.

Tesla hat ein schwieriges zweites Quartal hinter sich. Das Unternehmen führt die schlechteren Zahlen auf Störungen in der Lieferkette und beim Vertrieb in China zurück. BYD war von diesen Problemen nicht ganz so stark betroffen wie seine Wettbewerber, da die BYD-Fabriken in Regionen liegen, die nicht so sehr von Lockdowns betroffen waren wie die Regionen, in denen Tesla, XPeng, Nio und andere produzieren. BYD verkauft auch viele Plug-In-Hybride, die in die Kategorie der E-Autos fallen. Tesla produziert hingegen ausschließlich batteriebetriebene E-Autos.

BYD feiert auch in anderen Bereichen Erfolge. Das Unternehmen hat den südkoreanischen Wettbewerber LG bei der Fertigung von E-Auto-Batterien überholt. Hinter dem ebenfalls chinesischen CATL liegt BYD jetzt auf Rang zwei der größten Batterie-Hersteller für E-Autos. Analysten erwarten, dass BYD und andere chinesische Hersteller ihre Bemühungen verstärken werden, in westliche Märkte vorzudringen. nib

  • Autoindustrie

Ifo: Rohstoff-Abhängigkeit von China verringern

Batterien, Robotik, Erneuerbare Energien: Bei vielen Schlüsseltechnologien ist Deutschland einer Ifo-Studie zufolge von importierten Rohstoffen abhängig – oftmals von einzelnen Lieferländern wie China. “Dringender Handlungsbedarf für krisensichere Lieferketten besteht bei neun kritischen Mineralien“, schlussfolgerte die Leiterin des Ifo-Zentrums für Außenwirtschaft, Lisandra Flach, aus der am Donnerstag veröffentlichten Untersuchung ihres Wirtschaftsforschungsinstituts. Dies seien

  • Kobalt,
  • Bor,
  • Silizium,
  • Graphit,
  • Magnesium,
  • Lithium,
  • Niob,
  • Seltene Erden und
  • Titan.

“Hier sind mehr Bezugs­quellen nötig, um die Lieferketten widerstandsfähiger zu machen”, sagte die Expertin. Lieferkettenstörungen sind der Studie zufolge bei den genannten Rohstoffen besonders problematisch. Der Grund: alternative Quellen könnten nur langfristig erschlossen werden. Dies sei eine Lektion der jüngsten Versorgungsnotlagen im Zuge der Corona-Pandemie und Krisen wie dem Ukraine-Krieg.

Bei sieben der neun besonders kritischen Rohstoffe ist den Angaben zufolge China einer der größten Anbieter am Weltmarkt – teilweise in marktdominierender Position. Dies spreche für eine schnelle Verstärkung bereits bestehender Handelsbeziehungen zu anderen Ländern, darunter Thailand und Vietnam für die Seltenen Erden, aber auch zu Argentinien, Brasilien, den USA und Australien für andere kritische Rohstoffe. Bei der Mehrheit der in der Studie untersuchten 23 kritischen Rohstoffe seien Maßnahmen für widerstandsfähigere Lieferketten nötig, sagte Außenhandelsexpertin Flach.

Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) sieht Potenzial in einer besseren EU-weiten Abstimmung sowohl bei Strategien für eine bessere Rohstoffverteilung innerhalb der EU als auch in der gemeinsamen Handelspolitik nach außen. “Viele EU-Mitglieder verfügen über Potenziale bei kritischen Rohstoffen”, sagte DIHK-Außenwirtschaftschef Volker Treier. “Hier muss die Erschließung und Verarbeitung von Rohstoffen innerhalb der EU verstärkt ausgebaut werden.” Zusätzlich müsse die EU rasch mit Handels- und Investitionsabkommen den Unternehmen dabei helfen, weltweit neue und nachhaltige Rohstoffquellen zu erschließen. Gerade die Abkommen mit den Mercosur-Ländern in Südamerika, aber auch Indonesien und Indien seien hierfür relevant und sollten rasch abgeschlossen werden. rtr

  • Handel
  • Rohstoffe
  • Seltene Erden

Standpunkt

Sind Chinas Halbleiter-Ambitionen realistisch?

Von Keun Lee
Keun Lee ist Professor für Volkswirtschaftslehre in Seoul und Vizevorsitzender des Nationalen Wirtschaftsrats in Südkorea.
Keun Lee ist Professor für Volkswirtschaftslehre in Seoul und Vizevorsitzender des Nationalen Wirtschaftsrats in Südkorea.

Als Joe Biden im vergangenen Monat – bei seinem ersten dortigen Amtsbesuch als US-Präsident – in Südkorea landete, fuhr er direkt zu Samsungs riesiger Halbleiterfabrik außerhalb von Seoul. Hier traf der den südkoreanischen Präsidenten Yoon Suk-yeol und den Samsung-Vizevorsitzenden Lee Jae-yong, und lobte den Bau einer 17-Milliarden-Dollar-Chipfabrik in Texas. Damit hätte er die wirtschaftliche und strategische Bedeutung von Halbleitern kaum klarer betonen können.

Während der Covid-19-Pandemie mussten einige industrielle Sektoren – von Automobilen bis hin zur Konsumelektronik – aufgrund der Lieferschwierigkeiten bei Halbleitern ihre Herstellung verlangsamen oder gar stoppen. Ein verlässliches Angebot dieser Bauteile, so wurde klar, ist für die Widerstandskraft der Wirtschaft eines Landes von entscheidender Bedeutung. Und für die Vereinigten Staaten und China sind sie auch hinsichtlich ihres strategischen Wettbewerbs wichtig, bei dem technologische Führerschaft eine bedeutende Rolle spielt.

