nach der alten Regel stünde beim großen Parteikongress der KP Ende des Jahres ein Machtwechsel bevor. Denn das hatte der große Reformer Deng Xiaoping einst so vorgegeben: Damit es eben zu keiner zweiten Mao-Diktatur kommt, sollte mindestens alle zehn Jahre der Staffelstab weitergegeben werden. Und wer das Rentenalter erreicht hat, sollte ebenfalls abtreten. Xi Jinping hat diese Begrenzung für sich aufgehoben.
Spannend dürfte es dennoch werden. Denn noch ist völlig ungeklärt, wer außer ihm zur künftigen Führungsriege gehören wird. Wird Xi auch andere Kader aus seinen Netzwerken im Machtzentrum halten? Und wird auf diese Weise nicht eine ganze Generation von nachfolgenden Spitzenkadern ihrer Karriere beraubt? Zum Auftakt unserer Parteikongress-Berichterstattung widmet sich Christiane Kühl der Frage, wer Chancen hat, der neuen Führung anzugehören. Und wer nicht.
Weltweit sind Konfuzius-Institute wegen zu großer Nähe zur chinesischen Staatsführung in Verruf geraten. Geradezu naheliegend war da, dass Taiwan die Chance wittert, um international für sich zu werben. Mandarin-Sprachzentren “taiwanischer Prägung” mit ein bisschen Kulturvermittlung – das verspricht das taiwanische Büro für Auslandsangelegenheiten.
Das Angebot dürften die meisten westlichen Ländern dankbar annehmen. Sicher sind auch Taiwans Motive dahinter nicht selbstlos. Austausch und Wissensvermittlung von Asiens Musterdemokratie wird auch hierzulande niemandem schaden.
Viel Spaß beim Lesen!
Wie alle fünf Jahre im Frühsommer beginnt das große Rätseln: Wer bekommt welchen Posten auf dem kommenden Parteitag von Chinas Kommunisten? Eigentlich müsste die alte Garde um Parteichef Xi Jinping auf dem 20. Parteitag im Oktober abtreten – jeder, der 68 Jahre oder älter ist. Xi selbst ist gerade 69 geworden. Doch seit Xi die Amtszeitbegrenzung für das Präsidentenamt aufheben ließ, steht praktisch außer Zweifel, dass Chinas starker Mann mindestens eine dritte Amtszeit bekommen wird. Werden also auch andere Ü68-Kader auf ihren Sesseln bleiben?
“Die personellen Veränderungen beim anstehenden Kongress sind gleichzeitig erwartbarer und weniger vorhersehbar als bei den meisten Kongressen zuvor”, glaubt Cheng Li, Direktor des John L. Thornton China Centers der Brookings Institution in Washington und einer der erfahrensten Beobachter der KP-Führungszirkel. Erwartbarer, weil Xis Protegés mehr Führungspositionen besetzen werden. Ungewisser, weil einige der in der Post-Deng-Ära etablierten Normen und Regeln nicht mehr gelten – das obligatorische Rentenalter und die Amtszeitbegrenzung für Spitzenämter.
Cheng Li glaubt trotzdem, dass die meisten Älteren in den Ruhestand gehen werden. Er geht davon aus, dass nach dem Parteitag die neue “Sechste Generation” der nach 1960 Geborenen etwa zwei Drittel des neuen Zentralkomitees mit seinen 376 Mitgliedern und die Mehrheit des 25-köpfigen Politbüros stellen werden. Vier oder fünf Jüngere werden demnach in den Ständigen Ausschuss des Politbüros mit derzeit sieben Mitgliedern aufsteigen, so Li. Nur Xi (Jahrgang 1953) und ein paar wenige Getreue dürften dort ausharren, glaubt Li.
In den unteren Rängen und Verwaltungsebenen sei dieser Generationswechsel bereits erfolgt, schreibt Li. “In Chinas 31 Provinzen und vier regierungsunmittelbaren Städten (Peking, Tianjin, Shanghai und Chongqing) sind alle Gouverneure oder Bürgermeister – bis auf einen – in den 1960er-Jahren geboren. 94 Prozent von ihnen wurden in den letzten Jahren ernannt.”
Das Problem: Normalerweise müsste diese Kohorte jetzt den Parteichef stellen. Doch das Spitzenamt ist ihnen durch Xis anhaltenden Machtanspruch versperrt: Bleibt Xi noch zehn Jahre im Amt, wäre diese Generation am Ende seiner Herrschaft bereits ebenfalls im Rentenalter, jedenfalls nach den Usancen der Vor-Xi-Ära. Es gibt bislang keine Anzeichen, dass im Herbst ein Kronprinz für eine etwaige Machtübergabe 2027 installiert wird.
Wie sehr das unter den Kadern für Frust sorgt, ist ungewiss – und hängt sicher auch davon ab, welche Ämter sich die sechste Generation jetzt sichern kann. Eine Chance ist das Amt des Ministerpräsidenten. Amtsinhaber Li Keqiang (Jahrgang 1955) hat im März betont, er leiste nun sein letztes Jahr im Amt. Auch gilt als sicher, dass Vizepräsident Wang Qishan im März 2023 in den Ruhestand gehen wird – er ist über 70. Für beide Ämter kursieren keine klaren Favoriten.
