ein Bild sagt mehr als tausend Worte – selbst wir Mitglieder der schreibenden Zunft müssen das oft anerkennen. Ganz deutlich wird das bei den Werken des Pekinger Künstlers Brother Nut. Mit kreativen Aktionen wie einem aus Smog gepressten Ziegelstein macht er auf die Umwelt- und Klimaprobleme Chinas aufmerksam. Und erzeugt dabei eindrückliche Bilder, die wohl länger im Gedächtnis bleiben als viele schriftliche Schilderungen der Klima- und Umweltprobleme.
Im Gespräch mit Renxiu Zhao erzählt Brother Nut, dass das Wirtschaftswachstum in den vergangenen Jahrzehnten häufig auf Kosten der Umwelt erreicht wurde. Es raubt den Menschen das Trinkwasser und verseucht den Boden, auf dem die Menschen eigentlich ihr Auskommen erzielen sollten. Verzweiflung ist die Folge. Denn die Opfer der Umweltverschmutzung finden selten Gehör bei den Behörden. Die Öffentlichkeit erfährt häufig nicht von den Problemen in anderen Landesteilen. Doch da die Klimakrise auch alle Chinesinnen und Chinesen betrifft, wird die Regierung bei Umwelt- und Klimaproblemen in Zukunft seltener wegschauen können.
Auf dem großen Parkett der Handelspolitik haben die USA und China derweil eine Einigung erzielt. US-Buchprüfer erhalten begrenzten Einblick in die Bilanzen von chinesischen Konzernen, dafür dürfen diese an der Börse New York notiert bleiben. Doch für die chinesischen Firmen bleibt das unbefriedigend, schreibt unser Team aus Peking. Sie wollen sich nicht in die Karten blicken lassen. Daher bleibt der Trend ungebrochen, New York aufzugeben und an Heimatbörsen wie Hongkong zurückzukehren.
Im Juli starteten Sie in Peking das Projekt “Telephone booth for help”, bei dem Sie eine gewöhnliche Telefonzelle in eine “Hotline” für Betroffene von Umweltverschmutzung in der Stadt Huludao in der Provinz Liaoning verwandelten. Über die Telefonzelle konnten die Betroffenen ihr Leid mit Fremden in Chinas Hauptstadt teilen. Wie sind Sie auf diese Idee gekommen?
In der Regel werden Problem in China “top-down” gelöst. Es gibt Anlaufstellen wie die 12345-Hotline, die Betroffene mit lokalen Behörden verbindet, und speziellere Kanäle wie die zentrale staatliche Aufsichtsbehörde. Aber wie in vielen Orten der Welt werden Hilferufe absichtlich oder versehentlich ignoriert. Das Problem der Umweltverschmutzung in Huludao, in der Provinz Liaoning, ist jedoch sehr ernst, da es einen großen Teil der Stadtbevölkerung betrifft und schon lange andauert. Die Menschen vor Ort beschweren sich schon seit Jahren bei der Hotline 12345, aber die örtliche Regierung hat das Problem nie ernst genommen. Mit dem “Telephone booth for help” haben wir versucht, die unterdrückten Stimmen dieser kleinen nordöstlichen Stadt in die Parallelwelt der Hauptstadt zu tragen. Der Empfänger hört und fühlt dort die Hilferufe, den Schmerz am anderen Ende der Leitung – und plötzlich ist das Problem nicht mehr weit weg.
Wie war die Reaktion der Öffentlichkeit?
Einige Internetnutzer berichteten, dass die Leute am anderen Ende der Leitung verstört gewesen seien. Etwa, weil ihre Social-Media-Konten eingeschränkt wurden und die Behörden die Verantwortung von sich wiesen. Ein älterer Mann erklärte: “Wir fühlen uns gefangen, wie in einem Käfig”. Unter den Anrufern waren auch junge Eltern, die ihre Türen und Fenster geschlossen halten, weil sie um die Sicherheit ihres vierjährigen Kindes besorgt sind, das häufig Nasenbluten bekommt. Eine Frau wurde von der Polizei zu einem Gespräch vorgeladen, nachdem sie sich bei der Umweltschutzbehörde gemeldet hatte. Den Schmerz, sich nicht äußern zu können, und vergeblich um Hilfe zu flehen, hat mich während dieser Zeit so überwältigt, dass ich selbst aus der Telefonzelle flüchten wollte.
Wurden die zuständigen Behörden in Huludao durch die Aktion auf das Problem aufmerksam und wurde schließlich etwas unternommen?
“Telephone booth for help” wurde auf Weibo rund 30.000 Mal geteilt. Die örtliche Regierung hat innerhalb eines halben Monats zwei Pressekonferenzen abgehalten, und die Unternehmen, die für die Luftverschmutzung verantwortlich sind, haben teilweise ihre Produktion unterbrochen. Die Stadtverwaltung hat mehr als 90 Experten, Sicherheitskräfte und Überwachungsteams aus anderen Regionen nach Huludao bestellt, um Untersuchungen durchzuführen. Allerdings gibt es bisher weder einen konkreten Untersuchungsbericht noch Lösungsansätze. Anwohner und Netizens warten noch immer auf eine ernsthafte und aufrichtige Lösung seitens der Stadtverwaltung.
Wann haben Sie entschieden, sich als Künstler mit Umweltthemen auseinanderzusetzen?
Die Projekte, die ich im Laufe der letzten Jahre verwirklicht habe, drehten sich meist um akute Notlagen. Das wirtschaftliche Wachstum auf Kosten der Umwelt und die Verlagerung der Umweltverschmutzung von strukturstarken in strukturschwache Gebiete, von der Küste ins Landesinnere, sowie die Altlasten haben zu einer Vielzahl von Krisen geführt. Es gibt beispielsweise Orte, an denen die Wasserverschmutzung Krebserkrankungen bei der örtlichen Bevölkerung und das Sterben von Rindern und Schafen verursacht hat. Solche Probleme müssen dringend gelöst werden. Oftmals muss auch die Trinkwasserqualität sofort verbessert werden. Der Versuch, reale soziale Probleme zu lösen, ist das wesentliche Ziel meiner Projekte.
Was ist aus Ihrer Sicht das größte Problem Chinas im Umweltschutz?
Das größte Problem ist das Top-Down-Modell in der Umweltpolitik – objektiv gesehen sind Chinas enorme Erfolge beim Umweltschutz der vergangenen Jahre untrennbar mit dieser tatkräftigen Art von Politik verbunden. Allerdings ist bei dieser Art von Umweltpolitik die Kontrollmacht der Öffentlichkeit und der Medien zu sehr eingeschränkt. Laut offiziellen Angaben ist fast ein Fünftel der Ackerfläche Chinas mit Schwermetallen verseucht – ein weitaus gravierendes Problem als Smog, das nur langsam behoben werden kann. Wo genau diese Verschmutzungen konzentriert sind, wird der Öffentlichkeit jedoch oft nicht mitgeteilt. Das Ministerium für Ökologie und Umweltschutz führte im Jahr 2021 eine Untersuchung des Bodenverschmutzungspotenzials von fast 15.000 Unternehmen durch und stellte fest, dass fast 70 Prozent der Unternehmen ein mehr oder weniger großes Verschmutzungspotenzial aufweisen. Welche Unternehmen dies sind, wird jedoch ebenfalls nicht bekannt gegeben. Die Medien und die Öffentlichkeit sind als Kontrollinstanz außen vor.
Warum herrscht so starker Widerstand gegen Umweltschutz-Aktivismus, obwohl er dem Land und der Bevölkerung dient?
In einigen wirtschaftlich schwachen Regionen ist der Umweltschutz nicht nur eine wirtschaftliche, sondern auch eine politische Frage. In China leisten wirtschaftlich starke Provinzen in der Regel weitaus bessere Arbeit beim Umweltschutz als wirtschaftlich schwache Regionen und sie sind eher zur Transparenz bereit. Sobald Umweltprobleme aufgedeckt werden, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass gegen die betroffenen Unternehmen ermittelt wird und dass die zuständigen örtlichen Beamten bestraft werden. Dies führt wiederum dazu, dass die betroffenen Unternehmen und Verwaltungen sehr nervös werden, sobald Verschmutzungsprobleme bekannt werden.
Der Raum für freie Meinungsäußerung wird in China zunehmend eingeschränkt. Eine Bewegung wie Fridays for Future, die sich in großer Zahl auf der Straße versammelt, ist ausgeschlossen. Wie können Umweltschützer in China dennoch etwas bewirken?