Momentan verfügen die USA über ein größeres Stück des globalen Halbleiterkuchens, da sie in der Chip-Architektur und im Entwurfssegment des Sektors stärker sind. Aber die überwiegende Mehrheit der Chips wird weit weg von Amerika hergestellt, darunter auch in der Samsung-Fabrik in Xi’an, der Heimatstadt des chinesischen Präsidenten Xi Jinping. China – der weltweit größte Halbleitermarkt – bemüht sich, Innovationen im eigenen Land zu fördern, und investiert deshalb massiv in diesen Sektor. Werden die USA also ihren Halbleitervorsprung verlieren?

Bis jetzt hatte China Mühe, in diesem Bereich aufzuholen. Erstens kann die typische Nachzüglerstrategie – mit ihrem Schwerpunkt auf die Herstellung günstigerer, weniger hochwertiger Produkte – nicht auf Halbleiter übertragen werden, da ein fortschrittlicherer Speicherchip der “nächsten Generation” meist genauso viel oder wenig kostet wie seine Vorgänger. Ältere Chips sind daher so gut wie wertlos.

Noch sind die USA der größte Markt für Halbleiter

Dies bedeutet nicht, dass die Marktstellung der etablierten Konzerne uneinholbar ist. Immerhin haben es südkoreanische Firmen wie Samsung geschafft, im Halbleiterbereich japanische Konzerne wie Toshiba zu überholen. Entscheidend dafür ist eine so genannte “Leapfrogging”-Strategie: die Entwicklung fortschrittlicherer Versionen einer Technologie, bevor es der Marktführer tut. Eine solche Strategie setzt voraus, dass die Entwicklung einem relativ gut vorhersehbaren Weg folgt – im Fall von Chips beispielsweise der Vergrößerung der Kapazität von einem Kilobyte auf zwei oder vier usw. – und dass die Unternehmen Zugang zu ausländischen Technologien haben.

Südkoreanische Konzerne wie Samsung haben nie die Chips mit der geringsten Kapazität hergestellt. Stattdessen haben sie, um direkt bei ihrem Markteintritt 64K-Chips entwickeln zu können, Maschinen und Geräte von Sharp aus Japan verwendet und importiert, und die Lizenz für das Halbleiterdesign kam vom US-Unternehmen Micron Technology.

Später hat Samsung dann eine Forschungs- und Entwicklungseinrichtung im kalifornischen Silicon Valley aufgebaut, um noch vor den japanischen Firmen Chips mit hoher Kapazität (256K) zu entwerfen. Unterstützt wurde der Konzern dabei durch seine “Stapelmethode” für mehr Komplexität der Chips, die der “Trenching-Methode” von Firmen wie Toshiba überlegen war. Aber Samsung verwendet immer noch Hochtechnologiekomponenten, -teile und -vorprodukte aus Japan oder anderen Ländern und verlässt sich auf Software aus den USA.

Leapfrogging-Strategie greift nicht für die Chip-Industrie

In einer Zeit, in der China immer weniger Zugang zu ausländischen Technologien und Vorprodukten hat, wird es dem Land schwerfallen, die Leapfrogging-Strategie nachzuahmen. Halbleiter und andere hochmoderne Sektoren werden von einer sehr kleinen Anzahl von Unternehmen dominiert. In manchen Fällen kann ein bestimmtes Produkt oder Vorprodukt von nur einer oder zwei Firmen geliefert werden.

Diese Unternehmen sitzen größtenteils in den USA oder Europa. So ist das niederländische Unternehmen ASML der einzige Hersteller von Extrem-Ultraviolett-Lithografiemaschinen (EUV), die für den Chipherstellungsprozess entscheidend sind, und die Software wird von US-Konzernen dominiert.

Dies bedeutet nicht, dass China keine Chance hat, eine fortschrittliche – oder gar weltweit führende – Halbleiterindustrie zu entwickeln. Auch wenn dies sicherlich nicht über Nacht geschieht, gibt es für das Land Möglichkeiten, seine Aussichten zu verbessern.

Zunächst einmal ist der Markt für Speicherchips zwar einheitlich – also ohne hoch- oder geringwertige Segmente -, aber der Markt für Systemchips (oder anwendungsspezifische integrierte Schaltkreis-Chips) ist je nach Anwendung segmentiert. Automobilkonzerne beispielsweise benötigen nicht die fortschrittlichsten Produktlinien, die durch die lithografische Herstellung im Bereich von unter zehn Nanometern gekennzeichnet sind. Stattdessen setzen sie 20 Nanometer- oder 30 Nanometer-Prozesstechnologien ein, deren Transfer nicht so streng kontrolliert wird. In diesem Segment erzielt der chinesische Hersteller SMIC enorme Gewinne, die wiederum in fortschrittlichere Chips der zukünftigen Generationen investiert werden können.

China sucht nach Alternativen zu westlichen Technologien

Echte “Leapfrogging”-Erfolge werden die Chinesen allerdings erst erzielen, wenn sie einen neuen technologischen Weg finden, der von dem der Marktführer abweicht und damit weniger von westlichen Technologien abhängig ist. Beispielsweise behauptet Micron Technology, Chips der nächsten Generation könnten – anstatt mit EUV – auch mit den neuesten Maschinen mithilfe von “tiefer ultravioletter Lithografie” (DUV) hergestellt werden. Diese Art alternativen Denkens könnte stark dazu beitragen, Chinas Aussichten im Halbleiterbereich zu verbessern.

Hier sind auch die schnell wachsenden wissenschaftlichen Fähigkeiten des Landes von Vorteil. Zwischen 2013 und 2018 ist der chinesische Anteil von Artikeln in informationstechnischen Zeitschriften von 22,4 Prozent auf fast 40 Prozent gestiegen, während der amerikanische von über 20 Prozent auf 16 Prozent gesunken ist.

