Table.Briefing: China

VDA-Chefin Hildegard Müller im Interview + Rotor-Recycling

  • VDA-Chefin Müller: “Wir dürfen China nicht isolieren”
  • Windkraft: Hürden beim Recycling von Rotorblättern
  • Kampagne gegen “Fake-News” vor Parteikongress
  • Credit Suisse will in China expandieren
  • Kundendaten müssen im Land bleiben
  • Cansino bekommt Freigabe für Covid-Spray-Impfstoff
  • Protest gegen Waffenlieferung an Taiwan
  • Im Porträt: Nargiza Salidjanova – China-Blick aus Washington
  • Zur Sprache: Schnorrer reiben sich durch
Liebe Leserin, lieber Leser,

die Autobranche befindet sich in einem der größten Umbrüche ihrer Geschichte. Das Verbrenner-Aus im Jahr 2035 ist so gut wie sicher. Dabei hängt noch immer etwa die Hälfte der Arbeitsplätze in der deutschen Autoindustrie am Verbrennungsmotor. Die Angst, in dieser kritischen Zeit auf den chinesischen Markt verzichten zu müssen, wächst – auch angesichts geopolitischer Spannungen zwischen dem Westen und China. Hildegard Müller, Präsidentin des Verbandes der Automobilindustrie (VDA), sieht Handlungsbedarf. “Wir brauchen eine integrierte China-Strategie”, sagt sie im Gespräch mit Table.Media.

Europa müsse sich diversifizieren, resilienter werden, betont die VDA-Chefin mit Nachdruck. Isolieren dürfe man China bei aller gebotenen Vorsicht jedoch nicht. “Einfach raus aus China – das ist nicht die Lösung.” Denn eines dürfe man ebenfalls nicht vergessen: Auch China habe noch immer großes Interesse an unserem Engagement.

China ist und bleibt ein Land der Superlative und der Chancen – auch in der globalen Klimapolitik. Keine andere Nation der Welt hat in den letzten Jahren so viele Windkraftanlagen gebaut wie China. Eine Kehrseite der erneuerbaren Energiequelle ist jedoch das aufwändige Recycling der Anlagen. Immer mehr Turbinen kommen in die Jahre und müssen abgebaut werden. Vor allem die Rotorblätter bereiten Probleme: Sie bestehen aus Verbundstoffen, die sich nur sehr schwer wieder auftrennen lassen.

Besonders in China könnten die damit verbundenen Kosten zu einer Belastung für die Unternehmen und die staatlichen Klimaziele werden, analysiert Nico Beckert. Derzeit gibt es in China kaum nationale Standards zur Entsorgung oder gar konkrete finanzielle Unterstützung wie steuerliche Anreize und Subventionen. In der Praxis enden die riesigen Geräte meist auf Müllhalden. Dabei könnte man aus dem Gemisch Baustoffe machen, mit denen sich sogar CO2 einsparen ließe.

Ihr
Fabian Peltsch
Bild von Fabian  Peltsch

Interview

“Einfach raus aus China ist keine Lösung”

Hildegard Müller ist Präsidentin des Verbandes der Automobilindustrie (VDA) - sie sieht in der Abkehr von Deutschlands Automobilindustrie von China keine Lösung.
Hildegard Müller ist Präsidentin des Verbandes der Automobilindustrie (VDA)

Das Verbrenner-Aus im Jahr 2035 ist so gut wie sicher. BMW, Mercedes und VW sind vorbereitet, schon Ende des Jahrzehnts überwiegend batterieelektrisch zu fahren. Sind es also eher Phantomschmerzen, wenn die Branche stöhnt?

Es ist zur früh für eine abschließende Bewertung. Schließlich steht der Trilog (Verhandlungen innerhalb der EU-Institutionen, Anm. d. Red.) noch aus. Ich warne allerdings ausdrücklich davor, im EU-Gesetzgebungsverfahren das Ambitionsniveau noch weiter in die Höhe zu treiben. Vielmehr gilt es, Rahmenbedingungen zu schaffen, damit die ambitionierten Ziele auch erreicht werden können und die Menschen bei der Transformation mitgenommen werden.

Gleichzeitig steht fest: Die Branche wird es schaffen, auf den relevanten Märkten das E-Auto anzubieten. Die Automobilindustrie hat die Herausforderung der Transformation angenommen. Sie investiert dafür rund 220 Milliarden Euro bis 2026 in Forschung und Entwicklung, vor allem in die Elektromobilität. Dazu kommen bis 2030 noch mindestens 100 Milliarden Euro für den Umbau von Werken. Der Autoindustrie kann also niemand vorwerfen, dass es an uns scheitert. Wir wollen den Hochlauf und treiben die Transformation.

Die Hersteller sind heute in doppelter Weise abhängig von China. BMW, Mercedes und VW brauchen China existenziell als Absatzmarkt wie auch als Lieferant. Hat sich die Industrie zu sehr abhängig gemacht von China?

Die Frage des Verhältnisses zu China geht weit über die Autoindustrie hinaus. Insgesamt beobachten wir auf der Welt fundamentale Veränderungen: Bislang hat die Ökonomie politische Veränderungen begleitet, unterstützt und stabilisiert. Die Tatsache, dass man wirtschaftlich im Gespräch war, hat auch politische Tatsachen geschaffen. Jetzt erleben wir, dass Geoökonomie von einigen als politische Strategie eingesetzt wird. Das ist eine Veränderung, über deren Folgen wir uns in Europa gerade erst bewusst werden.

Was folgt daraus?

Die Antwort kann und darf keine Abkehr von der Globalisierung sein. Der Angriffskrieg von Putin heißt im Gegenteil, dass wir mit noch mehr Ländern reden und zusammenarbeiten müssen. Wir müssen dabei natürlich stärker diversifizieren und Abhängigkeiten reduzieren. Ich werde nicht müde, zu wiederholen: Wir brauchen mehr Rohstoff-, mehr Energie und mehr Handelsabkommen. Es geht nicht, 15 Jahre lang mit Kanada über CETA zu verhandeln und wenn alles fertig ist, noch einmal nachverhandeln zu wollen. Wir brauchen eine Offensive für mehr rechtssichere Abkommen. Andere Staaten sind sehr aktiv, wenn es darum geht, sich Zugänge zu Rohstoffen und zu Energie zu sichern. Wir sind zu oft nicht dabei, sind viel zu langsam und verschlechtern damit zunehmend die Wettbewerbsbedingungen für Europa und damit auch für unsere Industrie. Es geht um den Wohlstand Europas in der Zukunft.

Und was ist mit dem unternehmerischen Engagement?

Die Unternehmen tun alles dafür, sich stärker zu diversifizieren und resilienter zu werden. Sie sind dabei, für Rohstoffe und Vorprodukte alternative Lieferanten zu finden, wo immer das möglich ist und Verträge zu schließen. Handelsabkommen geben den Rahmen, in denen diese Verträge rechtssicher geschlossen werden können. Die andere Frage sind die Absatzmärkte. Natürlich ist China dabei für unsere Branche sehr wichtig. Die Erträge, die wir auch dort machen, spielen die Gewinne ein, mit denen die Transformation bezahlt wird. Auch China hat im Übrigen Interesse an unserem Engagement.

Was heißt das?

Ich wünsche mir eine bessere Begleitung durch die Politik. Wir brauchen eine integrierte China-Strategie. Hier sehe ich aber sehr viel Stillstand, sowohl auf nationaler als auch auf EU-Ebene. Einfach raus aus China – das ist nicht die Lösung. Dafür ist das Land und seine wirtschaftliche Bedeutung zu groß. Wir können China nicht isolieren. Das wäre naiv – und sowohl politisch als auch wirtschaftlich fatal.

Mercedes hat gerade die verschärfte Luxusstrategie verkündet. Das ist ja noch einmal eine verstärkte Ausrichtung auf den chinesischen Markt. Wo sehen Sie Bestrebungen, unabhängiger vom Absatzmarkt China zu werden?

Ich äußere mich zu Strategien einzelner Unternehmen grundsätzlich nicht. Natürlich ist es geboten, zum Beispiel Indien oder zum Beispiel den Asien-Pazifikraum als Absatzmarkt besser zu erschließen. Das geht aber nicht über Nacht.

Die Chipkrise hat die Hersteller viel Geschäft gekostet. Ist es sinnvoller, die Chips hier teurer selbst zu produzieren, statt sie mit Risiko aus Asien zu importieren?

Bei Chips haben wir kein System, das allein von den Gesetzen des Marktes dominiert wird. Vielmehr haben einige Staaten aktive Industriepolitik betrieben und mit viel Subventionen dafür gesorgt, dass Fabriken angesiedelt wurden. Europa hat das lange abgelehnt. Langsam wacht man auf. Es wird höchste Zeit, die EU-Wettbewerbsregeln an die sich verändernden geostrategischen Bedingungen anzupassen. Hier wird schnell als unerlaubte Beihilfe gesehen, was Europa weltweit stärken könnte.

Was heißt das denn?

Die EU hat ja eine Kurskorrektur vorgenommen und zahlreiche IPCEIs (Important Projects of Common European Interest, d. Red.) auch zur Chipproduktion aufgelegt. Dieser Weg ist in diesem Fall richtig: Die Produktion in Europa halte ich für wichtig, um die Industrie resilienter zu machen. 

