die vermeintlichen negativen Auswirkungen sogenannter “Baller- und Killerspiele” dienten in Deutschland vor vielen Jahren als Wahlkampfthema. In China tobt derzeit ebenfalls eine Diskussion um Computerspiele. Und der Ton ist ebenso martialisch. Es wird von “geistigem Opium” und “schmutzigen Dingen” gesprochen. Der Staat greift nun ein gegen Spielsucht und nächtliches Spielen. Finn Mayer-Kuckuk erläutert, dass die Spiele-Industrie das nächste Ziel der Behörden im Kampf um mehr Regeltreue und Ethik im Wirtschaftsleben ist. Um den Konflikt mit den staatlichen Stellen zu entschärfen, werden einige Unternehmen nun proaktiv tätig.
Dispute drohen auch Comac. Denn der Flugzeugbauer will ein Stück vom Kuchen abhaben und den Platzhirschen Boeing und Airbus Konkurrenz machen. Comac steht kurz vor der Zulassung der ersten größeren Passagiermaschine aus chinesischer Fertigung – der C919. Unser Pekinger Team berichtet über das rasante Wachstum des chinesischen Flugzeugmarkts. Obwohl der Flieger technologisch noch nicht auf gleichem Stand sind, sollen Großaufträge der staatlichen chinesischen Fluggesellschaften für den nötigen Absatz sorgen. Eine Wettbewerbsverzerrung? Mag sein. Aber auch Boeing und Airbus wuchsen mithilfe staatlicher Subventionen – was schließlich zum jahrelangen Handelsstreit vor der WTO führte.
Eine gute Lektüre und ein friedliches Wochenende!
Chinas Videospiele-Branche befürchtet zunehmenden Druck vonseiten der Behörden. Eine Reihe von Kommentaren in Staatsmedien gilt Investoren als Vorbote einer neuer Runde von Regulierungen, mit denen der Staat die Jugend vor möglichen Gefahren von Handy- und Onlinespielen schützen will. “Die Sorgen sind angestiegen, als sich während der Covid-Einschränkungen viele Kinder drinnen beschäftigen mussten”, schreibt Analystin Ernan Cui von Gavekal-Dragonomics. “Es werden vermutlich weitere Regeln und Einschränkungen materialisieren, die auf minderjährige Spieler zielen.” Die Regierung habe schon mehrfach bewiesen, dass sie auch die Konfrontation mit hochprofitablen Branchen nicht scheue.
Die Bildschirmzeit hat sich während der Pandemie noch einmal ausgeweitet. Die Zahl der minderjährigen Spielerinnen und Spieler, die mehr als zwei Stunden täglich am Handy zocken, ist 2020 von 12,5 auf 13,2 Prozent gestiegen. Der Umsatz der chinesischen Spielebranche beträgt jetzt 279 Milliarden Yuan (35 Milliarden Euro).
Vor allem Tencent, der Weltmarktführer bei Handy-Spielen, steht im Fokus der Diskussion. Der gewaltige Erfolg des Unternehmens gerade auf dem Heimatmarkt ging damit einher, dass junge Chinesinnen und Chinesen immer mehr Zeit und Geld auf die Spiele-Apps des erfolgreichen Anbieters aufwenden.
Tencent hat in dieser Woche nun mehr oder minder freiwillig die tägliche Spielzeit seines Erfolgstitels “Honor of Kings” 王者荣耀 beschränkt. Jugendliche können an Werktagen nur noch eine Stunde zocken, dann schaltet sich die App ab. Selbst an freien Tagen sind nur zwei Stunden möglich. Bisher lag das Limit bei anderthalb beziehungsweise drei Stunden. Bisherige Limits für Käufe innerhalb der App bleiben bestehen. Das Unternehmen nutzt nun sogar Gesichtserkennung, um minderjährige Handynutzer zu erkennen, die sich als älter ausgeben.
Doch Tencent kann sich mit solchen Friedensangeboten in Richtung der Regierung voraussichtlich nicht vor weiteren Regulierungen schützen. Bezeichnend war eine der Vorschlag von Staatsmedien, die Spielebranche von Steuererleichterungen für aufstrebende Technikfirmen auszunehmen. Es handele sich nicht mehr um einen Wirtschaftszweig im Aufbau, sondern um eine etablierte Milliarden-Industrie, argumentierte die “Securities Times”. Im Gegenteil: Firmen wie Tencent sollten etwas an die Gesellschaft zurückgeben und höhere Steuern zahlen, so der Tenor.
Im Gespräch sind zudem weitere Ergänzungen zum Jugendschutzgesetz 未成年人保护法, dessen jüngste Fassung erst am 1. Juni in Kraft getreten ist. In Abschnitt 1C findet sich dort ein eigener Absatz zu Onlinespielen. Es verpflichtet die Industrie, die Spieler eindeutig zu identifizieren, damit Jugendliche die Beschränkungen nicht umgehen können. “Unangemessene Anwendungen oder Funktionen” sollen für Kinder und Jugendliche nicht zugänglich sein. Es ist verboten, nächtliches Spielen zu ermöglichen. Ohne ausdrückliche Erlaubnis der Lehrer dürfen Handys nicht aufs Schulgelände.
Die Diskussion um die Videospielindustrie hat bereits mehrere Runden durchlaufen. Am Montag hatten mehrere Staatsmedien in gleichzeitig veröffentlichen Kommentaren über Computerspiele hergezogen. Sie nannten sie “geistiges Opium”. In China ist das ein verbaler Angriff mit schweren Geschützen, denn Opium-Vergleiche sind hier historisch aufgeladen. In der Zeit der Opiumkriege hatte Großbritannien die Wirtschaftskraft und allgemeine Vitalität Chinas durch Drogenlieferungen in großem Maßstab geschwächt.
Jetzt hatte Xinhua einen ähnlich gefährlichen Feind im Inneren ausgemacht. Online-Spiele seien für die Jugend brandgefährlich. Aus reiner Profitgier ruinieren die Spielehersteller eine ganze Generation, so die Meinungsmacher. “Der Leitkommentar bei Xinhua wurde von Investoren als Vorbote eines großen Crackdowns gegen die Videospielindustrie gesehen”, schreibt Analystin Cui. Am Donnerstag verschwanden die scharfen Versionen des Textes dann allerdings schon wieder von den Nachrichtenseiten.
Wenig später folgten weitere Klarstellungen und Abschwächungen. Die “Volkszeitung” forderte, Schulen, Eltern und Erzieher sollten zusammenarbeiten, um exzessives Spielen einzudämmen. Das klang in den Ohren von Branchenvertretern schon viel freundlicher und ließ nicht auf harte Regulierungen schließen. Auch der Chefredakteur der Propagandazeitung Global Times warnte auf WeChat, dass die Märkte den Opium-Kommentar “nicht überinterpretieren” sollen.
Der chinesische Videospielverband wandte sich gegen den Xinhua-Kommentar und betonte, von Spielen gehe “positive Energie” aus, es handele sich mitnichten um “wilde Bestien”. Inwiefern die Videospiele den Heranwachsenden wirklich schaden, sei völlig ungeklärt. Auch dieser Videospielverband als Teil des Dachverbands für digitale Medien wird von der Partei kontrolliert. Doch die Parteistellen vertreten hier – wie in vielen anderen Fragen – keine einheitliche Linie.
Doch tatsächlich gibt es bereits Signale von ganz oben, wie das Thema zu interpretieren sei. Parteichef Xi Jinping hatte sich im März zu Videospielen geäußert. Sie gehörten zu anderen “schmutzigen und unübersichtlichen Dingen, die online zu finden sind”, sagte er einem Xinhua-Bericht zufolge. Der Nationale Volkskongress hatte da gerade über das Thema beraten – mit einer klaren Tendenz in Richtung effektiverer Regulierung. In so einem Kontext ist dann die neuerliche Diskussion in den Staatsmedien zu sehen. Kein Wunder, dass Tencent jetzt die mögliche Bildschirmzeit nun freiwillig beschränkt hat.
Der Branche bleibt nun nichts anders übrig, als mitzuziehen. “Nur wer Gehorsam zeigt und seine Nutzerbasis unter Jugendlichen verringert, bleibt verschont”, glaubt Cui. Die Anbieter haben jedoch auch zahlreiche ältere Zielgruppen – ein Vorteil gegenüber der Nachhilfe-Branche, die nach einem Crackdown vor dem Aus steht (China.Table berichtete). Nur sechs Prozent der Einnahmen von Tencent kommen offiziell von Nutzern unter 18 Jahren. Das Taschengeld reicht halt nicht so weit wie ein Gehalt. Cui vermutet allerdings, dass viele Kids mit den Accounts ihrer Eltern zocken.