Wie die Neuen sich politisch positionieren, ist unklar. “Jede Generation von Führungskräften bringt unterschiedliche Erfahrungen in Bezug auf kollektives Gedächtnis, persönliche Sozialisation, politische Vernetzung, Karrierewege, Bildungs- und Berufsnachweise und administrativen Hintergrund mit sich”, meint Cheng Li. Die 6G-Kader waren zwischen neun und 18 Jahren alt, als Deng Xiaoping 1978 ökonomische Reformen anstieß – und zwischen 20 und 29, als Hoffnungen auf politische Reformen beim Tian’anmen-Massaker buchstäblich zerschossen wurden. Viele ihrer Vorgänger – auch Xi selbst – waren noch als Jugendliche in der Kulturrevolution zur Landarbeit aufs Dorf geschickt worden. Die Prägung könnte unterschiedlicher kaum sein.
Doch wer von den zwischen 53 und 62 Jahre alten 6G-Politikern schafft es nach ganz oben? Der Auswahlprozess ist noch undurchsichtiger als früher, als es die verschiedenen Fraktionen in der Partei gab – etwa die Jugendliga – von denen man wusste, dass aus ihnen bestimmte Vertreter aufrücken”, sagt Nis Grünberg, der im China-Institut Merics zur Partei-Elite forscht. Aus der Jugendliga-Fraktion stammten etwa Xis Vorgänger Hu Jintao, sowie der jetzige Ministerpräsident Li Keqiang. “Heute gibt es eigentlich nur noch eine einzige große Xi-Fraktion. Wer zu anderen Fraktionen gehört, hat weniger Aufstiegschancen”, sagt Grünberg.
Zu den jüngeren aufstrebenden Politikern in der Xi-Faktion gehöre etwa Chen Min’er, Parteichef von Chongqing und als solcher auch Mitglied im Politbüro. Er wird schon länger mit Führungsposten in Verbindung gebracht. Doch wohin die Reise für Chen geht, ist weiter unklar. “Auch ist die Xi-Fraktion nicht unbedingt homogen. Solange man dort loyal der Politik Xi Jinpings folgt, gehört man zur Familie”, sagt Grünberg.
Auch ist nicht ganz klar, wie sich die Kriterien für eine Beförderung verändert haben. “Das Kriterium, dass jemand Vizepräsident gewesen sein muss, um an die Spitze zu rücken, ist durch Xi zunächst außer Kraft gesetzt“, sagt Grünberg. Xi ernannte mit Wang Qishan einen Vize, der eigentlich schon damals an der Altersgrenze gekratzt hatte. Andere Bedingungen bleiben dagegen ähnlich. “Hat jemand Provinzerfahrung, Erfahrung in der Zentralregierung, etwa in Ministerien, oder – noch besser – zentralen Parteifunktionen?”, sagt Grünberg. “Wichtig war bislang auch, bereits mindestens eine Legislaturperiode im Politbüro gewesen zu sein.”
Zu den immer wieder genannten Kandidaten für den Ständigen Ausschuss gehören neben Chen Min’er etwa Vizeministerpräsident Hu Chunhua (1963) oder Ding Xuexiang, Direktor des Allgemeinen Büros der KP China (1962). Bislang galt auch der Shanghaier Parteichef Li Qiang (1959) als Mitbewerber. Doch dann kam der chaotische Lockdown in seiner Stadt. Ob Li sich immer noch Hoffnungen machen kann, werde die Partei jetzt ausknobeln, sagt Grünberg. “Bis zu dem Treffen und den Beratungen von Beidaihe im August wird der Kuhhandel um die Posten weitergehen. Es ist zwar schon möglich, dass die Partei für die Fehler beim Lockdown den Shanghaier Bürgermeister oder den Direktor der Gesundheitsbehörde verantwortlich macht. Aber der Lockdown dürfte Li Qiang politisches Kapital gekostet haben, auch weil er so lange gedauert hat.”
Unterrepräsentiert werden in der Spitze auch weiterhin die Frauen sein. Im aktuellen Zentralkomitee sitzen gerade einmal zehn Frauen als Vollmitglieder. Sie machen 4,9 Prozent der Mitglieder aus. Mit Chen Yiqin in Guizhou gibt es nur eine einzige Provinz-Parteichefin. Chen (1959) ist die einzige ernstzunehmende Kandidatin für das Politbüro – um dort die derzeit einzige Frau, Vizeministerpräsidentin Sun Chunlan (Jahrgang 1950), zu ersetzen. Eine Frau im Ständigen Ausschuss wird es somit auch 100 Jahre nach Parteigründung nicht geben.
Noch ist die Volksrepublik China führend bei Angeboten zu “Chinesisch als Fremdsprache”. Durch anhaltende Zensur und Propagandavorwürfe sind die chinesischen Konfuzius-Institute in Europa und den USA allerdings unter Generalverdacht geraten. Erst letzte Woche äußerte die deutsche Bildungsministerin Bettina Stark-Watzinger Bedenken, Konfuzius-Institute würden von der Kommunistischen Partei Chinas politisch instrumentalisiert.
Taiwan sieht die wachsende Skepsis gegenüber China als Chance, seinen Einfluss im Westen auszubauen. Das regierungseigene Overseas Community Affairs Council (OCAC) verkündete im August 2021 innerhalb der nächsten vier Jahre, 100 sogenannte Taiwan Center for Mandarin Learning (TCML) gründen zu wollen. Insgesamt sollen dafür über 440 Millionen Taiwan-Dollar (mehr als 14 Millionen Euro) bereitgestellt werden.