Rechnen Sie mit dem Einbrechen der Absatzzahlen deutscher Hersteller in China durch die Null-Covid-Strategie?

Nein. Unsere neue Prognose für den chinesischen Markt geht aktuell von einem Plus von neun Prozent aus. Es kämen dann rund 23 Millionen Pkw auf den chinesischen Markt. Offensichtlich wird die Nachfrage nach Autos in China auch dadurch stimuliert, dass das Land die Steuern auf den Kauf zum Teil gesenkt hat. Wir müssen zudem abwarten, ob sich die Lage bei den Lieferketten entspannt. Davon ist abhängig, ob die Hersteller an den europäischen Standorten die Produktionszahlen wieder hochfahren können.  

Hildegard Müller war von 2002 bis 2008 für die CDU Mitglied des Deutschen Bundestages. Von 2005 bis 2008 war sie Staatsministerin im Bundeskanzleramt und Beauftragte für die Bund-Länder-Koordination in der Regierung von Angela Merkel. Seit Februar 2020 ist die 55-Jährige Präsidentin des Verbandes der Automobilindustrie. 

  • Autoindustrie
  • Chips

Analyse

Das Recycling-Problem der Windindustrie

Der Auf- und Abbau von Windturbinen ist in China sehr kostspielig - auch dadurch wird das Recycling erschwert.
Der Auf- und Abbau von Windturbinen ist in China sehr kostspielig. Auch dadurch wird das Recycling erschwert.

Chinas Nationale Energiebehörde (NEA) ruft die Entwickler von Windkraftanlagen dazu auf, alte Anlagen nach gut 15 Jahren durch neue zu ersetzen. Dafür wurde sogar ein Subventionsprogramm verlängert. Bis zum Jahr 2025 müssen mehr als 30 Gigawatt an alten Anlagen abgebaut werden. Und bis zum Jahr 2040 sind es sogar 263 Gigawatt.

Die meisten Teile von Windkraftanlagen können sehr gut recycelt werden. Doch die Rotorblätter stellen die Industrie noch immer vor Probleme. Sie bestehen zu gut 80 bis 90 Prozent aus Verbundstoffen. Dabei gehen die eingesetzten Kunstharze eine feste Verbindung mit den Glas- und Kohlefasern ein, die kaum wieder aufzutrennen ist. Deshalb – und auch weil es am wenigsten kostet – werden Rotorblätter in vielen Ländern auf Deponien entsorgt. In der EU ist die Deponierung derzeit nur in Deutschland, Österreich, den Niederlanden und Finnland verboten.

Bisher wurden für China keine Daten über alte Windturbinen-Blätter erhoben. Allerdings erzeugt die Volksrepublik pro Jahr eine Million Tonnen an Verbundstoff-Müll. Dazu gehören auch die Rotorblätter. Schätzungen zufolge wird derzeit nur circa zehn Prozent dieses Mülls recycelt. “Bei den Rotorblättern dürfte die Zahl noch niedriger sein”, sagt Cosimo Ries von der Beratungsfirma Trivium China gegenüber China.Table.

Rotorblätter werden oft verbrannt

Die Entsorgung der Blätter kann derzeit nicht nachvollzogen werden. “Aktuell gibt es keine klaren Regeln, wie ausgediente Rotorblätter entsorgt werden sollen”, sagt Frank Haugwitz, Experte für Erneuerbare Energien bei der Beratungsagentur Apricum. Ein großer Teil wird verbrannt, auf Mülldeponien entsorgt oder auf Schrottplätzen in großen Stapeln entsorgt, fügt Ries hinzu.

Doch China will das Recycling verbessern. Durch einen Fünfjahresplan für die Kreislaufwirtschaft, der im letzten Sommer veröffentlicht wurde, sollen in rund 60 Städten Recycling-Zentren aufgebaut werden, wie Haugwitz sagt. Dort sollen explizit auch Rotorblätter entsorgt werden.

Doch beim Recycling der Windturbinen-Blätter stehen die Unternehmen vor einigen Problemen. Die veralteten Windturbinen stehen oft in weit entfernten Regionen, die schlecht an die Infrastruktur angebunden sind. Das Recycling würde mit “extrem hohen Kosten für Logistik und Arbeitskräfte” einhergehen, sagt Ries. Der Trivium-Experte nennt das Beispiel des Energieerzeugers China Datang. Für den Abbau von elf Windturbinen einer Windfarm in Guizhou musste das Unternehmen 18,5 Millionen Yuan (umgerechnet 2,7 Millionen Euro) bezahlen. “Das ist eine beträchtliche Summe, vor allem wenn man bedenkt, wie viele Windturbinen in den kommenden Jahrzehnten stillgelegt werden”, so Ries. Die Kosten könnten zu einer “schweren Belastung” für die Unternehmen werden. Derzeit gibt es zudem kaum nationale Standards und Zertifizierungen, die für eine Recycling-Wirtschaft unabdingbar sind.

Recycling der Windturbinen: Kein rentables Geschäftsmodell

Derzeit gibt es in China noch kein rentables Geschäftsmodell zum Recycling der Windturbinen und ihrer Blätter. Das liegt auch daran, weil in den Turbinen nicht so viele kritische Rohstoffe stecken wie beispielsweise in den Akkus von Elektroautos. Dabei könnten die Rotorblätter über Umwege zur CO2-Reduktion beitragen. Erste Unternehmen in den USA und Europa zerschreddern die Blätter und verkaufen das Material an Zementhersteller. Die wiederum stellen daraus einen zementartigen Baustoff her, der in seinen Materialeigenschaften fast an das Original herankommt.

Durch die Nutzung recycelter Rotorblätter müssen weniger Rohstoffe für die Zementherstellung genutzt werden. Laut unterschiedlichen Berechnungen wird durch die Beimischung des Materials 16 bis 27 Prozent weniger CO2 verursacht. Ein noch einfacherer Weg wäre es, die Blätter direkt zu verbrennen und die Hitze zur Zementherstellung zu nutzen. Diesen Weg sind das Unternehmen Geocycle und das Baustoffunternehmen Lafarge in einem Zementbrennofen in Deutschland gegangen. Das Verbrennen alter Windturbinen-Blätter verursacht weniger CO2 als die Nutzung fossiler Brennstoffe.

Pläne werden zu schlecht umgesetzt

Ob sich solche Anwendungen durchsetzen und aufgrund der hohen Kosten in naher Zukunft profitabel werden, ist derzeit noch unklar. Die Regierung in China hat das Thema auf ihrer Agenda, wie die Pläne zum Aufbau einer Recycling-Industrie zeigen. Darin heißt es, dass Industrierohstoffe besser recycelt und neue Industriezweige in dem Bereich gefördert werden sollen. Die Forschung und Entwicklung solle gestärkt werden, um Müll aus Wind- und Solaranlagen einer zweiten industriellen Nutzung zuzuführen.

Doch bei der konkreten Umsetzung dieser Pläne hapert es derzeit noch. “Wir haben noch keine Politik ausgemacht, die konkrete finanzielle Unterstützungsmaßnahmen wie steuerliche Anreize und Subventionen vorsieht, um die Entwicklung einer Recycling-Industrie in dem Bereich zu fördern”, sagt Ries. Es bleibe dementsprechend unklar, wie weit oben auf der Agenda das Problem bei den politisch Verantwortlichen steht, so der Trivium-Experte.

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News

Vor Parteikongress: Cyber-Behörde plant strengere Überwachung

Chinas Cyberspace-Aufsichtsbehörde hat eine dreimonatige Kampagne ins Leben gerufen, die vor dem Parteitag der KP China im Oktober gegen “Fake News” im Internet vorgehen soll. Die Kampagne der Cyberspace Administration of China (CAC) richtet sich demnach gegen “Online-Gerüchte und gefälschte Informationen über große Treffen, wichtige Ereignisse und politische Maßnahmen”, heißt es in einer Erklärung. Verstöße sollten “schnell und streng” geahndet werden. Das Strafmaß bei Zuwiderhandlung wurden nicht bekanntgegeben.

Die Maßnahme soll auch “Gerüchten” über Arbeitssicherheit, Verkehr, Naturkatastrophen sowie falschen Informationen über die Gesellschaft, die Wirtschaft, Epidemien sowie die Verleumdung von Chinas “Helden und Märtyrern” unterbinden, heißt es in einem Bericht von Reuters. Die Online-Plattformen wurden aufgefordert, Konten, die solche Inhalte veröffentlichen, auf eine schwarze Liste zu setzen.

Es wird allgemein erwartet, dass Xi Jinping sich am 16. Oktober eine dritte Amtszeit sichern wird (China.Table berichtete). Die Herausforderungen im Land sind jedoch groß, von hoher Arbeitslosigkeit über ein schwächelndes Wirtschaftswachstum bis hin zum Unmut über die strenge Zero-Covid-Politik der Regierung. rtr/fpe

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Credit Suisse will ins Anlage-Geschäft einsteigen

Die Schweizer Großbank Credit Suisse will im kommenden Jahr mit dem Vermögensverwaltungsgeschäft in China beginnen. “Trotz all der Gerüchte, dass sich die Credit Suisse aus China zurückzieht, ist China für uns ein langfristiges Ziel“, sagte Benjamin Cavalli, Leiter des Wealth-Management-Geschäfts in der Region Asien-Pazifik, der Nachrichtenagentur Reuters. Der Startschuss solle fallen, nachdem die vollständige Übernahme des chinesischen Wertpapier-Gemeinschaftsunternehmens abgeschlossen sei, so Cavalli. Dies dürfte wahrscheinlich bis zum ersten Quartal 2023 der Fall sein.

