Table.Briefing: China

Tauziehen um Salomonen + Einfluss beim Menschenrechtsrat

  • Einfluss auf Salomonen wächst
  • Pekings Einschüchterungen beim Menschenrechtsrat
  • Termine der kommenden Woche
  • Taiwan lockert Einreise-Bestimmungen
  • Ukraine: Borrell appelliert an China
  • Xie fordert Einhaltung von Klima-Versprechen
  • Ex-Minister lebenslang hinter Gitter
  • Airbus sticht Boeing aus
  • Peking nominiert EU-Botschafter
  • Blick aus China: Manipulierte Statistiken
Liebe Leserin, lieber Leser,

die UN-Generalversammlung ist eine gute Gelegenheit für hochrangige politische Gespräche. Chinas Außenminister Wang Yi hat den Aufenthalt in New York für eine vertrauliche Zusammenkunft mit seinem Amtskollegen von den Salomonen genutzt. Beziehungspflege ist wichtig, denn China hat an den Salomonen ein besonderes Interesse, wie vor knapp fünf Monaten sehr deutlich wurde. Damals sorgte ein Sicherheitsabkommen zwischen den beiden Staaten für viele Diskussionen. Ein Entwurf des geheimen Papiers war an die Öffentlichkeit gelangt und nährte den Verdacht, China könne planen, eine dauerhafte Militärpräsenz in dem Inselstaat aufzubauen. Seitdem ist es um das Thema wieder ruhig geworden, doch es ist eine trügerische Stille, analysiert Michael Radunski. Er zeigt, wie die Volksrepublik ihren Einfluss in dem Inselstaat kontinuierlich weiter ausbaut.

Seinen Einfluss übt China auch allzu eifrig beim UN-Menschenrechtsrat aus. Marcel Grzanna wirft einen Blick auf die zum Teil äußerst zweifelhaften Methoden, mit denen Peking Kritik zu verhindern sucht. Wissen Sie, was “Gongos” sind? Klingt bizarr, ist es auch. “Governmental Organized Non-Governmental Organisations” sind vom Staat finanzierte, unterstützte oder sogar gegründete Organisationen, die im Mantel der Unabhängigkeit auftreten, in Wahrheit aber staatliche Interessen vertreten. China hat allein für den UN-Menschenrechtsrat 40 derartige Organisationen registriert. Und warum? Damit echte Nichtregierungsorganisationen weniger Chancen auf die spärlich gesäte Redezeit haben, in der sie möglicherweise die Menschenrechtslage in Xinjiang und andere Themen kritisieren können.

Wir wünschen eine spannende Lektüre und ein entspanntes Wochenende.

Ihre
Julia Fiedler
Bild von Julia  Fiedler

Analyse

Chinas wachsender Einfluss im Südpazifik

Chinas wachsender Einfluss im Südpazifik und den Salomonen: Wang Yi trifft am Rande der UN-Generalversammlung den Außenminister der Salomonen, Jeremiah Manele.
Wang Yi trifft am Rande der UN-Generalversammlung den Außenminister der Salomonen, Jeremiah Manele.

Die Regierungschefs der Welt treffen sich derzeit in New York zur UN-Generalversammlung. Für China wird am Samstag Außenminister Wang Yi sprechen. Doch schon in den Tagen davor ist Wang sehr aktiv. Am Mittwoch traf er Jeremiah Manele, den Außenminister der Salomonen, zum vertraulichen Gespräch. Wang lobte die Beziehungen zwischen China und den Salomonen und hob hervor, dass man in den vergangenen drei Jahren beeindruckende Ergebnisse erzielt habe. China sei schon immer ein vertrauenswürdiger Freund der Salomonen gewesen und werde auch weiterhin helfen, wo es nur könne.

Peking lobt Selbstbestimmung der Salomonen

Doch allzu lange hält diese Freundschaft noch nicht. China und die Salomonen unterhalten erst seit 2019 diplomatische Beziehungen. Peking wollte von dem Inselstaat nichts wissen, bis Premierminister Manasseh Sogavare entschied, die diplomatischen Beziehungen zu Taiwan abzubrechen.

In New York hob Wang hervor: Die Fakten zeigten eindrucksvoll, dass die Entscheidung, diplomatische Beziehungen zwischen China und den Salomonen aufzunehmen, sich schon jetzt auszahle. China schätze die Bemühungen der Salomonen, an Unabhängigkeit und Selbstbestimmung festzuhalten und seinen eigenen Entwicklungspfad zu wählen.

Dieser Entwicklungspfad hat den Pazifikstaat zwischen Papua-Neuguinea und Vanuatu zum jüngsten Schauplatz im geopolitischen Machtkampf zwischen China und den USA werden lassen.

Salomonen schließen Häfen für ausländische Schiffe

Die Folgen bekamen vor wenigen Wochen die Besatzungen des britischen Patrouillenboots HMS Spey und der “Oliver Henry” der US-Küstenwache zu spüren. Als Teil der “Operation Island Chief” gegen illegale Fischerei in der Region wollten die beiden Boote zu einem Routinestopp auf den Salomonen anlegen. Doch ihnen wurde die Einfahrt untersagt (China.Table berichtete). Als Grund führte Premierminister Sogavare an, man hätte nicht rechtzeitig die erforderlichen Unterlagen vorgelegt.

Malcolm Davis hält dies für eine fadenscheinige Erklärung. “Ich vermute, dass Sogavare dies auf Drängen von China getan hat”, erklärt der Analyst vom “Australian Strategic Policy Institute” in Canberra gegenüber China.Table. Es sei ein Test. “Peking wird nun die internationale Reaktion genauestens verfolgen. Es wird die nächsten Schritte dahingehend anpassen, wie sie Sogavare in Zukunft nutzen können, um US-amerikanischen und alliierten Marineschiffen die Freiheit der Schifffahrt zu verweigern.”

Diesem Eindruck versuchte Sogavare entgegenzutreten, als er wenige Tage später erklärte, dass die Regierung generell die Genehmigungsanforderungen und -verfahren für den Besuch von Militärschiffen auf den Salomonen überprüfen werde. Es soll sich also um ein generelles Anlege-Moratorium für ausländische Schiffe handeln. Das Problem: Sogavare verkündete das Moratorium ausgerechnet bei der Begrüßungszeremonie der USS Mercy, einem riesigen Krankenhausschiff der US Navy.

Der Einfluss wächst

Eine verweigerte Hafeneinfahrt für ein US-Militärschiff ist noch kein Anlass zu großer Sorge. Davis macht allerdings noch weitere “alarmierende Entwicklungen” aus, die zeigen, wie China seinen Einfluss auf die Salomonen weiter ausbaut: So hat Sogavare kürzlich ein Angebot des chinesischen Technologiekonzerns Huawei über den Bau von hunderten Mobilfunkmasten angenommen. Kritiker erkennen darin ein Einfallstor für chinesische Überwachungstechnik. Und das Geld für das Projekt – immerhin knapp 100 Millionen US-Dollar – kommt ebenfalls aus Peking, in Form eines Kredits, den die Salomonen von China aufnehmen. Zudem wurde bekannt, dass Sogavare dubiose Zahlungen an etliche Parlamentarier veranlasst haben soll. Oppositionsführer Matthew Wale behauptet, Sogavare habe das Geld von der chinesischen Führung erhalten. Der innenpolitische Druck auf den Premier ist jedenfalls immens.

Dazu passend hat Sogavare auch noch die im kommenden Jahr anstehende Parlamentswahl verschieben lassen. Als Grund führte er an, die Salomonen würden 2023 bereits die 17. Pazifikspiele ausrichten. Beides sei leider nicht möglich. Für das Sportereignis wird in der Hauptstadt Honiara eigens ein neues Stadion gebaut – bezahlt und errichtet von China.

Malcolm Davis ist überzeugt: Mit der Wahlverschiebung versuche Sogavare, über seine verfassungsmäßigen Grenzen hinaus an der Macht zu bleiben. “Er tut dies mit chinesischer Unterstützung, einschließlich finanzieller Unterstützung in Form von Geldkoffern.” Es sei ein klassischer Kuhhandel: “Sogavare soll an der Macht bleiben, weil er China gegenüber loyal ist und bereit, China einen größeren Zugang zu den Salomonen zu gewähren.” Das wiederum sei seine Gegenleistung für Chinas Unterstützung, an der Macht zu bleiben.

Umstrittenes Abkommen mit China

Bryce Wakefield hingegen warnt vor allzu schnellen Schlussfolgerungen. “Es ist verlockend, alles, was die Regierung der Salomonen im Moment tut, im Lichte ihres Sicherheitsabkommens mit Peking zu sehen”, sagte der Direktor des “Australian Institute of International Affairs” gegenüber news.com.au. Vielleicht versuchen die Salomonen derzeit schlicht, ihren Platz zwischen den beiden Großmächte zu finden.

Ausgangspunkt ist jenes Sicherheitsabkommen, das China und die Salomonen vor knapp fünf Monaten abgeschlossen haben, und das seither für heftige Debatten sorgt. Eigentlich wollten die Regierungen den Vertrag geheim halten, doch ein Entwurf des Abkommens gelangte versehentlich an die Öffentlichkeit. Darin sind weitreichende Zugeständnisse an China aufgelistet. Die Volksrepublik dürfte je nach Bedarf und mit Zustimmung der Salomonen “die Inseln mit Schiffen besuchen, dort logistischen Nachschub erhalten und Zwischenstopps einlegen”. Chinesische Streitkräfte wären berechtigt, “die Sicherheit des chinesischen Personals” und “wichtige Projekte auf den Salomonen” zu schützen. Es ist die rechtliche Grundlage für chinesische Sicherheits- und Marineeinsätze in dem aus Dutzenden Inseln bestehenden Pazifikstaat (China.Table berichtete).

“Es ist ein gefährliches Abkommen”, urteilt Davis und erklärt: “Ich denke, Chinas Plan ist es, möglichst schnell eine dauerhafte Militärpräsenz in dem Inselstaat aufzubauen.” Peking wolle die Salomonen als Sprungbrett nutzen, um seinen Einfluss im gesamten Südwestpazifik auszubauen.