Soweit ich weiß, arbeiten viele Nichtregierungsorganisationen in China noch immer im Hintergrund und engagieren sich für zahlreiche Umweltschutzmaßnahmen wie Aufforstung oder die Überwachung von CO2-Emissionen. Ihre Arbeit ist sehr wichtig. Die in China in den letzten Jahren verstärkt auftretenden Überschwemmungen, Dürren und hohe Temperaturen, machen die globale Klimakrise für uns nicht länger zu einem abstrakten Konzept. Gleichzeitig hat die Pandemie die Menschen für gesellschaftliche Probleme sensibilisiert. Die Klimakrise betrifft uns alle, das spürt man auch in Großstädte wie Shanghai, Shenzhen und Peking. Dort leben viele junge Menschen, die sich für gesellschaftliche Belange interessieren. Am häufigsten äußern sie sich natürlich auf Weibo, WeChat, Douyin und Bilibili wo sie ihre Unzufriedenheit über die Klimakrise zum Ausdruck bringen und Veränderungen fordern.
Sie bewegen sich mit ihrer Kunst auf einem schmalen Grat. Haben Sie manchmal Angst, dass ihre Arbeit verboten werden könnte?
Diese Gefahr besteht tatsächlich, es gibt einen großen Unterschied zwischen dem, was in China und dem, was in Deutschland möglich ist. Ich habe keine Strategie, ich weiß nicht, wie lange ich das alles machen kann. Irgendwann werde ich vielleicht nicht mehr sprechen oder etwas tun können. Während der Kommunikation mit örtlichen Behörden hat mir einmal jemand ins Gesicht gesagt, “Künstler sind alle Abschaum”. Vielleicht sollte ich zwei Papageien diesen Satz beibringen, damit sie ihn bei einer künftigen Ausstellung abwechselnd aufsagen. Laut diesen Leuten habe ich ihnen nur Schwierigkeiten bereitet. Gleichzeitig bin ich ein Künstler, der soziale Probleme löst, und ein Umweltschützer, der sich für die Aufdeckung von Umweltproblemen einsetzt. Vielleicht können sie ihre kulturelle Vielfalt und Toleranz unter Beweis stellen, indem sie jemanden wie mich tolerieren.
Brother Nut 坚果兄弟 (“verrückter Bruder”) ist ein international bekannter Künstler aus Peking, der mit öffentlichen Performances auf Umweltprobleme aufmerksam macht. Sein bekanntestes Werk ist “Project Dust” aus dem Jahr 2015, bei dem er aus Feinstaubpartikeln der stark verschmutzten Pekinger Luft einen Ziegelstein formte.
Mitarbeit: Fabian Peltsch
Im Streit um Prüfstandards für chinesische Firmen, die an der New Yorker Börse gelistet sind, haben die USA und China endlich eine Einigung erzielt. Wie beide Seiten am Freitag mitteilten, sollen die Bücher chinesischer Unternehmen künftig in Hongkong von US-Prüfern unter die Lupe genommen werden dürfen.
Der Konflikt schwelte seit vielen Jahren, denn eigentlich verlangt die US-Börsenaufsicht von allen in Amerika gelisteten Firmen, dass diese ihnen vollumfängliche Einsicht in ihre Unterlagen geben. Doch bisher konnten sich chinesische Firmen wegen Drucks aus Peking nicht an diese Regeln halten. Die chinesische Regierung sah eine Gefährdung für die nationale Sicherheit, sollten US-Prüfer in die Volksrepublik reisen und dort in den Büchern der Unternehmen herumschnüffeln.
Weiter verschärft hat sich die Lage, seit der US-Kongress im Dezember 2020 den “Holding Foreign Companies Accountable Act” verabschiedete. Das Gesetz sah eine Frist von drei Jahren vor. Hätte man sich bis dann nicht geeinigt, wären mehr als 200 chinesische Unternehmen vom Aus an der US-Börse bedroht gewesen. Laut der nun getroffenen Einigung können schon Mitte September erste Prüfer aus den USA in Hongkong landen. Doch gibt es Zweifel, wie lange der Burgfrieden tatsächlich anhalten wird.
“Wir haben diese beispiellose Vereinbarung unterzeichnet, aber wir müssen in den nächsten Monaten sehen, ob sich die Chinesen daran halten werden”, sagte Gary Gensler, Vorsitzender der zuständigen New Yorker Securities and Exchange Commission. Gegenüber Bloomberg betonten zudem mehrere US-Beamte, dass das Abkommen nur ein erster Schritt sei. Man müsse eine große Anzahl an Inspektoren nach Hongkong bringen. Die Auditkontrollen bei ausgewählten Unternehmen könnten sich zudem über Monate hinziehen.
Viel kann also noch schief gehen. Beobachter gingen daher davon aus, dass sich am großen “Homecoming-Trend” der vergangenen Jahre erstmal nichts ändern wird. Zahlreiche chinesische Unternehmen, die bisher in den USA gelistet waren, haben sich vor dem Hintergrund der politischen Spannungen dazu entschieden, zumindest teilweise mit einem Zweitlisting nach Hongkong umzuziehen.
Allein in diesem Sommer debütierten vier bislang nur in den USA notierte chinesische Unternehmen an der Hongkonger Börse: Der Finanzsoftwareanbieter OneConnect Financial, Tuya, eine Plattform für künstliche Intelligenz, der Vermögensverwalter Noah Holdings sowie der Einzelhandelskonzern Miniso Group.
Bereits Anfang des Jahres hatten der E-Auto-Hersteller Nio, die Frage-und-Antwort-Website Zhihu und die Online-Immobilienplattform Beike Zweitnotierungen in Hongkong angeschoben. In diesem Jahr haben damit bereits sieben Unternehmen diesen Schritt gemacht. Im Gesamtjahr 2021 waren es acht, im Jahr davor neun Unternehmen. 2018 und 2019 sah dagegen noch jeweils nur ein chinesisches Unternehmen die Notwendigkeit für eine zusätzliche Notierung in Hongkong.
Peking scheint nicht bereit zu sein, seinen Staatskonzernen in die Karten schauen zu lassen. Gleich fünf der Konzerne überraschten vor zwei Wochen mit einer koordinierten Aktion: Zeitgleich kündigten sie ihren Rückzug von der New York Stock Exchange an. Dazu gehörten der Lebensversicherer China Life, die Ölriesen Sinopec und PetroChina, der Alu-Konzern Chalco sowie der Chemiekonzern Sinopec Shanghai Petrochemical. All das, um eine Einmischung amerikanischer Buchprüfer zu vermeiden.
Vor allem für chinesische Tech-Konzerne, die sich vorwiegend nicht in Staatshand befinden, dürften die unsicheren Zeiten vorerst andauern. Ihnen wäre es zwar lieber, weiterhin in den USA gelistet zu sein, wo sie direkt an den größten Kapitalmarkt der Welt angeschlossen sind. Doch gleichzeitig können sie sich nicht darauf verlassen, dass der nun geschlossene Deal tatsächlich alle Probleme ausräumt. Der Finanzplatz Hongkong profitiert so oder so: Zum einen bringen die US-Prüfer nun zusätzliches Geschäft in die Finanzmetropole. Zum anderen dürften auch die Homecoming-Börsengänge andauern. Jörn Petring/ Gregor Koppenburg
Erstmals seit dem Besuch der US-Spitzenpolitikerin Nancy Pelosi vor knapp vier Wochen in Taiwan haben US-Kriegsschiffe die Meerenge zwischen der Volksrepublik und der Insel Taiwan befahren. Die US-Marine bestätigte am Sonntag, dass zwei US-Kreuzer unterwegs waren.
Solche Einsätze dauern üblicherweise acht bis zwölf Stunden und werden von Chinas Militär stets mit Argusaugen beobachtet. An und für sich ist das Durchqueren der Straße von Taiwan von US-Schiffen nichts Ungewöhnliches. In den vergangenen Jahren haben immer wieder Kriegsschiffe der USA sowie von Verbündeten wie Großbritannien und Kanada die Straße von Taiwan befahren. Sie haben damit zwar auch immer wieder den Zorn der chinesischen Führung auf sich gezogen. Aber Gegenreaktionen blieben häufig auch aus.
Taiwan berichtete am Wochenende seinerseits von fortgesetzter Militäraktivität der Volksrepublik in der Umgebung der Insel. Auf Sozialmedien kursieren zudem Berichte darüber, dass China fünf neue Zerstörer auf Kiel hat legen lassen. Einmal fertiggestellt, erhöhen sie die Bedrohungslage für Taiwan.