Außerdem könnten die Restriktionen gegen Chinas Zugang zu ausländischen Technologien bald gelockert werden. Manche argumentieren, diese Maßnahmen gegen chinesische Hersteller, darunter auch Halbleiterhersteller, förderten über das verminderte Angebot die schnell steigende US-Inflation. Diesem Effekt soll durch ein neues US-Innovations- und Wettbewerbsgesetz entgegengewirkt werden. Demnach sollen Halbleiterfirmen mit 50 Milliarden Dollar subventioniert werden sollen, was auch ausländische Konzerne wie Samsung oder TSMC mit einschließen könnte. Aber Kritiker weisen darauf hin, dass die Unternehmen diese Subventionen, anstatt sie in Produktionsstätten zu investieren, durch andere Maßnahmen wie Aktienrückkäufe verschwenden könnten. Und es ist noch nicht klar, ob das Gesetz überhaupt eingeführt wird.

Kurz vor den Zwischenwahlen steht die Biden-Regierung vor einem Dilemma: Lockert sie die Restriktionen gegen chinesische Unternehmen wie Chiphersteller, könnte dies den Inflationsdruck lindern, was laut Biden “innenpolitisch oberste Priorität” besitzt. Gleichzeitig könnten sie es China damit aber ermöglichen, bei seiner Innovationsstrategie Fortschritte zu machen. Bleiben die Restriktionen, wird die Halbleiterknappheit wahrscheinlich weiterhin zur Verstärkung der Inflation beitragen, und China könnte letztlich trotzdem seinen eigenen alternativen Weg zur Spitze finden.

Keun Lee, Vizevorsitzender des Nationalen Wirtschaftsrats für den südkoreanischen Präsidenten, ist Professor für Ökonomie an der Nationaluniversität von Seoul und Verfasser von China’s Technological Leapfrogging and Economic Catch-up: A Schumpeterian Perspective (Oxford University Press, 2022).

Übersetzung: Harald Eckhoff. Copyright: Project Syndicate, 2022.
www.project-syndicate.org

  • Chips
  • Halbleiter
  • Technologie
  • USA

Personalien

Tobias Czapka ist bei VW in die Position des Managers für System Engineering BEV-Powertrain China gewechselt. Der Doktor der Ingenieurwissenschaften war bis Juni Lead Technical Project Manager Gasoline Engines bei VW. Auch hier war Czapka bereits für China und die Eastern Regions zuständig.

Ändert sich etwas in Ihrer Organisation? Schicken Sie doch einen Hinweis für unserer Personal-Kolumne an heads@table.media!

China.Table Redaktion

CHINA.TABLE REDAKTION

Licenses:
    • Wasserstoff bleibt vorerst der Industrie vorbehalten
    • Asien liegt beim Batterie-Recycling vorn
    • VW-Chef-Diess: “Großteil des Bonus kommt aus China”
    • BYD verkauft mehr E-Autos als Tesla
    • Ifo sieht gefährliche Rohstoff-Abhängigkeit 
    • Standpunkt: Ökonom Keun Lee zum Halbleiter-Wettlauf Südkorea-China
    Liebe Leserin, lieber Leser,

    so manch einer steht dem Boom des Elektro-Antriebs skeptisch gegenüber und sieht in Wasserstoff eine weitaus zukunftsträchtigere Alternative. Entsprechend hat sich Christian Domke Seidel angeschaut, wie weit China im Bereich Wasserstoff-Mobilität bereits gekommen ist. Schließlich wurde bei den Olympischen Spielen in Peking öffentlichkeitswirksam der reibungslose Einsatz von Bussen und Shuttles mit Wasserstoffantrieb angepriesen. Doch bei genauerem Hinsehen wird klar: Pekings Wasserstoff-Pläne sind zwar ambitioniert. Doch in naher Zukunft dürfte Wasserstoff nicht für Autos genutzt werden. Die Energie wird aktuell vielmehr in anderen Bereichen benötigt.

    Positive Veränderungen zeichnet sich hingegen bei E-Autos ab: In naher Zukunft wird eine große Menge ausgedienter E-Auto-Akkus anfallen, die als Rohstoff für neue Batterien dienen sollen. China liegt hier weit vorne. Chinesische Recycling-Unternehmen sind schon gut im Geschäft, während sich der Markt in Europa nur langsam entwickelt, berichtet Leonie Düngefeld. Investitionen in Recycling-Anlagen lohnen sich schließlich erst, wenn genug Material zum Recycling vorhanden ist. Hier kann China seine Vorteile als Früheinsteiger in die Elektromobilität ausspielen.

    Viel Spaß beim Lesen!

    Ihr
    Felix Lee
    Bild von Felix  Lee

    Analyse

    Wasserstoff-Mobilität bleibt vorerst ein Traum

    Der Maxus Euniq 7 von SAIC auf einer Technikmesse in Shanghai: Chinesische Staatsbetriebe entdecken die Brennstoffzelle - mit Wasserstoff betriebene Autos. Wasserstoff-Mobilität soll eine größere Rolle spielen, doch wird das Gas für andere Dinge benötigt.
    Spielen in der Realität kaum eine Rolle: Wasserstoff-Autos des chinesischen Herstellers SAIC

    In der individuellen Mobilität wird Wasserstoff in absehbarer Zeit keine Rolle spielen. Auch nicht in China. Dafür sind Technologie und Infrastruktur im Bereich der batterieelektrischen Fahrzeuge zu weit fortgeschritten. Nennenswerte Marktchancen gibt es nur im Bereich der Lkw und Busse. So fasst Dirk Niemeier den Wasserstoff-Markt in der Volksrepublik China zusammen. Niemeier ist Direktor von Strategy&, der Strategieberatung von PricewaterhouseCoopers (PwC). Der vorhandene Wasserstoff werde an anderer Stelle sinnvoller eingesetzt. Das gelte auch für die Unmengen an Energie, die zu seiner Produktion benötigt werden.

    China setzt durchaus auf Wasserstoff als universellen Energieträger. “Es ist in diesem Bereich ein ähnliches Wachstum geplant wie in Europa. Allerdings sehr viel später, weil es noch wenig Regularien und Förderungen gibt”, sagte Niemeier gegenüber Table.Media. Es gebe langfristige Zielsetzungen, aber noch keine aktuellen Gesetze, die den Einsatz im größeren Stil in der Industrie forcieren.