Die Fehler des Westens

Doch auch der Westen – allen voran die USA – haben im Umgang mit den Salomonen gravierende Fehler begangen. Obwohl geostrategisch wichtig gelegen, hat man den Pazifikstaat jahrelang diplomatisch sträflich vernachlässigt. Und während man der Ukraine gegenüber Russland ein Selbstbestimmungsrecht zugesteht, scheint es, als wolle so mancher US-Politiker dieses Recht den Salomonen nur allzu gerne absprechen.

Doch mit Druck allein wird es nicht gelingen, den wachsenden Einfluss Chinas wieder zurückzudrängen. Hierfür muss man die Interessen und Probleme ernst nehmen. Das sind vor allem die wirtschaftliche Entwicklung und die Bewältigung der Klimakrise, denn der prognostizierte Anstieg des Meeresspiegels ist für Staaten wie die Salomonen eine existenzbedrohende Gefahr.

Ausgerechnet Deutschland hat hier einen ersten Schritt gemacht: Anfang Juli reiste Außenministerin Annalena Baerbock in die Region und ernannte mit Beate Grzeski die erste deutsche Sonderbotschafterin für die pazifischen Inselstaaten. Auch die USA wollen wieder mehr Präsenz zeigen. In Honiara will man wieder eine Botschaft eröffnen – nach 29 Jahren.

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Einschüchterungen in Genf: “Sie besetzen den öffentlichen Raum”

Chinas Botschafter am UN-Menschenrechtsrat in Genf: Chen Xu
Chinas Botschafter am UN-Menschenrechtsrat in Genf: Chen Xu

Der Moderator des Panels wurde nach zwei Minuten ungeduldig. Die Mitarbeiterin der chinesischen Vertretung in Genf hatte sich in erster Reihe positioniert und verlas nun eine ellenlange Stellungnahme, statt wie vorgesehen eine simple Frage zu stellen. Die Dame wurde schließlich aufgefordert, sie möge bitte zum Punkt kommen. Doch sie ließ sich nicht beirren, sondern trug stoisch bis zum Ende ihr Manuskript vor.

Höflich, aber sichtlich genervt, ließen die Gastgeber die Frau gewähren. Human Rights Watch und International Service for Human Rights hatten am Rande der 51. Session des Menschenrechtsrats in Genf geladen, um die systematischen Menschenrechtsverbrechen der chinesischen Regierung in Xinjiang zu thematisieren. Die beiden Nichtregierungsorganisationen wollten die weltweit gestiegene Aufmerksamkeit für Folter, Zwangsarbeit und Internierung von Uiguren nutzen, um der Weltgemeinschaft die Dringlichkeit für gesteigerten Handlungsbedarf zu vermitteln.

Doch wann immer im offiziellen Programm der Session oder bei Begleitveranstaltungen Themen zur Sprache kommen, die Peking in schlechtes Licht rücken, sind Vertreter des Regimes verlässlich zur Stelle. “Chinesische Diplomaten tauchen überall auf und besetzen den öffentlichen Raum, um anderen das Wort zu nehmen und ihre eigenen Darstellungen lautstark zu verbreiten”, sagt Zumretay Arkin. Die Kanadierin mit uigurischen Wurzeln ist als Sprecherin und Lobbyistin für den Weltkongress der Uiguren (WUC) nach Genf gereist und saß ebenfalls auf dem Podium.

Einfluss auf den Wirtschafts- und Sozialrat der UN

“Es geht dabei um Einschüchterung”, sagt Kai Müller von der International Campaign for Tibet (ICT). Der Geschäftsführer sprach Anfang der Woche persönlich im Menschenrechtsrat vor und registrierte dabei, wie ein chinesischer Diplomat plakativ seinen Namen und den einer weiteren anwesenden ICT-Mitarbeiterin notierte. Dabei ist Müller wahrlich kein Unbekannter für die Chinesen. Seit 15 Jahren arbeitet er für die ICT und leiht der Organisation Stimme und Gesicht. Seinen Namen kennt man in Genf, vor allem kennen ihn die chinesischen Diplomaten. “Die Absicht war es, dass wir unbedingt sehen sollten, dass man unsere Namen aufschreibt”, glaubt Müller.

Die Botschaft kann man getrost als subtile Drohung verstehen, auch an alle anderen Delegierten im Saal. Die Volksrepublik will Kritiker in Genf aber nicht nur einschüchtern, sondern versucht auch, sie zu isolieren und zu marginalisieren. Dazu nutzt das Land seinen Einfluss auf den Wirtschafts- und Sozialrat der Vereinten Nationen (Ecosog). Das Gremium ist für die Akkreditierung von Nichtregierungsorganisationen für die Teilnahme an Sitzungen des Menschenrechtsrats und anderen UN-Gremien verantwortlich.

Systematisch verhindern die chinesischen Vertreter dort die Erteilung der Zulassungen an nicht genehme Organisationen wie den WUC oder die ITC. Anträge werden über Jahre in die Länge gezogen, indem immer wieder neue, teils absurde Rückfragen aufgeworfen werden, die von den Organisationen bearbeitet werden müssen. Die Interessen von WUC oder ITC finden dennoch den Weg ins Plenum, weil andere Organisationen sie dazu einladen. Beispielsweise sind Uiguren-Vertreterinnen wie Zumretay Arkin über die Gesellschaft für bedrohte Völker aus Göttingen zugelassen. Das ICT kommt über die polnische Helsinki Foundation zu Wort.

Peking hat in Genf 40 Organisationen akkreditiert

Die Zahl der akkreditierten Organisationen für Sitzungen der UN-Gremien steigt dennoch kontinuierlich an. Von 1.400 wuchs ihre Zahl in den vergangenen 25 Jahren auf rund 5.000. Wer genau hinschaut, erkennt jedoch, dass viele dieser vermeintlichen Nichtregierungsorganisationen mitnichten unabhängig sind. Ganz im Gegenteil sind sie sogenannte Gongos (Governmental Organized Non-Governmental Organisations) – also vom Staat finanzierte, unterstützte oder sogar gegründete Organisationen, die im Mantel der Unabhängigkeit auftreten, in Wahrheit aber staatliche Interessen vertreten.

Die Volksrepublik China hat allein für den Menschenrechtsrat in Genf 40 Organisationen akkreditiert, obwohl chinesische Nichtregierungsorganisationen mit globaler Reichweite praktisch nicht mehr existieren. Beispiel: Die Chinesische Vereinigung für die Erhaltung und Entwicklung der tibetischen Kultur. Nach eigenen Angaben ist sie eine unabhängige Organisation, deren Grundsatz es sei, “die Verfassung, die Gesetze, die Vorschriften und die staatliche Politik der Volksrepublik China zu befolgen (…), die Menschenrechte zu schützen und die Einheit, die Harmonie und den gemeinsamen Wohlstand der verschiedenen Nationalitäten in Tibet zu fördern.”

Mit solchen und anderen Gongos ringen alle anderen Nichtregierungsorganisationen um die spärlich zur Verfügung stehende Redezeit während der Sitzungen. Wer sprechen will, muss sich wochenlang vor den Sitzungen bewerben und darauf hoffen, einen per Zufallsverfahren verteilten Slot zu ergattern. Je mehr chinesische Gongos sich um Sprechzeit bemühen, desto kleiner wird die statistische Wahrscheinlichkeit, dass WUC, ICT oder andere kritische Stimmen zu Wort kommen.

Mögliche Resolution gegen China

Chinas selbstbewusstes Auftreten auf den Fluren des Menschenrechtsrats und im Organ selbst ist das Resultat jahrelanger Einflussnahme auf das Gremium und andere Staaten. Die Kräfteverhältnisse im Rat stehen in der kommenden Woche auf dem Prüfstand, wenn eine mögliche Resolution gegen die Volksrepublik eingebracht wird, die eine Einrichtung eines unabhängigen Mechanismus zu China beschließen würde. Im Klartext: Der Rat würde einem Sonderberichterstatter das Mandat erteilen, dauerhaft die Volksrepublik zu beobachten.

Deutlich wurde Chinas Einfluss auch Wochen vor Beginn der 51. Session. Die damals noch amtierende Hochkommissarin für Menschenrechte, Michelle Bachelet, hatte in einem Xinjiang-Bericht in beispielloser Deutlichkeit die Verantwortlichen in Peking angeklagt. Das Papier sah erst am letzten Tag von Bachelets Amtszeit das Licht der Öffentlichkeit. Aber offenbar nur, weil Bachelets Mitarbeiterstab vehement auf die Veröffentlichung drängte, wie die Financial Times zuerst berichtete und wie eine Person aus dem nahen Umfeld des Hochkommissariats gegenüber China.Table bestätigt.

Bachelets selbst hätte dem Vernehmen nach lieber auf den Bericht verzichtet. Sie war in ihrer Amtszeit offenbar zu dem Entschluss gekommen, dass es besser sei, China nicht mit öffentlichen Vorwürfen zu konfrontieren. Eine solche Sicht der Dinge ist auch in Deutschland durchaus verbreitet. Manche Politiker, Unternehmer oder Wissenschaftler glauben, man könne hinter verschlossenen Türen die Dinge ins Lot bringen. Diese Strategie erweist sich jedoch seit Jahren als fruchtlos. Statt einer Verbesserung der Menschenrechtslage hat sich die Bilanz der Volksrepublik nachweislich eklatant verschlechtert.