Anfang August hatte der Taiwan-Besuch der Präsidentin des US-Repräsentantenhauses, Pelosi, allerdings für die schärfsten Spannungen seit mehr als einem Jahrzehnt zwischen Taiwan und den USA auf der einen Seite und China auf der anderen gesorgt (China.Table berichtete). Peking antwortete mit einem Großmanöver, bei dem auch erstmals Raketen der Volksbefreiungsarmee den taiwanischen Luftraum überflogen. Kurz nach Pelosis Besuch reiste eine weitere Delegation mit fünf US-Kongressabgeordneten auf die Insel. Die USA betonten, Besuche von US-Kongressmitgliedern stünden im Einklang mit der Ein-China-Politik der USA. rtr/flee
Die Schiffscontainer-Hersteller China International Marine Containers und Maersk Container Industry haben die geplante Fusion ihres Kühlcontainer-Geschäfts nach einem Veto der deutschen und amerikanischen Kartellbehörden abgesagt. Maersk aus Kopenhagen erklärte, der Konzern bedauere das Scheitern der Übernahme seiner Sparte durch den chinesischen Konzern mit einem Volumen von knapp einer Milliarde Dollar.
Die beiden Unternehmen gehören zu den vier größten Anbietern von isolierten Container-Boxen und Kühlcontainern. Hätten die Kartellabteilungen keinen Einspruch erhoben, wären über 90 Prozent der weltweiten Produktion in chinesischen Staatsbesitz beziehungsweise in den Besitz von Staatsbetrieben geraten.
“Die amerikanischen Verbraucher sind bei vielen Gütern des täglichen Bedarfs auf die globale Kältelieferkette angewiesen”, erklärte der stellvertretende Generalstaatsanwalt Jonathan Kanter von der Kartellabteilung des US-Justizministeriums. Die Übernahme hätte zu “höheren Preisen, niedrigerer Qualität und geringerer Widerstandsfähigkeit der globalen Lieferketten“ führen können, so Kanter. Maersk wäre zudem als innovativer, unabhängiger Wettbewerber ausgeschaltet worden. fpe
Die USA streichen infolge eines Streits wegen Sanktionen gegen US-Fluggesellschaften etliche Flüge nach China. Vom fünften bis zum 28. September werden 26 Flüge von vier chinesischen Fluggesellschaften ausgesetzt, teilte die US-Regierung am Donnerstag mit. Betroffen seien Strecken von Air China, China Eastern Airlines, China Southern Airlines und Xiamen Airlines. Damit reagierte das US-Verkehrsministerium auf die Entscheidung der chinesischen Regierung, 26 Flügen von American Airlines, Delta Air Lines und United Airlines wegen COVID-19-Fälle einzustellen.
Das US-Verkehrsministerium erklärte, dass die chinesischen Behörden seit dem 7. August ihre Politik dahingehend geändert hätten, dass ein Flug gestrichen wird, wenn die Zahl der positiv auf COVID-19 getesteten Passagiere vier Prozent der Gesamtzahl der Passagiere auf einem Flug nach China erreicht, und zwei Flüge, wenn die Zahl acht Prozent beträgt. Die US-Regierung hat wiederholt bei der chinesischen Regierung Einwände erhoben. Die Vorschriften würden die Fluggesellschaften in unnötiger Weise in die Pflicht nehmen, wenn Reisende vor dem Betreten ihres Fluges aus den Vereinigten Staaten negativ getestet werden, um nach ihrer Ankunft in China positiv auf das Coronavirus vorgefunden zu werden.
Vor den jüngsten Annullierungen führten drei US-amerikanische und vier chinesische Fluggesellschaften etwa 20 Flüge pro Woche zwischen den beiden Ländern durch, was deutlich unter der Zahl von mehr als 100 pro Woche vor der Pandemie liegt. rtr
Ein ehemaliger Mitarbeiter des US-Technikkonzerns Apple hat vor Gericht zugegeben, technische Daten aus der Entwicklung eines selbstfahrenden Autos kopiert zu haben. Nachdem er das Unternehmen verlassen hat, wollte er nach China zurückkehren und dort bei dem Autohersteller Xpeng anheuern. Die US-Polizei hatte ihn am Flughafen verhaftet.
Ein Zusammenhang zwischen dem Diebstahl der Baupläne und dem Wechsel des Arbeitgebers ist nicht nachgewiesen. Xpeng leugnet jedes Interesse an dem Know-how von Apple Car. Zhang Xiaolang hatte von 2015 bis 2018 für Apple gearbeitet. Ihm drohen nun bis zu zehn Jahren Gefängnis für Industriespionage. fin
“Durch das negative China-Image ist meine Arbeit schwieriger geworden”, sagt Nora Frisch. Mit den Büchern ihres Drachenhaus-Verlags möchte die in Wien, Peking, Taipeh und Heidelberg ausgebildete Sinologin eigentlich die Vielfalt Chinas jenseits von Wirtschaft und Politik abbilden – eine Vielfalt, die in den aktuellen Debatten leider oft zu kurz kommt. “China ist voll von Einzelschicksalen, die man eben nicht in einen Topf werfen kann.” Das Programm ihres 2010 gegründeten Verlags ist dementsprechend breit gefächert: Hier finden sich neben Romanen auch Geschichtsbücher, Graphic Novels, Kinder- und Kochbücher sowie Klassiker der chinesischen Philosophie wie Lin Yutangs “Mein Land und mein Volk” aus dem Jahr 1935. “Niemals wurde die chinesische Mentalität seitdem so intensiv und eingehend beschrieben wie bei Lin Yutang”, erläutert Frisch. Und daran habe sich trotz des chinesischen Wirtschaftswunders nicht viel geändert. “Das macht seine Bücher noch immer aktuell.”
Die Idee für einen Buchverlag kam Frisch nach ihrer Promotion. Zunächst wollte sie eine Schule gründen, um ihr Wissen über China und die chinesische Sprache weiterzugeben. “Eine Art von Konfuzius-Institut”, wie sie erklärt. Ihr Mann überzeugte sie schließlich, eine andere Richtung einzuschlagen. “Er sagte: Damit erreichst du höchstens Menschen im Umkreis von zehn Kilometern. Mache das ganze doch in Buchform.”
Das erste Buch, das Frisch im Drachenhaus-Verlag veröffentlichte, war “Der Bau der großen Mauer”, in dem die Geschichtswissenschaftlerin Cornelia Hermanns einen Überblick über die Hintergründe und die Entstehung des vielleicht berühmtesten chinesischen Bauwerks nachzeichnet. “Mittlerweile wird das Buch auch in Schulen und Universitäten als Lehrmaterial verwendet”, sagt Frisch stolz. Ihr Lieblingsbuch im Verlags-Portfolio ist jedoch “Libellenaugen”, ein Coming-Of-Age-Roman zu Zeiten der Kulturrevolution. Geschrieben hat ihn Cao Wenxuan, Professor für Chinesische Literatur und Kinderliteratur der Universität Peking, der damit auch seine eigene Jugend aufarbeitete. “Die Geschichte ist mir nahegegangen”, sagt Frisch. “Ich habe mich in die Sprache des Autors verliebt. Cao rollt wirklich sprachliche Blumenteppiche vor einem aus.”
Frisch nimmt nur Bücher ins Programm auf, die sie selbst überzeugen. In den Anfangstagen des Verlags informierte sie sich auf Buchmessen und in Internetforen über Neuerscheinungen. Das war jedoch nicht immer einfach. Als sie sich etwa auf einer Messe in Peking auf die Suche nach Krimis machte, entgegnete man ihr, in China gebe es keine Verbrechen. “Da bin ich nicht weit gekommen”, sagt sie und lacht. Heute ist das einfacher, Frisch erhält aktive Angebote für Bücher aus China. “Bei vielen Titeln kann ich einfach nicht nein sagen, obwohl ich eigentlich ausgelastet bin.”
Bücher lesen ersetze mitunter interkulturelle Trainingseinheiten, glaubt Frisch, die viele Buchtexte aus China gleich selbst übersetzt. Durch ihre Verlagsarbeit bekam sie zudem immer wieder Einblicke in den Zensurapparat der Volksrepublik. So versuchten chinesische Verlage wiederholt Einfluss auf ihre Publikationen zu nehmen. Die Veröffentlichung von “Libellenaugen” wurde ihr gar verboten, wenn sie nicht einige Änderungen vornimmt. Und das, obwohl sie die Lizenz bereits erworben und das Buch bereits übersetzt hatte.
Die Verlage wünschten sich eine andere Fassung für das internationale Publikum. “Dabei waren die Stellen, die geändert werden sollten, lapidar”, erinnert sie sich. Es gab da etwa eine Szene, in der eine Großmutter den Kopf geschoren bekommt. Anschließend fragt sie ein Mädchen der Roten Garden nach ihrem roten Halstuch, um sich den Kopf zu bedecken. “In den Änderungen, die die chinesische Seite forderte, ging das Mädchen jedoch auf die alte Frau zu, um ihr das Halstuch zu überreichen. Solche Kleinigkeiten wurden beanstandet”, sagt Frisch.