Der maßgebliche Impuls für die neue Bildungsinitiative kam aus Washington. Die Trump-Administration hatte Schulen und Universitäten über eine Klausel im National Defense Authorization Act (NDAA) dazu gezwungen, sich zwischen Fördergeldern aus Mitteln des Verteidigungsministeriums oder einer Kooperation mit Konfuzius-Instituten zu entscheiden. Auch das Außenministerium nutzte sein Stipendien-Programm, um auf Chinesisch-Angebote außerhalb der Volksrepublik aufmerksam zu machen. Im Dezember 2020 unterzeichneten die USA und Taiwan dann eine Absichtserklärung, ihre bilaterale Kooperation im Bereich Sprachbildung weiter auszubauen.
Offiziell betont Taiwans Regierung, man wolle nicht in Konkurrenz zu den chinesischen Konfuzius-Instituten treten. OCAC-Minister Tung Chen-yuan wird allerdings nicht müde, die Unterschiede zwischen den chinesischen und taiwanischen Sprachzentren herauszustellen. “Unser demokratisches System garantiert Redefreiheit”, so Tung. Ein unverhohlener Seitenhieb auf die Zensurvorwürfe gegen die Konfuzius-Institute.
Anders als Konfuzius-Institute sind die taiwanisches Sprachzentren nicht an Universitäten angesiedelt. Taiwan setzt bei seiner Initiative ganz auf die Unterstützung der taiwanischen Gemeinschaften im Ausland und ihrer privaten Chinesisch-Schulen. Das erste Taiwan Center for Mandarin Learning in Deutschland wurde im September 2021 vom Chinesischen Verein Hamburg gegründet, der bereits seit 1961 eine Chinesisch-Schule in der Hansestadt betreibt. Weltweit wurden bisher insgesamt 45 TCML eröffnet, 35 davon in den USA. In Deutschland, Frankreich und Großbritannien gibt es jeweils zwei.
Das zweite Sprachzentrum in Deutschland wurde Anfang des Jahres in Heidelberg eröffnet. Dessen Geschäfte ruhen seit im Mai #MeToo-Vorwürfe gegen den stellvertretenden Leiter Thomas W. laut geworden waren. In Taiwan schwelt deshalb eine Debatte über die Frage, inwieweit staatliche Stellen ihrer Aufsichtspflicht bei der Vergabe von Fördergeldern für das Sprachzentrum nachgekommen sind und wie Opfern im Ausland besser geholfen werden kann. Der taiwanische Repräsentant in Deutschland Shieh Jhy-wey erklärte dazu, dass bisher keine öffentlichen Gelder nach Heidelberg geflossen seien. Außerdem habe W. seinen Posten bereits kurz nach Bekanntwerden der Vorwürfe geräumt.
Taiwans Regierung will, mit vergleichsweise begrenzten Mitteln, schnell viel bewegen. Die Initiative wird nicht zentral gelenkt, sondern bietet nur Fördermittel und Unterstützung für lokale Akteure an, die ein solches Zentrum an ihrer bestehenden Chinesisch-Schule einrichten wollen. Die Behörden haben so kaum Einfluss auf die Auswahl der Lehrkräfte und die Qualität der Lehre. Unter den im Projektantrag des Sprachzentrums Heidelberg aufgeführten Lehrkräfte hatte nur eine Person eine offizielle Qualifikation als Lehrer für “Chinesisch als Fremdsprache”.
Im Gespräch mit China.Table bestätigt die Vorsitzende der taiwanischen “Association of Teaching Chinese as a Second Language”, Peng Ni-se, dass es kaum möglich ist, die Qualifikation aller Lehrkräfte im Ausland zu überprüfen. “Einige sind sehr erfahrene Lehrerinnen und Lehrer, bei anderen wissen wir nicht, wie sie zum Unterrichten gekommen sind. Das ist sehr gemischt,” so Peng. Das OCAC sei sich dessen aber bewusst und habe letztes Jahr das Lehrwerk “Let’s Learn Mandarin” veröffentlicht und Lehrvideos dazu produziert, die die Lehrerkräfte vor Ort didaktisch unterstützen sollen.
Taiwans internationale Situation schafft immer wieder neue Hindernisse für die Entsendung von Sprachlehrerinnen und -lehrern, so Peng. So müssten Dozentinnen und Dozenten oft alle zwei Jahre ausgetauscht werden, weil ihre Aufenthaltserlaubnis nicht verlängert würde. “Wir haben das lange diskutiert und sind zu dem Schluss gekommen, dass es die beste Lösung ist, vor Ort Chinesisch-Lehrer auszubilden. So müssen wir nicht alle zwei Jahre jemand neues entsenden.” Das sei eine Frage der personellen Kontinuität in der Lehre, so Peng.
Taiwans passive Strategie sorgt derweil selbst in der Regierungspartei für Verwirrung. Im Oktober 2021 forderte der DPP-Abgeordnete Chiu Chih-wei OCAC-Minister Tung im Parlament dazu auf, verstärkt in osteuropäischen Ländern aktiv zu werden, die Taiwan freundlich gesinnt seien. “Sie müssen gezielt und geplant Sprachzentren in diesen Schlüsselländern einrichten, um die bilateralen Beziehung durch Chinesisch-Unterricht zu vertiefen und nicht passiv darauf warten, dass diese Länder einen Antrag stellen,” so Chiu. Minister Tung erwiderte, die Regierung könne nur Schulen vor Ort “ermutigen”, aber nicht selbst festlegen, in welchen Ländern TCMLs gegründet werden.