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Termine

27.09.2022, 8:30 Uhr (14:30 Uhr Beijing time)
China Netzwerk Baden-Württemberg, Vortrag: 30 Jahre China-Erfahrung: Rückblickend in die Zukunft. Im Gespräch mit Bernhard Weber Mehr

27.09.2022, 9:00 Uhr (15:00 Uhr Beijing time)
EU SME Centre, Webinar: Smart Technologies and Industrial Software – Experiences with Doing Business in China Mehr

27.09.2022, 14:00 Uhr (20:00 Uhr Beijing time)
AHK Shanghai, Webinar: China on the Eve of the Party Congress: Outlook for Foreign Multinationals Mehr

27.09.2022, 18:00 Uhr (0:00 Uhr Beijing time)
Dezan Shira & Associates, Webinar: Hong Kong SAR vs. Singapore: What’s Next for Foreign Investors in Asia? Mehr

28.09.2022, 15:00 Uhr (21:00 Uhr Beijing time)
The China Project, live interview: China in Afghanistan, a year after U.S. withdrawal Mehr

News

Covid: Taiwan lockert Einreise-Bedingungen

Taiwan will die obligatorische Covid-Quarantäne für Einreisende “um den 13. Oktober herum” beenden. Weitere Beschränkungen sollen schon nächste Woche gelockert werden, gab die Regierung am Donnerstag bekannt. Bisher mussten sich Einreisende noch für drei Tage von der Außenwelt isolieren. Seit Anfang des Jahres hat Taiwan sechs Millionen Coronavirus-Infektionen verzeichnet. Größtenteils handelt es sich um Omikron-Fälle. Mehr als 99 Prozent davon hätten nur leichte Symptome, so die Behörden.

Ab dem 29. September soll die visafreie Einreise für Bürger aller Länder, die zuvor diesen Status hatten, wieder eingeführt wird. Die Regierung werde außerdem die wöchentliche Höchstzahl internationaler Reisender um 10.000 auf 60.000 erhöhen und keine PCR-Tests mehr bei der Einreise durchführen. Wenn “alles unter Kontrolle” sei, wolle die Regierung die obligatorische Quarantäne für alle Ankommenden um den 13. Oktober herum beenden, wobei die Zahl der Ankommenden auf 150.000 pro Woche ansteigen werde, sagte ein Sprecher. Die Impfrate in Taiwan ist sehr hoch, die Zahl der Neuinfektionen ebenfalls. Am Mittwoch wurden 46.000 neue Fälle gemeldet. nib

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Krieg gegen Ukraine: Borrell appelliert an China

Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell hat im Rahmen der UN-Generalversammlung an Peking appelliert, Einfluss auf Russland zu nehmen, um den Krieg gegen die Ukraine zu beenden. Die russische Invasion habe weltweit eine dreifache Krise verursacht, nämlich Nahrungsmittel- und Energieknappheit sowie finanzielle Instabilität, so Borrell in New York zu Chinas Außenminister Wang Yi.

Borrell habe auch die prekäre Situation rund um das Kernkraftwerk Saporischschja angesprochen. Dort könne es jederzeit zu einem nuklearen Unfall kommen, warnte er. Bei dem Treffen seien außerdem Menschenrechtsfragen besprochen worden, teilte der Europäische Auswärtige Dienst mit. Dabei ging es unter anderem um die Einberufung eines Menschenrechtsdialogs zwischen der EU und China, um besorgniserregende Themen zu erörtern. Die UN-Generalversammlung tagt noch bis Montag. Wang Yi steht für Samstag auf der Rednerliste. ari

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Xie und Morgan tauschen sich über Klimawandel aus

Der chinesische Klima-Sondergesandte Xie Zhenhua hat bei einem Treffen mit seiner deutschen Amtskollegin Jennifer Morgan die Hoffnung geäußert, dass die industrialisierten Länder ihre Zusage einhalten, jährlich 100 Milliarden Dollar an Klimageldern an die Entwicklungsländer zu überweisen. Das Gespräch am späten Mittwoch drehte sich um internationale Klimapolitik und die anstehende Weltklimakonferenz, die vom 06. bis 18. November in Scharm El-Scheich in Ägypten stattfindet.

Xie sagte, die Klimapolitik einiger europäischer Länder habe einen “Rückwärtsgang” eingelegt. Er hoffe, dass dies nur eine vorübergehende Zwischenlösung sei. “Implementierung und Umsetzung” bestehender Klimaziele sollten bei der Klimakonferenz im Fokus stehen. Das Auswärtige Amt hielt sich mit Äußerungen zu dem Treffen zurück. Morgan schrieb auf Twitter, dass der Klimawandel “die gemeinsame existenzielle Bedrohung ist”, die alle UN-Staaten verbindet. Sie betonte die Bedeutung multilateraler Klimakooperation.

Die Aussagen beider Seiten haben einen Hintergrund: China stellt sich auch bei Klimaverhandlungen gern als Anwalt der Entwicklungsländer dar. Mit dem Verweis auf die ausbleibenden Zusagen kann China bei diesen Ländern Punkte sammeln und davon ablenken, dass die eigenen nationalen Klimaziele nicht den Ansprüchen des Pariser Klimavertrags entsprechen. Morgans Verweis auf Klimakooperationen kann als Hinweis auf den Rückzug Chinas aus den Klimagesprächen mit den USA verstanden werden. Nach dem Taiwan-Besuch von Nancy Pelosi hatte sich China aus bilateralen Gesprächsformaten zurückgezogen.

China erlebt durch den anhaltenden Wirtschaftseinbruch einen Rückgang bei den CO2-Emissionen, der nun schon seit vier Quartalen anhält. Doch über die letzten Jahrzehnte sind die Pro-Kopf-Emissionen in China rapide angestiegen und liegen jetzt über denen der EU. Die durchschnittlichen Emissionen pro Kopf in Deutschland liegen mittlerweile nur noch knapp über denen in China. Dennoch müssen alle Staaten mehr unternehmen, um die Klimaziele zu erreichen. nib

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Ehemaliger Justizminister muss lebenslang in Haft

Chinas ehemaliger Justizminister, Fu Zhenghua, ist wegen Korruption zum Tode verurteilt worden. Die Strafe, die ein Gericht in Changchun verhängte, soll aber nicht vollstreckt, sondern in eine lebenslängliche Haftstrafe umgewandelt werden. Es gibt keine Möglichkeit auf Bewährung.

Fu Zhenghua hatte zuvor mehrere hochrangige Positionen inne, unter anderem als Polizeichef von Peking und Vizeminister für öffentliche Sicherheit. Über einen Zeitraum von 16 Jahren soll er Bestechungsgelder in Höhe von insgesamt 117 Millionen Yuan (16,7 Millionen Euro) angenommen haben. Vor ein paar Monaten wurde Fu zudem vorgeworfen, Teil einer politischen Clique um Sun Lijun zu sein. Gegen Sun, ehemaliger Vizeminister für öffentliche Sicherheit, laufen ebenfalls Korruptionsermittlungen. Ihm wird zudem vorgeworfen, die Autorität von Xi Jinping nicht anzuerkennen.

Erst am Mittwoch war der ehemalige Polizeichef aus Shanghai, Gong Daoan, zu einer lebenslänglichen Haftstrafe verurteilt worden. Die früheren Polizeichefs von Chongqing, Deng Huilin, und von Shanxi, Liu Xinyun erhielten Haftstrafen von 15 beziehungsweise 14 Jahren.

Für Xi Jinping sind Anti-Korruptions-Kampagnen ein wichtiges politisches Instrument, um den eigenen Machterhalt zu sichern. Im Jahr 2020 begann die Kampagne zur Reinigung des Justizsystems, in deren Zuge in den letzten zwei Jahren mehr als 170.000 Offizielle und Polizeibeamte verurteilt wurden. jul

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Airbus sticht Boeing aus

Airbus hat einen Auftrag in Höhe von umgerechnet 4,9 Millionen Euro erhalten. Der Flugzeugbauer wird 40 Maschinen des Typs A320neo an die Fluggesellschaft Xiamen Air liefern. Bisher hat Xiamen nur Boeing-Flugzeuge betrieben. Die Maschinen sollen zwischen 2023 und 2027 geliefert werden, wie Bloomberg berichtet.

Schon im Juli hatte Airbus Verträge für den Verkauf von Flugzeugen desselben Typs an vier Fluggesellschaften in China in Höhe von umgerechnet 37,5 Milliarden Euro abgeschlossen (China.Table berichtete). Airbus betreibt ein Werk zur Endmontage in Tianjin, das zum Anstieg der Marktanteile beiträgt. nib

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China: EU-Botschafter nominiert

Zehn Monate lang war der Posten vakant, nun soll ein neuer chinesischer Gesandter für Brüssel feststehen: Fu Cong soll die Rolle übernehmen. Das berichtet die South China Morning Post unter Berufung auf Quellen. Wann der Politiker das Amt antritt, ist aber noch unklar. Zunächst müsse noch eine Prüfung von EU-Seite erfolgen.

Der 57-jährige Fu arbeitet aktuell noch als Generaldirektor in der Abteilung für Rüstungskontrolle des chinesischen Außenministeriums. Brüssel wäre nicht sein erster Auslandseinsatz: Zuvor absolvierte er bereits zwei Amtszeiten in Chinas UN-Vertretung und war Assistent der ehemaligen WHO-Generaldirektorin Margaret Chan.

Laut Merics-Analyst Grzegorz Stec könnte dieser Erfahrungsschatz vor dem Hintergrund der Spannungen um Russlands Invasion in die Ukraine ein Grund für die Personalie sein. “Fu hat mit den USA, Russland, Frankreich und Großbritannien zu Themen wie der Vermeidung von Atomkriegen gearbeitet. Möglicherweise will Peking diese Erfahrungen nutzen, sollten die Spannungen in Europa eskalieren”, so Stec gegenüber der South China Morning Post.