In anderen Fällen wollten die Chinesen ihr nur eine Lizenz erteilen, wenn sie auch die Werke von Xi Jinping mit ins Programm nimmt. Hier ging sie, ebenso wie bei “Libellenaugen”, nicht auf die Wünsche ein. “Ich versuche mir meine Unabhängigkeit mit allen Mitteln zu bewahren.” Fabian Peltsch
Pierre Ganninger de Botmiliau hat die Stelle des Project Manager Business Development China bei Mercedes-Benz Vans übernommen. De Botmiliau ist seit fünf Jahren für Daimler tätig. Sein derzeitiger Einsatzort ist Stuttgart.
Saad Azza ist seit Juli Senior Business Development Manager & Team Lead bei Porsche Taiwan. In Taipei ist er unter anderem für die Steuerung des Porsche Taiwan E-Performance-Programms und den Rollout neuer Ladelösungen verantwortlich.
Ändert sich etwas in Ihrer Organisation? Schicken Sie doch einen Hinweis für unsere Personal-Rubrik an heads@table.media!
“Dürfte ich Sie küssen?” Dieses Sätzchen ist einer der Running-Gags unter Chinesischlernern (und -lehrern) bei der Vermittlung chinesischer Aussprache-Basics. Bekanntlich ist das Chinesische ja eine Tonsprache, sprich das Heben und Senken der Stimme nach bestimmten Mustern ist bedeutungsrelevant. “Vergreift” man sich also “im Ton”, wird aus der unverfänglichen Kontaktaufnahmefloskel 请问 qǐng wèn “Dürfte ich Sie etwas fragen?” (wörtlich “bitte fragen”) schnell eine vermeintliche Flirtattacke, nämlich 请吻 qǐng wěn “Dürfte ich Sie küssen?” (“bitte küssen”).
Soweit die Theorie – und das Entertainment im Klassenzimmer. Tatsächlich sind in China Meldungen über missverständliche Annäherungsversuche aufgrund von Aussprache-Handicaps bisher ausgeblieben. Denn natürlich wird Sprache immer im Kontext verstanden. Und so filtern Muttersprachler unbeholfene “Tondreher” unsererseits zum Glück meist gnädig heraus.
Nichtsdestotrotz muss man sagen: Die chinesische Aussprache hat für westliche Zungen tatsächlich so ihre Tücken! Eh man sich versieht, hat man nämlich aus Panda-Besichtigungsplänen in Sichuan …. schwuppdiwupp … Brusthaar-Besichtigungspläne gemacht (看熊猫 kàn xióngmāo vs. 看胸毛 kàn xiōngmáo). Oder man erklärt “Schlange stehen gehen” (去排队 qù páiduì) statt “Party machen gehen” (去派对 qù pàiduì) zum beliebten Hipster-Zeitvertreib in Deutschland. Und bestimmt hat der eine oder andere China-Tourist am Bahnschalter schon mal melancholisch ein “Ticket Richtung Verletzung” (伤害 shānghài) geordert und ist natürlich trotzdem in Shanghai (上海 Shànghǎi) gelandet.
Der Grund für die Aussprachkonfusion: Während wir im Deutschen unsere Silben fast beliebig aus dem Buchstabenbaukasten des Alphabets zu unzähligen Varianten zusammenbasteln können, kennt das Chinesische nur ein festes Set von An- und Auslauten und damit auch nur eine begrenzte Anzahl von Silben, rund 400 nämlich. Und aus diesem zugegebenermaßen etwas mageren Silbenpool müssen letztlich alle Wörter zusammengepinnt werden. Viele Begriffe sehen also in der Lautumschrift Pinyin – eine wichtige Krücke vor allem für uns als Fremdsprachenlerner – identisch oder zumindest fast identisch aus, sie unterscheiden sich also höchstens durch ihren Tonverlauf.
Berühmt-berüchtigt sind in diesem Zusammenhang übrigens auch Tonübungsreihen aus dem Chinesisch-Unterricht, die mit Bedeutungsveränderungen bei Intonationswechseln spielen. Allen voran der Klassiker: das von der Mutter geschimpfte Pferd (妈妈骂马吗? Māma mà mǎ ma? “Schimpft die Mutter das Pferd?”). Aber solche Silbenreihen, bei denen der Ton die Musik macht, gibt es wie Sand am Meer. Zum Beispiel kann das Wörtchen “mi” je nach Betonung “Reis”, “Honig”, “Fan” oder einfach “miau!” heißen. Und bei der Silbe “bao” weiß der Hörer nur dann, ob eine “Tasche”, ein “Leopard”, “statt” oder “dünn” gemeint ist, wenn man als Sprecher den richtigen Ton erwischt.
Die gute Nachricht ist wie gesagt: meist rettet uns der Gesprächskontext! Denn die wenigsten reisen wohl nach Sichuan, um Brusthaare zu bestaunen (höchstens die von Pandabären vielleicht). Gemein wird es für Sprachenlerner nur dann, wenn sich zwei “Aussprachezwillinge” im gleichen Wortfeld befinden beziehungsweise in irgendeiner Weise semantisch verwandt sind. Dann besteht nämlich die Gefahr, dass sie in einem bestimmten Kontext gleichermaßen plausibel sind. Echte Missverständnisse sind so vorprogrammiert.
Schließlich macht es ja einen gewissen Unterschied, ob Sie ihrem Fondsmanager auftragen, eine Aktie zu kaufen (买 mǎi) oder zu verkaufen (卖 mài), ob sich Ihre Firmenniederlassung in der Provinz Shanxi (山西 Shānxī) oder Shaanxi (陕西 Shǎnxī) befindet, ob Sie im Flugzeug von der Stewardess ein Glas (杯子 bēizi) oder eine Decke (被子 bèizi) möchten und ob sie einen Chinesisch- (汉语 Hànyǔ) oder Koreanisch-Kurs (韩语 Hányǔ) bei einer Sprachschule buchen.
War das Blinddate nun ein Flop, weil der Kerl einfach nicht vorzeigbar war (丑 chǒu “hässlich”) oder doch weil er unangenehm roch (臭 chòu “stinken(d)”)? Hat Ihre neue Freundin viele Katzen (猫 māo) oder viel Körperhaar (毛 máo)? Und haben Sie sich am Wochenende von der neuen Lieblingsserie auf Netflix nun drei Staffeln (季 jì) reingezogen oder doch nur drei Folgen (集 jí)?
Die Chinesen selbst schrecken die vielen Gleichlaute dagegen nicht. Im Gegenteil. Als Muttersprachler trippeln sie nicht nur federleicht über das Tonklavier, sondern haben gar das Spiel mit Mehr- und Doppeldeutigkeiten zu einem kleinen Volkssport erklärt.
Wortspiele mit Homophonen (谐音xiéyīn – “Gleichlaut, Homophon”) haben im chinesischsprachigen Raum eine jahrhundertelange Tradition und auch heute noch Hochkonjunktur. Die aufstrebende Comedy-Szene im Reich der Mitte hat hierfür in den letzten Jahren den Trendbegriff des 谐音梗 xiéyīngěng (“Wortspiel, lautlicher Gag”) geprägt, der als trockener Humor nicht nur durch Entertainment-Formate geistert, sondern vermehrt auch durch soziale Netzwerke oder einfach Kaffeepausengespräche. In der Internetlandschaft gelten Homophone zudem als beliebter Zaubertrick, um die diversen Zensurfilter zu umgehen. Hier werden zum Beispiel sensible Begriffe (敏感词 mǐngǎncí) einfach durch unverfängliche Zeichen ersetzt, die genauso oder so ähnlich klingen. So weiß der Leser, was gemeint ist, die Maschine hingegen nicht.
Doch manchmal helfen selbst penible Aussprachvorbereitung und Last-Minute-Tontrainings nichts. Denn tatsächlich gibt es im Chinesischen einfach einige Wörter, die im Gesprochenen vollkommen identisch klingen. So sorgte ich zum Beispiel jüngst auf einer Pekinger Polizeistation für Furore, als ich um die Verlängerung meines “Haftausweises” (jūliúzhèng) bat. Dabei wollte ich doch nur eine Neuauflage meines residence permit beantragen. Leider heißt jūliú sowohl “Haft” (拘留) als auch “Aufenthalt” (居留). Zur Unterscheidung des entsprechenden Papiers wird im Falle der “Aufenthaltsgenehmigung” deshalb vorsorglich das Wörtchen 许可 xǔkě “Genehmigung” eingefügt (居留许可证 jūliúxǔkězhèng), was ich leider vergessen hatte. Glücklicherweise ließ sich das Missverständnis schnell aufklären. Und so schreibe ich auch diese Kolumne hinterm Schreibtisch, und nicht hinter Gittern.
Mehr über spannende Homophone im Chinesischen und die Geschichten dahinter erfahren? New Chinese verlost Bücher zum Thema! Hier geht’s zum Gewinnspiel.