Das Potenzial für den Verkauf von Vermögensverwaltungsprodukten in der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt sei enorm, betont Cavalli. “Wir werden nie in einen neuen Markt einsteigen, bei dem wir das Gefühl haben, dass wir in drei oder vier Jahren den Ausstieg suchen müssen”, so der Manager.

Im Rahmen von Pekings Öffnung für ausländische Finanzunternehmen hatten die Schweizer erst vor zwei Jahren die Genehmigung erhalten, die Kontrolle über ihr bisheriges chinesisches Joint Venture zu übernehmen. Gleichzeitig plant die krisengeplagte Großbank Insidern zufolge einen Stellenabbau von rund 5.000 Arbeitsplätzen. fpe

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Neues Datentransfer-Gesetz in Kraft

Am vergangenen Donnerstag ist Chinas neues Datentransfergesetz in Kraft getreten. Das hat die zuständige Cyberspace Administration of China (CAC) auf ihrer Webseite bekannt gegeben. Aller Voraussicht wird das Gesetz zum grenzüberschreitenden Datentransfer dazu führen, dass ausländische Unternehmen ihre Daten vermehrt in China speichern. Bislang verlangen die Behörden der CAC von allen betroffenen Unternehmen, dass sie eine Reihe von Unterlagen ausfüllen und der Internet-Aufsichtsbehörde des Landes zur Überprüfung vorlegen, wie die South China Morning Post berichtet.

Zu den von der CAC geforderten Dokumenten gehört ein Selbstbewertungsbericht, der detaillierte Informationen über das Unternehmen, das Daten exportieren möchte, den Empfänger im Ausland und den Umgang mit den Daten enthält. Sobald die Dokumentation abgeschlossen ist, führt die Internetregulierungsbehörde eine Sicherheitsüberprüfung durch, die bis zu 45 Arbeitstage dauern kann.

Zuletzt hatten sich einige internationale Apps und Online-Dienste aus dem chinesischen Markt zurückgezogen. Grund war vor allem die Sorge um Chinas neue Digitalstrategie und die damit verbundenen finanziellen und bürokratischen Herausforderungen (China.Table berichtete). Für viele kleine und mittelständische Unternehmen lohnt sich der Mehraufwand demnach nicht mehr. niw

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Cansino-Impfstoff erhält Notfall-Freigabe

Ein Impfstoff des Unternehmens Cansino Biologics ist von Chinas Arzneimittelbehörde für die Notfallverwendung als Auffrischungsimpfung freigegeben worden. Es handelt sich jedoch nicht um den mRNA-Wirkstoff, der dort in Entwicklung ist, sondern um ein Nasenspray. Das Mittel verwendet einen viralen Vektor, um die Produktion von Bestandteilen von Sars-CoV-2 in Zellen anzuregen. Damit ähnelt es dem Produkt von Astrazeneca.

Es gilt als sinnvoll, Impfstoffe in die Nase zu sprühen. Viele Patienten akzeptieren das eher als eine Spritze. Zudem wirkt der Impfstoff da, wo auch die echten Viren zuerst auftreffen: auf den Schleimhäuten der Atemwege. Noch ist ungewiss, wann der Nasenspray-Impfstoff von Cansino auf den Markt kommt, da noch weitere Genehmigungen erforderlich sind.

Bereits am Freitag hatten die Behörden einem Impfstoff der chinesischen Livzon Pharmaceutical Group ebenfalls eine Notfallzulassung als Auffrischungsimpfung erteilt. Dieses Präparat verwendet einzelne Virenproteine, um eine Immunreaktion zu provozieren. Damit ähnelt das Wirkprinzip hier dem US-Produkt Novavax. Eine Freigabe für ein mRNA-Vakzin steht damit in China weiterhin noch aus. Erst diese gilt als Durchbruch, um unter Null-Covid-Bedingungen schnell hohe Immunität in der Bevölkerung herzustellen.

China hält weiterhin an seinen strikten Null-Covid-Maßnahmen fest. Am Samstag verordnete die Tech-Metropole Shenzhen in vier Distrikten die Schließung von Unterhaltungs- und Kulturbetrieben – ein Mini-Lockdown, der nicht so genannt wird. In Chengdu, der Hauptstadt der Provinz Sichuan, wurden am Donnerstag wegen 132 Neuinfektionen rund 21 Millionen Menschen in den Lockdown geschickt. Insgesamt meldeten die Behörden am 3. September 1.848 neue Coronavirus-Fälle, darunter sowohl symptomatische als auch asymptomatische Infektionen. fin/fpe

  • Chengdu
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  • Pharma
  • Shenzhen

Waffenverkäufe an Taiwan: China droht mit Gegenmaßnahmen

China droht den USA wegen eines angekündigten Waffenverkaufs an Taiwan mit Gegenmaßnahmen. China werde “entschlossen, legitime und notwendige Gegenmaßnahmen ergreifen”, sagte der Sprecher der chinesischen Botschaft in Washington, Liu Pengyu, am Samstag.

Die US-Regierung müsse Waffenverkäufe und militärische Interaktionen mit Taiwan umgehend stoppen, “damit den Beziehungen zwischen China und den USA sowie dem Frieden und der Stabilität in der gesamten Straße von Taiwan nicht weiterer Schaden zugefügt wird”, so Liu weiter.

Insidern zufolge haben die USA Waffenexporte an Taiwan im Wert von 1,1 Milliarden Dollar genehmigt. Das Paket umfasst 60 Anti-Schiffsraketen und 100 Luft-Luft-Raketen (China.Table berichtete). US-Präsident Joe Biden begründet die militärische Unterstützung mit zunehmendem Druck Chinas auf das demokratisch regierte Taiwan. Das Rüstungspaket solle jedoch nur Taiwans Verteidigungsfähigkeit erhalten, nicht aber die militärischen Kapazitäten der Insel erweitern, heißt es aus Washington. fpe

  • Geopolitik
  • Militär
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  • USA

Presseschau

Spannungen mit China: USA verkaufen Taiwan Waffen im Wert von über einer Milliarde Dollar DEUTSCHLANDFUNK
China droht wegen Verkauf von US-Waffen an Taiwan mit Gegenmassnahmen CASH
Taiwan says two Chinese fighters crossed Taiwan Strait median line REUTERS
Präsident des Arbeitgeberverbands Gesamtmetall: Wirtschaftliche Abkehr von China ist nahezu unmöglich T-ONLINE
Habeck verändert deutschen China-Kurs und setzt sich von Baerbock ab – Abhängigkeit verringern FOCUS
China seeks “naval outpost” in Nicaragua to threaten US, Taiwan warns WASHINGTON EXAMINER
Australiens Ex Premier Kevin Rudd: “Dies ist jetzt ein anderes China” FAZ
Der Xinjiang-Bericht erwischt China auf dem falschen Fuß CAPITAL
Menschenrechts-Ausschusschefin Renata Alt fordert Sanktionen nach Xinjiang-Bericht HANDELSBLATT
China’s No. 3 leader to visit Russia next week FRANCE24
Kräftemessen mit China: Indien stellt selbstgebauten Flugzeugträger in Dienst N-TV
Taiwan open to buying Australian exports banned in China AFR
Chinese E-Commerce Companies Suffer as Economy Sours WSJ
Trotz politischer Spannungen – Mercedes-Benz setzt weiter auf China-Geschäft WELT
Tesla in China: Produktion und Absatz fast auf Rekordniveau INSIDEEVS
Klimaschutz – Verbrennerverbot in China: Erste Provinz Hainan macht ernst AUTOMOBIL-INDUSTRIE
Not just Artemis: China and Russia plan to put boots on the moon, too SPACE.COM

Heads

Nargiza Salidjanova – China-Blick aus Washington

Portrait von Nargiza Salidjanova, Direktorin der China-Abteilung der Rhodium Group.
Nargiza Salidjanova, Direktorin der China-Abteilung der Rhodium Group.

Manchmal ist der richtige Zeitpunkt einfach alles. Das durfte auch Nargiza Salidjanova erfahren. “Meine Karriere in den China-Studien hat sich bislang durch richtig gutes Timing ausgezeichnet”, sagt die heutige Direktorin der China-Abteilung der Rhodium Group, einem unabhängigen Forschungsinstitut mit Hauptsitz in New York. Als Salidjanova während des Bachelorstudiums damit begann, sich intensiver mit China zu beschäftigen, wurde die Volksrepublik gerade in die Welthandelsorganisation aufgenommen. “Was für eine ausgezeichnete Möglichkeit für eine Wirtschaftsstudentin, in Echtzeit die Integration eines kommunistischen Landes ins globale Wirtschaftssystem zu verfolgen.” Im Jahr 2007 reiste sie zum ersten Mal nach China. Das Land bereitete sich gerade auf die Olympischen Sommerspiele vor, am Horizont zog die weltweite Finanzkrise auf – ebenfalls ein wegweisendes Jahr.