Das japanische Nachrichtenmagazin Nikkei Asia hatte vor Kurzem berichtet, dass in Berlin bereits das dritte Sprachzentrum in Deutschland in Planung sei. Auf Nachfrage erklärte Repräsentant Shieh gegenüber China.Table jedoch, dass in diesem Jahr nicht mit einer Eröffnung zu rechnen sei. Einen Antrag für eine Eröffnung im kommenden Jahr schließe er aber nicht aus. “Es gibt in Berlin zwar bereits erfahrene und engagierte Chinesisch-Schulen, allerdings nutzen diese für den Unterricht die Räumlichkeiten örtlicher Schulen und können daher nur am Wochenende unterrichten.”
Vor elf Jahren hatte die Regierung Ma Ying-Jeou bereits eine ähnliche Initiative gegründet. Unter der Leitung des Kulturministeriums sollte damals die sogenannte “Taiwan Academy” eine “chinesische Kultur taiwanischer Prägung” verbreiten. Außer drei Instituten in den USA wurden allerdings keine weiteren Ableger gegründet und das Programm nicht weiter vorangetrieben. Auf die Frage, ob die TCMLs das gleiche Schicksal wie die Taiwan Academy ereilen könnte, zeigt sich Peng vorsichtig optimistisch: “Es gibt diesmal einen klaren Plan, der Lehrwerke und Fortbildungen für die Lehrer mit einbezieht. Das letzte Mal gab es keine Lehrwerke und auch die Lehrerausbildung war nicht so eindeutig geregelt wie heute.” David Demes
In einer Rede vor Beginn des Brics-Wirtschaftsgipfels hat Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping vor einer Ausweitung internationaler Militärbündnisse gewarnt. Die Ukraine-Krise sei ein “Weckruf”, sagte er laut chinesischen Staatsmedien, richtete seine Kritik aber nicht gegen Russlands Angriffskrieg, sondern gegen die USA und ihren Verbündeten. Er warnte davor, “militärische Allianzen auszuweiten” und “die eigene Sicherheit auf Kosten der Sicherheit anderer Staaten” anzustreben.
China hat es wiederholt abgelehnt, den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine zu verurteilen, sondern gibt der Nato die Schuld für die Eskalation. Vor einer Woche sicherte Xi in einem Telefonat mit dem russischen Staatschef Wladimir Putin Unterstützung in Fragen der “Souveränität und Sicherheit” zu. Xi kritisierte in seiner Rede erneut auch die von den USA und der EU verhängten Sanktionen gegen Russland. Sanktionen seien “ein Bumerang”.
Der sogenannten Brics-Gruppe gehören China, Brasilien, Indien, Russland und Südafrika an. Sie repräsentieren mehr als 40 Prozent der Weltbevölkerung und fast ein Viertel des weltweiten Bruttoinlandsprodukts. Neben China hatten sich bei der Abstimmung über eine UN-Resolution, die den russischen Einmarsch in der Ukraine verurteilte, auch Indien und Südafrika enthalten. China und Indien beziehen seit Ausbruch des Krieges auch vermehrt Öl und Gas aus Russland.
Putin zufolge vollzieht Russland einen grundlegenden Wandel in seiner Handelspolitik. Die Geschäfte würden derzeit auf die anderen sogenannten Brics-Länder ausgerichtet, sagte Putin. Aktuell werde eine größere Präsenz chinesischer Autobauer auf dem russischen Markt ebenso erörtert wie die Eröffnung von Filialen indischer Supermarktketten. flee/rtr
Mit einer weiteren langen Haftstrafe gegen einen Aktivisten setzen chinesische Behörden ihren Feldzug gegen tibetische Intellektuelle fort. Mitte Juni sprach ein Gericht in Sichuan einen zweifachen Familienvater wegen angeblicher “separatistischer Aktivitäten” und der “Schaffung gesellschaftlicher Unordnung” schuldig. Er wurde zu knapp viereinhalb Jahren Haft verurteilt.
Der Mann namens Thupten Lodoe hatte sich für den Erhalt der tibetischen Sprache eingesetzt. Über soziale Medien verbreitete er seine Übersetzungen von englisch- oder chinesischsprachigen Texten ins Tibetische. Freunde des Verurteilten hatten gegenüber Radio Free Asia die Vermutung geäußert, dass Lodoe bei den Behörden als Gefahr für die sogenannte nationale Sicherheit galt, ein Euphemismus für politischen Dissens jeglicher Art. Er soll mit Exilanten außerhalb Tibets in Kontakt gestanden habe.
Lodoe war im Oktober vergangenen Jahres von Beamten der Provinzregierung verhaftet worden. Das ist unüblich und Ausdruck für die Dringlichkeit des behördlichen Handelns. Normalerweise übernehmen Beamte aus den zuständigen Bezirken solche Verhaftungen. Lodoe stammt aus Shiqu im Verwaltungsbezirk Ganzi in den tibetischen Siedlungsgebieten in Sichuan.
Laut Lodoes persönlichem Umfeld hatten die Behörden ihm einen Posten in der Verwaltung mit einem monatlichen Salär in Höhe von 10.000 Yuan angeboten, etwa 1.400 Euro. Lodoe soll jedoch abgelehnt haben, um sich weiter dem Erhalt der tibetischen Sprache zu widmen.