Verena Menzel betreibt in Peking die Online-Sprachschule New Chinese.
ein Bild sagt mehr als tausend Worte – selbst wir Mitglieder der schreibenden Zunft müssen das oft anerkennen. Ganz deutlich wird das bei den Werken des Pekinger Künstlers Brother Nut. Mit kreativen Aktionen wie einem aus Smog gepressten Ziegelstein macht er auf die Umwelt- und Klimaprobleme Chinas aufmerksam. Und erzeugt dabei eindrückliche Bilder, die wohl länger im Gedächtnis bleiben als viele schriftliche Schilderungen der Klima- und Umweltprobleme.
Im Gespräch mit Renxiu Zhao erzählt Brother Nut, dass das Wirtschaftswachstum in den vergangenen Jahrzehnten häufig auf Kosten der Umwelt erreicht wurde. Es raubt den Menschen das Trinkwasser und verseucht den Boden, auf dem die Menschen eigentlich ihr Auskommen erzielen sollten. Verzweiflung ist die Folge. Denn die Opfer der Umweltverschmutzung finden selten Gehör bei den Behörden. Die Öffentlichkeit erfährt häufig nicht von den Problemen in anderen Landesteilen. Doch da die Klimakrise auch alle Chinesinnen und Chinesen betrifft, wird die Regierung bei Umwelt- und Klimaproblemen in Zukunft seltener wegschauen können.
Auf dem großen Parkett der Handelspolitik haben die USA und China derweil eine Einigung erzielt. US-Buchprüfer erhalten begrenzten Einblick in die Bilanzen von chinesischen Konzernen, dafür dürfen diese an der Börse New York notiert bleiben. Doch für die chinesischen Firmen bleibt das unbefriedigend, schreibt unser Team aus Peking. Sie wollen sich nicht in die Karten blicken lassen. Daher bleibt der Trend ungebrochen, New York aufzugeben und an Heimatbörsen wie Hongkong zurückzukehren.
Im Juli starteten Sie in Peking das Projekt “Telephone booth for help”, bei dem Sie eine gewöhnliche Telefonzelle in eine “Hotline” für Betroffene von Umweltverschmutzung in der Stadt Huludao in der Provinz Liaoning verwandelten. Über die Telefonzelle konnten die Betroffenen ihr Leid mit Fremden in Chinas Hauptstadt teilen. Wie sind Sie auf diese Idee gekommen?
In der Regel werden Problem in China “top-down” gelöst. Es gibt Anlaufstellen wie die 12345-Hotline, die Betroffene mit lokalen Behörden verbindet, und speziellere Kanäle wie die zentrale staatliche Aufsichtsbehörde. Aber wie in vielen Orten der Welt werden Hilferufe absichtlich oder versehentlich ignoriert. Das Problem der Umweltverschmutzung in Huludao, in der Provinz Liaoning, ist jedoch sehr ernst, da es einen großen Teil der Stadtbevölkerung betrifft und schon lange andauert. Die Menschen vor Ort beschweren sich schon seit Jahren bei der Hotline 12345, aber die örtliche Regierung hat das Problem nie ernst genommen. Mit dem “Telephone booth for help” haben wir versucht, die unterdrückten Stimmen dieser kleinen nordöstlichen Stadt in die Parallelwelt der Hauptstadt zu tragen. Der Empfänger hört und fühlt dort die Hilferufe, den Schmerz am anderen Ende der Leitung – und plötzlich ist das Problem nicht mehr weit weg.
Wie war die Reaktion der Öffentlichkeit?
Einige Internetnutzer berichteten, dass die Leute am anderen Ende der Leitung verstört gewesen seien. Etwa, weil ihre Social-Media-Konten eingeschränkt wurden und die Behörden die Verantwortung von sich wiesen. Ein älterer Mann erklärte: “Wir fühlen uns gefangen, wie in einem Käfig”. Unter den Anrufern waren auch junge Eltern, die ihre Türen und Fenster geschlossen halten, weil sie um die Sicherheit ihres vierjährigen Kindes besorgt sind, das häufig Nasenbluten bekommt. Eine Frau wurde von der Polizei zu einem Gespräch vorgeladen, nachdem sie sich bei der Umweltschutzbehörde gemeldet hatte. Den Schmerz, sich nicht äußern zu können, und vergeblich um Hilfe zu flehen, hat mich während dieser Zeit so überwältigt, dass ich selbst aus der Telefonzelle flüchten wollte.
Wurden die zuständigen Behörden in Huludao durch die Aktion auf das Problem aufmerksam und wurde schließlich etwas unternommen?
“Telephone booth for help” wurde auf Weibo rund 30.000 Mal geteilt. Die örtliche Regierung hat innerhalb eines halben Monats zwei Pressekonferenzen abgehalten, und die Unternehmen, die für die Luftverschmutzung verantwortlich sind, haben teilweise ihre Produktion unterbrochen. Die Stadtverwaltung hat mehr als 90 Experten, Sicherheitskräfte und Überwachungsteams aus anderen Regionen nach Huludao bestellt, um Untersuchungen durchzuführen. Allerdings gibt es bisher weder einen konkreten Untersuchungsbericht noch Lösungsansätze. Anwohner und Netizens warten noch immer auf eine ernsthafte und aufrichtige Lösung seitens der Stadtverwaltung.
Wann haben Sie entschieden, sich als Künstler mit Umweltthemen auseinanderzusetzen?
Die Projekte, die ich im Laufe der letzten Jahre verwirklicht habe, drehten sich meist um akute Notlagen. Das wirtschaftliche Wachstum auf Kosten der Umwelt und die Verlagerung der Umweltverschmutzung von strukturstarken in strukturschwache Gebiete, von der Küste ins Landesinnere, sowie die Altlasten haben zu einer Vielzahl von Krisen geführt. Es gibt beispielsweise Orte, an denen die Wasserverschmutzung Krebserkrankungen bei der örtlichen Bevölkerung und das Sterben von Rindern und Schafen verursacht hat. Solche Probleme müssen dringend gelöst werden. Oftmals muss auch die Trinkwasserqualität sofort verbessert werden. Der Versuch, reale soziale Probleme zu lösen, ist das wesentliche Ziel meiner Projekte.
Was ist aus Ihrer Sicht das größte Problem Chinas im Umweltschutz?
Das größte Problem ist das Top-Down-Modell in der Umweltpolitik – objektiv gesehen sind Chinas enorme Erfolge beim Umweltschutz der vergangenen Jahre untrennbar mit dieser tatkräftigen Art von Politik verbunden. Allerdings ist bei dieser Art von Umweltpolitik die Kontrollmacht der Öffentlichkeit und der Medien zu sehr eingeschränkt. Laut offiziellen Angaben ist fast ein Fünftel der Ackerfläche Chinas mit Schwermetallen verseucht – ein weitaus gravierendes Problem als Smog, das nur langsam behoben werden kann. Wo genau diese Verschmutzungen konzentriert sind, wird der Öffentlichkeit jedoch oft nicht mitgeteilt. Das Ministerium für Ökologie und Umweltschutz führte im Jahr 2021 eine Untersuchung des Bodenverschmutzungspotenzials von fast 15.000 Unternehmen durch und stellte fest, dass fast 70 Prozent der Unternehmen ein mehr oder weniger großes Verschmutzungspotenzial aufweisen. Welche Unternehmen dies sind, wird jedoch ebenfalls nicht bekannt gegeben. Die Medien und die Öffentlichkeit sind als Kontrollinstanz außen vor.
Warum herrscht so starker Widerstand gegen Umweltschutz-Aktivismus, obwohl er dem Land und der Bevölkerung dient?
In einigen wirtschaftlich schwachen Regionen ist der Umweltschutz nicht nur eine wirtschaftliche, sondern auch eine politische Frage. In China leisten wirtschaftlich starke Provinzen in der Regel weitaus bessere Arbeit beim Umweltschutz als wirtschaftlich schwache Regionen und sie sind eher zur Transparenz bereit. Sobald Umweltprobleme aufgedeckt werden, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass gegen die betroffenen Unternehmen ermittelt wird und dass die zuständigen örtlichen Beamten bestraft werden. Dies führt wiederum dazu, dass die betroffenen Unternehmen und Verwaltungen sehr nervös werden, sobald Verschmutzungsprobleme bekannt werden.
Der Raum für freie Meinungsäußerung wird in China zunehmend eingeschränkt. Eine Bewegung wie Fridays for Future, die sich in großer Zahl auf der Straße versammelt, ist ausgeschlossen. Wie können Umweltschützer in China dennoch etwas bewirken?