Ihr Studium schloss sie mit einem Master an der American University in internationaler Wirtschaftspolitik ab. Vor ihrem Eintritt bei der Rhodium Group war sie verantwortliche Direktorin für Wirtschaft und Handel in der “US-China Economic and Security Review Commission”, einem Beratungsorgan des US-Kongresses. In Diensten der Rhodium Group beschäftigt sich Salidjanova vor allem mit ökonomischer Datenanalyse und der ganzheitlichen Bewertung aktueller Entwicklungen in der Volksrepublik.

Es wird immer schwerer, an Informationen zu kommen

Sie selbst habe über die Jahre bemerkt, dass die Arbeit von China-Analysten sehr kompliziert werden kann aufgrund des Mangels an Informationen, unzuverlässigen Quellen und nur unzureichendem Zugang. “Die Pandemie und der Schock durch Russlands Krieg in der Ukraine haben die Situation noch schwieriger gemacht”, sagt Salidjanova. “Analysten müssen kreativ sein, aber auch vorsichtig bleiben, da Chinas Regierung sich darauf konzentriert, immer engere Kontrollen hinsichtlich des Informationsflusses einzurichten.”

Salidjanovas Analysen werden natürlich auch beeinflusst durch ihre eigenen politischen Sichtweisen, wie die in Washington beheimatete Analystin offenlegt. Aus ihrer Sicht ist die Abschwächung der chinesischen Wirtschaft selbstverschuldet, weil Peking auf staatlichen Regularien beharrt, statt Reformen voranzutreiben. “Akteure auf beiden Seiten des Atlantiks und andernorts intensivieren momentan die Diskussion über die Abhängigkeit von chinesischen Produkten und Importen.” Es gebe in der Weltanschauung der KP China einen starken Hang zur Selbstversorgung. Zugleich sei China noch lange nicht bereit, sich vom Ausland unabhängig zu machen und es alleine zu versuchen.

Nuancierte Analyse wichtiger denn je

Einmal mehr sieht sie China an einem Wendepunkt. “Chinas makroökonomische Verlangsamung und die wachsenden geopolitischen Spannungen erhöhen die Notwendigkeit von komplexer und zugleich nuancierter Analyse”, erklärt sie und verweist etwa auf das Projekt “China Pathfinder”, das Rhodium zusammen mit dem Atlantic Council im vergangenen Jahr ins Leben gerufen hat. Dieses Projekt soll bewerten, ob sich China wieder stärker öffnet oder noch weiter gegenüber der freien Marktwirtschaft verschließt.

“Angesichts von Chinas Bedeutung im globalen System ist das Land zu wichtig, um nicht mit ihm zu interagieren, aber der Tenor der Zusammenarbeit hängt vor allem von den Entscheidungen in Peking ab”, argumentiert Salidjanova mit ihrem Blick aus der US-amerikanischen Hauptstadt heraus. In jedem Fall könnte auch aktuell das Timing nicht besser sein, um sich als Analystin mit der facettenreichen Volksrepublik zu beschäftigen. Constantin Eckner

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Personalien

Haixin Ying ist seit dem 1. September bei der Beratungsfirma PKF Fasselt als Steuerberater tätig. Er soll das China-Desk-Team des Duisburger Innenhafens von PKF verstärken, das 70 chinesische Unternehmen in Deutschland betreut. Ying war zuvor Head of Tax bei Huawei Deutschland. Er verfügt über mehr als zehn Jahre Berufserfahrung und hat seine fachlichen Schwerpunkte unter anderem in den Bereichen Verrechnungspreise und Umsatzsteuer.

Uwe Pichler-Necek ist seit Juli Managing Director von Porsche Engineering in China. Porsche Engineering hatte erst Ende August seine Präsenz in Beijing mit einem neuen R&D Zentrum im Bezirk Chaoyang erweitert. Pichler-Necek war bereits im April zu Porsche Engineering in Shanghai dazugestossen, um den bisherigen Managing Director Kurt Schwaiger abzulösen. Schwaiger geht nach sechs Jahren China-Aufenthalt in Rente.

Ändert sich etwas in Ihrer Organisation? Schicken Sie doch einen Hinweis für unsere Personal-Rubrik an heads@table.media!

Zur Sprache

Sich durchreiben

蹭 - cèng -
蹭 – cèng – “sich durchreiben”

Seien wir doch mal ehrlich: Haben wir uns nicht alle schon mal am Gekochten anderer gerieben? Oder vielleicht an fremder Karosserie geschubbert? Nein? An kostenlosem Internet haben Sie sich aber bestimmt schon mal gescheuert, möchte ich wetten!

Wer sich jetzt verdutzt die Augen reibt, hat dennoch richtig gehört. 蹭 cèng “reiben, scheuern” ist im Chinesischen nämlich ein Allrounder-Ausdruck für alles, was mit Mitnahmementalität zu tun hat. Je nach Kontext reicht die Bedeutungspalette vom unauffälligen Abstauben über unverschämtes Schnorren bis hin zum dreisten Schmarotzen. Stellen Sie sich als Eselsbrücke einfach eine Hauskatze vor. Denn wie Pfotenfreunde wissen, reiben sich fellige Vierbeiner gerne an Gegenständen aller Art und auch an fürsorglichen Zweibeinern. In ähnlicher Manier kann man sich auf Chinesisch sprachlich durch den Alltag “schubbern”. Schnorren statt schnurren heißt also die Devise. Im Folgenden ein kleiner Vokabel-Navigator fürs Nassauern!

Reiben kann man sich zum Beispiel an allem Kulinarischen – ob essbar (蹭吃 cèng chī “sich durchfüttern lassen, sich durchfressen”) oder trinkbar (蹭喝 cèng hē “sich durchtrinken, auf Kosten anderer trinken”). Andere sparen vielleicht gerne beim Datenvolumen und scheuern sich knauserig an kostenlosem Internet (蹭网 cèng wǎng “kostenlos im Internet surfen” oder 蹭 Wifi “gratis Wlan abgreifen”). Sparsame Leseratten schubbern sich derweil an ausgeliehenen oder ausrangierten Büchern beziehungsweise schmökern gleich gratis in der Buchhandlung (蹭书 cèng shū “kostenlos Bücher lesen”). Wer sich gerne von anderen herumkutschieren lässt, ohne etwas für die Spritkasse zu spendieren, der “reibt sich an Autos” (蹭车 cèng chē “bei jemandem gratis mitfahren, sich umsonst mitnehmen lassen”). Und wer sich dreist in kostenpflichtige Kurse und Weiterbildungen einschmuggelt, der geht “Kursscheuern” (蹭课 cèng kè).

Streaming-Junckies mit magerem Monetenbestand reiben sich am Mitglieder-Account von Freunden und Bekannten (蹭会员 cèng huìyuán “gratis einen Membership-Zugang mitbenutzen”). Sparsame Sportskanonen schlachten von anderen bezahlte Basketball-, Badminton- und andere Ballplätze aus, indem sie einfach für umme mitspielen (蹭球 cèng qiú – wörtlich “Bälle schmarotzen”). Und nicht zuletzt versteht sich die Medien- und Internet-Community prima auf digitales Datenschubbern.  蹭热度 cèng rèdù (von 热度 rèdù “Hitze, Wärmegrad”) oder 蹭热点 cèng rèdiǎn (von 热点 rèdiǎn “heißes/angesagtes Thema”) nennt man es auf Chinesisch, wenn Accounts und Influencer auf aktuelle Onlinehypes oder Social-Media-Trends aufspringen, um Klicks und Aufmerksamkeit abzugreifen.

Zum Abschluss noch eine bittere Wahrheit für alle Katzenfreunde: Auch Ihr Liebling hat es faustdick hinter den Ohren und ist in Wirklichkeit ein Mitnahmemeister. Nicht nur, dass sich das Fellvieh von uns durchfüttern lässt (zur Erinnerung: 蹭吃 cèng chī oder auch 蹭饭 cèng fàn – “Essen abstauben”). Auch das Reiben an Sachen oder menschlichen Sozialpartnern ist nicht nur Zuneigungsbeweis, sondern auch ein Stück Eigennutz. Es handelt sich um eine Art der Markierung, bei der durch das Reiben über Drüsen am seitlichen Kopf, den Wangen oder der Körperseite Duftstoffe freigesetzt werden. Ihr Liebling drückt Ihnen damit also einen Duftstempel auf und sortiert Sie in die “Meins”-Schublade ein. Aber wie könnte man es den Vierbeinern schon verübeln? Sich von Katzen umstreifen zu lassen, ist schließlich heilsam und meditativ. Sonst gäbe es in Asien wohl kaum so viele Katzencafés.

Etwas abzustauben gibt es übrigens noch bis einschließlich Sonntag beim New-Chinese-Gewinnspiel! Hier geht’s zur Quizfrage.

Verena Menzel betreibt in Peking die Online-Sprachschule New Chinese.