Die Warnungen an die Videospiele-Industrie ist als Teil einer großen Aufräumaktion des Staates zu sehen, die auf mehr Regeltreue und Ethik im Wirtschaftsgeschehen abzielt. “Der chinesische Staat reguliert Sektoren derzeit mit harter Hand, deren Aktivitäten aus seiner Sicht dem sozialen Zusammenhalt schaden”, schreibt Cui. Am Donnerstag fielen beispielsweise auch Aktien der Branchen Tabak und Alkohol.
Die Nachrichtenagentur Xinhua hatte am Tag zuvor darüber berichtet, dass Jugendliche sich Zugang zu E-Zigaretten verschaffen. Was in westlichen Ländern einfach ein journalistischer Beitrag gewesen wäre, bewegt in China die Märkte, wenn es von Xinhua kommt. Schließlich ist der Regierung derzeit die Lust daran anzumerken, ihre Firmen für Ziele jenseits des reinen Gewinns zu sensibilisieren. “Die dramatischen Reaktionen an den Märkten zeigen, wie hellhörig die Investoren auf erste Anzeichen offizieller Maßnahmen reagieren”, so Cui. Auch der “Ausverkauf von Gaming-Aktien setzte ohne jede offizielle Klarstellung der Behörden ein” – als Auslöser reichte ein Kommentar.
Das nächste Marktsegment, das jetzt in den Blick gerät, ist das Livestreaming. Auch in Europa gibt es Livestreamer, doch Chinesinnen und Chinesen sind besonders begeistert dabei – als Streamer wie als Zuschauer. Schon früh haben hier junge Leute ihren kompletten Alltag in Echtzeit übertragen und damit Abertausende von Followern gewonnen. Die staatliche Zeitung “Economic Daily” hat nun die Verbreitung “geschmackloser Inhalte” über Livestreaming-Plattformen beklagt. Daraufhin fielen unter anderem die Aktien des Videodienstes Kuaishou.
Für Boeing steht in den nächsten Tagen eine äußerst wichtige Entscheidung an. Am Mittwoch hob vom Hauptsitz des US-Flugzeugbauers in Seattle eine Boeing 737 Max 7 in Richtung China ab. Nach einem Zwischenstopp in Hawaii soll sie am Samstag in Shanghai ankommen und dort den Behörden für Testzwecke zur Verfügung gestellt werden, berichtet die Nachrichtenagentur Reuters.
Es geht um die Frage, ob der Flugzeugtyp, der vor zwei Jahren nach zwei fatalen Abstürzen mit 346 Todesopfern weltweit von vielen Staaten die Start-Erlaubnis entzogen worden war, nun endlich auch in China wieder fliegen darf. Boeing, das von dem Desaster finanziell schwer getroffen wurde, hat Verbesserungen an der Maschine vorgenommen und so das Vertrauen vieler Kunden zurückgewinnen können. In rund 175 Länder darf die 737 Max wieder fliegen – nur ausgerechnet China, wo Boeing vor den Abstürzen rund ein Viertel seiner 737-Max-Maschinen verkaufte, lässt sich mit einer neuen Genehmigung Zeit.
Vermutlich ginge alles viel schneller, hätten die Spannungen der beiden Weltmächte nicht auch längst die Luftfahrtindustrie erreicht (China.Table berichtete). Nachdem Boeing und das europäische Airbus faktisch über Jahrzehnte ein Duopol am Himmel besaßen, möchte auch China ein Stück vom Kuchen. Nach jahrelangen Testflügen wird erwartet, dass bis Ende dieses Jahres der chinesische Staatskonzern Comac die Zulassung für seine C919 im Heimatmarkt erhalten wird. Damit wäre der Weg für einen kommerziellen Einsatz der ersten größeren Passagiermaschine aus chinesischer Herstellung frei. Die ersten Auslieferungen der C919 sollen laut Comac dann auch noch in diesem Jahr erfolgen.
Der Flieger soll mit 168 Sitzen und einer Reichweite von 4.075 Kilometern mit Boeings 737-Reihe und dem Airbus A320 konkurrieren, zwei der meistverkauften Flugzeuge der Welt. Zwar sind sich Luftfahrt-Experten einig, dass zumindest die erste Version der Comac technologisch noch lange nicht auf dem Stand der Konkurrenz von Boeing oder Airbus sein wird. Vor allem der Kerosin-Verbrauch dürfte deutlich höher ausfallen. Doch was macht das schon, wenn Chinas staatliche Fluggesellschaften dennoch bereitwillig bestellen werden.
Bereits im Januar hatte die japanische Wirtschaftszeitung Nikkei recherchiert, dass die drei führenden chinesischen Airlines Air China, China Southern und China Eastern wegen Corona im vergangenen Jahr vorerst mehr als 100 Bestellungen für neue Maschinen von Boeing und Airbus gestrichen hatten. Comac, das nach eigenen Angaben schon über Hunderte Vorbestellungen für die C919 verfügt, wurde hingegen nicht Opfer der Sparpolitik.
Zwar genießt Comac durch diese Schützenhilfe der staatlichen Fluggesellschaften und der chinesischen Regierung Vorteile. Andererseits drohen dem Konzern erhebliche Schwierigkeiten, sollte Washington entscheiden, gegen ihn vorzugehen. Trumps Administration hatte den chinesischen Flugzeugbauer auf eine schwarze Liste gesetzt. Nach den Regeln durften US-Investoren kein Geld in Comac stecken, was aber für den chinesischen Staatsbetrieb ohnehin nicht relevant ist. Hätte die US-Regierung jedoch – wie von Trump vorgesehen – ihr Vorgehen weiter verschärft, wäre Comac möglicherweise wie Huawei von internationalen Zulieferern abgeschnitten worden. Die Produktion der C919 wäre damit unmöglich geworden.
Zum Glück für Comac hat Trumps Nachfolger Joe Biden vorerst einen anderen Kurs eingeschlagen. Auf einer überarbeiteten schwarzen Liste, die im Juni vorgestellt wurde, nimmt Biden zwar noch mehr chinesische Firmen ins Visier als sein Vorgänger. Comac findet sich jedoch nicht mehr auf der neuen Liste.
Es ist vermutlich kein Zufall, dass gerade jetzt in China das Verfahren für die Wiederzulassung des US-Produkts Boeing 737 Max anläuft. Bidens freundlicherer Kurs gegenüber Comac hat direkt wieder größere Offenheit für den Einsatz der Boeing-Maschine ausgelöst. Beide Entscheidungen zeigen, wie groß das Risiko politischer Einmischungen für die Branche geworden ist.
Nötig wären diese Streitereien eigentlich nicht. Denn der Bedarf an Flugzeugen ist in China so gewaltig, dass Comac alleine die Nachfrage nicht bewältigen kann. So geht Boeing in einer Marktanalyse davon aus, dass der chinesische Flugzeugmarkt trotz Corona sogar noch schneller wachsen wird als bislang gedacht. Die Amerikaner prognostizieren, dass China bis zum Jahr 2040 rund 8.600 neue Passagier-Flugzeuge benötigen wird. Boeing prognostiziert für die nächsten 20 Jahre einen Bedarf an 6.450 neuen Mittelstrecken-Flugzeugen wie der C919. Bei Großraum-Fliegern mit mehreren Gängen geht das Unternehmen von 1.590 Bestellungen aus.
Auch hier will Comac schon bald mitmischen. Gemeinsam mit dem russischen Luftfahrt-Unternehmen UAC arbeiten die Chinesen an einem Flieger, der 280 Passagieren Platz bietet und eine Reichweite von 12.000 Kilometern haben soll. Der Marktstart der CR929 ist für das Jahr 2025 geplant. Gregor Koppenburg/Jörn Petring
10.08.2021, 02:00 – 03:30 Uhr CEST (08:00 Uhr Beijing Time)
Kamingespräch Anchor Taiwan, Asia Venturing (II): Tech-Driven Mobility mit Jack Cheng (CEO MIH Consortium, Co-founder NIO) und Monika Mikac (CBO QEV Technologies, ehemalige COO Rimac) Anmeldung
11.08.2021, 10:00 Uhr
Webinar Agri-EPI Centre, Land And Grow: Agri-Tech Opportunities in China Mehr
12.08.2021, 13:45 Uhr – 15:30 Uhr
Webinar AHK China, Implementation of the Law on Work Safety and Safety of Dangerous Goods Management by Enterprises Anmeldung
12.08.2021, 19:00 Uhr
Webinar, Dezan Shira & Associates, Mergers and Acquisitions in China in a Post-COVID World Mehr
13.08.2021, 10:00 Uhr
Webinar Nordic China Business Hub, Verification of Chinese companies and contracts in China Mehr
China verzeichnet weiterhin hohe Zahlen von Corona-Neuinfektionen. Nach Massentests zur Eindämmung des Ausbruchs meldeten die Behörden am Donnerstag 94 neu entdeckte Infektionen, wie die Nachrichtenagentur Bloomberg berichtet. Davon verliefen 32 ohne Symptome. Die Zahl der Ansteckungen ist die höchste seit Januar. Öffentliche Verkehrsmittel und Taxidienste seien in 144 der am stärksten betroffenen Gebiete eingeschränkt worden, hieß es weiter in dem Bericht. In Peking wurde die Nutzung der U-Bahn beschränkt. In der chinesischen Hauptstadt waren am Mittwoch drei neue Infektionen gemeldet worden. Hongkong verhängte erneut eine Quarantäne für Reisende vom Festland, eine Ausnahme gibt es für die südliche Provinz Guangdong.