Vorgänger in der EU-Botschaft war Zhang Ming, der Brüssel im Dezember vergangenen Jahres verließ. Warum die Position bisher nicht neu besetzt wurde, ist unklar. jul

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Presseschau

Russlands Partner China: Distanz zum Krieg, aber treu zu Putin FAZ
China says protracted Ukraine crisis not in the interests of all parties THEGUARDIAN
China Welcomes Biden’s UN Speech After Pledge to Defend Taiwan NEWSWEEK
China ‘ready for the fight’ if Xinjiang motion is brought to UN rights body THEATLANTIC
Biden’s Pacific Island summit tests U.S. regional credibility POLITICO
Wegen Bestechlichkeit: Ehemaliger Justizminister Fu Zhenghua in China zum Tode verurteilt RND
US senators increase pressure on Apple over possible Chinese chipmaker deal FT
China setzt auf Kohlekraft: Entgegen der Ankündigung baute China weitere Kohlekraftwerke in Übersee FINANZMARKTWELT
Chinese state media claims U.S. NSA infiltrated country’s telecommunications networks REUTERS
HiSilicon: Huawei will Chip-Sparte “US-frei” neu in China aufbauen COMPUTERBASE
AstraZeneca-Aktie tiefer: AstraZeneca-Mittel gegen Eierstockkrebs in China zugelassen FINANZEN
China sorgt für höhere Ölpreise N-TV
Fauci says the Chinese government is “probably” hiding something about the origins of COVID, but he’s not sure it’s a lab leak REUTERS
China urges Europe to take positive steps on climate change REUTERS
Grafiken zur Weltbevölkerung: China wird sich halbieren – und zum Stopp des globalen Wachstums beitragen TAGESANZEIGER
Chinese police detain “godfather of film industry” over abuse claims KOB
U.S.-China Tensions Fuel Outflow of Chinese Scientists From U.S. Universities WSJ
LKW-Unfall setzt riesige Brücke in China in Brand N-TV
China earthquake: Man rescued after 17 days lost in mountains BBC
Reforms to China’s hukou system will not help migrants much ECONOMIST

Standpunkt

Mit Tricks und Intransparenz zu schöneren Zahlen

In schwierigen Zeiten sowie entscheidenden politischen Momenten sollte man Zahlen und Statistiken mit Vorsicht betrachten. Das gilt auch für dieses Jahr.

Chinas Wirtschaftsdaten werden von mehreren staatlichen Behörden veröffentlicht. Zu den wichtigsten zählen die Chinesische Volksbank, das Finanzministerium und die Zollbehörde. Die von ihnen herausgegebenen Zahlen werden im Allgemeinen als vertrauenswürdig betrachtet, mit Ausnahme der politisch sehr heiklen Daten über die Schuldenlage der Kommunen. 

Vor allem die Daten des Staatlichen Amts für Statistik der Volksrepublik China, das für den Großteil der Wirtschaftsstatistiken zuständig ist, haben aber immer wieder für viel Frustration gesorgt.

Es ist ein offenes Geheimnis, dass die wichtigsten Statistiken vor ihrer Veröffentlichung vom Staatsrat der Volksrepublik abgesegnet werden müssen. Das letzte Mal, dass China seine Wirtschaftszahlen kräftig “revidierte”, war im Jahr 1998, als die Asienkrise und gewaltige Überschwemmungen in der ganzen Region das von der Regierung in Peking verkündete Wachstumsziel von acht Prozent zunichtemachten. Die Nationale Statistikbehörde sprach letztendlich von einer Wachstumsrate von 7,8 Prozent. Es wird jedoch geschätzt, dass das Wachstum in Wahrheit zwischen fünf und sechs Prozent lag.

Viele Möglichkeiten, Zahlen zu schönen

Es gibt viele Möglichkeiten, die Bilanzen zu schönen. Ein Teil des Wirtschaftswachstums in einem Quartal könnte zugunsten eines angrenzenden, besonders schwachen Quartals umgeschichtet werden. Statistiken, die bereits zehn Jahre zurückliegen, können dann verändert werden, um Unstimmigkeiten zwischen den Zahlen auszugleichen.

In diesem Jahr ist das chinesische Bruttoinlandsprodukt nach Angaben der Nationalen Statistikbehörde im ersten Quartal um 4,8 Prozent gegenüber dem Vorjahr gestiegen, während das angekündigte Wachstumsziel für das gesamte Jahr bei 5,5 Prozent liegt. Angesichts der Corona-Maßnahmen im ganzen Land, des strauchelnden Immobilienmarktes, der gedämpften Entwicklung der Privatwirtschaft und einer trüben Stimmung bei den Verbrauchern wird die Glaubwürdigkeit dieser Zahl stark angezweifelt.

Nachdem es im zweiten Quartal zu weiteren harten Lockdowns gekommen war, hat der Markt jegliche Hoffnung verloren, dass das jährliche Wachstumsziel noch erreicht werden kann. Die Regierung schien ihrerseits beschlossen zu haben, die Zahlen nicht (allzu sehr) zu verfälschen und gab für das zweite Quartal ein Wachstum von 0,4 Prozent an. Was aber mit den Zahlen für das nächste Quartal geschehen wird, kann niemand abschätzen.

Man muss an dieser Stelle jedoch auch anmerken, dass sich die Qualität der chinesischen Statistiken vor der Covid-Pandemie zunehmend verbessert hat. Die weitgehend bedeutungslose “registrierte Arbeitslosenquote”, die Chinas enorme Bevölkerung außerhalb der Großstädte nicht berücksichtigte, wurde durch eine Quote ersetzt, die auf Erhebungen sowohl im städtischen als auch im ländlichen Raum basiert. Es wurde sogar eine Unterkategorie für die Arbeitslosenquote der 16- bis 24-Jährigen eingeführt.

Strafen für Zahlenfälscher

Die Provinz Liaoning sowie die regierungsunmittelbare Stadt Tianjin wurden offiziell gerügt, weil sie stark aufgeblähte Wirtschaftsstatistiken veröffentlicht hatten, um das Image der lokalen Verwaltung aufzupolieren.

Jedoch scheint es, als sei es durch die Pandemie und die Vorbereitung des wichtigen 20. Nationalkongress der Kommunistischen Partei Chinas zu einem Rückfall gekommen.

Was hierbei besonders frustrierend ist: Ob man die offiziellen Zahlen infrage stellt oder nicht, es gibt keine Möglichkeit, sie zu belegen. Die Nationale Statistikbehörde gibt keinerlei Details über ihre Berechnungsmethode preis, offenbar um sich selbst einen gewissen Spielraum zu verschaffen. Keine andere Institution hat das legitime Mandat oder die Fähigkeit, ein separates System parallel zu dem offiziellen einzuführen.

Andere offizielle Zahlen zum Vergleich heranzuziehen, ist ebenfalls nicht immer praktikabel, da die Nationale Statistikbehörde sie nicht regelmäßig veröffentlicht. So fehlen beispielsweise seit 2020 in den Berichten die Angaben zur Stromerzeugung, einem wichtigen Wirtschaftsindikator. Auch die Veröffentlichung der Werte für den Kohlepreis, ein weiterer Indikator, wird ausgesetzt, sobald der Preis zu hoch ist.

Unabhängige Stellen können zwar einige Indikatoren wie das Gesamtladevolumen von Lastwagen oder den Bau neuer Infrastruktur-Projekte mithilfe von Satellitenbildern ermitteln. Aber in der Regel wagen es diese Institutionen nicht, diese Zahlen zu veröffentlichen, um offizielle Angaben nicht zu untergraben. Sollten sie es dennoch tun, könnte das Konsequenzen haben. Als Begründung für die Aussetzung von Daten wird in der Regel erklärt, man wolle “angesichts der ungewöhnlichen Preisschwankungen eine verantwortungsvolle Haltung zeigen”.

Ein unabhängiges Forschungsinstitut veröffentlichte im August einen Bericht über die regionalen Leerstandsquoten von Immobilien, der sich auf eine unabhängige Erhebung stützte. Der Bericht wurde später aufgrund von Druck widerrufen.

Abgesehen von einer kleinen Zahl unerlässlicher Zahlen wie dem BIP, den Preisindizes und der Wirtschaftsleistung, veröffentlicht die Statistikbehörde in ihren Berichten ausschließlich positive Zahlen.

Das gleicht einem gar nicht einmal so lustigen Versteckspiel. Beobachter können sich nur damit trösten, dass die Regierung Zahlen veröffentlicht, die ihre politischen Ziele widerspiegeln.

Probleme nicht nur im Wirtschaftsbereich

Es wird spekuliert, dass China in den letzten Jahren sein Bevölkerungswachstum zu hoch angesetzt hat. Die Regierung hat ihre Ein-Kind-Politik nur sehr zögerlich aufgegeben, selbst nachdem die Geburtenrate übermäßig niedrig war. Dieses Zögern könnte zu einer raschen Überalterung der Bevölkerung führen, was sich langfristig negativ auf die wirtschaftlichen und sozialen Aussichten auswirkt.

Seit 2015 erlaubt es die Regierung ihren Bürgern, bis zu zwei Kinder zu bekommen. Im vergangenen Jahr wurde die Zahl sogar auf drei erhöht. Allerdings ist die allgemeine Bereitschaft, mehr als ein Kind zu bekommen, aufgrund der enorm hohen Kosten immer noch sehr gering.

Wenn so viele Statistiken manipuliert oder gar schlichtweg gefälscht werden, machen sich die Verantwortlichen und Politiker dann nicht letzten Endes selbst etwas vor? Nun, in gewisser Weise mag das durchaus zutreffen. Aber für Peking sind diese Zahlen nur ein Maßstab zur Entscheidungsfindung, sie wissen sehr gut über das Spiel mit der Statistik Bescheid.

Doch für viele andere wird es knifflig, wenn die Zahlen der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt nicht zuverlässig sind. Investoren, Ökonomen und Sinologen müssen all ihre Sinne und ihre Weisheit aufbieten, um das wahre Bild hinter der Fassade zu entschlüsseln.

  • Demografie
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  • Infrastruktur
  • KP Chinas

Personalien

Zhang Long, ein ehemaliger hochrangiger Manager der China Construction Bank (CCB) sieht sich mit Vorwürfen zu disziplinarischen und rechtlichen Verstößen konfrontiert. Das teilte Chinas Antikorruptionsbehörde mit. Zhang war Leiter der Abteilung für Investment und Vermögensverwaltung bei der CCB.

Ändert sich etwas in Ihrer Organisation? Schicken Sie doch einen Hinweis für unserer Personal-Rubrik an heads@table.media!