  • Autoindustrie

China.Table Redaktion

CHINA.TABLE REDAKTION

Licenses:
    • VDA-Chefin Müller: “Wir dürfen China nicht isolieren”
    • Windkraft: Hürden beim Recycling von Rotorblättern
    • Kampagne gegen “Fake-News” vor Parteikongress
    • Credit Suisse will in China expandieren
    • Kundendaten müssen im Land bleiben
    • Cansino bekommt Freigabe für Covid-Spray-Impfstoff
    • Protest gegen Waffenlieferung an Taiwan
    • Im Porträt: Nargiza Salidjanova – China-Blick aus Washington
    • Zur Sprache: Schnorrer reiben sich durch
    Liebe Leserin, lieber Leser,

    die Autobranche befindet sich in einem der größten Umbrüche ihrer Geschichte. Das Verbrenner-Aus im Jahr 2035 ist so gut wie sicher. Dabei hängt noch immer etwa die Hälfte der Arbeitsplätze in der deutschen Autoindustrie am Verbrennungsmotor. Die Angst, in dieser kritischen Zeit auf den chinesischen Markt verzichten zu müssen, wächst – auch angesichts geopolitischer Spannungen zwischen dem Westen und China. Hildegard Müller, Präsidentin des Verbandes der Automobilindustrie (VDA), sieht Handlungsbedarf. “Wir brauchen eine integrierte China-Strategie”, sagt sie im Gespräch mit Table.Media.

    Europa müsse sich diversifizieren, resilienter werden, betont die VDA-Chefin mit Nachdruck. Isolieren dürfe man China bei aller gebotenen Vorsicht jedoch nicht. “Einfach raus aus China – das ist nicht die Lösung.” Denn eines dürfe man ebenfalls nicht vergessen: Auch China habe noch immer großes Interesse an unserem Engagement.

    China ist und bleibt ein Land der Superlative und der Chancen – auch in der globalen Klimapolitik. Keine andere Nation der Welt hat in den letzten Jahren so viele Windkraftanlagen gebaut wie China. Eine Kehrseite der erneuerbaren Energiequelle ist jedoch das aufwändige Recycling der Anlagen. Immer mehr Turbinen kommen in die Jahre und müssen abgebaut werden. Vor allem die Rotorblätter bereiten Probleme: Sie bestehen aus Verbundstoffen, die sich nur sehr schwer wieder auftrennen lassen.

    Besonders in China könnten die damit verbundenen Kosten zu einer Belastung für die Unternehmen und die staatlichen Klimaziele werden, analysiert Nico Beckert. Derzeit gibt es in China kaum nationale Standards zur Entsorgung oder gar konkrete finanzielle Unterstützung wie steuerliche Anreize und Subventionen. In der Praxis enden die riesigen Geräte meist auf Müllhalden. Dabei könnte man aus dem Gemisch Baustoffe machen, mit denen sich sogar CO2 einsparen ließe.

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    Fabian Peltsch
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    “Einfach raus aus China ist keine Lösung”

    Hildegard Müller ist Präsidentin des Verbandes der Automobilindustrie (VDA) - sie sieht in der Abkehr von Deutschlands Automobilindustrie von China keine Lösung.
    Hildegard Müller ist Präsidentin des Verbandes der Automobilindustrie (VDA)

    Das Verbrenner-Aus im Jahr 2035 ist so gut wie sicher. BMW, Mercedes und VW sind vorbereitet, schon Ende des Jahrzehnts überwiegend batterieelektrisch zu fahren. Sind es also eher Phantomschmerzen, wenn die Branche stöhnt?

    Es ist zur früh für eine abschließende Bewertung. Schließlich steht der Trilog (Verhandlungen innerhalb der EU-Institutionen, Anm. d. Red.) noch aus. Ich warne allerdings ausdrücklich davor, im EU-Gesetzgebungsverfahren das Ambitionsniveau noch weiter in die Höhe zu treiben. Vielmehr gilt es, Rahmenbedingungen zu schaffen, damit die ambitionierten Ziele auch erreicht werden können und die Menschen bei der Transformation mitgenommen werden.

    Gleichzeitig steht fest: Die Branche wird es schaffen, auf den relevanten Märkten das E-Auto anzubieten. Die Automobilindustrie hat die Herausforderung der Transformation angenommen. Sie investiert dafür rund 220 Milliarden Euro bis 2026 in Forschung und Entwicklung, vor allem in die Elektromobilität. Dazu kommen bis 2030 noch mindestens 100 Milliarden Euro für den Umbau von Werken. Der Autoindustrie kann also niemand vorwerfen, dass es an uns scheitert. Wir wollen den Hochlauf und treiben die Transformation.

    Die Hersteller sind heute in doppelter Weise abhängig von China. BMW, Mercedes und VW brauchen China existenziell als Absatzmarkt wie auch als Lieferant. Hat sich die Industrie zu sehr abhängig gemacht von China?

    Die Frage des Verhältnisses zu China geht weit über die Autoindustrie hinaus. Insgesamt beobachten wir auf der Welt fundamentale Veränderungen: Bislang hat die Ökonomie politische Veränderungen begleitet, unterstützt und stabilisiert. Die Tatsache, dass man wirtschaftlich im Gespräch war, hat auch politische Tatsachen geschaffen. Jetzt erleben wir, dass Geoökonomie von einigen als politische Strategie eingesetzt wird. Das ist eine Veränderung, über deren Folgen wir uns in Europa gerade erst bewusst werden.

    Was folgt daraus?

    Die Antwort kann und darf keine Abkehr von der Globalisierung sein. Der Angriffskrieg von Putin heißt im Gegenteil, dass wir mit noch mehr Ländern reden und zusammenarbeiten müssen. Wir müssen dabei natürlich stärker diversifizieren und Abhängigkeiten reduzieren. Ich werde nicht müde, zu wiederholen: Wir brauchen mehr Rohstoff-, mehr Energie und mehr Handelsabkommen. Es geht nicht, 15 Jahre lang mit Kanada über CETA zu verhandeln und wenn alles fertig ist, noch einmal nachverhandeln zu wollen. Wir brauchen eine Offensive für mehr rechtssichere Abkommen. Andere Staaten sind sehr aktiv, wenn es darum geht, sich Zugänge zu Rohstoffen und zu Energie zu sichern. Wir sind zu oft nicht dabei, sind viel zu langsam und verschlechtern damit zunehmend die Wettbewerbsbedingungen für Europa und damit auch für unsere Industrie. Es geht um den Wohlstand Europas in der Zukunft.

    Und was ist mit dem unternehmerischen Engagement?

    Die Unternehmen tun alles dafür, sich stärker zu diversifizieren und resilienter zu werden. Sie sind dabei, für Rohstoffe und Vorprodukte alternative Lieferanten zu finden, wo immer das möglich ist und Verträge zu schließen. Handelsabkommen geben den Rahmen, in denen diese Verträge rechtssicher geschlossen werden können. Die andere Frage sind die Absatzmärkte. Natürlich ist China dabei für unsere Branche sehr wichtig. Die Erträge, die wir auch dort machen, spielen die Gewinne ein, mit denen die Transformation bezahlt wird. Auch China hat im Übrigen Interesse an unserem Engagement.

    Was heißt das?

    Ich wünsche mir eine bessere Begleitung durch die Politik. Wir brauchen eine integrierte China-Strategie. Hier sehe ich aber sehr viel Stillstand, sowohl auf nationaler als auch auf EU-Ebene. Einfach raus aus China – das ist nicht die Lösung. Dafür ist das Land und seine wirtschaftliche Bedeutung zu groß. Wir können China nicht isolieren. Das wäre naiv – und sowohl politisch als auch wirtschaftlich fatal.

    Mercedes hat gerade die verschärfte Luxusstrategie verkündet. Das ist ja noch einmal eine verstärkte Ausrichtung auf den chinesischen Markt. Wo sehen Sie Bestrebungen, unabhängiger vom Absatzmarkt China zu werden?

    Ich äußere mich zu Strategien einzelner Unternehmen grundsätzlich nicht. Natürlich ist es geboten, zum Beispiel Indien oder zum Beispiel den Asien-Pazifikraum als Absatzmarkt besser zu erschließen. Das geht aber nicht über Nacht.

    Die Chipkrise hat die Hersteller viel Geschäft gekostet. Ist es sinnvoller, die Chips hier teurer selbst zu produzieren, statt sie mit Risiko aus Asien zu importieren?

    Bei Chips haben wir kein System, das allein von den Gesetzen des Marktes dominiert wird. Vielmehr haben einige Staaten aktive Industriepolitik betrieben und mit viel Subventionen dafür gesorgt, dass Fabriken angesiedelt wurden. Europa hat das lange abgelehnt. Langsam wacht man auf. Es wird höchste Zeit, die EU-Wettbewerbsregeln an die sich verändernden geostrategischen Bedingungen anzupassen. Hier wird schnell als unerlaubte Beihilfe gesehen, was Europa weltweit stärken könnte.

    Was heißt das denn?

    Die EU hat ja eine Kurskorrektur vorgenommen und zahlreiche IPCEIs (Important Projects of Common European Interest, d. Red.) auch zur Chipproduktion aufgelegt. Dieser Weg ist in diesem Fall richtig: Die Produktion in Europa halte ich für wichtig, um die Industrie resilienter zu machen. 