Um einen weiteren Anstieg zu vermeiden, wurde unter anderem die Ausstellung neuer Reisepässe eingeschränkt. Die Behörden riefen dazu auf, Reisen abzusagen, die nicht dringend seien, wie lokale Medien schrieben. In nur zwei Wochen sind die bestätigten Fälle – mit dem Virus infizierte und erkrankte Personen – auf mehr als 500 angewachsen. Die Infektionen lassen sich auf drei Cluster in China zurückführen: Einen Ausbruch unter Flughafenpersonal in der Stadt Nanjing, ein weiterer in einem Krankenhaus in Zhengzhou, in dem Covid-Patienten behandelt werden sowie ein Cluster in Yunnan, wo sporadisch Fälle registriert wurden.
Um die Ausbrüche unter Kontrolle zu bekommen, gelten inzwischen für Hunderttausende Menschen strenge Einschränkungen: Für mehrere Städte wurde ein strikter Lockdown samt Ausgangssperren verhängt. Ganze Wohnkomplexe wurden abgeriegelt und unter anderem im früheren Epizentrum Wuhan Massentests für alle Einwohner angeordnet (China.Table berichtete). ari
Apple wird bei seinem neuen iPhone-Modell stärker auf Zulieferer und Auftragsfertiger aus China setzen, berichtet Nikkei Asia mit Bezug auf informierte Kreise. Demzufolge wird der chinesische Elektronikhersteller Luxshare Precision Industry bis zu drei Prozent der kommenden iPhone-13-Serie produzieren. Das Unternehmen habe bisher noch keine iPhones gefertigt. Laut Nikkei sei es unüblich, dass Luxshare sofort einen Auftrag für das Premium-Modell von Apple erhalten habe. Das Unternehmen werde Konkurrenten wie Foxconn und Pegatron Marktanteile abnehmen, so Nikkei.
Auch Lens Technology, ein Hersteller von Komponenten für iPhones, konnte sich laut Nikkei neue Aufträge sichern. Das Unternehmen aus Hunan werde erstmals auch Metallgehäuse liefern. Sunny Optical Technology, ein Hersteller von Kameralinsen für Smartphones, werde ebenso erstmals Teil der Lieferkette und einen kleinen Teil der Kameralinsen liefern. Das Unternehmen beliefert demzufolge auch Konkurrenten des US-amerikanischen Unternehmens in China wie Xiaomi, Oppo, Vivo und Huawei. Auch Hersteller von Displays (Tianma Micro-Electronics) und Speicherchips (GigaDevice Semiconductor und Nexperia) wurden dem Bericht zufolge im letzten Jahr erstmals zu Apple-Zulieferern. nib
Der deutsche Chemiekonzern BASF und sein Joint-Venture-Partner Sinopec bauen ihren gemeinsamen Verbundstandort in Nanjing weiter aus. Unter anderem sollen die Produktionskapazitäten mehrerer Anlagen für Downstream-Chemikalien erhöht werden, wie beide Unternehmen am Donnerstag mitteilten. Auch wollen die Partner eine neue Tertiär-Butylacrylat-Anlage errichten, um die Nachfrage nach Spezialchemikalien zu bedienen. Die neuen und erweiterten Anlagen sollen 2023 in Betrieb gehen.
Tertiär-Butylacrylat ist ein Acrylsäureester zur Herstellung von Polymeren und wird laut dem deutschen Unternehmen als Ausgangsstoff für Synthesen verwendet. Als Spezialchemikalie wird es für Papierleime und in Emulsionsanwendungen eingesetzt. Die neue Anlage werde den Verbund erweitern, indem sie Acrylsäure und Isobuten aus bereits bestehenden Anlagen als Ausgangsstoffe nutze, so der deutsche Chemiekonzern. In China werde diese hochmoderne Produktionstechnologie erstmals außerhalb Deutschlands eingesetzt.
Erweitert werden laut dem deutschen Unternehmen die Anlagen zur Produktion von Propionsäure, Propionaldehyd, Ethylenamine und Ethanolamine sowie für hochreines Ethylenoxid. Propionsäure etwa dient als Konservierungsmittel, das Schimmelpilzbefall in Lebensmitteln und Futtergetreide verhindert. Der Einsatz verhindert eine energieaufwändige Trocknung oder Aufbewahrung in luftleeren Silos. Die chemischen Zwischenprodukte Ethylenamine und Ethanolamine werden unter anderem zur Herstellung von Pflanzenschutzmitteln, von Tensiden für Produkte zur Körperpflege und für Reinigungsmittel genutzt.
Der Verbundstandort in Nanjing wird seit vielen Jahren vom 50-50-Joint-Venture BASF-YPC beider Partner betrieben; der Standort wurde immer wieder erweitert. Derzeit errichtet der deutsche Chemiekonzern zudem einen neuen Verbundstandort im südchinesischen Zhanjiang, dessen erste Phase komplett mit Ökostrom betrieben werden soll (China.Table berichtete). ck
Das chinesische Unternehmen Svolt, ein Hersteller von Batterien für E-Autos, hat in einer kürzlich abgeschlossenen Finanzierungsrunde gut zehn Milliarden Yuan (1,3 Milliarden Euro) eingenommen. Die Mittel kommen zu 450 Millionen Euro an vorhandenem Kapital aus einer früheren Finanzierungsrunde hinzu. Das Unternehmen will das Geld unter anderem in die Entwicklung fortschrittlicher Akkus stecken. Außerdem ist es für den Aufbau neuer Werke in der Volksrepublik vorgesehen und soll auch dem laufenden Projekt im Saarland zugutekommen (China.Table berichtete). Bis zum Jahr 2025 will das Unternehmen weltweit eine Produktionskapazität von 200 Gigawattstunden aufbauen. Zum Vergleich: Volkswagen will bis 2030 Produktionskapazitäten von 240 Gigawattstunden aufbauen. fin
US-Präsident Joe Biden hat das US-Heimatschutzministerium am Donnerstag angewiesen, die Abschiebung von Einwohnerinnen und Einwohnern Hongkongs aus den USA um bis zu 18 Monate aufzuschieben. In einem Memo an das Ministerium nannte er dafür “zwingende außenpolitische Gründe”, so die Nachrichtenagentur Reuters. Die Entscheidung ermögliche es möglicherweise Tausenden von Menschen aus der chinesischen Sonderverwaltungszone, ihren Aufenthalt in den USA zu verlängern, so der Bericht.
Im letzten Jahr habe China seine “Angriffe auf die Autonomie Hongkongs fortgesetzt” und die “verbliebenen demokratischen Prozesse und Institutionen untergraben und die Pressefreiheit mit aller Härte bekämpft”, so der US-Präsident. Bürgerinnen und Bürgern Hongkongs einen sicheren Hafen zu bieten, “fördert die Interessen der USA in der Region”, zitiert Reuters ein Biden-Memo an das Heimatschutzministerium. Bereits im Juli hatte die US-Regierung weitere Sanktionen gegen Offizielle aus Hongkong verhängt und Unternehmen vor den Folgen des Nationalen Sicherheitsgesetzes gewarnt. nib
Nur ein Straßenblock vom Pekinger Außenministerium entfernt entzünden gläubige Chinesen täglich Räucherstäbchen vor Hunderten Heiligenfiguren im Dongyue-Tempel. Sie bitten ihren jeweiligen Schutzpatron über Leben, Tod und Schicksal, Reichtum, Glück oder Gesundheit zu wachen. Die 1319 gegründete, einst bedeutendste daoistische Klosteranlage Nordchinas wurde mehrfach zerstört, doch immer neu aufgebaut. Vor 20 Jahren ließ das atheistische Peking sie als “Volkskunstmuseum” wieder eröffnen und sorgte für Nachbildungen der 1928 noch gezählten 1.316 Götterfiguren. Dennoch hat der Tempel seine spirituelle Anziehungskraft nicht eingebüßt.