Dessert

Endlich Wochenende! Das scheint dieser Panda in der Forschungsstation für die Aufzucht großer Pandas in Chengdu zu denken. Am Mittwoch wurde die Forschungsstation nach einer halbjährigen Schließung wieder für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht.

China.Table Redaktion

CHINA.TABLE REDAKTION

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    • Blick aus China: Manipulierte Statistiken
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    die UN-Generalversammlung ist eine gute Gelegenheit für hochrangige politische Gespräche. Chinas Außenminister Wang Yi hat den Aufenthalt in New York für eine vertrauliche Zusammenkunft mit seinem Amtskollegen von den Salomonen genutzt. Beziehungspflege ist wichtig, denn China hat an den Salomonen ein besonderes Interesse, wie vor knapp fünf Monaten sehr deutlich wurde. Damals sorgte ein Sicherheitsabkommen zwischen den beiden Staaten für viele Diskussionen. Ein Entwurf des geheimen Papiers war an die Öffentlichkeit gelangt und nährte den Verdacht, China könne planen, eine dauerhafte Militärpräsenz in dem Inselstaat aufzubauen. Seitdem ist es um das Thema wieder ruhig geworden, doch es ist eine trügerische Stille, analysiert Michael Radunski. Er zeigt, wie die Volksrepublik ihren Einfluss in dem Inselstaat kontinuierlich weiter ausbaut.

    Seinen Einfluss übt China auch allzu eifrig beim UN-Menschenrechtsrat aus. Marcel Grzanna wirft einen Blick auf die zum Teil äußerst zweifelhaften Methoden, mit denen Peking Kritik zu verhindern sucht. Wissen Sie, was “Gongos” sind? Klingt bizarr, ist es auch. “Governmental Organized Non-Governmental Organisations” sind vom Staat finanzierte, unterstützte oder sogar gegründete Organisationen, die im Mantel der Unabhängigkeit auftreten, in Wahrheit aber staatliche Interessen vertreten. China hat allein für den UN-Menschenrechtsrat 40 derartige Organisationen registriert. Und warum? Damit echte Nichtregierungsorganisationen weniger Chancen auf die spärlich gesäte Redezeit haben, in der sie möglicherweise die Menschenrechtslage in Xinjiang und andere Themen kritisieren können.

    Wir wünschen eine spannende Lektüre und ein entspanntes Wochenende.

    Ihre
    Julia Fiedler
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    Analyse

    Chinas wachsender Einfluss im Südpazifik

    Chinas wachsender Einfluss im Südpazifik und den Salomonen: Wang Yi trifft am Rande der UN-Generalversammlung den Außenminister der Salomonen, Jeremiah Manele.
    Wang Yi trifft am Rande der UN-Generalversammlung den Außenminister der Salomonen, Jeremiah Manele.

    Die Regierungschefs der Welt treffen sich derzeit in New York zur UN-Generalversammlung. Für China wird am Samstag Außenminister Wang Yi sprechen. Doch schon in den Tagen davor ist Wang sehr aktiv. Am Mittwoch traf er Jeremiah Manele, den Außenminister der Salomonen, zum vertraulichen Gespräch. Wang lobte die Beziehungen zwischen China und den Salomonen und hob hervor, dass man in den vergangenen drei Jahren beeindruckende Ergebnisse erzielt habe. China sei schon immer ein vertrauenswürdiger Freund der Salomonen gewesen und werde auch weiterhin helfen, wo es nur könne.

    Peking lobt Selbstbestimmung der Salomonen

    Doch allzu lange hält diese Freundschaft noch nicht. China und die Salomonen unterhalten erst seit 2019 diplomatische Beziehungen. Peking wollte von dem Inselstaat nichts wissen, bis Premierminister Manasseh Sogavare entschied, die diplomatischen Beziehungen zu Taiwan abzubrechen.

    In New York hob Wang hervor: Die Fakten zeigten eindrucksvoll, dass die Entscheidung, diplomatische Beziehungen zwischen China und den Salomonen aufzunehmen, sich schon jetzt auszahle. China schätze die Bemühungen der Salomonen, an Unabhängigkeit und Selbstbestimmung festzuhalten und seinen eigenen Entwicklungspfad zu wählen.

    Dieser Entwicklungspfad hat den Pazifikstaat zwischen Papua-Neuguinea und Vanuatu zum jüngsten Schauplatz im geopolitischen Machtkampf zwischen China und den USA werden lassen.

    Salomonen schließen Häfen für ausländische Schiffe

    Die Folgen bekamen vor wenigen Wochen die Besatzungen des britischen Patrouillenboots HMS Spey und der “Oliver Henry” der US-Küstenwache zu spüren. Als Teil der “Operation Island Chief” gegen illegale Fischerei in der Region wollten die beiden Boote zu einem Routinestopp auf den Salomonen anlegen. Doch ihnen wurde die Einfahrt untersagt (China.Table berichtete). Als Grund führte Premierminister Sogavare an, man hätte nicht rechtzeitig die erforderlichen Unterlagen vorgelegt.

    Malcolm Davis hält dies für eine fadenscheinige Erklärung. “Ich vermute, dass Sogavare dies auf Drängen von China getan hat”, erklärt der Analyst vom “Australian Strategic Policy Institute” in Canberra gegenüber China.Table. Es sei ein Test. “Peking wird nun die internationale Reaktion genauestens verfolgen. Es wird die nächsten Schritte dahingehend anpassen, wie sie Sogavare in Zukunft nutzen können, um US-amerikanischen und alliierten Marineschiffen die Freiheit der Schifffahrt zu verweigern.”

    Diesem Eindruck versuchte Sogavare entgegenzutreten, als er wenige Tage später erklärte, dass die Regierung generell die Genehmigungsanforderungen und -verfahren für den Besuch von Militärschiffen auf den Salomonen überprüfen werde. Es soll sich also um ein generelles Anlege-Moratorium für ausländische Schiffe handeln. Das Problem: Sogavare verkündete das Moratorium ausgerechnet bei der Begrüßungszeremonie der USS Mercy, einem riesigen Krankenhausschiff der US Navy.

    Der Einfluss wächst

    Eine verweigerte Hafeneinfahrt für ein US-Militärschiff ist noch kein Anlass zu großer Sorge. Davis macht allerdings noch weitere “alarmierende Entwicklungen” aus, die zeigen, wie China seinen Einfluss auf die Salomonen weiter ausbaut: So hat Sogavare kürzlich ein Angebot des chinesischen Technologiekonzerns Huawei über den Bau von hunderten Mobilfunkmasten angenommen. Kritiker erkennen darin ein Einfallstor für chinesische Überwachungstechnik. Und das Geld für das Projekt – immerhin knapp 100 Millionen US-Dollar – kommt ebenfalls aus Peking, in Form eines Kredits, den die Salomonen von China aufnehmen. Zudem wurde bekannt, dass Sogavare dubiose Zahlungen an etliche Parlamentarier veranlasst haben soll. Oppositionsführer Matthew Wale behauptet, Sogavare habe das Geld von der chinesischen Führung erhalten. Der innenpolitische Druck auf den Premier ist jedenfalls immens.

    Dazu passend hat Sogavare auch noch die im kommenden Jahr anstehende Parlamentswahl verschieben lassen. Als Grund führte er an, die Salomonen würden 2023 bereits die 17. Pazifikspiele ausrichten. Beides sei leider nicht möglich. Für das Sportereignis wird in der Hauptstadt Honiara eigens ein neues Stadion gebaut – bezahlt und errichtet von China.

    Malcolm Davis ist überzeugt: Mit der Wahlverschiebung versuche Sogavare, über seine verfassungsmäßigen Grenzen hinaus an der Macht zu bleiben. “Er tut dies mit chinesischer Unterstützung, einschließlich finanzieller Unterstützung in Form von Geldkoffern.” Es sei ein klassischer Kuhhandel: “Sogavare soll an der Macht bleiben, weil er China gegenüber loyal ist und bereit, China einen größeren Zugang zu den Salomonen zu gewähren.” Das wiederum sei seine Gegenleistung für Chinas Unterstützung, an der Macht zu bleiben.

    Umstrittenes Abkommen mit China

    Bryce Wakefield hingegen warnt vor allzu schnellen Schlussfolgerungen. “Es ist verlockend, alles, was die Regierung der Salomonen im Moment tut, im Lichte ihres Sicherheitsabkommens mit Peking zu sehen”, sagte der Direktor des “Australian Institute of International Affairs” gegenüber news.com.au. Vielleicht versuchen die Salomonen derzeit schlicht, ihren Platz zwischen den beiden Großmächte zu finden.

    Ausgangspunkt ist jenes Sicherheitsabkommen, das China und die Salomonen vor knapp fünf Monaten abgeschlossen haben, und das seither für heftige Debatten sorgt. Eigentlich wollten die Regierungen den Vertrag geheim halten, doch ein Entwurf des Abkommens gelangte versehentlich an die Öffentlichkeit. Darin sind weitreichende Zugeständnisse an China aufgelistet. Die Volksrepublik dürfte je nach Bedarf und mit Zustimmung der Salomonen “die Inseln mit Schiffen besuchen, dort logistischen Nachschub erhalten und Zwischenstopps einlegen”. Chinesische Streitkräfte wären berechtigt, “die Sicherheit des chinesischen Personals” und “wichtige Projekte auf den Salomonen” zu schützen. Es ist die rechtliche Grundlage für chinesische Sicherheits- und Marineeinsätze in dem aus Dutzenden Inseln bestehenden Pazifikstaat (China.Table berichtete).

    “Es ist ein gefährliches Abkommen”, urteilt Davis und erklärt: “Ich denke, Chinas Plan ist es, möglichst schnell eine dauerhafte Militärpräsenz in dem Inselstaat aufzubauen.” Peking wolle die Salomonen als Sprungbrett nutzen, um seinen Einfluss im gesamten Südwestpazifik auszubauen.