Wo genau der Tibeter inhaftiert ist, wissen Freunde und Angehörige ebenso wie in vergleichbaren Fällen nicht. Oft halten die chinesischen Behörden die Aufenthaltsorte jahrelang geheim. Die Vereinten Nationen hatten Anfang des Jahres auf drei Fälle aufmerksam gemacht (China.Table berichete) und die Volksrepublik um konkrete Informationen zu Gefängnissen und Haftbedingungen gebeten. Im Falle der Lehrerin Rinchen Kyi folgte wenige Woche danach deren Freilassung (China.Table berichtete). grz
Das bankrotte Sri Lanka bittet China, Indien und Japan um finanzielle Unterstützung. Der südasiatische Staat will die drei Länder demnächst zu einer Geberkonferenz bitten. Sri Lanka befindet sich derzeit in seiner schlimmsten Wirtschaftskrise der vergangenen 70 Jahre. Die Devisenreserven des Landes sind aufgebraucht. Dringende Importe wie Nahrungsmittel, Medizin und Treibstoffe können nicht mehr bezahlt werden. Hinzu kommt eine steigende Inflation. Infolge des Mangels kam es zu Unruhen in der Bevölkerung, wie Reuters berichtet. Das Land strebt jetzt ein Rettungsprogramm des Internationalen Währungsfonds und Hilfe befreundeter Staaten an. “Wir werden auch die USA um Hilfe bitten”, sagte Premierminister Ranil Wickremesinghe.
Indien und China haben in der Vergangenheit um Einfluss auf Sri Lanka gerungen. Indien habe bisher Hilfe im Wert von vier Milliarden US-Dollar bereitgestellt. China prüft Sri Lankas Ansinnen, die Bedingungen eines sogenannten Währungsswaps in Höhe von umgerechnet 1,5 Milliarden US-Dollar neu zu verhandeln. Bei Währungsswaps tauschen die Länder zwei verschiedene Währungen. Sri Lanka hat in diesem Fall Yuan erhalten, um auf Yuan laufende Importe bezahlen zu können. nib
Die Stadt Brüssel hat nach Beschwerden von Kunden Anzeigen auf mehreren Straßenbahnen zum 25. Jahrestag der Übergabe Hongkongs zurückgezogen. Die zwei Straßenbahnen mit dem Slogan “A New Era – Stability. Prosperity. Opportunity” hätten eigentlich bis zum 29. August in der Hauptstadt Belgiens fahren sollen, wie die South China Morning Post berichtet. Nach Hinweisen von Fahrgästen seien die Anzeigen nun jedoch zurückgezogen worden, sagte eine Sprecherin der Brüsseler Verkehrsbetriebe STIB. Beschwerden über die Kampagne habe es auch in den sozialen Medien gegeben, so die Sprecherin.
“STIB hat eine Satzung, die unter anderem vorschreibt, dass keine Werbung mit politischen Konnotationen verbreitet werden darf”, erklärte die Sprecherin dem Bericht zufolge. Die Vertretung Hongkongs in Brüssel zeigte sich ob der Entscheidung enttäuscht. Der Aufdruck wurde demnach vor Beginn der Kampagne von STIB abgesegnet. Straßenbahnen mit der Anzeige zur Übergabe Hongkongs fahren auch auf den Straßen von Istanbul, Lissabon und Mailand.
Auch in der italienischen Stadt regt sich dem Bericht zufolge Widerstand: Politiker in Mailand reichten laut lokaler Medienberichte beim Bürgermeister Beschwerde ein. Die Botschaft auf den Trams seien “ein Symbol der chinesischen Unterdrückung”. Die Straßenbahnen wurden jedoch noch nicht aus dem Verkehr gezogen. ari
Die Video-App Douyin (im Westen bekannt auch als Tiktok) wird in China die Fußballweltmeisterschaft 2022 live übertragen. Der Mutterkonzern Bytedance wurde von der China Media Group, der unter anderem der staatliche Sender China Central Television (CCTV) gehört, als Partner ausgewählt, wie das Wirtschaftsportal Caixin berichtete. Demnach will die China Media Group ein interaktives Programm rund um die Weltmeisterschaft in Katar gemeinsam mit Douyin gestalten.
Neben Douyin dürfen auch die von Bytedance unterstützte Newsfeed-App Toutiao und die Video-Sharing-Plattform Xigua Clips der Fußballweltmeisterschaft 2022 verbreiten. ari
Bei der Frage nach der Motivation für ihr menschenrechtliches Engagement in China runzelt Yaqiu Wang, Senior China Researcher bei Human Rights Watch, leicht die Stirn: “Bereits meine Geburt war ein Menschenrechtsproblem.” Als Drittgeborene zur Zeit der Ein-Kind-Politik bekam sie rasch zu spüren, was es bedeutet, unter staatlicher Kontrolle und Repression leben zu müssen.
Sie erfuhr früh, dass ihre Mutter sich während ihrer Schwangerschaft bei Verwandten verstecken musste, um einer Zwangsabtreibung zu entkommen. Dies gelang glücklicherweise, führte aber dazu, dass Wang verarmt aufwuchs, denn wegen der ausgebliebenen Abtreibung wurde ihre Familie mit einer Geldstrafe bestraft.