Soweit ich weiß, arbeiten viele Nichtregierungsorganisationen in China noch immer im Hintergrund und engagieren sich für zahlreiche Umweltschutzmaßnahmen wie Aufforstung oder die Überwachung von CO2-Emissionen. Ihre Arbeit ist sehr wichtig. Die in China in den letzten Jahren verstärkt auftretenden Überschwemmungen, Dürren und hohe Temperaturen, machen die globale Klimakrise für uns nicht länger zu einem abstrakten Konzept. Gleichzeitig hat die Pandemie die Menschen für gesellschaftliche Probleme sensibilisiert. Die Klimakrise betrifft uns alle, das spürt man auch in Großstädte wie Shanghai, Shenzhen und Peking. Dort leben viele junge Menschen, die sich für gesellschaftliche Belange interessieren. Am häufigsten äußern sie sich natürlich auf Weibo, WeChat, Douyin und Bilibili wo sie ihre Unzufriedenheit über die Klimakrise zum Ausdruck bringen und Veränderungen fordern.
Sie bewegen sich mit ihrer Kunst auf einem schmalen Grat. Haben Sie manchmal Angst, dass ihre Arbeit verboten werden könnte?
Diese Gefahr besteht tatsächlich, es gibt einen großen Unterschied zwischen dem, was in China und dem, was in Deutschland möglich ist. Ich habe keine Strategie, ich weiß nicht, wie lange ich das alles machen kann. Irgendwann werde ich vielleicht nicht mehr sprechen oder etwas tun können. Während der Kommunikation mit örtlichen Behörden hat mir einmal jemand ins Gesicht gesagt, “Künstler sind alle Abschaum”. Vielleicht sollte ich zwei Papageien diesen Satz beibringen, damit sie ihn bei einer künftigen Ausstellung abwechselnd aufsagen. Laut diesen Leuten habe ich ihnen nur Schwierigkeiten bereitet. Gleichzeitig bin ich ein Künstler, der soziale Probleme löst, und ein Umweltschützer, der sich für die Aufdeckung von Umweltproblemen einsetzt. Vielleicht können sie ihre kulturelle Vielfalt und Toleranz unter Beweis stellen, indem sie jemanden wie mich tolerieren.
Brother Nut 坚果兄弟 (“verrückter Bruder”) ist ein international bekannter Künstler aus Peking, der mit öffentlichen Performances auf Umweltprobleme aufmerksam macht. Sein bekanntestes Werk ist “Project Dust” aus dem Jahr 2015, bei dem er aus Feinstaubpartikeln der stark verschmutzten Pekinger Luft einen Ziegelstein formte.
Mitarbeit: Fabian Peltsch
Im Streit um Prüfstandards für chinesische Firmen, die an der New Yorker Börse gelistet sind, haben die USA und China endlich eine Einigung erzielt. Wie beide Seiten am Freitag mitteilten, sollen die Bücher chinesischer Unternehmen künftig in Hongkong von US-Prüfern unter die Lupe genommen werden dürfen.
Der Konflikt schwelte seit vielen Jahren, denn eigentlich verlangt die US-Börsenaufsicht von allen in Amerika gelisteten Firmen, dass diese ihnen vollumfängliche Einsicht in ihre Unterlagen geben. Doch bisher konnten sich chinesische Firmen wegen Drucks aus Peking nicht an diese Regeln halten. Die chinesische Regierung sah eine Gefährdung für die nationale Sicherheit, sollten US-Prüfer in die Volksrepublik reisen und dort in den Büchern der Unternehmen herumschnüffeln.
Weiter verschärft hat sich die Lage, seit der US-Kongress im Dezember 2020 den “Holding Foreign Companies Accountable Act” verabschiedete. Das Gesetz sah eine Frist von drei Jahren vor. Hätte man sich bis dann nicht geeinigt, wären mehr als 200 chinesische Unternehmen vom Aus an der US-Börse bedroht gewesen. Laut der nun getroffenen Einigung können schon Mitte September erste Prüfer aus den USA in Hongkong landen. Doch gibt es Zweifel, wie lange der Burgfrieden tatsächlich anhalten wird.
“Wir haben diese beispiellose Vereinbarung unterzeichnet, aber wir müssen in den nächsten Monaten sehen, ob sich die Chinesen daran halten werden”, sagte Gary Gensler, Vorsitzender der zuständigen New Yorker Securities and Exchange Commission. Gegenüber Bloomberg betonten zudem mehrere US-Beamte, dass das Abkommen nur ein erster Schritt sei. Man müsse eine große Anzahl an Inspektoren nach Hongkong bringen. Die Auditkontrollen bei ausgewählten Unternehmen könnten sich zudem über Monate hinziehen.
Viel kann also noch schief gehen. Beobachter gingen daher davon aus, dass sich am großen “Homecoming-Trend” der vergangenen Jahre erstmal nichts ändern wird. Zahlreiche chinesische Unternehmen, die bisher in den USA gelistet waren, haben sich vor dem Hintergrund der politischen Spannungen dazu entschieden, zumindest teilweise mit einem Zweitlisting nach Hongkong umzuziehen.
Allein in diesem Sommer debütierten vier bislang nur in den USA notierte chinesische Unternehmen an der Hongkonger Börse: Der Finanzsoftwareanbieter OneConnect Financial, Tuya, eine Plattform für künstliche Intelligenz, der Vermögensverwalter Noah Holdings sowie der Einzelhandelskonzern Miniso Group.
Bereits Anfang des Jahres hatten der E-Auto-Hersteller Nio, die Frage-und-Antwort-Website Zhihu und die Online-Immobilienplattform Beike Zweitnotierungen in Hongkong angeschoben. In diesem Jahr haben damit bereits sieben Unternehmen diesen Schritt gemacht. Im Gesamtjahr 2021 waren es acht, im Jahr davor neun Unternehmen. 2018 und 2019 sah dagegen noch jeweils nur ein chinesisches Unternehmen die Notwendigkeit für eine zusätzliche Notierung in Hongkong.
Peking scheint nicht bereit zu sein, seinen Staatskonzernen in die Karten schauen zu lassen. Gleich fünf der Konzerne überraschten vor zwei Wochen mit einer koordinierten Aktion: Zeitgleich kündigten sie ihren Rückzug von der New York Stock Exchange an. Dazu gehörten der Lebensversicherer China Life, die Ölriesen Sinopec und PetroChina, der Alu-Konzern Chalco sowie der Chemiekonzern Sinopec Shanghai Petrochemical. All das, um eine Einmischung amerikanischer Buchprüfer zu vermeiden.
Vor allem für chinesische Tech-Konzerne, die sich vorwiegend nicht in Staatshand befinden, dürften die unsicheren Zeiten vorerst andauern. Ihnen wäre es zwar lieber, weiterhin in den USA gelistet zu sein, wo sie direkt an den größten Kapitalmarkt der Welt angeschlossen sind. Doch gleichzeitig können sie sich nicht darauf verlassen, dass der nun geschlossene Deal tatsächlich alle Probleme ausräumt. Der Finanzplatz Hongkong profitiert so oder so: Zum einen bringen die US-Prüfer nun zusätzliches Geschäft in die Finanzmetropole. Zum anderen dürften auch die Homecoming-Börsengänge andauern. Jörn Petring/ Gregor Koppenburg
Erstmals seit dem Besuch der US-Spitzenpolitikerin Nancy Pelosi vor knapp vier Wochen in Taiwan haben US-Kriegsschiffe die Meerenge zwischen der Volksrepublik und der Insel Taiwan befahren. Die US-Marine bestätigte am Sonntag, dass zwei US-Kreuzer unterwegs waren.
Solche Einsätze dauern üblicherweise acht bis zwölf Stunden und werden von Chinas Militär stets mit Argusaugen beobachtet. An und für sich ist das Durchqueren der Straße von Taiwan von US-Schiffen nichts Ungewöhnliches. In den vergangenen Jahren haben immer wieder Kriegsschiffe der USA sowie von Verbündeten wie Großbritannien und Kanada die Straße von Taiwan befahren. Sie haben damit zwar auch immer wieder den Zorn der chinesischen Führung auf sich gezogen. Aber Gegenreaktionen blieben häufig auch aus.
Taiwan berichtete am Wochenende seinerseits von fortgesetzter Militäraktivität der Volksrepublik in der Umgebung der Insel. Auf Sozialmedien kursieren zudem Berichte darüber, dass China fünf neue Zerstörer auf Kiel hat legen lassen. Einmal fertiggestellt, erhöhen sie die Bedrohungslage für Taiwan.