    Ambitionierte Pläne, hürdenreiche Realität

    Chinas Pläne im Bereich des Wasserstoffs klingen ambitioniert. Ab dem Jahr 2025 sollen jährlich 100.000 Tonnen grüner Wasserstoff produziert werden (China.Table berichtete). Im gleichen Zeitraum sollen 30 Gigawatt Speicherkapazität entstehen. Parallel entstehen Versuchsflotten von Brennstoffzellen-Fahrzeugen. Bei den Olympischen Spielen fuhren bereits entsprechende Busse und Shuttles. Bis 2025 sollen insgesamt 50.000 Brennstoffzellen-Fahrzeuge auf der Straße sein. Diese Zahl teilt sich in 40.000 Pkw und 10.000 Lkw auf. 

    Aktuell produziert China 33 Millionen Tonnen Wasserstoff pro Jahr – hauptsächlich grauer Wasserstoff, der aus Erdgas, Kohle und Öl erzeugt wird (China.Table berichtete). Der Wasserstoff geht nahezu vollständig in die Chemieindustrie, wo er als Ausgangsstoff dient. Auch die versprochenen 30 Gigawatt Speicherkapazität sind gerade einmal vier Prozent der ebenfalls geplanten 800 Gigawatt an zusätzlichen Erzeugungsmenge. 

    Dazu kommen die ambitionierten Ziele bei der Reduktion der Treibhausgase. China möchte bis 2060 klimaneutral sein. Der größte Stolperstein dabei ist die Abhängigkeit von Kohlekraftwerken. Die geplanten Solar- und Windkraftanlagen müssen also langfristig die Energie der Kohlekraftwerke ersetzen. Das heißt, sie steht nicht für extrem energieaufwändige Zusatzprojekte wie den Ausbau der Wasserstoffindustrie zur Verfügung, wie Niemeyer erklärt. 

    Während Kohlekraftwerke zwischen 7.000 und 8.000 Stunden im Jahr Strom produzieren, tun Windräder das nur an etwa 2.500 Stunden pro Jahr. Das bedeutet, dass für die gleiche Menge Strom sehr viel mehr Leistung installiert werden muss. Zudem sind riesige Energiespeicher notwendig. Das führt zu einem Marktnachteil: “Grüner Wasserstoff ist derzeit noch deutlich teurer als grauer Wasserstoff. Insbesondere, wenn es keinen CO2-Preis für die fossilen Ausgangsprodukte gibt”, sagt Niemeier. Solange dieser Unterschied bestehe, rechne PwC mit Stagnation des Geschäfts.

    Langfristige Marktchancen von Wasserstoff in China

    Doch natürlich wird auch in China die Erforschung von Wasserstoff vorangetrieben. “Es gibt fünf Citycluster, in denen die Erzeugung und Verwendung von grünem Wasserstoff und Fuelcell-Fahrzeugen forciert wird”, erklärt Niemeier. “Weil deren Wasserstoffbedarf geringer ist, lässt sich dieser Bereich leichter mit kleineren dezentralen Anlagen entwickeln.”

    Mit entsprechenden Erfolgen. “In China kommen deutlich günstigere Geräte und Aggregate zum Einsatz. Allerdings ist ihr Wirkungsgrad geringer.” Falls der Markt zukünftig stark wachse, könnten die günstigeren Geräte eine Rolle spielen. Ausländische Investoren und Firmen sind dabei nicht vorgesehen. Die Förderungen in diesem Bereich zielen darauf ab, eine lokale Wertschöpfung zu erhalten, während Elektroautos noch mit der Gießkanne gefördert wurden.

    Entsprechend weit sind auch Brennstoffzellen-Fahrzeuge davon entfernt, im Alltag eine Rolle zu spielen. “Nach unserer Einschätzung werden batterieelektrische Pkw nicht von wasserstoffbetriebenen Fahrzeugen abgelöst werden.” Vor allem auch, weil die notwendige Infrastruktur nicht existiert, die Elektro-Ladeinfrastruktur aber sehr wohl. Zwar arbeitet die Kommunistische Partei am Aufbau eines Tankstellennetzes, das jedoch in erster Linie für Busse und Lkw gedacht sei. Diese seien technisch jedoch ungeeignet, auch Pkw zu bedienen, so Niemeier.

    • Autoindustrie

    Batterie-Recycling: China liegt weit vor Europa 

    Batterieherstellung bei der Firma Jiangsu Tafel New Energy in Nanjing. Im Recycling der Batterien liegt China weit vor Europa.
    Batterieherstellung bei der Firma Jiangsu Tafel New Energy in Nanjing

    Nun steht es fest: Ab 2035 werden in der EU keine Verbrenner-Autos mehr auf den Markt kommen, stattdessen übernehmen Elektrofahrzeuge die europäischen Straßen. Die Mobilität hängt dann an Lithium-Ionen-Batterien – und an deren Wiederverwertung, denn die EU will eine Kreislaufwirtschaft erreichen und muss mit Rohstoffengpässen jonglieren.

    Das Recycling dieser Batterien ist dabei alternativlos. Seit 2006 ist es in der Europäischen Union verboten, Batterien auf Deponien zu entsorgen. Außerdem ist es strategisch relevant geworden: durch den Green Deal, das Ziel einer Kreislaufwirtschaft und den Wettlauf, sich von Rohstoffimporten unabhängiger zu machen.

    Möglicherweise lässt sich hier etwas von den Ländern Ostasiens lernen. Im globalen Vergleich liegt China weit vorn: Mit 188.000 Tonnen pro Jahr können dortige Unternehmen doppelt so viele Lithium-Ionen-Batterien recyceln wie Firmen in Europa und haben mehr als dreimal so viele Kapazitäten wie die USA, berechneten Forscher Anfang dieses Jahres. Sie beriefen sich auf Zahlen von Ende 2021.