Dazu kam, dass sie mit ihren Problemen und ihrer Scham weitgehend allein war. Denn in der Schule konnte sie über ihre Familiensituation nichts preisgeben, aus Angst vor Stigmatisierung und Ächtung. “Ich fühlte mich so stimmlos, ich fühlte mich unfrei. Aber aufgrund der Staatsindoktrination hatte ich nicht einmal die Sprache, um das auszudrücken.”
Dass dieser Zustand kein andauernder sein muss, wurde ihr in ihrer Collegezeit in China bewusst, in der sie die Tiefen des Internets entdeckte – für sie damals eine “historische Schatzkiste”, die Funde wie eine kritische Darstellung des Tian’anmen-Massakers parat hielt.
2012 kehrte Wang nach Abschluss ihres Masters aus den USA zurück in die Volksrepublik. Sie war zuversichtlich, den Weg Chinas hin zu einer rechtsstaatlichen Demokratie vor Ort unterstützen zu können. Doch direkt bei ihrer Ankunft wird sie inhaftiert: “Ich war wortwörtlich ein Niemand! Das sprach Bände über die umfangreiche Überwachung, denen alle Chinesen weltweit ausgesetzt sind.”
Dementsprechend war es ihr, in Anbetracht ihrer eigenen Sicherheit, unmöglich, in diesem China zu arbeiten. Ihre Ideale hingegen hat sie bis heute nicht aufgegeben, nur verfolgt sie diese seit 2017 von New York aus, wo das Hauptbüro von Human Rights Watch China liegt.
Momentan fokussiert sich Wang thematisch auf Zensur, den Schutz von Menschenrechtlerinnen und Menschenrechtlern und die Rechte von Frauen. Sie bearbeitet dabei in erster Linie aktuelle Angelegenheiten, teils geht es um akut gefährdete Personen.
Aber auch längerfristige Trends nimmt sie ins Visier: “Uns geht es darum, effektive Veränderungen zu bewirken, da müssen wir anpassungsfähig sein.” Denn auch wenn sich im Nachrichtenzyklus kein prominenter Platz dafür finden lässt, dass bei vielen Stellenausschreibungen Männer explizit bevorzugt werden, ist es unerlässlich, auch solche Ungerechtigkeiten aufzuarbeiten. Es sind schließlich nicht weniger als mehrere Hundert Millionen Frauen betroffen.
Zwar führt Wang ihre Recherchearbeit hauptsächlich online in New York durch, aber durch die vielen Außenposten von Human Rights Watch und ihre Kontakte ist sie global vernetzt. Klar, nach China sowieso.
Aber wenn es um Fälle wie die Berichte von Zwangsarbeit in den Fabriken deutscher Firmen in Xinjiang geht, kann sie das Berliner Büro beauftragen, ihr einen Termin bei der deutschen Regierung oder den betreffenden Firmen zu verschaffen. Ob sie diese Anfragen dann über ihre Vertrauten in den Medien an ein breiteres Publikum trägt, ist situationsabhängig, denn “größere Öffentlichkeit entspricht nicht zwangsweise größerer Wirksamkeit”.
Sie ist sich bewusst, dass ihre zumeist harsche Kritik an China von einigen aufgenommen und verzerrt werden kann, um rassistische Ressentiments zu schüren. Verschüchterung ist Wang jedoch ein Fremdwort: “Wenigstens habe ich eine Stimme hier, die Uiguren haben keine. Ich würde nie meine Zunge bezüglich China zügeln, aus Furcht, instrumentalisiert zu werden.” Julius Schwarzwälder
Stefan Mecha wird neuer CEO der Marke Volkswagen Pkw in China sowie Leiter des Konzernvertriebs der Volkswagen Group China.
Manchmal wird die Schönheit erst aus der Vogelperspektive sichtbar, wie dieses riesige Wasserreservoir im Südosten der chinesischen Provinz Guizhou eindrücklich beweist.
nach der alten Regel stünde beim großen Parteikongress der KP Ende des Jahres ein Machtwechsel bevor. Denn das hatte der große Reformer Deng Xiaoping einst so vorgegeben: Damit es eben zu keiner zweiten Mao-Diktatur kommt, sollte mindestens alle zehn Jahre der Staffelstab weitergegeben werden. Und wer das Rentenalter erreicht hat, sollte ebenfalls abtreten. Xi Jinping hat diese Begrenzung für sich aufgehoben.
Spannend dürfte es dennoch werden. Denn noch ist völlig ungeklärt, wer außer ihm zur künftigen Führungsriege gehören wird. Wird Xi auch andere Kader aus seinen Netzwerken im Machtzentrum halten? Und wird auf diese Weise nicht eine ganze Generation von nachfolgenden Spitzenkadern ihrer Karriere beraubt? Zum Auftakt unserer Parteikongress-Berichterstattung widmet sich Christiane Kühl der Frage, wer Chancen hat, der neuen Führung anzugehören. Und wer nicht.
Weltweit sind Konfuzius-Institute wegen zu großer Nähe zur chinesischen Staatsführung in Verruf geraten. Geradezu naheliegend war da, dass Taiwan die Chance wittert, um international für sich zu werben. Mandarin-Sprachzentren “taiwanischer Prägung” mit ein bisschen Kulturvermittlung – das verspricht das taiwanische Büro für Auslandsangelegenheiten.
Das Angebot dürften die meisten westlichen Ländern dankbar annehmen. Sicher sind auch Taiwans Motive dahinter nicht selbstlos. Austausch und Wissensvermittlung von Asiens Musterdemokratie wird auch hierzulande niemandem schaden.