Anfang August hatte der Taiwan-Besuch der Präsidentin des US-Repräsentantenhauses, Pelosi, allerdings für die schärfsten Spannungen seit mehr als einem Jahrzehnt zwischen Taiwan und den USA auf der einen Seite und China auf der anderen gesorgt (China.Table berichtete). Peking antwortete mit einem Großmanöver, bei dem auch erstmals Raketen der Volksbefreiungsarmee den taiwanischen Luftraum überflogen. Kurz nach Pelosis Besuch reiste eine weitere Delegation mit fünf US-Kongressabgeordneten auf die Insel. Die USA betonten, Besuche von US-Kongressmitgliedern stünden im Einklang mit der Ein-China-Politik der USA. rtr/flee
Die Schiffscontainer-Hersteller China International Marine Containers und Maersk Container Industry haben die geplante Fusion ihres Kühlcontainer-Geschäfts nach einem Veto der deutschen und amerikanischen Kartellbehörden abgesagt. Maersk aus Kopenhagen erklärte, der Konzern bedauere das Scheitern der Übernahme seiner Sparte durch den chinesischen Konzern mit einem Volumen von knapp einer Milliarde Dollar.
Die beiden Unternehmen gehören zu den vier größten Anbietern von isolierten Container-Boxen und Kühlcontainern. Hätten die Kartellabteilungen keinen Einspruch erhoben, wären über 90 Prozent der weltweiten Produktion in chinesischen Staatsbesitz beziehungsweise in den Besitz von Staatsbetrieben geraten.
“Die amerikanischen Verbraucher sind bei vielen Gütern des täglichen Bedarfs auf die globale Kältelieferkette angewiesen”, erklärte der stellvertretende Generalstaatsanwalt Jonathan Kanter von der Kartellabteilung des US-Justizministeriums. Die Übernahme hätte zu “höheren Preisen, niedrigerer Qualität und geringerer Widerstandsfähigkeit der globalen Lieferketten“ führen können, so Kanter. Maersk wäre zudem als innovativer, unabhängiger Wettbewerber ausgeschaltet worden. fpe
Die USA streichen infolge eines Streits wegen Sanktionen gegen US-Fluggesellschaften etliche Flüge nach China. Vom fünften bis zum 28. September werden 26 Flüge von vier chinesischen Fluggesellschaften ausgesetzt, teilte die US-Regierung am Donnerstag mit. Betroffen seien Strecken von Air China, China Eastern Airlines, China Southern Airlines und Xiamen Airlines. Damit reagierte das US-Verkehrsministerium auf die Entscheidung der chinesischen Regierung, 26 Flügen von American Airlines, Delta Air Lines und United Airlines wegen COVID-19-Fälle einzustellen.
Das US-Verkehrsministerium erklärte, dass die chinesischen Behörden seit dem 7. August ihre Politik dahingehend geändert hätten, dass ein Flug gestrichen wird, wenn die Zahl der positiv auf COVID-19 getesteten Passagiere vier Prozent der Gesamtzahl der Passagiere auf einem Flug nach China erreicht, und zwei Flüge, wenn die Zahl acht Prozent beträgt. Die US-Regierung hat wiederholt bei der chinesischen Regierung Einwände erhoben. Die Vorschriften würden die Fluggesellschaften in unnötiger Weise in die Pflicht nehmen, wenn Reisende vor dem Betreten ihres Fluges aus den Vereinigten Staaten negativ getestet werden, um nach ihrer Ankunft in China positiv auf das Coronavirus vorgefunden zu werden.
Vor den jüngsten Annullierungen führten drei US-amerikanische und vier chinesische Fluggesellschaften etwa 20 Flüge pro Woche zwischen den beiden Ländern durch, was deutlich unter der Zahl von mehr als 100 pro Woche vor der Pandemie liegt. rtr
Ein ehemaliger Mitarbeiter des US-Technikkonzerns Apple hat vor Gericht zugegeben, technische Daten aus der Entwicklung eines selbstfahrenden Autos kopiert zu haben. Nachdem er das Unternehmen verlassen hat, wollte er nach China zurückkehren und dort bei dem Autohersteller Xpeng anheuern. Die US-Polizei hatte ihn am Flughafen verhaftet.
Ein Zusammenhang zwischen dem Diebstahl der Baupläne und dem Wechsel des Arbeitgebers ist nicht nachgewiesen. Xpeng leugnet jedes Interesse an dem Know-how von Apple Car. Zhang Xiaolang hatte von 2015 bis 2018 für Apple gearbeitet. Ihm drohen nun bis zu zehn Jahren Gefängnis für Industriespionage. fin
“Durch das negative China-Image ist meine Arbeit schwieriger geworden”, sagt Nora Frisch. Mit den Büchern ihres Drachenhaus-Verlags möchte die in Wien, Peking, Taipeh und Heidelberg ausgebildete Sinologin eigentlich die Vielfalt Chinas jenseits von Wirtschaft und Politik abbilden – eine Vielfalt, die in den aktuellen Debatten leider oft zu kurz kommt. “China ist voll von Einzelschicksalen, die man eben nicht in einen Topf werfen kann.” Das Programm ihres 2010 gegründeten Verlags ist dementsprechend breit gefächert: Hier finden sich neben Romanen auch Geschichtsbücher, Graphic Novels, Kinder- und Kochbücher sowie Klassiker der chinesischen Philosophie wie Lin Yutangs “Mein Land und mein Volk” aus dem Jahr 1935. “Niemals wurde die chinesische Mentalität seitdem so intensiv und eingehend beschrieben wie bei Lin Yutang”, erläutert Frisch. Und daran habe sich trotz des chinesischen Wirtschaftswunders nicht viel geändert. “Das macht seine Bücher noch immer aktuell.”
Die Idee für einen Buchverlag kam Frisch nach ihrer Promotion. Zunächst wollte sie eine Schule gründen, um ihr Wissen über China und die chinesische Sprache weiterzugeben. “Eine Art von Konfuzius-Institut”, wie sie erklärt. Ihr Mann überzeugte sie schließlich, eine andere Richtung einzuschlagen. “Er sagte: Damit erreichst du höchstens Menschen im Umkreis von zehn Kilometern. Mache das ganze doch in Buchform.”
Das erste Buch, das Frisch im Drachenhaus-Verlag veröffentlichte, war “Der Bau der großen Mauer”, in dem die Geschichtswissenschaftlerin Cornelia Hermanns einen Überblick über die Hintergründe und die Entstehung des vielleicht berühmtesten chinesischen Bauwerks nachzeichnet. “Mittlerweile wird das Buch auch in Schulen und Universitäten als Lehrmaterial verwendet”, sagt Frisch stolz. Ihr Lieblingsbuch im Verlags-Portfolio ist jedoch “Libellenaugen”, ein Coming-Of-Age-Roman zu Zeiten der Kulturrevolution. Geschrieben hat ihn Cao Wenxuan, Professor für Chinesische Literatur und Kinderliteratur der Universität Peking, der damit auch seine eigene Jugend aufarbeitete. “Die Geschichte ist mir nahegegangen”, sagt Frisch. “Ich habe mich in die Sprache des Autors verliebt. Cao rollt wirklich sprachliche Blumenteppiche vor einem aus.”
Frisch nimmt nur Bücher ins Programm auf, die sie selbst überzeugen. In den Anfangstagen des Verlags informierte sie sich auf Buchmessen und in Internetforen über Neuerscheinungen. Das war jedoch nicht immer einfach. Als sie sich etwa auf einer Messe in Peking auf die Suche nach Krimis machte, entgegnete man ihr, in China gebe es keine Verbrechen. “Da bin ich nicht weit gekommen”, sagt sie und lacht. Heute ist das einfacher, Frisch erhält aktive Angebote für Bücher aus China. “Bei vielen Titeln kann ich einfach nicht nein sagen, obwohl ich eigentlich ausgelastet bin.”
Bücher lesen ersetze mitunter interkulturelle Trainingseinheiten, glaubt Frisch, die viele Buchtexte aus China gleich selbst übersetzt. Durch ihre Verlagsarbeit bekam sie zudem immer wieder Einblicke in den Zensurapparat der Volksrepublik. So versuchten chinesische Verlage wiederholt Einfluss auf ihre Publikationen zu nehmen. Die Veröffentlichung von “Libellenaugen” wurde ihr gar verboten, wenn sie nicht einige Änderungen vornimmt. Und das, obwohl sie die Lizenz bereits erworben und das Buch bereits übersetzt hatte.
Die Verlage wünschten sich eine andere Fassung für das internationale Publikum. “Dabei waren die Stellen, die geändert werden sollten, lapidar”, erinnert sie sich. Es gab da etwa eine Szene, in der eine Großmutter den Kopf geschoren bekommt. Anschließend fragt sie ein Mädchen der Roten Garden nach ihrem roten Halstuch, um sich den Kopf zu bedecken. “In den Änderungen, die die chinesische Seite forderte, ging das Mädchen jedoch auf die alte Frau zu, um ihr das Halstuch zu überreichen. Solche Kleinigkeiten wurden beanstandet”, sagt Frisch.