    Die Fehler des Westens

    Doch auch der Westen – allen voran die USA – haben im Umgang mit den Salomonen gravierende Fehler begangen. Obwohl geostrategisch wichtig gelegen, hat man den Pazifikstaat jahrelang diplomatisch sträflich vernachlässigt. Und während man der Ukraine gegenüber Russland ein Selbstbestimmungsrecht zugesteht, scheint es, als wolle so mancher US-Politiker dieses Recht den Salomonen nur allzu gerne absprechen.

    Doch mit Druck allein wird es nicht gelingen, den wachsenden Einfluss Chinas wieder zurückzudrängen. Hierfür muss man die Interessen und Probleme ernst nehmen. Das sind vor allem die wirtschaftliche Entwicklung und die Bewältigung der Klimakrise, denn der prognostizierte Anstieg des Meeresspiegels ist für Staaten wie die Salomonen eine existenzbedrohende Gefahr.

    Ausgerechnet Deutschland hat hier einen ersten Schritt gemacht: Anfang Juli reiste Außenministerin Annalena Baerbock in die Region und ernannte mit Beate Grzeski die erste deutsche Sonderbotschafterin für die pazifischen Inselstaaten. Auch die USA wollen wieder mehr Präsenz zeigen. In Honiara will man wieder eine Botschaft eröffnen – nach 29 Jahren.

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    Einschüchterungen in Genf: “Sie besetzen den öffentlichen Raum”

    Chinas Botschafter am UN-Menschenrechtsrat in Genf: Chen Xu
    Chinas Botschafter am UN-Menschenrechtsrat in Genf: Chen Xu

    Der Moderator des Panels wurde nach zwei Minuten ungeduldig. Die Mitarbeiterin der chinesischen Vertretung in Genf hatte sich in erster Reihe positioniert und verlas nun eine ellenlange Stellungnahme, statt wie vorgesehen eine simple Frage zu stellen. Die Dame wurde schließlich aufgefordert, sie möge bitte zum Punkt kommen. Doch sie ließ sich nicht beirren, sondern trug stoisch bis zum Ende ihr Manuskript vor.

    Höflich, aber sichtlich genervt, ließen die Gastgeber die Frau gewähren. Human Rights Watch und International Service for Human Rights hatten am Rande der 51. Session des Menschenrechtsrats in Genf geladen, um die systematischen Menschenrechtsverbrechen der chinesischen Regierung in Xinjiang zu thematisieren. Die beiden Nichtregierungsorganisationen wollten die weltweit gestiegene Aufmerksamkeit für Folter, Zwangsarbeit und Internierung von Uiguren nutzen, um der Weltgemeinschaft die Dringlichkeit für gesteigerten Handlungsbedarf zu vermitteln.

    Doch wann immer im offiziellen Programm der Session oder bei Begleitveranstaltungen Themen zur Sprache kommen, die Peking in schlechtes Licht rücken, sind Vertreter des Regimes verlässlich zur Stelle. “Chinesische Diplomaten tauchen überall auf und besetzen den öffentlichen Raum, um anderen das Wort zu nehmen und ihre eigenen Darstellungen lautstark zu verbreiten”, sagt Zumretay Arkin. Die Kanadierin mit uigurischen Wurzeln ist als Sprecherin und Lobbyistin für den Weltkongress der Uiguren (WUC) nach Genf gereist und saß ebenfalls auf dem Podium.

    Einfluss auf den Wirtschafts- und Sozialrat der UN

    “Es geht dabei um Einschüchterung”, sagt Kai Müller von der International Campaign for Tibet (ICT). Der Geschäftsführer sprach Anfang der Woche persönlich im Menschenrechtsrat vor und registrierte dabei, wie ein chinesischer Diplomat plakativ seinen Namen und den einer weiteren anwesenden ICT-Mitarbeiterin notierte. Dabei ist Müller wahrlich kein Unbekannter für die Chinesen. Seit 15 Jahren arbeitet er für die ICT und leiht der Organisation Stimme und Gesicht. Seinen Namen kennt man in Genf, vor allem kennen ihn die chinesischen Diplomaten. “Die Absicht war es, dass wir unbedingt sehen sollten, dass man unsere Namen aufschreibt”, glaubt Müller.

    Die Botschaft kann man getrost als subtile Drohung verstehen, auch an alle anderen Delegierten im Saal. Die Volksrepublik will Kritiker in Genf aber nicht nur einschüchtern, sondern versucht auch, sie zu isolieren und zu marginalisieren. Dazu nutzt das Land seinen Einfluss auf den Wirtschafts- und Sozialrat der Vereinten Nationen (Ecosog). Das Gremium ist für die Akkreditierung von Nichtregierungsorganisationen für die Teilnahme an Sitzungen des Menschenrechtsrats und anderen UN-Gremien verantwortlich.

    Systematisch verhindern die chinesischen Vertreter dort die Erteilung der Zulassungen an nicht genehme Organisationen wie den WUC oder die ITC. Anträge werden über Jahre in die Länge gezogen, indem immer wieder neue, teils absurde Rückfragen aufgeworfen werden, die von den Organisationen bearbeitet werden müssen. Die Interessen von WUC oder ITC finden dennoch den Weg ins Plenum, weil andere Organisationen sie dazu einladen. Beispielsweise sind Uiguren-Vertreterinnen wie Zumretay Arkin über die Gesellschaft für bedrohte Völker aus Göttingen zugelassen. Das ICT kommt über die polnische Helsinki Foundation zu Wort.

    Peking hat in Genf 40 Organisationen akkreditiert

    Die Zahl der akkreditierten Organisationen für Sitzungen der UN-Gremien steigt dennoch kontinuierlich an. Von 1.400 wuchs ihre Zahl in den vergangenen 25 Jahren auf rund 5.000. Wer genau hinschaut, erkennt jedoch, dass viele dieser vermeintlichen Nichtregierungsorganisationen mitnichten unabhängig sind. Ganz im Gegenteil sind sie sogenannte Gongos (Governmental Organized Non-Governmental Organisations) – also vom Staat finanzierte, unterstützte oder sogar gegründete Organisationen, die im Mantel der Unabhängigkeit auftreten, in Wahrheit aber staatliche Interessen vertreten.

    Die Volksrepublik China hat allein für den Menschenrechtsrat in Genf 40 Organisationen akkreditiert, obwohl chinesische Nichtregierungsorganisationen mit globaler Reichweite praktisch nicht mehr existieren. Beispiel: Die Chinesische Vereinigung für die Erhaltung und Entwicklung der tibetischen Kultur. Nach eigenen Angaben ist sie eine unabhängige Organisation, deren Grundsatz es sei, “die Verfassung, die Gesetze, die Vorschriften und die staatliche Politik der Volksrepublik China zu befolgen (…), die Menschenrechte zu schützen und die Einheit, die Harmonie und den gemeinsamen Wohlstand der verschiedenen Nationalitäten in Tibet zu fördern.”

    Mit solchen und anderen Gongos ringen alle anderen Nichtregierungsorganisationen um die spärlich zur Verfügung stehende Redezeit während der Sitzungen. Wer sprechen will, muss sich wochenlang vor den Sitzungen bewerben und darauf hoffen, einen per Zufallsverfahren verteilten Slot zu ergattern. Je mehr chinesische Gongos sich um Sprechzeit bemühen, desto kleiner wird die statistische Wahrscheinlichkeit, dass WUC, ICT oder andere kritische Stimmen zu Wort kommen.

    Mögliche Resolution gegen China

    Chinas selbstbewusstes Auftreten auf den Fluren des Menschenrechtsrats und im Organ selbst ist das Resultat jahrelanger Einflussnahme auf das Gremium und andere Staaten. Die Kräfteverhältnisse im Rat stehen in der kommenden Woche auf dem Prüfstand, wenn eine mögliche Resolution gegen die Volksrepublik eingebracht wird, die eine Einrichtung eines unabhängigen Mechanismus zu China beschließen würde. Im Klartext: Der Rat würde einem Sonderberichterstatter das Mandat erteilen, dauerhaft die Volksrepublik zu beobachten.

    Deutlich wurde Chinas Einfluss auch Wochen vor Beginn der 51. Session. Die damals noch amtierende Hochkommissarin für Menschenrechte, Michelle Bachelet, hatte in einem Xinjiang-Bericht in beispielloser Deutlichkeit die Verantwortlichen in Peking angeklagt. Das Papier sah erst am letzten Tag von Bachelets Amtszeit das Licht der Öffentlichkeit. Aber offenbar nur, weil Bachelets Mitarbeiterstab vehement auf die Veröffentlichung drängte, wie die Financial Times zuerst berichtete und wie eine Person aus dem nahen Umfeld des Hochkommissariats gegenüber China.Table bestätigt.

    Bachelets selbst hätte dem Vernehmen nach lieber auf den Bericht verzichtet. Sie war in ihrer Amtszeit offenbar zu dem Entschluss gekommen, dass es besser sei, China nicht mit öffentlichen Vorwürfen zu konfrontieren. Eine solche Sicht der Dinge ist auch in Deutschland durchaus verbreitet. Manche Politiker, Unternehmer oder Wissenschaftler glauben, man könne hinter verschlossenen Türen die Dinge ins Lot bringen. Diese Strategie erweist sich jedoch seit Jahren als fruchtlos. Statt einer Verbesserung der Menschenrechtslage hat sich die Bilanz der Volksrepublik nachweislich eklatant verschlechtert.