Viel Spaß beim Lesen!
Wie alle fünf Jahre im Frühsommer beginnt das große Rätseln: Wer bekommt welchen Posten auf dem kommenden Parteitag von Chinas Kommunisten? Eigentlich müsste die alte Garde um Parteichef Xi Jinping auf dem 20. Parteitag im Oktober abtreten – jeder, der 68 Jahre oder älter ist. Xi selbst ist gerade 69 geworden. Doch seit Xi die Amtszeitbegrenzung für das Präsidentenamt aufheben ließ, steht praktisch außer Zweifel, dass Chinas starker Mann mindestens eine dritte Amtszeit bekommen wird. Werden also auch andere Ü68-Kader auf ihren Sesseln bleiben?
“Die personellen Veränderungen beim anstehenden Kongress sind gleichzeitig erwartbarer und weniger vorhersehbar als bei den meisten Kongressen zuvor”, glaubt Cheng Li, Direktor des John L. Thornton China Centers der Brookings Institution in Washington und einer der erfahrensten Beobachter der KP-Führungszirkel. Erwartbarer, weil Xis Protegés mehr Führungspositionen besetzen werden. Ungewisser, weil einige der in der Post-Deng-Ära etablierten Normen und Regeln nicht mehr gelten – das obligatorische Rentenalter und die Amtszeitbegrenzung für Spitzenämter.
Cheng Li glaubt trotzdem, dass die meisten Älteren in den Ruhestand gehen werden. Er geht davon aus, dass nach dem Parteitag die neue “Sechste Generation” der nach 1960 Geborenen etwa zwei Drittel des neuen Zentralkomitees mit seinen 376 Mitgliedern und die Mehrheit des 25-köpfigen Politbüros stellen werden. Vier oder fünf Jüngere werden demnach in den Ständigen Ausschuss des Politbüros mit derzeit sieben Mitgliedern aufsteigen, so Li. Nur Xi (Jahrgang 1953) und ein paar wenige Getreue dürften dort ausharren, glaubt Li.
In den unteren Rängen und Verwaltungsebenen sei dieser Generationswechsel bereits erfolgt, schreibt Li. “In Chinas 31 Provinzen und vier regierungsunmittelbaren Städten (Peking, Tianjin, Shanghai und Chongqing) sind alle Gouverneure oder Bürgermeister – bis auf einen – in den 1960er-Jahren geboren. 94 Prozent von ihnen wurden in den letzten Jahren ernannt.”
Das Problem: Normalerweise müsste diese Kohorte jetzt den Parteichef stellen. Doch das Spitzenamt ist ihnen durch Xis anhaltenden Machtanspruch versperrt: Bleibt Xi noch zehn Jahre im Amt, wäre diese Generation am Ende seiner Herrschaft bereits ebenfalls im Rentenalter, jedenfalls nach den Usancen der Vor-Xi-Ära. Es gibt bislang keine Anzeichen, dass im Herbst ein Kronprinz für eine etwaige Machtübergabe 2027 installiert wird.
Wie sehr das unter den Kadern für Frust sorgt, ist ungewiss – und hängt sicher auch davon ab, welche Ämter sich die sechste Generation jetzt sichern kann. Eine Chance ist das Amt des Ministerpräsidenten. Amtsinhaber Li Keqiang (Jahrgang 1955) hat im März betont, er leiste nun sein letztes Jahr im Amt. Auch gilt als sicher, dass Vizepräsident Wang Qishan im März 2023 in den Ruhestand gehen wird – er ist über 70. Für beide Ämter kursieren keine klaren Favoriten.
Wie die Neuen sich politisch positionieren, ist unklar. “Jede Generation von Führungskräften bringt unterschiedliche Erfahrungen in Bezug auf kollektives Gedächtnis, persönliche Sozialisation, politische Vernetzung, Karrierewege, Bildungs- und Berufsnachweise und administrativen Hintergrund mit sich”, meint Cheng Li. Die 6G-Kader waren zwischen neun und 18 Jahren alt, als Deng Xiaoping 1978 ökonomische Reformen anstieß – und zwischen 20 und 29, als Hoffnungen auf politische Reformen beim Tian’anmen-Massaker buchstäblich zerschossen wurden. Viele ihrer Vorgänger – auch Xi selbst – waren noch als Jugendliche in der Kulturrevolution zur Landarbeit aufs Dorf geschickt worden. Die Prägung könnte unterschiedlicher kaum sein.
Doch wer von den zwischen 53 und 62 Jahre alten 6G-Politikern schafft es nach ganz oben? Der Auswahlprozess ist noch undurchsichtiger als früher, als es die verschiedenen Fraktionen in der Partei gab – etwa die Jugendliga – von denen man wusste, dass aus ihnen bestimmte Vertreter aufrücken”, sagt Nis Grünberg, der im China-Institut Merics zur Partei-Elite forscht. Aus der Jugendliga-Fraktion stammten etwa Xis Vorgänger Hu Jintao, sowie der jetzige Ministerpräsident Li Keqiang. “Heute gibt es eigentlich nur noch eine einzige große Xi-Fraktion. Wer zu anderen Fraktionen gehört, hat weniger Aufstiegschancen”, sagt Grünberg.