    Rechnen Sie mit dem Einbrechen der Absatzzahlen deutscher Hersteller in China durch die Null-Covid-Strategie?

    Nein. Unsere neue Prognose für den chinesischen Markt geht aktuell von einem Plus von neun Prozent aus. Es kämen dann rund 23 Millionen Pkw auf den chinesischen Markt. Offensichtlich wird die Nachfrage nach Autos in China auch dadurch stimuliert, dass das Land die Steuern auf den Kauf zum Teil gesenkt hat. Wir müssen zudem abwarten, ob sich die Lage bei den Lieferketten entspannt. Davon ist abhängig, ob die Hersteller an den europäischen Standorten die Produktionszahlen wieder hochfahren können.  

    Hildegard Müller war von 2002 bis 2008 für die CDU Mitglied des Deutschen Bundestages. Von 2005 bis 2008 war sie Staatsministerin im Bundeskanzleramt und Beauftragte für die Bund-Länder-Koordination in der Regierung von Angela Merkel. Seit Februar 2020 ist die 55-Jährige Präsidentin des Verbandes der Automobilindustrie. 

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    Analyse

    Das Recycling-Problem der Windindustrie

    Der Auf- und Abbau von Windturbinen ist in China sehr kostspielig - auch dadurch wird das Recycling erschwert.
    Der Auf- und Abbau von Windturbinen ist in China sehr kostspielig. Auch dadurch wird das Recycling erschwert.

    Chinas Nationale Energiebehörde (NEA) ruft die Entwickler von Windkraftanlagen dazu auf, alte Anlagen nach gut 15 Jahren durch neue zu ersetzen. Dafür wurde sogar ein Subventionsprogramm verlängert. Bis zum Jahr 2025 müssen mehr als 30 Gigawatt an alten Anlagen abgebaut werden. Und bis zum Jahr 2040 sind es sogar 263 Gigawatt.

    Die meisten Teile von Windkraftanlagen können sehr gut recycelt werden. Doch die Rotorblätter stellen die Industrie noch immer vor Probleme. Sie bestehen zu gut 80 bis 90 Prozent aus Verbundstoffen. Dabei gehen die eingesetzten Kunstharze eine feste Verbindung mit den Glas- und Kohlefasern ein, die kaum wieder aufzutrennen ist. Deshalb – und auch weil es am wenigsten kostet – werden Rotorblätter in vielen Ländern auf Deponien entsorgt. In der EU ist die Deponierung derzeit nur in Deutschland, Österreich, den Niederlanden und Finnland verboten.

    Bisher wurden für China keine Daten über alte Windturbinen-Blätter erhoben. Allerdings erzeugt die Volksrepublik pro Jahr eine Million Tonnen an Verbundstoff-Müll. Dazu gehören auch die Rotorblätter. Schätzungen zufolge wird derzeit nur circa zehn Prozent dieses Mülls recycelt. “Bei den Rotorblättern dürfte die Zahl noch niedriger sein”, sagt Cosimo Ries von der Beratungsfirma Trivium China gegenüber China.Table.

    Rotorblätter werden oft verbrannt

    Die Entsorgung der Blätter kann derzeit nicht nachvollzogen werden. “Aktuell gibt es keine klaren Regeln, wie ausgediente Rotorblätter entsorgt werden sollen”, sagt Frank Haugwitz, Experte für Erneuerbare Energien bei der Beratungsagentur Apricum. Ein großer Teil wird verbrannt, auf Mülldeponien entsorgt oder auf Schrottplätzen in großen Stapeln entsorgt, fügt Ries hinzu.

    Doch China will das Recycling verbessern. Durch einen Fünfjahresplan für die Kreislaufwirtschaft, der im letzten Sommer veröffentlicht wurde, sollen in rund 60 Städten Recycling-Zentren aufgebaut werden, wie Haugwitz sagt. Dort sollen explizit auch Rotorblätter entsorgt werden.

    Doch beim Recycling der Windturbinen-Blätter stehen die Unternehmen vor einigen Problemen. Die veralteten Windturbinen stehen oft in weit entfernten Regionen, die schlecht an die Infrastruktur angebunden sind. Das Recycling würde mit “extrem hohen Kosten für Logistik und Arbeitskräfte” einhergehen, sagt Ries. Der Trivium-Experte nennt das Beispiel des Energieerzeugers China Datang. Für den Abbau von elf Windturbinen einer Windfarm in Guizhou musste das Unternehmen 18,5 Millionen Yuan (umgerechnet 2,7 Millionen Euro) bezahlen. “Das ist eine beträchtliche Summe, vor allem wenn man bedenkt, wie viele Windturbinen in den kommenden Jahrzehnten stillgelegt werden”, so Ries. Die Kosten könnten zu einer “schweren Belastung” für die Unternehmen werden. Derzeit gibt es zudem kaum nationale Standards und Zertifizierungen, die für eine Recycling-Wirtschaft unabdingbar sind.

    Recycling der Windturbinen: Kein rentables Geschäftsmodell

    Derzeit gibt es in China noch kein rentables Geschäftsmodell zum Recycling der Windturbinen und ihrer Blätter. Das liegt auch daran, weil in den Turbinen nicht so viele kritische Rohstoffe stecken wie beispielsweise in den Akkus von Elektroautos. Dabei könnten die Rotorblätter über Umwege zur CO2-Reduktion beitragen. Erste Unternehmen in den USA und Europa zerschreddern die Blätter und verkaufen das Material an Zementhersteller. Die wiederum stellen daraus einen zementartigen Baustoff her, der in seinen Materialeigenschaften fast an das Original herankommt.

    Durch die Nutzung recycelter Rotorblätter müssen weniger Rohstoffe für die Zementherstellung genutzt werden. Laut unterschiedlichen Berechnungen wird durch die Beimischung des Materials 16 bis 27 Prozent weniger CO2 verursacht. Ein noch einfacherer Weg wäre es, die Blätter direkt zu verbrennen und die Hitze zur Zementherstellung zu nutzen. Diesen Weg sind das Unternehmen Geocycle und das Baustoffunternehmen Lafarge in einem Zementbrennofen in Deutschland gegangen. Das Verbrennen alter Windturbinen-Blätter verursacht weniger CO2 als die Nutzung fossiler Brennstoffe.

    Pläne werden zu schlecht umgesetzt

    Ob sich solche Anwendungen durchsetzen und aufgrund der hohen Kosten in naher Zukunft profitabel werden, ist derzeit noch unklar. Die Regierung in China hat das Thema auf ihrer Agenda, wie die Pläne zum Aufbau einer Recycling-Industrie zeigen. Darin heißt es, dass Industrierohstoffe besser recycelt und neue Industriezweige in dem Bereich gefördert werden sollen. Die Forschung und Entwicklung solle gestärkt werden, um Müll aus Wind- und Solaranlagen einer zweiten industriellen Nutzung zuzuführen.

    Doch bei der konkreten Umsetzung dieser Pläne hapert es derzeit noch. “Wir haben noch keine Politik ausgemacht, die konkrete finanzielle Unterstützungsmaßnahmen wie steuerliche Anreize und Subventionen vorsieht, um die Entwicklung einer Recycling-Industrie in dem Bereich zu fördern”, sagt Ries. Es bleibe dementsprechend unklar, wie weit oben auf der Agenda das Problem bei den politisch Verantwortlichen steht, so der Trivium-Experte.

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    News

    Vor Parteikongress: Cyber-Behörde plant strengere Überwachung

    Chinas Cyberspace-Aufsichtsbehörde hat eine dreimonatige Kampagne ins Leben gerufen, die vor dem Parteitag der KP China im Oktober gegen “Fake News” im Internet vorgehen soll. Die Kampagne der Cyberspace Administration of China (CAC) richtet sich demnach gegen “Online-Gerüchte und gefälschte Informationen über große Treffen, wichtige Ereignisse und politische Maßnahmen”, heißt es in einer Erklärung. Verstöße sollten “schnell und streng” geahndet werden. Das Strafmaß bei Zuwiderhandlung wurden nicht bekanntgegeben.

    Die Maßnahme soll auch “Gerüchten” über Arbeitssicherheit, Verkehr, Naturkatastrophen sowie falschen Informationen über die Gesellschaft, die Wirtschaft, Epidemien sowie die Verleumdung von Chinas “Helden und Märtyrern” unterbinden, heißt es in einem Bericht von Reuters. Die Online-Plattformen wurden aufgefordert, Konten, die solche Inhalte veröffentlichen, auf eine schwarze Liste zu setzen.