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    Termine

    27.09.2022, 8:30 Uhr (14:30 Uhr Beijing time)
    China Netzwerk Baden-Württemberg, Vortrag: 30 Jahre China-Erfahrung: Rückblickend in die Zukunft. Im Gespräch mit Bernhard Weber Mehr

    27.09.2022, 9:00 Uhr (15:00 Uhr Beijing time)
    EU SME Centre, Webinar: Smart Technologies and Industrial Software – Experiences with Doing Business in China Mehr

    27.09.2022, 14:00 Uhr (20:00 Uhr Beijing time)
    AHK Shanghai, Webinar: China on the Eve of the Party Congress: Outlook for Foreign Multinationals Mehr

    27.09.2022, 18:00 Uhr (0:00 Uhr Beijing time)
    Dezan Shira & Associates, Webinar: Hong Kong SAR vs. Singapore: What’s Next for Foreign Investors in Asia? Mehr

    28.09.2022, 15:00 Uhr (21:00 Uhr Beijing time)
    The China Project, live interview: China in Afghanistan, a year after U.S. withdrawal Mehr

    News

    Covid: Taiwan lockert Einreise-Bedingungen

    Taiwan will die obligatorische Covid-Quarantäne für Einreisende “um den 13. Oktober herum” beenden. Weitere Beschränkungen sollen schon nächste Woche gelockert werden, gab die Regierung am Donnerstag bekannt. Bisher mussten sich Einreisende noch für drei Tage von der Außenwelt isolieren. Seit Anfang des Jahres hat Taiwan sechs Millionen Coronavirus-Infektionen verzeichnet. Größtenteils handelt es sich um Omikron-Fälle. Mehr als 99 Prozent davon hätten nur leichte Symptome, so die Behörden.

    Ab dem 29. September soll die visafreie Einreise für Bürger aller Länder, die zuvor diesen Status hatten, wieder eingeführt wird. Die Regierung werde außerdem die wöchentliche Höchstzahl internationaler Reisender um 10.000 auf 60.000 erhöhen und keine PCR-Tests mehr bei der Einreise durchführen. Wenn “alles unter Kontrolle” sei, wolle die Regierung die obligatorische Quarantäne für alle Ankommenden um den 13. Oktober herum beenden, wobei die Zahl der Ankommenden auf 150.000 pro Woche ansteigen werde, sagte ein Sprecher. Die Impfrate in Taiwan ist sehr hoch, die Zahl der Neuinfektionen ebenfalls. Am Mittwoch wurden 46.000 neue Fälle gemeldet. nib

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    Krieg gegen Ukraine: Borrell appelliert an China

    Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell hat im Rahmen der UN-Generalversammlung an Peking appelliert, Einfluss auf Russland zu nehmen, um den Krieg gegen die Ukraine zu beenden. Die russische Invasion habe weltweit eine dreifache Krise verursacht, nämlich Nahrungsmittel- und Energieknappheit sowie finanzielle Instabilität, so Borrell in New York zu Chinas Außenminister Wang Yi.

    Borrell habe auch die prekäre Situation rund um das Kernkraftwerk Saporischschja angesprochen. Dort könne es jederzeit zu einem nuklearen Unfall kommen, warnte er. Bei dem Treffen seien außerdem Menschenrechtsfragen besprochen worden, teilte der Europäische Auswärtige Dienst mit. Dabei ging es unter anderem um die Einberufung eines Menschenrechtsdialogs zwischen der EU und China, um besorgniserregende Themen zu erörtern. Die UN-Generalversammlung tagt noch bis Montag. Wang Yi steht für Samstag auf der Rednerliste. ari

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    Xie und Morgan tauschen sich über Klimawandel aus

    Der chinesische Klima-Sondergesandte Xie Zhenhua hat bei einem Treffen mit seiner deutschen Amtskollegin Jennifer Morgan die Hoffnung geäußert, dass die industrialisierten Länder ihre Zusage einhalten, jährlich 100 Milliarden Dollar an Klimageldern an die Entwicklungsländer zu überweisen. Das Gespräch am späten Mittwoch drehte sich um internationale Klimapolitik und die anstehende Weltklimakonferenz, die vom 06. bis 18. November in Scharm El-Scheich in Ägypten stattfindet.

    Xie sagte, die Klimapolitik einiger europäischer Länder habe einen “Rückwärtsgang” eingelegt. Er hoffe, dass dies nur eine vorübergehende Zwischenlösung sei. “Implementierung und Umsetzung” bestehender Klimaziele sollten bei der Klimakonferenz im Fokus stehen. Das Auswärtige Amt hielt sich mit Äußerungen zu dem Treffen zurück. Morgan schrieb auf Twitter, dass der Klimawandel “die gemeinsame existenzielle Bedrohung ist”, die alle UN-Staaten verbindet. Sie betonte die Bedeutung multilateraler Klimakooperation.

    Die Aussagen beider Seiten haben einen Hintergrund: China stellt sich auch bei Klimaverhandlungen gern als Anwalt der Entwicklungsländer dar. Mit dem Verweis auf die ausbleibenden Zusagen kann China bei diesen Ländern Punkte sammeln und davon ablenken, dass die eigenen nationalen Klimaziele nicht den Ansprüchen des Pariser Klimavertrags entsprechen. Morgans Verweis auf Klimakooperationen kann als Hinweis auf den Rückzug Chinas aus den Klimagesprächen mit den USA verstanden werden. Nach dem Taiwan-Besuch von Nancy Pelosi hatte sich China aus bilateralen Gesprächsformaten zurückgezogen.

    China erlebt durch den anhaltenden Wirtschaftseinbruch einen Rückgang bei den CO2-Emissionen, der nun schon seit vier Quartalen anhält. Doch über die letzten Jahrzehnte sind die Pro-Kopf-Emissionen in China rapide angestiegen und liegen jetzt über denen der EU. Die durchschnittlichen Emissionen pro Kopf in Deutschland liegen mittlerweile nur noch knapp über denen in China. Dennoch müssen alle Staaten mehr unternehmen, um die Klimaziele zu erreichen. nib

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    Ehemaliger Justizminister muss lebenslang in Haft

    Chinas ehemaliger Justizminister, Fu Zhenghua, ist wegen Korruption zum Tode verurteilt worden. Die Strafe, die ein Gericht in Changchun verhängte, soll aber nicht vollstreckt, sondern in eine lebenslängliche Haftstrafe umgewandelt werden. Es gibt keine Möglichkeit auf Bewährung.

    Fu Zhenghua hatte zuvor mehrere hochrangige Positionen inne, unter anderem als Polizeichef von Peking und Vizeminister für öffentliche Sicherheit. Über einen Zeitraum von 16 Jahren soll er Bestechungsgelder in Höhe von insgesamt 117 Millionen Yuan (16,7 Millionen Euro) angenommen haben. Vor ein paar Monaten wurde Fu zudem vorgeworfen, Teil einer politischen Clique um Sun Lijun zu sein. Gegen Sun, ehemaliger Vizeminister für öffentliche Sicherheit, laufen ebenfalls Korruptionsermittlungen. Ihm wird zudem vorgeworfen, die Autorität von Xi Jinping nicht anzuerkennen.

    Erst am Mittwoch war der ehemalige Polizeichef aus Shanghai, Gong Daoan, zu einer lebenslänglichen Haftstrafe verurteilt worden. Die früheren Polizeichefs von Chongqing, Deng Huilin, und von Shanxi, Liu Xinyun erhielten Haftstrafen von 15 beziehungsweise 14 Jahren.

    Für Xi Jinping sind Anti-Korruptions-Kampagnen ein wichtiges politisches Instrument, um den eigenen Machterhalt zu sichern. Im Jahr 2020 begann die Kampagne zur Reinigung des Justizsystems, in deren Zuge in den letzten zwei Jahren mehr als 170.000 Offizielle und Polizeibeamte verurteilt wurden. jul

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    Airbus sticht Boeing aus

    Airbus hat einen Auftrag in Höhe von umgerechnet 4,9 Millionen Euro erhalten. Der Flugzeugbauer wird 40 Maschinen des Typs A320neo an die Fluggesellschaft Xiamen Air liefern. Bisher hat Xiamen nur Boeing-Flugzeuge betrieben. Die Maschinen sollen zwischen 2023 und 2027 geliefert werden, wie Bloomberg berichtet.

    Schon im Juli hatte Airbus Verträge für den Verkauf von Flugzeugen desselben Typs an vier Fluggesellschaften in China in Höhe von umgerechnet 37,5 Milliarden Euro abgeschlossen (China.Table berichtete). Airbus betreibt ein Werk zur Endmontage in Tianjin, das zum Anstieg der Marktanteile beiträgt. nib

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    China: EU-Botschafter nominiert

    Zehn Monate lang war der Posten vakant, nun soll ein neuer chinesischer Gesandter für Brüssel feststehen: Fu Cong soll die Rolle übernehmen. Das berichtet die South China Morning Post unter Berufung auf Quellen. Wann der Politiker das Amt antritt, ist aber noch unklar. Zunächst müsse noch eine Prüfung von EU-Seite erfolgen.

    Der 57-jährige Fu arbeitet aktuell noch als Generaldirektor in der Abteilung für Rüstungskontrolle des chinesischen Außenministeriums. Brüssel wäre nicht sein erster Auslandseinsatz: Zuvor absolvierte er bereits zwei Amtszeiten in Chinas UN-Vertretung und war Assistent der ehemaligen WHO-Generaldirektorin Margaret Chan.

    Laut Merics-Analyst Grzegorz Stec könnte dieser Erfahrungsschatz vor dem Hintergrund der Spannungen um Russlands Invasion in die Ukraine ein Grund für die Personalie sein. “Fu hat mit den USA, Russland, Frankreich und Großbritannien zu Themen wie der Vermeidung von Atomkriegen gearbeitet. Möglicherweise will Peking diese Erfahrungen nutzen, sollten die Spannungen in Europa eskalieren”, so Stec gegenüber der South China Morning Post.