Volkstümliche Heilige haben Konjunktur. Die sozialistische Volksrepublik erlaubte sogar die Erschaffung neuer Geister als Mischung aus Marketing und Andacht wie den Gott der Kartoffel (土豆神). Seiner überlebensgroßen Gestalt bringt die Bevölkerung Opfergaben im Pekinger Agrar-Vorort Yanqing dar, wo veredelte Kartoffeln in großem Stil angebaut werden.
Der Kartoffelgott wurde Wahrzeichen der 2015 in Yanqing veranstalteten “Weltkonferenz der Kartoffel”. Der Nahrungsmittelexperte und Starkoch Zhang Aiguo widmete ihm seine erste Schüssel chinesischer Shaomai-Ravioli, nachdem er sie zu 25 Prozent aus Kartoffelmehl herstellen konnte. Zehn Jahre hatte Zhang bis dahin experimentiert, um 200 typisch chinesischen Teigwaren wie Reisküchlein, Mantou, Huaquan bis hin zu Nudeln 30 Prozent Kartoffelmehl beimischen zu können, ohne dass die Verbraucher den Unterschied schmeckten.
Zur Opfer-Zeremonie trug Zhang eine aufgenähte chinesische Fahne und das Staatsemblem auf seinem Kochgewand. Es gehe nicht nur um die schmackhafteste Rezeptur, wie sich Kartoffeln besser in den Speiseplan der Chinesen integrieren lassen, sondern auch um die staatstragende Frage: “Wer ernährt China?” Das aber sei eine patriotische Aufgabe.
Bisher fristete die – nach Angaben des nationalen Kartoffelmuseums in Yanqing – vor 400 Jahren importierte Kartoffel das Dasein eines Schattengewächses für Chinas Ernährung. Geschnetzelt, gedünstet, im Wok gebrutzelt, in Streifen gegart oder im Eintopf war sie für Chinesen nie mehr als eine profane Gemüsebeilage. Seit 2015 will Peking die vitaminreiche Knolle zum Grundnahrungsmittel aufwerten und mit Reis, Weizen und Mais gleichstellen. Chinas Bürger wollen sich indes nicht an sie als “strategische” Sättigungsbeilage gewöhnen. Sie sind Schlusslicht beim weltweiten Pro-Kopf-Konsum, obwohl ihr Land in absoluten Zahlen größter Kartoffelproduzent der Erde ist.
Pekings Kartoffellobby bleibt am Ball. Sie verankerte gerade einen forcierten Anbau in der Inneren Mongolei und in drei Nordostprovinzen im Fünfjahresplan bis 2025, teilte das Agrarministerium mit. Für einen Durchbruch würden auch die inzwischen entwickelten 300 Kartoffelgerichte sorgen, “die dem chinesischen Geschmack entsprechen.”
Nach außen scheint China kein Nahrungsproblem zu haben. Seine Bauern verdoppelten zwischen 1978 und 2014 ihre Getreideerträge auf jährlich 607 Millionen Tonnen und produzierten heute 650 Millionen Tonnen. Das Agrarministerium schrieb, dass Chinas Getreidespeicher mit Weizen und Reis für ein Jahr gefüllt seien.
Doch auf der Kehrseite stehen ein auf historische Tiefen gesunkener Grundwasserspiegel in den Kornkammern Mittel- und Nordchinas und ausgelaugte, überdüngte und mit Pestiziden verseuchte Böden. Zudem ist das Land mit jährlich 100 Millionen Tonnen Einfuhren an Sojabohnen vom Weltmarkt abhängig. Chinesische Agrarwissenschaftler nennen die nur wenig Wasser und Dünger verbrauchende, kälteresistente Kartoffel eine alternative Lösung für die Ernährung der Nation.
Ausgerechnet der Propagandist des überlegenen Gesellschaftssystems der Volksrepublik, Xi Jinping, warnte schon ein Jahr nach seinem Aufstieg zum Parteichef auf einer ZK-Agrarkonferenz am 23. Dezember 2013 davor, das Getreideproblem als gelöst zu betrachten, nur weil die Volksrepublik mehrere Jahre gute Ernten einbrachte: “Wir dürfen in dieser Frage nicht zu naiv sein. In unserer Geschichte gab es so viele Hungersnöte, sogar grauenhaften Kannibalismus.” 咱们不要太天真!我国历史上发生了多少次大饥荒,饿殍遍野,甚至人相食,惨绝人寰!
Weitgehende Selbstversorgung sei auch eine politische Frage. Im Fall einer Agrarkrise würde das gesamte Handelsgetreide auf dem Weltmarkt – wo nur 300 Millionen Tonnen verfügbar seien – nicht ausreichen. “Selbst, wenn wir im Krisenfall alles aufkaufen würden, reichte es uns nur für ein halbes Jahr.” Zudem würde China die Weltversorgung, Handel und Preise ins Chaos stürzen.
Der 30 Buchseiten lange Text erschien in einer chinesischen “Auswahl wichtiger Reden nach dem 18. Parteitag” (十八大以来重要文献选编). Xi spricht Klartext: Er gehöre zu einer Generation, “für die es wie gestern ist, wenn sie das Wort ‘Rationierungsmarken’ hört. Wir erinnern uns noch, was Hunger ist.” Er ging in den Notzeiten 1959 bis 1961 in eine Schule, wo es abends nur wässrige Suppe gab, die ihn nicht satt machte. Während der Kulturrevolution arbeitete er in einer Bauernbrigade (China.Table berichtete). Drei Monate war in seinem Essen kein Tropfen Speiseöl. Als er im Winter von seiner Familie Geld geschickt bekam und mit mehreren Freunden gefrorenes Schweinefleisch dafür kaufte, schnippelten sie auf dem Heimweg das Fleisch ab und aßen es roh. “Das hat himmlisch geschmeckt.”
In seiner Rede erregt er sich über die horrende Verschwendung von Lebensmitteln durch die Prasserei seiner Landsleute: Mehr als 200 Millionen Chinesen könnten ein Jahr von dem Getreide und dem Essen leben, das in den Restaurants jährlich weggeworfen wird. Xi lässt alle Gaststätten in der Volksrepublik kontrollieren, ob dort die “Teller leer gegessen werden”. Im August 2020 ordnet er eine Neuauflage seiner Kampagne an, nachdem sich die Vergeudung von Nahrungsmitteln durch die Einführung eines als Reform gepriesenen Online-Essensbestell- und Lieferdienstes verschärft hat. Durch die Catering-Industrie würden jedes Jahr rund 18 Milliarden Kilogramm Lebensmittelabfälle weggeworfen. Im Mai 2021 setzte die Volksrepublik als erstes Land der Welt ein Gesetz gegen die Verschwendung von Lebensmitteln in Kraft, das mit hohen Geldstrafen Verschwendung durch Catering-Dienste und Verbraucher bestraft.
Ob mithilfe eines Kartoffelgotts, oder durch die Strenge der Gesetze: Die alte Frage. “Wer ernährt die Chinesen?” steht weiter auf Pekings Tagesordnung. Sie ist die Achillesferse des Aufstiegsmodells und des Traums von der Wiedergeburt als Weltnation.
Andreas Goller ist von der Außenhandelskammer in Taiwan zu Oddity Asia (Taiwan) gewechselt, einem Anbieter von Dienstleistungen im Bereich E-Commerce und digitalem Marketing. Goller war über zwei Jahre als Senior Manager bei der AHK für den Bereich Markteinstieg verantwortlich und beriet deutsche Unternehmen bei Fragen zu Sourcing und Vertrieb. Bei Oddity Asia wird er Senior Business Development Manager.
Der chinesisch-amerikanische Historiker und Sinologe Yu Ying-shih ist kürzlich im Alter von 91 Jahren in Princeton verstorben. Yu gilt als Pionier der Erforschung der chinesischen Geschichte und wurde mit hochrangigen Preisen wie dem Kluge- und dem Tang-Preis ausgezeichnet.