    Es wird allgemein erwartet, dass Xi Jinping sich am 16. Oktober eine dritte Amtszeit sichern wird (China.Table berichtete). Die Herausforderungen im Land sind jedoch groß, von hoher Arbeitslosigkeit über ein schwächelndes Wirtschaftswachstum bis hin zum Unmut über die strenge Zero-Covid-Politik der Regierung. rtr/fpe

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    Credit Suisse will ins Anlage-Geschäft einsteigen

    Die Schweizer Großbank Credit Suisse will im kommenden Jahr mit dem Vermögensverwaltungsgeschäft in China beginnen. “Trotz all der Gerüchte, dass sich die Credit Suisse aus China zurückzieht, ist China für uns ein langfristiges Ziel“, sagte Benjamin Cavalli, Leiter des Wealth-Management-Geschäfts in der Region Asien-Pazifik, der Nachrichtenagentur Reuters. Der Startschuss solle fallen, nachdem die vollständige Übernahme des chinesischen Wertpapier-Gemeinschaftsunternehmens abgeschlossen sei, so Cavalli. Dies dürfte wahrscheinlich bis zum ersten Quartal 2023 der Fall sein.

    Das Potenzial für den Verkauf von Vermögensverwaltungsprodukten in der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt sei enorm, betont Cavalli. “Wir werden nie in einen neuen Markt einsteigen, bei dem wir das Gefühl haben, dass wir in drei oder vier Jahren den Ausstieg suchen müssen”, so der Manager.

    Im Rahmen von Pekings Öffnung für ausländische Finanzunternehmen hatten die Schweizer erst vor zwei Jahren die Genehmigung erhalten, die Kontrolle über ihr bisheriges chinesisches Joint Venture zu übernehmen. Gleichzeitig plant die krisengeplagte Großbank Insidern zufolge einen Stellenabbau von rund 5.000 Arbeitsplätzen. fpe

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    Neues Datentransfer-Gesetz in Kraft

    Am vergangenen Donnerstag ist Chinas neues Datentransfergesetz in Kraft getreten. Das hat die zuständige Cyberspace Administration of China (CAC) auf ihrer Webseite bekannt gegeben. Aller Voraussicht wird das Gesetz zum grenzüberschreitenden Datentransfer dazu führen, dass ausländische Unternehmen ihre Daten vermehrt in China speichern. Bislang verlangen die Behörden der CAC von allen betroffenen Unternehmen, dass sie eine Reihe von Unterlagen ausfüllen und der Internet-Aufsichtsbehörde des Landes zur Überprüfung vorlegen, wie die South China Morning Post berichtet.

    Zu den von der CAC geforderten Dokumenten gehört ein Selbstbewertungsbericht, der detaillierte Informationen über das Unternehmen, das Daten exportieren möchte, den Empfänger im Ausland und den Umgang mit den Daten enthält. Sobald die Dokumentation abgeschlossen ist, führt die Internetregulierungsbehörde eine Sicherheitsüberprüfung durch, die bis zu 45 Arbeitstage dauern kann.

    Zuletzt hatten sich einige internationale Apps und Online-Dienste aus dem chinesischen Markt zurückgezogen. Grund war vor allem die Sorge um Chinas neue Digitalstrategie und die damit verbundenen finanziellen und bürokratischen Herausforderungen (China.Table berichtete). Für viele kleine und mittelständische Unternehmen lohnt sich der Mehraufwand demnach nicht mehr. niw

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    Cansino-Impfstoff erhält Notfall-Freigabe

    Ein Impfstoff des Unternehmens Cansino Biologics ist von Chinas Arzneimittelbehörde für die Notfallverwendung als Auffrischungsimpfung freigegeben worden. Es handelt sich jedoch nicht um den mRNA-Wirkstoff, der dort in Entwicklung ist, sondern um ein Nasenspray. Das Mittel verwendet einen viralen Vektor, um die Produktion von Bestandteilen von Sars-CoV-2 in Zellen anzuregen. Damit ähnelt es dem Produkt von Astrazeneca.

    Es gilt als sinnvoll, Impfstoffe in die Nase zu sprühen. Viele Patienten akzeptieren das eher als eine Spritze. Zudem wirkt der Impfstoff da, wo auch die echten Viren zuerst auftreffen: auf den Schleimhäuten der Atemwege. Noch ist ungewiss, wann der Nasenspray-Impfstoff von Cansino auf den Markt kommt, da noch weitere Genehmigungen erforderlich sind.

    Bereits am Freitag hatten die Behörden einem Impfstoff der chinesischen Livzon Pharmaceutical Group ebenfalls eine Notfallzulassung als Auffrischungsimpfung erteilt. Dieses Präparat verwendet einzelne Virenproteine, um eine Immunreaktion zu provozieren. Damit ähnelt das Wirkprinzip hier dem US-Produkt Novavax. Eine Freigabe für ein mRNA-Vakzin steht damit in China weiterhin noch aus. Erst diese gilt als Durchbruch, um unter Null-Covid-Bedingungen schnell hohe Immunität in der Bevölkerung herzustellen.

    China hält weiterhin an seinen strikten Null-Covid-Maßnahmen fest. Am Samstag verordnete die Tech-Metropole Shenzhen in vier Distrikten die Schließung von Unterhaltungs- und Kulturbetrieben – ein Mini-Lockdown, der nicht so genannt wird. In Chengdu, der Hauptstadt der Provinz Sichuan, wurden am Donnerstag wegen 132 Neuinfektionen rund 21 Millionen Menschen in den Lockdown geschickt. Insgesamt meldeten die Behörden am 3. September 1.848 neue Coronavirus-Fälle, darunter sowohl symptomatische als auch asymptomatische Infektionen. fin/fpe

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    Waffenverkäufe an Taiwan: China droht mit Gegenmaßnahmen

    China droht den USA wegen eines angekündigten Waffenverkaufs an Taiwan mit Gegenmaßnahmen. China werde “entschlossen, legitime und notwendige Gegenmaßnahmen ergreifen”, sagte der Sprecher der chinesischen Botschaft in Washington, Liu Pengyu, am Samstag.

    Die US-Regierung müsse Waffenverkäufe und militärische Interaktionen mit Taiwan umgehend stoppen, “damit den Beziehungen zwischen China und den USA sowie dem Frieden und der Stabilität in der gesamten Straße von Taiwan nicht weiterer Schaden zugefügt wird”, so Liu weiter.

    Insidern zufolge haben die USA Waffenexporte an Taiwan im Wert von 1,1 Milliarden Dollar genehmigt. Das Paket umfasst 60 Anti-Schiffsraketen und 100 Luft-Luft-Raketen (China.Table berichtete). US-Präsident Joe Biden begründet die militärische Unterstützung mit zunehmendem Druck Chinas auf das demokratisch regierte Taiwan. Das Rüstungspaket solle jedoch nur Taiwans Verteidigungsfähigkeit erhalten, nicht aber die militärischen Kapazitäten der Insel erweitern, heißt es aus Washington. fpe

    • Geopolitik
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    • Taiwan
    • USA

    Presseschau

    Spannungen mit China: USA verkaufen Taiwan Waffen im Wert von über einer Milliarde Dollar DEUTSCHLANDFUNK
    China droht wegen Verkauf von US-Waffen an Taiwan mit Gegenmassnahmen CASH
    Taiwan says two Chinese fighters crossed Taiwan Strait median line REUTERS
    Präsident des Arbeitgeberverbands Gesamtmetall: Wirtschaftliche Abkehr von China ist nahezu unmöglich T-ONLINE
    Habeck verändert deutschen China-Kurs und setzt sich von Baerbock ab – Abhängigkeit verringern FOCUS
    China seeks “naval outpost” in Nicaragua to threaten US, Taiwan warns WASHINGTON EXAMINER
    Australiens Ex Premier Kevin Rudd: “Dies ist jetzt ein anderes China” FAZ
    Der Xinjiang-Bericht erwischt China auf dem falschen Fuß CAPITAL
    Menschenrechts-Ausschusschefin Renata Alt fordert Sanktionen nach Xinjiang-Bericht HANDELSBLATT
    China’s No. 3 leader to visit Russia next week FRANCE24
    Kräftemessen mit China: Indien stellt selbstgebauten Flugzeugträger in Dienst N-TV
    Taiwan open to buying Australian exports banned in China AFR
    Chinese E-Commerce Companies Suffer as Economy Sours WSJ
    Trotz politischer Spannungen – Mercedes-Benz setzt weiter auf China-Geschäft WELT
    Tesla in China: Produktion und Absatz fast auf Rekordniveau INSIDEEVS
    Klimaschutz – Verbrennerverbot in China: Erste Provinz Hainan macht ernst AUTOMOBIL-INDUSTRIE
    Not just Artemis: China and Russia plan to put boots on the moon, too SPACE.COM

    Heads

    Nargiza Salidjanova – China-Blick aus Washington

    Portrait von Nargiza Salidjanova, Direktorin der China-Abteilung der Rhodium Group.
    Nargiza Salidjanova, Direktorin der China-Abteilung der Rhodium Group.

    Manchmal ist der richtige Zeitpunkt einfach alles. Das durfte auch Nargiza Salidjanova erfahren. “Meine Karriere in den China-Studien hat sich bislang durch richtig gutes Timing ausgezeichnet”, sagt die heutige Direktorin der China-Abteilung der Rhodium Group, einem unabhängigen Forschungsinstitut mit Hauptsitz in New York. Als Salidjanova während des Bachelorstudiums damit begann, sich intensiver mit China zu beschäftigen, wurde die Volksrepublik gerade in die Welthandelsorganisation aufgenommen. “Was für eine ausgezeichnete Möglichkeit für eine Wirtschaftsstudentin, in Echtzeit die Integration eines kommunistischen Landes ins globale Wirtschaftssystem zu verfolgen.” Im Jahr 2007 reiste sie zum ersten Mal nach China. Das Land bereitete sich gerade auf die Olympischen Sommerspiele vor, am Horizont zog die weltweite Finanzkrise auf – ebenfalls ein wegweisendes Jahr.