    In Ländern wie China und Südkorea sei schon sehr viel früher Recyclingmaterial angefallen als in Europa oder den USA, erklärt Matthias Buchert, Bereichsleiter Ressourcen & Mobilität am Öko-Institut. Da es dort schon früher einen Markt und größere Produktionskapazitäten für Lithium-Ionen-Zellen gab, wurde auch die Recyclingindustrie schneller hochgefahren. Firmen konnten dort gewissermaßen bereits mit Produktionsschrott und Mangelware Recyclingverfahren erproben und optimieren.

    Zudem haben die Regierungen seit 2012 den Aufbau des Recyclingsektors für Lithium-Ionen-Batterien nach vorne gebracht. 2018 wurden Hersteller in China zur Zusammenarbeit mit Recyclingunternehmen verpflichtet. Allerdings landen dort viele Batterien noch immer auf der Müllhalde oder bei Unternehmen, welche die Akkus illegal mit veralteten und umweltbelastenden Verfahren recyceln (China.Table berichtete).

    Riesige Menge an Altbatterien erwartet

    Deutschland steht nun seinerseits unter Druck, seine Kapazitäten sehr schnell hochzufahren. Das Öko-Institut hat berechnet, dass in Deutschland ab 2035 pro Jahr etwa 1,2 Millionen Tonnen Lithium-Ionen-Batterien auf den Markt kommen und recycelt werden müssen. Hinzu kommen Akkus aus LKW und Bussen. Angesichts der Größe dieser Batterien – die eines Tesla Model 3 Long Range enthält 4416 Zellen und wiegt 480 Kilogramm – geht es um unglaubliche Mengen an Abfällen.

    Der europäische Recyclingmarkt für Lithium-Ionen-Batterien wird, zeitversetzt mit dem Wachstum der Elektromobilität, in den kommenden zwanzig Jahren stark wachsen, sagt Buchert. Er rechnet damit, dass er spätestens Mitte der 2020er-Jahre anziehen wird. Dann wird auch hier in großem Stil Produktionsschrott anfallen – aus den Gigafactories, die nun in Europa den Betrieb aufnehmen. “Nach 2030 wird das noch ganz andere Dimensionen annehmen”, sagt Buchert.

    In der Industrie geht man davon aus, dass es eine Arbeitsteilung in Europa geben wird, sagt er: “Wahrscheinlich wird eine größere Anzahl an Unternehmen mit kleineren Kapazitäten die ersten, mechanischen Schritte des Verfahrens übernehmen und etwa ein halbes Dutzend größere Unternehmen das Endrefining.”

    Europäischem Markt fehlen Investitionen

    Die größte zurzeit aktive Anlage in Europa betreibt die Firma SungEel HiTech im ungarischen Bátonyterenye. Es handelt sich um die Tochter eines südkoreanischen Unternehmens. Dort können 50.000 Tonnen Lithium-Ionen-Batterien pro Jahr recycelt werden. Deutschland hat laut der Studie von Anfang 2022 europaweit die höchsten Recyclingkapazitäten: Recycelt werden können hier 54.000 Tonnen Lithium-Ionen-Batterien. Auf 10.000 Tonnen davon kommt die Firma Redux mit ihrer Anlage in Bremerhaven.

    In den kommenden Jahren werden in Europa etliche Anlagen mit Kapazitäten von mehreren Zehntausend Tonnen im Jahr hinzukommen, etwa in Spanien, Frankreich, Großbritannien, Deutschland, Polen und den skandinavischen Ländern. Northvolt plant, ab 2030 im schwedischen Skellefteå jährlich 125.000 Tonnen Lithium-Ionen-Batterien zu recyceln. Das größte Projekt plant derzeit der belgische Konzern Umicore: Er wird seine Recyclingkapazitäten auf 150.000 Tonnen pro Jahr erhöhen, sagte dessen Leiter für Government Affairs EU, Jan Tytgat, in der vergangenen Woche in Berlin.

    Torsten Brandenburg, Referent im Bundeswirtschaftsministerium, sieht die Herausforderung für den europäischen Markt in den fehlenden Investitionen. “Wir müssen den Kreislauf der Wertschöpfungskette in Europa schließen, um gegenüber Asien aufzuholen“, sagte er bei einer Diskussion der EIT Raw Materials.

    Deutschland und China stehen dabei grundsätzlich vor denselben Hürden, die mit Hilfe staatlicher Regulierungen zu überwinden sind. “Wie auf jedem jungen Markt ist die Herausforderung im Recycling, dass Unternehmen zunächst mehrere Millionen Euro in die Anlagen investieren müssen”, sagt Matthias Buchert. Zurzeit lohnt sich dies noch nicht wirklich: Die Akkus von E-Autos haben eine Nutzungsdauer von durchschnittlich zehn Jahren, es wird also dauern, bis Recycler überhaupt größere Mengen an Material bekommen. Buchert spricht von dem “Henne-Ei-Problem”: Je größer eine Recycling-Anlage, desto wirtschaftlicher kann sie arbeiten – jedoch nur, wenn sie ausgelastet ist.

    Ambitionierte EU-Batterieverordnung

    Das Problem in Deutschland liegt laut der Deutschen Umwelthilfe (DUH) derzeit auch in der gesetzlichen Sammelquote, die nicht eingehalten wird. Laut Batteriegesetz müssen 50 Prozent der Alt-Gerätebatterien gesammelt werden, was die EU-Mindestvorgabe von 45 Prozent übertrifft. Laut DUH lag die Zahl der Lithium-Ionen-Akkus bei nur etwa 32 Prozent. Hersteller müssen die auf den Markt gebrachten Batteriemengen angeben und die Batterien zurücknehmen, über ein eigenes oder eines von sechs etablierten Rücknahmesystemen. Die DUH fordert deshalb einen Kostenausgleich für Sammelsysteme, ambitionierte Sammelquoten sowie ein Pfandsystem für Lithium-Ionen-Akkus.