Am Sonntag enden die olympischen Spiele in Tokio. Ob die Athletinnen und Athleten sich im olympischen Dorf schon über die besten Ziele für den Strandurlaub austauschen? Für den chinesischen Dreispringer Zhu Yaming enden die Arbeitstage jetzt schon regelmäßig im Sand. Im Anschluss durfte er noch zur Siegerehrung. Er gewann die Silbermedaille.
die vermeintlichen negativen Auswirkungen sogenannter “Baller- und Killerspiele” dienten in Deutschland vor vielen Jahren als Wahlkampfthema. In China tobt derzeit ebenfalls eine Diskussion um Computerspiele. Und der Ton ist ebenso martialisch. Es wird von “geistigem Opium” und “schmutzigen Dingen” gesprochen. Der Staat greift nun ein gegen Spielsucht und nächtliches Spielen. Finn Mayer-Kuckuk erläutert, dass die Spiele-Industrie das nächste Ziel der Behörden im Kampf um mehr Regeltreue und Ethik im Wirtschaftsleben ist. Um den Konflikt mit den staatlichen Stellen zu entschärfen, werden einige Unternehmen nun proaktiv tätig.
Dispute drohen auch Comac. Denn der Flugzeugbauer will ein Stück vom Kuchen abhaben und den Platzhirschen Boeing und Airbus Konkurrenz machen. Comac steht kurz vor der Zulassung der ersten größeren Passagiermaschine aus chinesischer Fertigung – der C919. Unser Pekinger Team berichtet über das rasante Wachstum des chinesischen Flugzeugmarkts. Obwohl der Flieger technologisch noch nicht auf gleichem Stand sind, sollen Großaufträge der staatlichen chinesischen Fluggesellschaften für den nötigen Absatz sorgen. Eine Wettbewerbsverzerrung? Mag sein. Aber auch Boeing und Airbus wuchsen mithilfe staatlicher Subventionen – was schließlich zum jahrelangen Handelsstreit vor der WTO führte.
Eine gute Lektüre und ein friedliches Wochenende!
Chinas Videospiele-Branche befürchtet zunehmenden Druck vonseiten der Behörden. Eine Reihe von Kommentaren in Staatsmedien gilt Investoren als Vorbote einer neuer Runde von Regulierungen, mit denen der Staat die Jugend vor möglichen Gefahren von Handy- und Onlinespielen schützen will. “Die Sorgen sind angestiegen, als sich während der Covid-Einschränkungen viele Kinder drinnen beschäftigen mussten”, schreibt Analystin Ernan Cui von Gavekal-Dragonomics. “Es werden vermutlich weitere Regeln und Einschränkungen materialisieren, die auf minderjährige Spieler zielen.” Die Regierung habe schon mehrfach bewiesen, dass sie auch die Konfrontation mit hochprofitablen Branchen nicht scheue.
Die Bildschirmzeit hat sich während der Pandemie noch einmal ausgeweitet. Die Zahl der minderjährigen Spielerinnen und Spieler, die mehr als zwei Stunden täglich am Handy zocken, ist 2020 von 12,5 auf 13,2 Prozent gestiegen. Der Umsatz der chinesischen Spielebranche beträgt jetzt 279 Milliarden Yuan (35 Milliarden Euro).
Vor allem Tencent, der Weltmarktführer bei Handy-Spielen, steht im Fokus der Diskussion. Der gewaltige Erfolg des Unternehmens gerade auf dem Heimatmarkt ging damit einher, dass junge Chinesinnen und Chinesen immer mehr Zeit und Geld auf die Spiele-Apps des erfolgreichen Anbieters aufwenden.
Tencent hat in dieser Woche nun mehr oder minder freiwillig die tägliche Spielzeit seines Erfolgstitels “Honor of Kings” 王者荣耀 beschränkt. Jugendliche können an Werktagen nur noch eine Stunde zocken, dann schaltet sich die App ab. Selbst an freien Tagen sind nur zwei Stunden möglich. Bisher lag das Limit bei anderthalb beziehungsweise drei Stunden. Bisherige Limits für Käufe innerhalb der App bleiben bestehen. Das Unternehmen nutzt nun sogar Gesichtserkennung, um minderjährige Handynutzer zu erkennen, die sich als älter ausgeben.
Doch Tencent kann sich mit solchen Friedensangeboten in Richtung der Regierung voraussichtlich nicht vor weiteren Regulierungen schützen. Bezeichnend war eine der Vorschlag von Staatsmedien, die Spielebranche von Steuererleichterungen für aufstrebende Technikfirmen auszunehmen. Es handele sich nicht mehr um einen Wirtschaftszweig im Aufbau, sondern um eine etablierte Milliarden-Industrie, argumentierte die “Securities Times”. Im Gegenteil: Firmen wie Tencent sollten etwas an die Gesellschaft zurückgeben und höhere Steuern zahlen, so der Tenor.
Im Gespräch sind zudem weitere Ergänzungen zum Jugendschutzgesetz 未成年人保护法, dessen jüngste Fassung erst am 1. Juni in Kraft getreten ist. In Abschnitt 1C findet sich dort ein eigener Absatz zu Onlinespielen. Es verpflichtet die Industrie, die Spieler eindeutig zu identifizieren, damit Jugendliche die Beschränkungen nicht umgehen können. “Unangemessene Anwendungen oder Funktionen” sollen für Kinder und Jugendliche nicht zugänglich sein. Es ist verboten, nächtliches Spielen zu ermöglichen. Ohne ausdrückliche Erlaubnis der Lehrer dürfen Handys nicht aufs Schulgelände.
Die Diskussion um die Videospielindustrie hat bereits mehrere Runden durchlaufen. Am Montag hatten mehrere Staatsmedien in gleichzeitig veröffentlichen Kommentaren über Computerspiele hergezogen. Sie nannten sie “geistiges Opium”. In China ist das ein verbaler Angriff mit schweren Geschützen, denn Opium-Vergleiche sind hier historisch aufgeladen. In der Zeit der Opiumkriege hatte Großbritannien die Wirtschaftskraft und allgemeine Vitalität Chinas durch Drogenlieferungen in großem Maßstab geschwächt.
Jetzt hatte Xinhua einen ähnlich gefährlichen Feind im Inneren ausgemacht. Online-Spiele seien für die Jugend brandgefährlich. Aus reiner Profitgier ruinieren die Spielehersteller eine ganze Generation, so die Meinungsmacher. “Der Leitkommentar bei Xinhua wurde von Investoren als Vorbote eines großen Crackdowns gegen die Videospielindustrie gesehen”, schreibt Analystin Cui. Am Donnerstag verschwanden die scharfen Versionen des Textes dann allerdings schon wieder von den Nachrichtenseiten.
Wenig später folgten weitere Klarstellungen und Abschwächungen. Die “Volkszeitung” forderte, Schulen, Eltern und Erzieher sollten zusammenarbeiten, um exzessives Spielen einzudämmen. Das klang in den Ohren von Branchenvertretern schon viel freundlicher und ließ nicht auf harte Regulierungen schließen. Auch der Chefredakteur der Propagandazeitung Global Times warnte auf WeChat, dass die Märkte den Opium-Kommentar “nicht überinterpretieren” sollen.
Der chinesische Videospielverband wandte sich gegen den Xinhua-Kommentar und betonte, von Spielen gehe “positive Energie” aus, es handele sich mitnichten um “wilde Bestien”. Inwiefern die Videospiele den Heranwachsenden wirklich schaden, sei völlig ungeklärt. Auch dieser Videospielverband als Teil des Dachverbands für digitale Medien wird von der Partei kontrolliert. Doch die Parteistellen vertreten hier – wie in vielen anderen Fragen – keine einheitliche Linie.
Doch tatsächlich gibt es bereits Signale von ganz oben, wie das Thema zu interpretieren sei. Parteichef Xi Jinping hatte sich im März zu Videospielen geäußert. Sie gehörten zu anderen “schmutzigen und unübersichtlichen Dingen, die online zu finden sind”, sagte er einem Xinhua-Bericht zufolge. Der Nationale Volkskongress hatte da gerade über das Thema beraten – mit einer klaren Tendenz in Richtung effektiverer Regulierung. In so einem Kontext ist dann die neuerliche Diskussion in den Staatsmedien zu sehen. Kein Wunder, dass Tencent jetzt die mögliche Bildschirmzeit nun freiwillig beschränkt hat.
Der Branche bleibt nun nichts anders übrig, als mitzuziehen. “Nur wer Gehorsam zeigt und seine Nutzerbasis unter Jugendlichen verringert, bleibt verschont”, glaubt Cui. Die Anbieter haben jedoch auch zahlreiche ältere Zielgruppen – ein Vorteil gegenüber der Nachhilfe-Branche, die nach einem Crackdown vor dem Aus steht (China.Table berichtete). Nur sechs Prozent der Einnahmen von Tencent kommen offiziell von Nutzern unter 18 Jahren. Das Taschengeld reicht halt nicht so weit wie ein Gehalt. Cui vermutet allerdings, dass viele Kids mit den Accounts ihrer Eltern zocken.