In anderen Fällen wollten die Chinesen ihr nur eine Lizenz erteilen, wenn sie auch die Werke von Xi Jinping mit ins Programm nimmt. Hier ging sie, ebenso wie bei “Libellenaugen”, nicht auf die Wünsche ein. “Ich versuche mir meine Unabhängigkeit mit allen Mitteln zu bewahren.” Fabian Peltsch
Pierre Ganninger de Botmiliau hat die Stelle des Project Manager Business Development China bei Mercedes-Benz Vans übernommen. De Botmiliau ist seit fünf Jahren für Daimler tätig. Sein derzeitiger Einsatzort ist Stuttgart.
Saad Azza ist seit Juli Senior Business Development Manager & Team Lead bei Porsche Taiwan. In Taipei ist er unter anderem für die Steuerung des Porsche Taiwan E-Performance-Programms und den Rollout neuer Ladelösungen verantwortlich.
Ändert sich etwas in Ihrer Organisation? Schicken Sie doch einen Hinweis für unsere Personal-Rubrik an heads@table.media!
“Dürfte ich Sie küssen?” Dieses Sätzchen ist einer der Running-Gags unter Chinesischlernern (und -lehrern) bei der Vermittlung chinesischer Aussprache-Basics. Bekanntlich ist das Chinesische ja eine Tonsprache, sprich das Heben und Senken der Stimme nach bestimmten Mustern ist bedeutungsrelevant. “Vergreift” man sich also “im Ton”, wird aus der unverfänglichen Kontaktaufnahmefloskel 请问 qǐng wèn “Dürfte ich Sie etwas fragen?” (wörtlich “bitte fragen”) schnell eine vermeintliche Flirtattacke, nämlich 请吻 qǐng wěn “Dürfte ich Sie küssen?” (“bitte küssen”).
Soweit die Theorie – und das Entertainment im Klassenzimmer. Tatsächlich sind in China Meldungen über missverständliche Annäherungsversuche aufgrund von Aussprache-Handicaps bisher ausgeblieben. Denn natürlich wird Sprache immer im Kontext verstanden. Und so filtern Muttersprachler unbeholfene “Tondreher” unsererseits zum Glück meist gnädig heraus.
Nichtsdestotrotz muss man sagen: Die chinesische Aussprache hat für westliche Zungen tatsächlich so ihre Tücken! Eh man sich versieht, hat man nämlich aus Panda-Besichtigungsplänen in Sichuan …. schwuppdiwupp … Brusthaar-Besichtigungspläne gemacht (看熊猫 kàn xióngmāo vs. 看胸毛 kàn xiōngmáo). Oder man erklärt “Schlange stehen gehen” (去排队 qù páiduì) statt “Party machen gehen” (去派对 qù pàiduì) zum beliebten Hipster-Zeitvertreib in Deutschland. Und bestimmt hat der eine oder andere China-Tourist am Bahnschalter schon mal melancholisch ein “Ticket Richtung Verletzung” (伤害 shānghài) geordert und ist natürlich trotzdem in Shanghai (上海 Shànghǎi) gelandet.
Der Grund für die Aussprachkonfusion: Während wir im Deutschen unsere Silben fast beliebig aus dem Buchstabenbaukasten des Alphabets zu unzähligen Varianten zusammenbasteln können, kennt das Chinesische nur ein festes Set von An- und Auslauten und damit auch nur eine begrenzte Anzahl von Silben, rund 400 nämlich. Und aus diesem zugegebenermaßen etwas mageren Silbenpool müssen letztlich alle Wörter zusammengepinnt werden. Viele Begriffe sehen also in der Lautumschrift Pinyin – eine wichtige Krücke vor allem für uns als Fremdsprachenlerner – identisch oder zumindest fast identisch aus, sie unterscheiden sich also höchstens durch ihren Tonverlauf.
Berühmt-berüchtigt sind in diesem Zusammenhang übrigens auch Tonübungsreihen aus dem Chinesisch-Unterricht, die mit Bedeutungsveränderungen bei Intonationswechseln spielen. Allen voran der Klassiker: das von der Mutter geschimpfte Pferd (妈妈骂马吗? Māma mà mǎ ma? “Schimpft die Mutter das Pferd?”). Aber solche Silbenreihen, bei denen der Ton die Musik macht, gibt es wie Sand am Meer. Zum Beispiel kann das Wörtchen “mi” je nach Betonung “Reis”, “Honig”, “Fan” oder einfach “miau!” heißen. Und bei der Silbe “bao” weiß der Hörer nur dann, ob eine “Tasche”, ein “Leopard”, “statt” oder “dünn” gemeint ist, wenn man als Sprecher den richtigen Ton erwischt.
Die gute Nachricht ist wie gesagt: meist rettet uns der Gesprächskontext! Denn die wenigsten reisen wohl nach Sichuan, um Brusthaare zu bestaunen (höchstens die von Pandabären vielleicht). Gemein wird es für Sprachenlerner nur dann, wenn sich zwei “Aussprachezwillinge” im gleichen Wortfeld befinden beziehungsweise in irgendeiner Weise semantisch verwandt sind. Dann besteht nämlich die Gefahr, dass sie in einem bestimmten Kontext gleichermaßen plausibel sind. Echte Missverständnisse sind so vorprogrammiert.
Schließlich macht es ja einen gewissen Unterschied, ob Sie ihrem Fondsmanager auftragen, eine Aktie zu kaufen (买 mǎi) oder zu verkaufen (卖 mài), ob sich Ihre Firmenniederlassung in der Provinz Shanxi (山西 Shānxī) oder Shaanxi (陕西 Shǎnxī) befindet, ob Sie im Flugzeug von der Stewardess ein Glas (杯子 bēizi) oder eine Decke (被子 bèizi) möchten und ob sie einen Chinesisch- (汉语 Hànyǔ) oder Koreanisch-Kurs (韩语 Hányǔ) bei einer Sprachschule buchen.
War das Blinddate nun ein Flop, weil der Kerl einfach nicht vorzeigbar war (丑 chǒu “hässlich”) oder doch weil er unangenehm roch (臭 chòu “stinken(d)”)? Hat Ihre neue Freundin viele Katzen (猫 māo) oder viel Körperhaar (毛 máo)? Und haben Sie sich am Wochenende von der neuen Lieblingsserie auf Netflix nun drei Staffeln (季 jì) reingezogen oder doch nur drei Folgen (集 jí)?
Die Chinesen selbst schrecken die vielen Gleichlaute dagegen nicht. Im Gegenteil. Als Muttersprachler trippeln sie nicht nur federleicht über das Tonklavier, sondern haben gar das Spiel mit Mehr- und Doppeldeutigkeiten zu einem kleinen Volkssport erklärt.
Wortspiele mit Homophonen (谐音xiéyīn – “Gleichlaut, Homophon”) haben im chinesischsprachigen Raum eine jahrhundertelange Tradition und auch heute noch Hochkonjunktur. Die aufstrebende Comedy-Szene im Reich der Mitte hat hierfür in den letzten Jahren den Trendbegriff des 谐音梗 xiéyīngěng (“Wortspiel, lautlicher Gag”) geprägt, der als trockener Humor nicht nur durch Entertainment-Formate geistert, sondern vermehrt auch durch soziale Netzwerke oder einfach Kaffeepausengespräche. In der Internetlandschaft gelten Homophone zudem als beliebter Zaubertrick, um die diversen Zensurfilter zu umgehen. Hier werden zum Beispiel sensible Begriffe (敏感词 mǐngǎncí) einfach durch unverfängliche Zeichen ersetzt, die genauso oder so ähnlich klingen. So weiß der Leser, was gemeint ist, die Maschine hingegen nicht.
Doch manchmal helfen selbst penible Aussprachvorbereitung und Last-Minute-Tontrainings nichts. Denn tatsächlich gibt es im Chinesischen einfach einige Wörter, die im Gesprochenen vollkommen identisch klingen. So sorgte ich zum Beispiel jüngst auf einer Pekinger Polizeistation für Furore, als ich um die Verlängerung meines “Haftausweises” (jūliúzhèng) bat. Dabei wollte ich doch nur eine Neuauflage meines residence permit beantragen. Leider heißt jūliú sowohl “Haft” (拘留) als auch “Aufenthalt” (居留). Zur Unterscheidung des entsprechenden Papiers wird im Falle der “Aufenthaltsgenehmigung” deshalb vorsorglich das Wörtchen 许可 xǔkě “Genehmigung” eingefügt (居留许可证 jūliúxǔkězhèng), was ich leider vergessen hatte. Glücklicherweise ließ sich das Missverständnis schnell aufklären. Und so schreibe ich auch diese Kolumne hinterm Schreibtisch, und nicht hinter Gittern.
Mehr über spannende Homophone im Chinesischen und die Geschichten dahinter erfahren? New Chinese verlost Bücher zum Thema! Hier geht’s zum Gewinnspiel.
Verena Menzel betreibt in Peking die Online-Sprachschule New Chinese.