    Ab wann das Batterie-Recycling wirklich kostendeckend sein wird, wird auch von den Rohstoffpreisen beeinflusst. Mineralien wie Lithium sind zurzeit sehr teuer, zudem wird in aktuellen Studien vor Engpässen aufgrund der hohen Nachfrage gewarnt. Bleiben die Preise auf einem derart hohen Niveau und werden die Verfahren und die Logistik schnell optimiert, könne das Recycling schon sehr bald profitabel werden, so Buchert.

    Ein wichtiges Signal an Investoren kommt bald aus Brüssel: Die EU wird eine neue Batterie-Verordnung verabschieden. Diese befindet sich zurzeit in den Trilog-Verhandlungen. Die neuen Vorgaben sehen unter anderem vor, dass Autohersteller für das Recycling von Altbatterien aus ihren Elektrofahrzeugen verantwortlich sind, dass neue Lithium-Ionen-Batterien einen bestimmten Anteil an recyceltem Material enthalten und neue Batterien leichter recycelbar sein müssen. Die Mindestsammelquoten sollen bis 2030 auf 85 Prozent erhöht und Batterien mit einem digitalen Herkunftspass versehen werden. Der Vorschlag wird von verschiedenen Seiten als Meilenstein gelobt, da er den gesamten Lebenszyklus von Batterien reguliert.

    • Autoindustrie
    • EU-Batterieverordnung

    News

    VW-Chef: Lassen uns von Partner über Menschenrechte informieren

    VW-Chef Herbert Diess warnt vor einem Konfrontationskurs zu China. Die Grundhaltung der deutschen Regierung gegenüber der Volksrepublik bereite ihm Sorgen, sagte Diess dem Spiegel in einem am Donnerstag veröffentlichten Interview. “Wir brauchen noch mehr Dialog“, forderte der VW-Chef. “Die chinesische Führung kann auch mit harten europäischen Positionen umgehen – aber man sollte darüber sprechen – und man sollte die wirtschaftlichen Auswirkungen verstehen.”

    Würde sich Deutschland von der Volksrepublik abkoppeln, gäbe es laut dem VW-Chef sehr viel weniger Wachstum, Wohlstand und Beschäftigung. “Hierzulande wird extrem unterschätzt, wie stark unser Wohlstand von China mitfinanziert wird.” Von den Entwicklern in Deutschland würden die Hälfte für Kundinnen und Kunden in China arbeiten, so Diess. Und: “Meinen Führungskräften sage ich immer: Ein Großteil eures Bonus wird in China erwirtschaftet.” Der VW-Chef hofft auf “eine weitere Öffnung Chinas”. Die Volksrepublik werde “sich auch im Wertesystem weiter positiv entwickeln”, so Diess.

    Befragt nach dem VW-Werk in Xinjiang versicherte Diess, er lasse sich mehrmals im Jahr von seinem Joint-Venture Partner über die Arbeitsbedingungen informieren. Selbst war er noch nicht vor Ort. Der Partner ist das Staatsunternehmen SAIC. Volkswagen ist in China Marktführer. Dies ist trotz der jüngsten Corona-Lockdowns und der Wirtschaftsabkühlung in China zuversichtlich, dass die Volksrepublik Wachstumsmotor bleiben wird. rtr/nib

    • Autoindustrie

    BYD überholt Tesla

    Der chinesische Autobauer BYD hat Tesla als größten E-Auto-Bauer überholt. Laut Unternehmensangaben hat das Unternehmen aus Shenzhen im 1. Halbjahr des laufenden Jahres 641.000 Autos verkauft. Tesla hat im gleichen Zeitraum 564.000 Einheiten abgesetzt.

    Tesla hat ein schwieriges zweites Quartal hinter sich. Das Unternehmen führt die schlechteren Zahlen auf Störungen in der Lieferkette und beim Vertrieb in China zurück. BYD war von diesen Problemen nicht ganz so stark betroffen wie seine Wettbewerber, da die BYD-Fabriken in Regionen liegen, die nicht so sehr von Lockdowns betroffen waren wie die Regionen, in denen Tesla, XPeng, Nio und andere produzieren. BYD verkauft auch viele Plug-In-Hybride, die in die Kategorie der E-Autos fallen. Tesla produziert hingegen ausschließlich batteriebetriebene E-Autos.

    BYD feiert auch in anderen Bereichen Erfolge. Das Unternehmen hat den südkoreanischen Wettbewerber LG bei der Fertigung von E-Auto-Batterien überholt. Hinter dem ebenfalls chinesischen CATL liegt BYD jetzt auf Rang zwei der größten Batterie-Hersteller für E-Autos. Analysten erwarten, dass BYD und andere chinesische Hersteller ihre Bemühungen verstärken werden, in westliche Märkte vorzudringen. nib

    • Autoindustrie

    Ifo: Rohstoff-Abhängigkeit von China verringern

    Batterien, Robotik, Erneuerbare Energien: Bei vielen Schlüsseltechnologien ist Deutschland einer Ifo-Studie zufolge von importierten Rohstoffen abhängig – oftmals von einzelnen Lieferländern wie China. “Dringender Handlungsbedarf für krisensichere Lieferketten besteht bei neun kritischen Mineralien“, schlussfolgerte die Leiterin des Ifo-Zentrums für Außenwirtschaft, Lisandra Flach, aus der am Donnerstag veröffentlichten Untersuchung ihres Wirtschaftsforschungsinstituts. Dies seien

    • Kobalt,
    • Bor,
    • Silizium,
    • Graphit,
    • Magnesium,
    • Lithium,
    • Niob,
    • Seltene Erden und
    • Titan.

    “Hier sind mehr Bezugs­quellen nötig, um die Lieferketten widerstandsfähiger zu machen”, sagte die Expertin. Lieferkettenstörungen sind der Studie zufolge bei den genannten Rohstoffen besonders problematisch. Der Grund: alternative Quellen könnten nur langfristig erschlossen werden. Dies sei eine Lektion der jüngsten Versorgungsnotlagen im Zuge der Corona-Pandemie und Krisen wie dem Ukraine-Krieg.