Die Warnungen an die Videospiele-Industrie ist als Teil einer großen Aufräumaktion des Staates zu sehen, die auf mehr Regeltreue und Ethik im Wirtschaftsgeschehen abzielt. “Der chinesische Staat reguliert Sektoren derzeit mit harter Hand, deren Aktivitäten aus seiner Sicht dem sozialen Zusammenhalt schaden”, schreibt Cui. Am Donnerstag fielen beispielsweise auch Aktien der Branchen Tabak und Alkohol.
Die Nachrichtenagentur Xinhua hatte am Tag zuvor darüber berichtet, dass Jugendliche sich Zugang zu E-Zigaretten verschaffen. Was in westlichen Ländern einfach ein journalistischer Beitrag gewesen wäre, bewegt in China die Märkte, wenn es von Xinhua kommt. Schließlich ist der Regierung derzeit die Lust daran anzumerken, ihre Firmen für Ziele jenseits des reinen Gewinns zu sensibilisieren. “Die dramatischen Reaktionen an den Märkten zeigen, wie hellhörig die Investoren auf erste Anzeichen offizieller Maßnahmen reagieren”, so Cui. Auch der “Ausverkauf von Gaming-Aktien setzte ohne jede offizielle Klarstellung der Behörden ein” – als Auslöser reichte ein Kommentar.
Das nächste Marktsegment, das jetzt in den Blick gerät, ist das Livestreaming. Auch in Europa gibt es Livestreamer, doch Chinesinnen und Chinesen sind besonders begeistert dabei – als Streamer wie als Zuschauer. Schon früh haben hier junge Leute ihren kompletten Alltag in Echtzeit übertragen und damit Abertausende von Followern gewonnen. Die staatliche Zeitung “Economic Daily” hat nun die Verbreitung “geschmackloser Inhalte” über Livestreaming-Plattformen beklagt. Daraufhin fielen unter anderem die Aktien des Videodienstes Kuaishou.
Für Boeing steht in den nächsten Tagen eine äußerst wichtige Entscheidung an. Am Mittwoch hob vom Hauptsitz des US-Flugzeugbauers in Seattle eine Boeing 737 Max 7 in Richtung China ab. Nach einem Zwischenstopp in Hawaii soll sie am Samstag in Shanghai ankommen und dort den Behörden für Testzwecke zur Verfügung gestellt werden, berichtet die Nachrichtenagentur Reuters.
Es geht um die Frage, ob der Flugzeugtyp, der vor zwei Jahren nach zwei fatalen Abstürzen mit 346 Todesopfern weltweit von vielen Staaten die Start-Erlaubnis entzogen worden war, nun endlich auch in China wieder fliegen darf. Boeing, das von dem Desaster finanziell schwer getroffen wurde, hat Verbesserungen an der Maschine vorgenommen und so das Vertrauen vieler Kunden zurückgewinnen können. In rund 175 Länder darf die 737 Max wieder fliegen – nur ausgerechnet China, wo Boeing vor den Abstürzen rund ein Viertel seiner 737-Max-Maschinen verkaufte, lässt sich mit einer neuen Genehmigung Zeit.
Vermutlich ginge alles viel schneller, hätten die Spannungen der beiden Weltmächte nicht auch längst die Luftfahrtindustrie erreicht (China.Table berichtete). Nachdem Boeing und das europäische Airbus faktisch über Jahrzehnte ein Duopol am Himmel besaßen, möchte auch China ein Stück vom Kuchen. Nach jahrelangen Testflügen wird erwartet, dass bis Ende dieses Jahres der chinesische Staatskonzern Comac die Zulassung für seine C919 im Heimatmarkt erhalten wird. Damit wäre der Weg für einen kommerziellen Einsatz der ersten größeren Passagiermaschine aus chinesischer Herstellung frei. Die ersten Auslieferungen der C919 sollen laut Comac dann auch noch in diesem Jahr erfolgen.
Der Flieger soll mit 168 Sitzen und einer Reichweite von 4.075 Kilometern mit Boeings 737-Reihe und dem Airbus A320 konkurrieren, zwei der meistverkauften Flugzeuge der Welt. Zwar sind sich Luftfahrt-Experten einig, dass zumindest die erste Version der Comac technologisch noch lange nicht auf dem Stand der Konkurrenz von Boeing oder Airbus sein wird. Vor allem der Kerosin-Verbrauch dürfte deutlich höher ausfallen. Doch was macht das schon, wenn Chinas staatliche Fluggesellschaften dennoch bereitwillig bestellen werden.
Bereits im Januar hatte die japanische Wirtschaftszeitung Nikkei recherchiert, dass die drei führenden chinesischen Airlines Air China, China Southern und China Eastern wegen Corona im vergangenen Jahr vorerst mehr als 100 Bestellungen für neue Maschinen von Boeing und Airbus gestrichen hatten. Comac, das nach eigenen Angaben schon über Hunderte Vorbestellungen für die C919 verfügt, wurde hingegen nicht Opfer der Sparpolitik.
Zwar genießt Comac durch diese Schützenhilfe der staatlichen Fluggesellschaften und der chinesischen Regierung Vorteile. Andererseits drohen dem Konzern erhebliche Schwierigkeiten, sollte Washington entscheiden, gegen ihn vorzugehen. Trumps Administration hatte den chinesischen Flugzeugbauer auf eine schwarze Liste gesetzt. Nach den Regeln durften US-Investoren kein Geld in Comac stecken, was aber für den chinesischen Staatsbetrieb ohnehin nicht relevant ist. Hätte die US-Regierung jedoch – wie von Trump vorgesehen – ihr Vorgehen weiter verschärft, wäre Comac möglicherweise wie Huawei von internationalen Zulieferern abgeschnitten worden. Die Produktion der C919 wäre damit unmöglich geworden.
Zum Glück für Comac hat Trumps Nachfolger Joe Biden vorerst einen anderen Kurs eingeschlagen. Auf einer überarbeiteten schwarzen Liste, die im Juni vorgestellt wurde, nimmt Biden zwar noch mehr chinesische Firmen ins Visier als sein Vorgänger. Comac findet sich jedoch nicht mehr auf der neuen Liste.
Es ist vermutlich kein Zufall, dass gerade jetzt in China das Verfahren für die Wiederzulassung des US-Produkts Boeing 737 Max anläuft. Bidens freundlicherer Kurs gegenüber Comac hat direkt wieder größere Offenheit für den Einsatz der Boeing-Maschine ausgelöst. Beide Entscheidungen zeigen, wie groß das Risiko politischer Einmischungen für die Branche geworden ist.
Nötig wären diese Streitereien eigentlich nicht. Denn der Bedarf an Flugzeugen ist in China so gewaltig, dass Comac alleine die Nachfrage nicht bewältigen kann. So geht Boeing in einer Marktanalyse davon aus, dass der chinesische Flugzeugmarkt trotz Corona sogar noch schneller wachsen wird als bislang gedacht. Die Amerikaner prognostizieren, dass China bis zum Jahr 2040 rund 8.600 neue Passagier-Flugzeuge benötigen wird. Boeing prognostiziert für die nächsten 20 Jahre einen Bedarf an 6.450 neuen Mittelstrecken-Flugzeugen wie der C919. Bei Großraum-Fliegern mit mehreren Gängen geht das Unternehmen von 1.590 Bestellungen aus.
Auch hier will Comac schon bald mitmischen. Gemeinsam mit dem russischen Luftfahrt-Unternehmen UAC arbeiten die Chinesen an einem Flieger, der 280 Passagieren Platz bietet und eine Reichweite von 12.000 Kilometern haben soll. Der Marktstart der CR929 ist für das Jahr 2025 geplant. Gregor Koppenburg/Jörn Petring
10.08.2021, 02:00 – 03:30 Uhr CEST (08:00 Uhr Beijing Time)
Kamingespräch Anchor Taiwan, Asia Venturing (II): Tech-Driven Mobility mit Jack Cheng (CEO MIH Consortium, Co-founder NIO) und Monika Mikac (CBO QEV Technologies, ehemalige COO Rimac) Anmeldung
11.08.2021, 10:00 Uhr
Webinar Agri-EPI Centre, Land And Grow: Agri-Tech Opportunities in China Mehr
12.08.2021, 13:45 Uhr – 15:30 Uhr
Webinar AHK China, Implementation of the Law on Work Safety and Safety of Dangerous Goods Management by Enterprises Anmeldung
12.08.2021, 19:00 Uhr
Webinar, Dezan Shira & Associates, Mergers and Acquisitions in China in a Post-COVID World Mehr
13.08.2021, 10:00 Uhr
Webinar Nordic China Business Hub, Verification of Chinese companies and contracts in China Mehr
China verzeichnet weiterhin hohe Zahlen von Corona-Neuinfektionen. Nach Massentests zur Eindämmung des Ausbruchs meldeten die Behörden am Donnerstag 94 neu entdeckte Infektionen, wie die Nachrichtenagentur Bloomberg berichtet. Davon verliefen 32 ohne Symptome. Die Zahl der Ansteckungen ist die höchste seit Januar. Öffentliche Verkehrsmittel und Taxidienste seien in 144 der am stärksten betroffenen Gebiete eingeschränkt worden, hieß es weiter in dem Bericht. In Peking wurde die Nutzung der U-Bahn beschränkt. In der chinesischen Hauptstadt waren am Mittwoch drei neue Infektionen gemeldet worden. Hongkong verhängte erneut eine Quarantäne für Reisende vom Festland, eine Ausnahme gibt es für die südliche Provinz Guangdong.