    Ihr Studium schloss sie mit einem Master an der American University in internationaler Wirtschaftspolitik ab. Vor ihrem Eintritt bei der Rhodium Group war sie verantwortliche Direktorin für Wirtschaft und Handel in der “US-China Economic and Security Review Commission”, einem Beratungsorgan des US-Kongresses. In Diensten der Rhodium Group beschäftigt sich Salidjanova vor allem mit ökonomischer Datenanalyse und der ganzheitlichen Bewertung aktueller Entwicklungen in der Volksrepublik.

    Es wird immer schwerer, an Informationen zu kommen

    Sie selbst habe über die Jahre bemerkt, dass die Arbeit von China-Analysten sehr kompliziert werden kann aufgrund des Mangels an Informationen, unzuverlässigen Quellen und nur unzureichendem Zugang. “Die Pandemie und der Schock durch Russlands Krieg in der Ukraine haben die Situation noch schwieriger gemacht”, sagt Salidjanova. “Analysten müssen kreativ sein, aber auch vorsichtig bleiben, da Chinas Regierung sich darauf konzentriert, immer engere Kontrollen hinsichtlich des Informationsflusses einzurichten.”

    Salidjanovas Analysen werden natürlich auch beeinflusst durch ihre eigenen politischen Sichtweisen, wie die in Washington beheimatete Analystin offenlegt. Aus ihrer Sicht ist die Abschwächung der chinesischen Wirtschaft selbstverschuldet, weil Peking auf staatlichen Regularien beharrt, statt Reformen voranzutreiben. “Akteure auf beiden Seiten des Atlantiks und andernorts intensivieren momentan die Diskussion über die Abhängigkeit von chinesischen Produkten und Importen.” Es gebe in der Weltanschauung der KP China einen starken Hang zur Selbstversorgung. Zugleich sei China noch lange nicht bereit, sich vom Ausland unabhängig zu machen und es alleine zu versuchen.

    Nuancierte Analyse wichtiger denn je

    Einmal mehr sieht sie China an einem Wendepunkt. “Chinas makroökonomische Verlangsamung und die wachsenden geopolitischen Spannungen erhöhen die Notwendigkeit von komplexer und zugleich nuancierter Analyse”, erklärt sie und verweist etwa auf das Projekt “China Pathfinder”, das Rhodium zusammen mit dem Atlantic Council im vergangenen Jahr ins Leben gerufen hat. Dieses Projekt soll bewerten, ob sich China wieder stärker öffnet oder noch weiter gegenüber der freien Marktwirtschaft verschließt.

    “Angesichts von Chinas Bedeutung im globalen System ist das Land zu wichtig, um nicht mit ihm zu interagieren, aber der Tenor der Zusammenarbeit hängt vor allem von den Entscheidungen in Peking ab”, argumentiert Salidjanova mit ihrem Blick aus der US-amerikanischen Hauptstadt heraus. In jedem Fall könnte auch aktuell das Timing nicht besser sein, um sich als Analystin mit der facettenreichen Volksrepublik zu beschäftigen. Constantin Eckner

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    Personalien

    Haixin Ying ist seit dem 1. September bei der Beratungsfirma PKF Fasselt als Steuerberater tätig. Er soll das China-Desk-Team des Duisburger Innenhafens von PKF verstärken, das 70 chinesische Unternehmen in Deutschland betreut. Ying war zuvor Head of Tax bei Huawei Deutschland. Er verfügt über mehr als zehn Jahre Berufserfahrung und hat seine fachlichen Schwerpunkte unter anderem in den Bereichen Verrechnungspreise und Umsatzsteuer.

    Uwe Pichler-Necek ist seit Juli Managing Director von Porsche Engineering in China. Porsche Engineering hatte erst Ende August seine Präsenz in Beijing mit einem neuen R&D Zentrum im Bezirk Chaoyang erweitert. Pichler-Necek war bereits im April zu Porsche Engineering in Shanghai dazugestossen, um den bisherigen Managing Director Kurt Schwaiger abzulösen. Schwaiger geht nach sechs Jahren China-Aufenthalt in Rente.

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    Sich durchreiben

    蹭 - cèng -
    蹭 – cèng – “sich durchreiben”

    Seien wir doch mal ehrlich: Haben wir uns nicht alle schon mal am Gekochten anderer gerieben? Oder vielleicht an fremder Karosserie geschubbert? Nein? An kostenlosem Internet haben Sie sich aber bestimmt schon mal gescheuert, möchte ich wetten!

    Wer sich jetzt verdutzt die Augen reibt, hat dennoch richtig gehört. 蹭 cèng “reiben, scheuern” ist im Chinesischen nämlich ein Allrounder-Ausdruck für alles, was mit Mitnahmementalität zu tun hat. Je nach Kontext reicht die Bedeutungspalette vom unauffälligen Abstauben über unverschämtes Schnorren bis hin zum dreisten Schmarotzen. Stellen Sie sich als Eselsbrücke einfach eine Hauskatze vor. Denn wie Pfotenfreunde wissen, reiben sich fellige Vierbeiner gerne an Gegenständen aller Art und auch an fürsorglichen Zweibeinern. In ähnlicher Manier kann man sich auf Chinesisch sprachlich durch den Alltag “schubbern”. Schnorren statt schnurren heißt also die Devise. Im Folgenden ein kleiner Vokabel-Navigator fürs Nassauern!

    Reiben kann man sich zum Beispiel an allem Kulinarischen – ob essbar (蹭吃 cèng chī “sich durchfüttern lassen, sich durchfressen”) oder trinkbar (蹭喝 cèng hē “sich durchtrinken, auf Kosten anderer trinken”). Andere sparen vielleicht gerne beim Datenvolumen und scheuern sich knauserig an kostenlosem Internet (蹭网 cèng wǎng “kostenlos im Internet surfen” oder 蹭 Wifi “gratis Wlan abgreifen”). Sparsame Leseratten schubbern sich derweil an ausgeliehenen oder ausrangierten Büchern beziehungsweise schmökern gleich gratis in der Buchhandlung (蹭书 cèng shū “kostenlos Bücher lesen”). Wer sich gerne von anderen herumkutschieren lässt, ohne etwas für die Spritkasse zu spendieren, der “reibt sich an Autos” (蹭车 cèng chē “bei jemandem gratis mitfahren, sich umsonst mitnehmen lassen”). Und wer sich dreist in kostenpflichtige Kurse und Weiterbildungen einschmuggelt, der geht “Kursscheuern” (蹭课 cèng kè).

    Streaming-Junckies mit magerem Monetenbestand reiben sich am Mitglieder-Account von Freunden und Bekannten (蹭会员 cèng huìyuán “gratis einen Membership-Zugang mitbenutzen”). Sparsame Sportskanonen schlachten von anderen bezahlte Basketball-, Badminton- und andere Ballplätze aus, indem sie einfach für umme mitspielen (蹭球 cèng qiú – wörtlich “Bälle schmarotzen”). Und nicht zuletzt versteht sich die Medien- und Internet-Community prima auf digitales Datenschubbern.  蹭热度 cèng rèdù (von 热度 rèdù “Hitze, Wärmegrad”) oder 蹭热点 cèng rèdiǎn (von 热点 rèdiǎn “heißes/angesagtes Thema”) nennt man es auf Chinesisch, wenn Accounts und Influencer auf aktuelle Onlinehypes oder Social-Media-Trends aufspringen, um Klicks und Aufmerksamkeit abzugreifen.

    Zum Abschluss noch eine bittere Wahrheit für alle Katzenfreunde: Auch Ihr Liebling hat es faustdick hinter den Ohren und ist in Wirklichkeit ein Mitnahmemeister. Nicht nur, dass sich das Fellvieh von uns durchfüttern lässt (zur Erinnerung: 蹭吃 cèng chī oder auch 蹭饭 cèng fàn – “Essen abstauben”). Auch das Reiben an Sachen oder menschlichen Sozialpartnern ist nicht nur Zuneigungsbeweis, sondern auch ein Stück Eigennutz. Es handelt sich um eine Art der Markierung, bei der durch das Reiben über Drüsen am seitlichen Kopf, den Wangen oder der Körperseite Duftstoffe freigesetzt werden. Ihr Liebling drückt Ihnen damit also einen Duftstempel auf und sortiert Sie in die “Meins”-Schublade ein. Aber wie könnte man es den Vierbeinern schon verübeln? Sich von Katzen umstreifen zu lassen, ist schließlich heilsam und meditativ. Sonst gäbe es in Asien wohl kaum so viele Katzencafés.

    Etwas abzustauben gibt es übrigens noch bis einschließlich Sonntag beim New-Chinese-Gewinnspiel! Hier geht’s zur Quizfrage.

    Verena Menzel betreibt in Peking die Online-Sprachschule New Chinese.

    • Autoindustrie

    China.Table Redaktion

    CHINA.TABLE REDAKTION

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