    Bei sieben der neun besonders kritischen Rohstoffe ist den Angaben zufolge China einer der größten Anbieter am Weltmarkt – teilweise in marktdominierender Position. Dies spreche für eine schnelle Verstärkung bereits bestehender Handelsbeziehungen zu anderen Ländern, darunter Thailand und Vietnam für die Seltenen Erden, aber auch zu Argentinien, Brasilien, den USA und Australien für andere kritische Rohstoffe. Bei der Mehrheit der in der Studie untersuchten 23 kritischen Rohstoffe seien Maßnahmen für widerstandsfähigere Lieferketten nötig, sagte Außenhandelsexpertin Flach.

    Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) sieht Potenzial in einer besseren EU-weiten Abstimmung sowohl bei Strategien für eine bessere Rohstoffverteilung innerhalb der EU als auch in der gemeinsamen Handelspolitik nach außen. “Viele EU-Mitglieder verfügen über Potenziale bei kritischen Rohstoffen”, sagte DIHK-Außenwirtschaftschef Volker Treier. “Hier muss die Erschließung und Verarbeitung von Rohstoffen innerhalb der EU verstärkt ausgebaut werden.” Zusätzlich müsse die EU rasch mit Handels- und Investitionsabkommen den Unternehmen dabei helfen, weltweit neue und nachhaltige Rohstoffquellen zu erschließen. Gerade die Abkommen mit den Mercosur-Ländern in Südamerika, aber auch Indonesien und Indien seien hierfür relevant und sollten rasch abgeschlossen werden. rtr

    • Handel
    • Rohstoffe
    • Seltene Erden

    Standpunkt

    Sind Chinas Halbleiter-Ambitionen realistisch?

    Von Keun Lee
    Keun Lee ist Professor für Volkswirtschaftslehre in Seoul und Vizevorsitzender des Nationalen Wirtschaftsrats in Südkorea.
    Keun Lee ist Professor für Volkswirtschaftslehre in Seoul und Vizevorsitzender des Nationalen Wirtschaftsrats in Südkorea.

    Als Joe Biden im vergangenen Monat – bei seinem ersten dortigen Amtsbesuch als US-Präsident – in Südkorea landete, fuhr er direkt zu Samsungs riesiger Halbleiterfabrik außerhalb von Seoul. Hier traf der den südkoreanischen Präsidenten Yoon Suk-yeol und den Samsung-Vizevorsitzenden Lee Jae-yong, und lobte den Bau einer 17-Milliarden-Dollar-Chipfabrik in Texas. Damit hätte er die wirtschaftliche und strategische Bedeutung von Halbleitern kaum klarer betonen können.

    Während der Covid-19-Pandemie mussten einige industrielle Sektoren – von Automobilen bis hin zur Konsumelektronik – aufgrund der Lieferschwierigkeiten bei Halbleitern ihre Herstellung verlangsamen oder gar stoppen. Ein verlässliches Angebot dieser Bauteile, so wurde klar, ist für die Widerstandskraft der Wirtschaft eines Landes von entscheidender Bedeutung. Und für die Vereinigten Staaten und China sind sie auch hinsichtlich ihres strategischen Wettbewerbs wichtig, bei dem technologische Führerschaft eine bedeutende Rolle spielt.

    Momentan verfügen die USA über ein größeres Stück des globalen Halbleiterkuchens, da sie in der Chip-Architektur und im Entwurfssegment des Sektors stärker sind. Aber die überwiegende Mehrheit der Chips wird weit weg von Amerika hergestellt, darunter auch in der Samsung-Fabrik in Xi’an, der Heimatstadt des chinesischen Präsidenten Xi Jinping. China – der weltweit größte Halbleitermarkt – bemüht sich, Innovationen im eigenen Land zu fördern, und investiert deshalb massiv in diesen Sektor. Werden die USA also ihren Halbleitervorsprung verlieren?

    Bis jetzt hatte China Mühe, in diesem Bereich aufzuholen. Erstens kann die typische Nachzüglerstrategie – mit ihrem Schwerpunkt auf die Herstellung günstigerer, weniger hochwertiger Produkte – nicht auf Halbleiter übertragen werden, da ein fortschrittlicherer Speicherchip der “nächsten Generation” meist genauso viel oder wenig kostet wie seine Vorgänger. Ältere Chips sind daher so gut wie wertlos.

    Noch sind die USA der größte Markt für Halbleiter

    Dies bedeutet nicht, dass die Marktstellung der etablierten Konzerne uneinholbar ist. Immerhin haben es südkoreanische Firmen wie Samsung geschafft, im Halbleiterbereich japanische Konzerne wie Toshiba zu überholen. Entscheidend dafür ist eine so genannte “Leapfrogging”-Strategie: die Entwicklung fortschrittlicherer Versionen einer Technologie, bevor es der Marktführer tut. Eine solche Strategie setzt voraus, dass die Entwicklung einem relativ gut vorhersehbaren Weg folgt – im Fall von Chips beispielsweise der Vergrößerung der Kapazität von einem Kilobyte auf zwei oder vier usw. – und dass die Unternehmen Zugang zu ausländischen Technologien haben.

    Südkoreanische Konzerne wie Samsung haben nie die Chips mit der geringsten Kapazität hergestellt. Stattdessen haben sie, um direkt bei ihrem Markteintritt 64K-Chips entwickeln zu können, Maschinen und Geräte von Sharp aus Japan verwendet und importiert, und die Lizenz für das Halbleiterdesign kam vom US-Unternehmen Micron Technology.

    Später hat Samsung dann eine Forschungs- und Entwicklungseinrichtung im kalifornischen Silicon Valley aufgebaut, um noch vor den japanischen Firmen Chips mit hoher Kapazität (256K) zu entwerfen. Unterstützt wurde der Konzern dabei durch seine “Stapelmethode” für mehr Komplexität der Chips, die der “Trenching-Methode” von Firmen wie Toshiba überlegen war. Aber Samsung verwendet immer noch Hochtechnologiekomponenten, -teile und -vorprodukte aus Japan oder anderen Ländern und verlässt sich auf Software aus den USA.