Um einen weiteren Anstieg zu vermeiden, wurde unter anderem die Ausstellung neuer Reisepässe eingeschränkt. Die Behörden riefen dazu auf, Reisen abzusagen, die nicht dringend seien, wie lokale Medien schrieben. In nur zwei Wochen sind die bestätigten Fälle – mit dem Virus infizierte und erkrankte Personen – auf mehr als 500 angewachsen. Die Infektionen lassen sich auf drei Cluster in China zurückführen: Einen Ausbruch unter Flughafenpersonal in der Stadt Nanjing, ein weiterer in einem Krankenhaus in Zhengzhou, in dem Covid-Patienten behandelt werden sowie ein Cluster in Yunnan, wo sporadisch Fälle registriert wurden.
Um die Ausbrüche unter Kontrolle zu bekommen, gelten inzwischen für Hunderttausende Menschen strenge Einschränkungen: Für mehrere Städte wurde ein strikter Lockdown samt Ausgangssperren verhängt. Ganze Wohnkomplexe wurden abgeriegelt und unter anderem im früheren Epizentrum Wuhan Massentests für alle Einwohner angeordnet (China.Table berichtete). ari
Apple wird bei seinem neuen iPhone-Modell stärker auf Zulieferer und Auftragsfertiger aus China setzen, berichtet Nikkei Asia mit Bezug auf informierte Kreise. Demzufolge wird der chinesische Elektronikhersteller Luxshare Precision Industry bis zu drei Prozent der kommenden iPhone-13-Serie produzieren. Das Unternehmen habe bisher noch keine iPhones gefertigt. Laut Nikkei sei es unüblich, dass Luxshare sofort einen Auftrag für das Premium-Modell von Apple erhalten habe. Das Unternehmen werde Konkurrenten wie Foxconn und Pegatron Marktanteile abnehmen, so Nikkei.
Auch Lens Technology, ein Hersteller von Komponenten für iPhones, konnte sich laut Nikkei neue Aufträge sichern. Das Unternehmen aus Hunan werde erstmals auch Metallgehäuse liefern. Sunny Optical Technology, ein Hersteller von Kameralinsen für Smartphones, werde ebenso erstmals Teil der Lieferkette und einen kleinen Teil der Kameralinsen liefern. Das Unternehmen beliefert demzufolge auch Konkurrenten des US-amerikanischen Unternehmens in China wie Xiaomi, Oppo, Vivo und Huawei. Auch Hersteller von Displays (Tianma Micro-Electronics) und Speicherchips (GigaDevice Semiconductor und Nexperia) wurden dem Bericht zufolge im letzten Jahr erstmals zu Apple-Zulieferern. nib
Der deutsche Chemiekonzern BASF und sein Joint-Venture-Partner Sinopec bauen ihren gemeinsamen Verbundstandort in Nanjing weiter aus. Unter anderem sollen die Produktionskapazitäten mehrerer Anlagen für Downstream-Chemikalien erhöht werden, wie beide Unternehmen am Donnerstag mitteilten. Auch wollen die Partner eine neue Tertiär-Butylacrylat-Anlage errichten, um die Nachfrage nach Spezialchemikalien zu bedienen. Die neuen und erweiterten Anlagen sollen 2023 in Betrieb gehen.
Tertiär-Butylacrylat ist ein Acrylsäureester zur Herstellung von Polymeren und wird laut dem deutschen Unternehmen als Ausgangsstoff für Synthesen verwendet. Als Spezialchemikalie wird es für Papierleime und in Emulsionsanwendungen eingesetzt. Die neue Anlage werde den Verbund erweitern, indem sie Acrylsäure und Isobuten aus bereits bestehenden Anlagen als Ausgangsstoffe nutze, so der deutsche Chemiekonzern. In China werde diese hochmoderne Produktionstechnologie erstmals außerhalb Deutschlands eingesetzt.
Erweitert werden laut dem deutschen Unternehmen die Anlagen zur Produktion von Propionsäure, Propionaldehyd, Ethylenamine und Ethanolamine sowie für hochreines Ethylenoxid. Propionsäure etwa dient als Konservierungsmittel, das Schimmelpilzbefall in Lebensmitteln und Futtergetreide verhindert. Der Einsatz verhindert eine energieaufwändige Trocknung oder Aufbewahrung in luftleeren Silos. Die chemischen Zwischenprodukte Ethylenamine und Ethanolamine werden unter anderem zur Herstellung von Pflanzenschutzmitteln, von Tensiden für Produkte zur Körperpflege und für Reinigungsmittel genutzt.
Der Verbundstandort in Nanjing wird seit vielen Jahren vom 50-50-Joint-Venture BASF-YPC beider Partner betrieben; der Standort wurde immer wieder erweitert. Derzeit errichtet der deutsche Chemiekonzern zudem einen neuen Verbundstandort im südchinesischen Zhanjiang, dessen erste Phase komplett mit Ökostrom betrieben werden soll (China.Table berichtete). ck
Das chinesische Unternehmen Svolt, ein Hersteller von Batterien für E-Autos, hat in einer kürzlich abgeschlossenen Finanzierungsrunde gut zehn Milliarden Yuan (1,3 Milliarden Euro) eingenommen. Die Mittel kommen zu 450 Millionen Euro an vorhandenem Kapital aus einer früheren Finanzierungsrunde hinzu. Das Unternehmen will das Geld unter anderem in die Entwicklung fortschrittlicher Akkus stecken. Außerdem ist es für den Aufbau neuer Werke in der Volksrepublik vorgesehen und soll auch dem laufenden Projekt im Saarland zugutekommen (China.Table berichtete). Bis zum Jahr 2025 will das Unternehmen weltweit eine Produktionskapazität von 200 Gigawattstunden aufbauen. Zum Vergleich: Volkswagen will bis 2030 Produktionskapazitäten von 240 Gigawattstunden aufbauen. fin
US-Präsident Joe Biden hat das US-Heimatschutzministerium am Donnerstag angewiesen, die Abschiebung von Einwohnerinnen und Einwohnern Hongkongs aus den USA um bis zu 18 Monate aufzuschieben. In einem Memo an das Ministerium nannte er dafür “zwingende außenpolitische Gründe”, so die Nachrichtenagentur Reuters. Die Entscheidung ermögliche es möglicherweise Tausenden von Menschen aus der chinesischen Sonderverwaltungszone, ihren Aufenthalt in den USA zu verlängern, so der Bericht.
Im letzten Jahr habe China seine “Angriffe auf die Autonomie Hongkongs fortgesetzt” und die “verbliebenen demokratischen Prozesse und Institutionen untergraben und die Pressefreiheit mit aller Härte bekämpft”, so der US-Präsident. Bürgerinnen und Bürgern Hongkongs einen sicheren Hafen zu bieten, “fördert die Interessen der USA in der Region”, zitiert Reuters ein Biden-Memo an das Heimatschutzministerium. Bereits im Juli hatte die US-Regierung weitere Sanktionen gegen Offizielle aus Hongkong verhängt und Unternehmen vor den Folgen des Nationalen Sicherheitsgesetzes gewarnt. nib
Nur ein Straßenblock vom Pekinger Außenministerium entfernt entzünden gläubige Chinesen täglich Räucherstäbchen vor Hunderten Heiligenfiguren im Dongyue-Tempel. Sie bitten ihren jeweiligen Schutzpatron über Leben, Tod und Schicksal, Reichtum, Glück oder Gesundheit zu wachen. Die 1319 gegründete, einst bedeutendste daoistische Klosteranlage Nordchinas wurde mehrfach zerstört, doch immer neu aufgebaut. Vor 20 Jahren ließ das atheistische Peking sie als “Volkskunstmuseum” wieder eröffnen und sorgte für Nachbildungen der 1928 noch gezählten 1.316 Götterfiguren. Dennoch hat der Tempel seine spirituelle Anziehungskraft nicht eingebüßt.