    Vorgänger in der EU-Botschaft war Zhang Ming, der Brüssel im Dezember vergangenen Jahres verließ. Warum die Position bisher nicht neu besetzt wurde, ist unklar. jul

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    Presseschau

    Russlands Partner China: Distanz zum Krieg, aber treu zu Putin FAZ
    China says protracted Ukraine crisis not in the interests of all parties THEGUARDIAN
    China Welcomes Biden’s UN Speech After Pledge to Defend Taiwan NEWSWEEK
    China ‘ready for the fight’ if Xinjiang motion is brought to UN rights body THEATLANTIC
    Biden’s Pacific Island summit tests U.S. regional credibility POLITICO
    Wegen Bestechlichkeit: Ehemaliger Justizminister Fu Zhenghua in China zum Tode verurteilt RND
    US senators increase pressure on Apple over possible Chinese chipmaker deal FT
    China setzt auf Kohlekraft: Entgegen der Ankündigung baute China weitere Kohlekraftwerke in Übersee FINANZMARKTWELT
    Chinese state media claims U.S. NSA infiltrated country’s telecommunications networks REUTERS
    HiSilicon: Huawei will Chip-Sparte “US-frei” neu in China aufbauen COMPUTERBASE
    AstraZeneca-Aktie tiefer: AstraZeneca-Mittel gegen Eierstockkrebs in China zugelassen FINANZEN
    China sorgt für höhere Ölpreise N-TV
    Fauci says the Chinese government is “probably” hiding something about the origins of COVID, but he’s not sure it’s a lab leak REUTERS
    China urges Europe to take positive steps on climate change REUTERS
    Grafiken zur Weltbevölkerung: China wird sich halbieren – und zum Stopp des globalen Wachstums beitragen TAGESANZEIGER
    Chinese police detain “godfather of film industry” over abuse claims KOB
    U.S.-China Tensions Fuel Outflow of Chinese Scientists From U.S. Universities WSJ
    LKW-Unfall setzt riesige Brücke in China in Brand N-TV
    China earthquake: Man rescued after 17 days lost in mountains BBC
    Reforms to China’s hukou system will not help migrants much ECONOMIST

    Standpunkt

    Mit Tricks und Intransparenz zu schöneren Zahlen

    In schwierigen Zeiten sowie entscheidenden politischen Momenten sollte man Zahlen und Statistiken mit Vorsicht betrachten. Das gilt auch für dieses Jahr.

    Chinas Wirtschaftsdaten werden von mehreren staatlichen Behörden veröffentlicht. Zu den wichtigsten zählen die Chinesische Volksbank, das Finanzministerium und die Zollbehörde. Die von ihnen herausgegebenen Zahlen werden im Allgemeinen als vertrauenswürdig betrachtet, mit Ausnahme der politisch sehr heiklen Daten über die Schuldenlage der Kommunen. 

    Vor allem die Daten des Staatlichen Amts für Statistik der Volksrepublik China, das für den Großteil der Wirtschaftsstatistiken zuständig ist, haben aber immer wieder für viel Frustration gesorgt.

    Es ist ein offenes Geheimnis, dass die wichtigsten Statistiken vor ihrer Veröffentlichung vom Staatsrat der Volksrepublik abgesegnet werden müssen. Das letzte Mal, dass China seine Wirtschaftszahlen kräftig “revidierte”, war im Jahr 1998, als die Asienkrise und gewaltige Überschwemmungen in der ganzen Region das von der Regierung in Peking verkündete Wachstumsziel von acht Prozent zunichtemachten. Die Nationale Statistikbehörde sprach letztendlich von einer Wachstumsrate von 7,8 Prozent. Es wird jedoch geschätzt, dass das Wachstum in Wahrheit zwischen fünf und sechs Prozent lag.

    Viele Möglichkeiten, Zahlen zu schönen

    Es gibt viele Möglichkeiten, die Bilanzen zu schönen. Ein Teil des Wirtschaftswachstums in einem Quartal könnte zugunsten eines angrenzenden, besonders schwachen Quartals umgeschichtet werden. Statistiken, die bereits zehn Jahre zurückliegen, können dann verändert werden, um Unstimmigkeiten zwischen den Zahlen auszugleichen.

    In diesem Jahr ist das chinesische Bruttoinlandsprodukt nach Angaben der Nationalen Statistikbehörde im ersten Quartal um 4,8 Prozent gegenüber dem Vorjahr gestiegen, während das angekündigte Wachstumsziel für das gesamte Jahr bei 5,5 Prozent liegt. Angesichts der Corona-Maßnahmen im ganzen Land, des strauchelnden Immobilienmarktes, der gedämpften Entwicklung der Privatwirtschaft und einer trüben Stimmung bei den Verbrauchern wird die Glaubwürdigkeit dieser Zahl stark angezweifelt.

    Nachdem es im zweiten Quartal zu weiteren harten Lockdowns gekommen war, hat der Markt jegliche Hoffnung verloren, dass das jährliche Wachstumsziel noch erreicht werden kann. Die Regierung schien ihrerseits beschlossen zu haben, die Zahlen nicht (allzu sehr) zu verfälschen und gab für das zweite Quartal ein Wachstum von 0,4 Prozent an. Was aber mit den Zahlen für das nächste Quartal geschehen wird, kann niemand abschätzen.

    Man muss an dieser Stelle jedoch auch anmerken, dass sich die Qualität der chinesischen Statistiken vor der Covid-Pandemie zunehmend verbessert hat. Die weitgehend bedeutungslose “registrierte Arbeitslosenquote”, die Chinas enorme Bevölkerung außerhalb der Großstädte nicht berücksichtigte, wurde durch eine Quote ersetzt, die auf Erhebungen sowohl im städtischen als auch im ländlichen Raum basiert. Es wurde sogar eine Unterkategorie für die Arbeitslosenquote der 16- bis 24-Jährigen eingeführt.

    Strafen für Zahlenfälscher

    Die Provinz Liaoning sowie die regierungsunmittelbare Stadt Tianjin wurden offiziell gerügt, weil sie stark aufgeblähte Wirtschaftsstatistiken veröffentlicht hatten, um das Image der lokalen Verwaltung aufzupolieren.

    Jedoch scheint es, als sei es durch die Pandemie und die Vorbereitung des wichtigen 20. Nationalkongress der Kommunistischen Partei Chinas zu einem Rückfall gekommen.

    Was hierbei besonders frustrierend ist: Ob man die offiziellen Zahlen infrage stellt oder nicht, es gibt keine Möglichkeit, sie zu belegen. Die Nationale Statistikbehörde gibt keinerlei Details über ihre Berechnungsmethode preis, offenbar um sich selbst einen gewissen Spielraum zu verschaffen. Keine andere Institution hat das legitime Mandat oder die Fähigkeit, ein separates System parallel zu dem offiziellen einzuführen.

    Andere offizielle Zahlen zum Vergleich heranzuziehen, ist ebenfalls nicht immer praktikabel, da die Nationale Statistikbehörde sie nicht regelmäßig veröffentlicht. So fehlen beispielsweise seit 2020 in den Berichten die Angaben zur Stromerzeugung, einem wichtigen Wirtschaftsindikator. Auch die Veröffentlichung der Werte für den Kohlepreis, ein weiterer Indikator, wird ausgesetzt, sobald der Preis zu hoch ist.

    Unabhängige Stellen können zwar einige Indikatoren wie das Gesamtladevolumen von Lastwagen oder den Bau neuer Infrastruktur-Projekte mithilfe von Satellitenbildern ermitteln. Aber in der Regel wagen es diese Institutionen nicht, diese Zahlen zu veröffentlichen, um offizielle Angaben nicht zu untergraben. Sollten sie es dennoch tun, könnte das Konsequenzen haben. Als Begründung für die Aussetzung von Daten wird in der Regel erklärt, man wolle “angesichts der ungewöhnlichen Preisschwankungen eine verantwortungsvolle Haltung zeigen”.

    Ein unabhängiges Forschungsinstitut veröffentlichte im August einen Bericht über die regionalen Leerstandsquoten von Immobilien, der sich auf eine unabhängige Erhebung stützte. Der Bericht wurde später aufgrund von Druck widerrufen.

    Abgesehen von einer kleinen Zahl unerlässlicher Zahlen wie dem BIP, den Preisindizes und der Wirtschaftsleistung, veröffentlicht die Statistikbehörde in ihren Berichten ausschließlich positive Zahlen.

    Das gleicht einem gar nicht einmal so lustigen Versteckspiel. Beobachter können sich nur damit trösten, dass die Regierung Zahlen veröffentlicht, die ihre politischen Ziele widerspiegeln.

    Probleme nicht nur im Wirtschaftsbereich

    Es wird spekuliert, dass China in den letzten Jahren sein Bevölkerungswachstum zu hoch angesetzt hat. Die Regierung hat ihre Ein-Kind-Politik nur sehr zögerlich aufgegeben, selbst nachdem die Geburtenrate übermäßig niedrig war. Dieses Zögern könnte zu einer raschen Überalterung der Bevölkerung führen, was sich langfristig negativ auf die wirtschaftlichen und sozialen Aussichten auswirkt.

    Seit 2015 erlaubt es die Regierung ihren Bürgern, bis zu zwei Kinder zu bekommen. Im vergangenen Jahr wurde die Zahl sogar auf drei erhöht. Allerdings ist die allgemeine Bereitschaft, mehr als ein Kind zu bekommen, aufgrund der enorm hohen Kosten immer noch sehr gering.

    Wenn so viele Statistiken manipuliert oder gar schlichtweg gefälscht werden, machen sich die Verantwortlichen und Politiker dann nicht letzten Endes selbst etwas vor? Nun, in gewisser Weise mag das durchaus zutreffen. Aber für Peking sind diese Zahlen nur ein Maßstab zur Entscheidungsfindung, sie wissen sehr gut über das Spiel mit der Statistik Bescheid.

    Doch für viele andere wird es knifflig, wenn die Zahlen der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt nicht zuverlässig sind. Investoren, Ökonomen und Sinologen müssen all ihre Sinne und ihre Weisheit aufbieten, um das wahre Bild hinter der Fassade zu entschlüsseln.

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    Personalien

    Zhang Long, ein ehemaliger hochrangiger Manager der China Construction Bank (CCB) sieht sich mit Vorwürfen zu disziplinarischen und rechtlichen Verstößen konfrontiert. Das teilte Chinas Antikorruptionsbehörde mit. Zhang war Leiter der Abteilung für Investment und Vermögensverwaltung bei der CCB.

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    Dessert

    Endlich Wochenende! Das scheint dieser Panda in der Forschungsstation für die Aufzucht großer Pandas in Chengdu zu denken. Am Mittwoch wurde die Forschungsstation nach einer halbjährigen Schließung wieder für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht.

    China.Table Redaktion

    CHINA.TABLE REDAKTION

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