    Leapfrogging-Strategie greift nicht für die Chip-Industrie

    In einer Zeit, in der China immer weniger Zugang zu ausländischen Technologien und Vorprodukten hat, wird es dem Land schwerfallen, die Leapfrogging-Strategie nachzuahmen. Halbleiter und andere hochmoderne Sektoren werden von einer sehr kleinen Anzahl von Unternehmen dominiert. In manchen Fällen kann ein bestimmtes Produkt oder Vorprodukt von nur einer oder zwei Firmen geliefert werden.

    Diese Unternehmen sitzen größtenteils in den USA oder Europa. So ist das niederländische Unternehmen ASML der einzige Hersteller von Extrem-Ultraviolett-Lithografiemaschinen (EUV), die für den Chipherstellungsprozess entscheidend sind, und die Software wird von US-Konzernen dominiert.

    Dies bedeutet nicht, dass China keine Chance hat, eine fortschrittliche – oder gar weltweit führende – Halbleiterindustrie zu entwickeln. Auch wenn dies sicherlich nicht über Nacht geschieht, gibt es für das Land Möglichkeiten, seine Aussichten zu verbessern.

    Zunächst einmal ist der Markt für Speicherchips zwar einheitlich – also ohne hoch- oder geringwertige Segmente -, aber der Markt für Systemchips (oder anwendungsspezifische integrierte Schaltkreis-Chips) ist je nach Anwendung segmentiert. Automobilkonzerne beispielsweise benötigen nicht die fortschrittlichsten Produktlinien, die durch die lithografische Herstellung im Bereich von unter zehn Nanometern gekennzeichnet sind. Stattdessen setzen sie 20 Nanometer- oder 30 Nanometer-Prozesstechnologien ein, deren Transfer nicht so streng kontrolliert wird. In diesem Segment erzielt der chinesische Hersteller SMIC enorme Gewinne, die wiederum in fortschrittlichere Chips der zukünftigen Generationen investiert werden können.

    China sucht nach Alternativen zu westlichen Technologien

    Echte “Leapfrogging”-Erfolge werden die Chinesen allerdings erst erzielen, wenn sie einen neuen technologischen Weg finden, der von dem der Marktführer abweicht und damit weniger von westlichen Technologien abhängig ist. Beispielsweise behauptet Micron Technology, Chips der nächsten Generation könnten – anstatt mit EUV – auch mit den neuesten Maschinen mithilfe von “tiefer ultravioletter Lithografie” (DUV) hergestellt werden. Diese Art alternativen Denkens könnte stark dazu beitragen, Chinas Aussichten im Halbleiterbereich zu verbessern.

    Hier sind auch die schnell wachsenden wissenschaftlichen Fähigkeiten des Landes von Vorteil. Zwischen 2013 und 2018 ist der chinesische Anteil von Artikeln in informationstechnischen Zeitschriften von 22,4 Prozent auf fast 40 Prozent gestiegen, während der amerikanische von über 20 Prozent auf 16 Prozent gesunken ist.

    Außerdem könnten die Restriktionen gegen Chinas Zugang zu ausländischen Technologien bald gelockert werden. Manche argumentieren, diese Maßnahmen gegen chinesische Hersteller, darunter auch Halbleiterhersteller, förderten über das verminderte Angebot die schnell steigende US-Inflation. Diesem Effekt soll durch ein neues US-Innovations- und Wettbewerbsgesetz entgegengewirkt werden. Demnach sollen Halbleiterfirmen mit 50 Milliarden Dollar subventioniert werden sollen, was auch ausländische Konzerne wie Samsung oder TSMC mit einschließen könnte. Aber Kritiker weisen darauf hin, dass die Unternehmen diese Subventionen, anstatt sie in Produktionsstätten zu investieren, durch andere Maßnahmen wie Aktienrückkäufe verschwenden könnten. Und es ist noch nicht klar, ob das Gesetz überhaupt eingeführt wird.

    Kurz vor den Zwischenwahlen steht die Biden-Regierung vor einem Dilemma: Lockert sie die Restriktionen gegen chinesische Unternehmen wie Chiphersteller, könnte dies den Inflationsdruck lindern, was laut Biden “innenpolitisch oberste Priorität” besitzt. Gleichzeitig könnten sie es China damit aber ermöglichen, bei seiner Innovationsstrategie Fortschritte zu machen. Bleiben die Restriktionen, wird die Halbleiterknappheit wahrscheinlich weiterhin zur Verstärkung der Inflation beitragen, und China könnte letztlich trotzdem seinen eigenen alternativen Weg zur Spitze finden.

    Keun Lee, Vizevorsitzender des Nationalen Wirtschaftsrats für den südkoreanischen Präsidenten, ist Professor für Ökonomie an der Nationaluniversität von Seoul und Verfasser von China’s Technological Leapfrogging and Economic Catch-up: A Schumpeterian Perspective (Oxford University Press, 2022).

    Übersetzung: Harald Eckhoff. Copyright: Project Syndicate, 2022.
    www.project-syndicate.org

    • Chips
    • Halbleiter
    • Technologie
    • USA

    Personalien

    Tobias Czapka ist bei VW in die Position des Managers für System Engineering BEV-Powertrain China gewechselt. Der Doktor der Ingenieurwissenschaften war bis Juni Lead Technical Project Manager Gasoline Engines bei VW. Auch hier war Czapka bereits für China und die Eastern Regions zuständig.

    Ändert sich etwas in Ihrer Organisation? Schicken Sie doch einen Hinweis für unserer Personal-Kolumne an heads@table.media!

    China.Table Redaktion

    CHINA.TABLE REDAKTION

    Licenses:

      Jetzt kostenlos anmelden und sofort weiterlesen

      Keine Bankdaten. Keine automatische Verlängerung.

      Sie haben bereits das Table.Briefing Abonnement?

      Anmelden und weiterlesen