Volkstümliche Heilige haben Konjunktur. Die sozialistische Volksrepublik erlaubte sogar die Erschaffung neuer Geister als Mischung aus Marketing und Andacht wie den Gott der Kartoffel (土豆神). Seiner überlebensgroßen Gestalt bringt die Bevölkerung Opfergaben im Pekinger Agrar-Vorort Yanqing dar, wo veredelte Kartoffeln in großem Stil angebaut werden.
Der Kartoffelgott wurde Wahrzeichen der 2015 in Yanqing veranstalteten “Weltkonferenz der Kartoffel”. Der Nahrungsmittelexperte und Starkoch Zhang Aiguo widmete ihm seine erste Schüssel chinesischer Shaomai-Ravioli, nachdem er sie zu 25 Prozent aus Kartoffelmehl herstellen konnte. Zehn Jahre hatte Zhang bis dahin experimentiert, um 200 typisch chinesischen Teigwaren wie Reisküchlein, Mantou, Huaquan bis hin zu Nudeln 30 Prozent Kartoffelmehl beimischen zu können, ohne dass die Verbraucher den Unterschied schmeckten.
Zur Opfer-Zeremonie trug Zhang eine aufgenähte chinesische Fahne und das Staatsemblem auf seinem Kochgewand. Es gehe nicht nur um die schmackhafteste Rezeptur, wie sich Kartoffeln besser in den Speiseplan der Chinesen integrieren lassen, sondern auch um die staatstragende Frage: “Wer ernährt China?” Das aber sei eine patriotische Aufgabe.
Bisher fristete die – nach Angaben des nationalen Kartoffelmuseums in Yanqing – vor 400 Jahren importierte Kartoffel das Dasein eines Schattengewächses für Chinas Ernährung. Geschnetzelt, gedünstet, im Wok gebrutzelt, in Streifen gegart oder im Eintopf war sie für Chinesen nie mehr als eine profane Gemüsebeilage. Seit 2015 will Peking die vitaminreiche Knolle zum Grundnahrungsmittel aufwerten und mit Reis, Weizen und Mais gleichstellen. Chinas Bürger wollen sich indes nicht an sie als “strategische” Sättigungsbeilage gewöhnen. Sie sind Schlusslicht beim weltweiten Pro-Kopf-Konsum, obwohl ihr Land in absoluten Zahlen größter Kartoffelproduzent der Erde ist.
Pekings Kartoffellobby bleibt am Ball. Sie verankerte gerade einen forcierten Anbau in der Inneren Mongolei und in drei Nordostprovinzen im Fünfjahresplan bis 2025, teilte das Agrarministerium mit. Für einen Durchbruch würden auch die inzwischen entwickelten 300 Kartoffelgerichte sorgen, “die dem chinesischen Geschmack entsprechen.”
Nach außen scheint China kein Nahrungsproblem zu haben. Seine Bauern verdoppelten zwischen 1978 und 2014 ihre Getreideerträge auf jährlich 607 Millionen Tonnen und produzierten heute 650 Millionen Tonnen. Das Agrarministerium schrieb, dass Chinas Getreidespeicher mit Weizen und Reis für ein Jahr gefüllt seien.
Doch auf der Kehrseite stehen ein auf historische Tiefen gesunkener Grundwasserspiegel in den Kornkammern Mittel- und Nordchinas und ausgelaugte, überdüngte und mit Pestiziden verseuchte Böden. Zudem ist das Land mit jährlich 100 Millionen Tonnen Einfuhren an Sojabohnen vom Weltmarkt abhängig. Chinesische Agrarwissenschaftler nennen die nur wenig Wasser und Dünger verbrauchende, kälteresistente Kartoffel eine alternative Lösung für die Ernährung der Nation.
Ausgerechnet der Propagandist des überlegenen Gesellschaftssystems der Volksrepublik, Xi Jinping, warnte schon ein Jahr nach seinem Aufstieg zum Parteichef auf einer ZK-Agrarkonferenz am 23. Dezember 2013 davor, das Getreideproblem als gelöst zu betrachten, nur weil die Volksrepublik mehrere Jahre gute Ernten einbrachte: “Wir dürfen in dieser Frage nicht zu naiv sein. In unserer Geschichte gab es so viele Hungersnöte, sogar grauenhaften Kannibalismus.” 咱们不要太天真!我国历史上发生了多少次大饥荒,饿殍遍野,甚至人相食,惨绝人寰!
Weitgehende Selbstversorgung sei auch eine politische Frage. Im Fall einer Agrarkrise würde das gesamte Handelsgetreide auf dem Weltmarkt – wo nur 300 Millionen Tonnen verfügbar seien – nicht ausreichen. “Selbst, wenn wir im Krisenfall alles aufkaufen würden, reichte es uns nur für ein halbes Jahr.” Zudem würde China die Weltversorgung, Handel und Preise ins Chaos stürzen.
Der 30 Buchseiten lange Text erschien in einer chinesischen “Auswahl wichtiger Reden nach dem 18. Parteitag” (十八大以来重要文献选编). Xi spricht Klartext: Er gehöre zu einer Generation, “für die es wie gestern ist, wenn sie das Wort ‘Rationierungsmarken’ hört. Wir erinnern uns noch, was Hunger ist.” Er ging in den Notzeiten 1959 bis 1961 in eine Schule, wo es abends nur wässrige Suppe gab, die ihn nicht satt machte. Während der Kulturrevolution arbeitete er in einer Bauernbrigade (China.Table berichtete). Drei Monate war in seinem Essen kein Tropfen Speiseöl. Als er im Winter von seiner Familie Geld geschickt bekam und mit mehreren Freunden gefrorenes Schweinefleisch dafür kaufte, schnippelten sie auf dem Heimweg das Fleisch ab und aßen es roh. “Das hat himmlisch geschmeckt.”
In seiner Rede erregt er sich über die horrende Verschwendung von Lebensmitteln durch die Prasserei seiner Landsleute: Mehr als 200 Millionen Chinesen könnten ein Jahr von dem Getreide und dem Essen leben, das in den Restaurants jährlich weggeworfen wird. Xi lässt alle Gaststätten in der Volksrepublik kontrollieren, ob dort die “Teller leer gegessen werden”. Im August 2020 ordnet er eine Neuauflage seiner Kampagne an, nachdem sich die Vergeudung von Nahrungsmitteln durch die Einführung eines als Reform gepriesenen Online-Essensbestell- und Lieferdienstes verschärft hat. Durch die Catering-Industrie würden jedes Jahr rund 18 Milliarden Kilogramm Lebensmittelabfälle weggeworfen. Im Mai 2021 setzte die Volksrepublik als erstes Land der Welt ein Gesetz gegen die Verschwendung von Lebensmitteln in Kraft, das mit hohen Geldstrafen Verschwendung durch Catering-Dienste und Verbraucher bestraft.
Ob mithilfe eines Kartoffelgotts, oder durch die Strenge der Gesetze: Die alte Frage. “Wer ernährt die Chinesen?” steht weiter auf Pekings Tagesordnung. Sie ist die Achillesferse des Aufstiegsmodells und des Traums von der Wiedergeburt als Weltnation.
Andreas Goller ist von der Außenhandelskammer in Taiwan zu Oddity Asia (Taiwan) gewechselt, einem Anbieter von Dienstleistungen im Bereich E-Commerce und digitalem Marketing. Goller war über zwei Jahre als Senior Manager bei der AHK für den Bereich Markteinstieg verantwortlich und beriet deutsche Unternehmen bei Fragen zu Sourcing und Vertrieb. Bei Oddity Asia wird er Senior Business Development Manager.
Der chinesisch-amerikanische Historiker und Sinologe Yu Ying-shih ist kürzlich im Alter von 91 Jahren in Princeton verstorben. Yu gilt als Pionier der Erforschung der chinesischen Geschichte und wurde mit hochrangigen Preisen wie dem Kluge- und dem Tang-Preis ausgezeichnet.
Am Sonntag enden die olympischen Spiele in Tokio. Ob die Athletinnen und Athleten sich im olympischen Dorf schon über die besten Ziele für den Strandurlaub austauschen? Für den chinesischen Dreispringer Zhu Yaming enden die Arbeitstage jetzt schon regelmäßig im Sand. Im Anschluss durfte er noch zur Siegerehrung. Er gewann die Silbermedaille.