Zu den jüngeren aufstrebenden Politikern in der Xi-Faktion gehöre etwa Chen Min’er, Parteichef von Chongqing und als solcher auch Mitglied im Politbüro. Er wird schon länger mit Führungsposten in Verbindung gebracht. Doch wohin die Reise für Chen geht, ist weiter unklar. “Auch ist die Xi-Fraktion nicht unbedingt homogen. Solange man dort loyal der Politik Xi Jinpings folgt, gehört man zur Familie”, sagt Grünberg.
Auch ist nicht ganz klar, wie sich die Kriterien für eine Beförderung verändert haben. “Das Kriterium, dass jemand Vizepräsident gewesen sein muss, um an die Spitze zu rücken, ist durch Xi zunächst außer Kraft gesetzt“, sagt Grünberg. Xi ernannte mit Wang Qishan einen Vize, der eigentlich schon damals an der Altersgrenze gekratzt hatte. Andere Bedingungen bleiben dagegen ähnlich. “Hat jemand Provinzerfahrung, Erfahrung in der Zentralregierung, etwa in Ministerien, oder – noch besser – zentralen Parteifunktionen?”, sagt Grünberg. “Wichtig war bislang auch, bereits mindestens eine Legislaturperiode im Politbüro gewesen zu sein.”
Zu den immer wieder genannten Kandidaten für den Ständigen Ausschuss gehören neben Chen Min’er etwa Vizeministerpräsident Hu Chunhua (1963) oder Ding Xuexiang, Direktor des Allgemeinen Büros der KP China (1962). Bislang galt auch der Shanghaier Parteichef Li Qiang (1959) als Mitbewerber. Doch dann kam der chaotische Lockdown in seiner Stadt. Ob Li sich immer noch Hoffnungen machen kann, werde die Partei jetzt ausknobeln, sagt Grünberg. “Bis zu dem Treffen und den Beratungen von Beidaihe im August wird der Kuhhandel um die Posten weitergehen. Es ist zwar schon möglich, dass die Partei für die Fehler beim Lockdown den Shanghaier Bürgermeister oder den Direktor der Gesundheitsbehörde verantwortlich macht. Aber der Lockdown dürfte Li Qiang politisches Kapital gekostet haben, auch weil er so lange gedauert hat.”
Unterrepräsentiert werden in der Spitze auch weiterhin die Frauen sein. Im aktuellen Zentralkomitee sitzen gerade einmal zehn Frauen als Vollmitglieder. Sie machen 4,9 Prozent der Mitglieder aus. Mit Chen Yiqin in Guizhou gibt es nur eine einzige Provinz-Parteichefin. Chen (1959) ist die einzige ernstzunehmende Kandidatin für das Politbüro – um dort die derzeit einzige Frau, Vizeministerpräsidentin Sun Chunlan (Jahrgang 1950), zu ersetzen. Eine Frau im Ständigen Ausschuss wird es somit auch 100 Jahre nach Parteigründung nicht geben.
Noch ist die Volksrepublik China führend bei Angeboten zu “Chinesisch als Fremdsprache”. Durch anhaltende Zensur und Propagandavorwürfe sind die chinesischen Konfuzius-Institute in Europa und den USA allerdings unter Generalverdacht geraten. Erst letzte Woche äußerte die deutsche Bildungsministerin Bettina Stark-Watzinger Bedenken, Konfuzius-Institute würden von der Kommunistischen Partei Chinas politisch instrumentalisiert.
Taiwan sieht die wachsende Skepsis gegenüber China als Chance, seinen Einfluss im Westen auszubauen. Das regierungseigene Overseas Community Affairs Council (OCAC) verkündete im August 2021 innerhalb der nächsten vier Jahre, 100 sogenannte Taiwan Center for Mandarin Learning (TCML) gründen zu wollen. Insgesamt sollen dafür über 440 Millionen Taiwan-Dollar (mehr als 14 Millionen Euro) bereitgestellt werden.
Der maßgebliche Impuls für die neue Bildungsinitiative kam aus Washington. Die Trump-Administration hatte Schulen und Universitäten über eine Klausel im National Defense Authorization Act (NDAA) dazu gezwungen, sich zwischen Fördergeldern aus Mitteln des Verteidigungsministeriums oder einer Kooperation mit Konfuzius-Instituten zu entscheiden. Auch das Außenministerium nutzte sein Stipendien-Programm, um auf Chinesisch-Angebote außerhalb der Volksrepublik aufmerksam zu machen. Im Dezember 2020 unterzeichneten die USA und Taiwan dann eine Absichtserklärung, ihre bilaterale Kooperation im Bereich Sprachbildung weiter auszubauen.
Offiziell betont Taiwans Regierung, man wolle nicht in Konkurrenz zu den chinesischen Konfuzius-Instituten treten. OCAC-Minister Tung Chen-yuan wird allerdings nicht müde, die Unterschiede zwischen den chinesischen und taiwanischen Sprachzentren herauszustellen. “Unser demokratisches System garantiert Redefreiheit”, so Tung. Ein unverhohlener Seitenhieb auf die Zensurvorwürfe gegen die Konfuzius-Institute.
Anders als Konfuzius-Institute sind die taiwanisches Sprachzentren nicht an Universitäten angesiedelt. Taiwan setzt bei seiner Initiative ganz auf die Unterstützung der taiwanischen Gemeinschaften im Ausland und ihrer privaten Chinesisch-Schulen. Das erste Taiwan Center for Mandarin Learning in Deutschland wurde im September 2021 vom Chinesischen Verein Hamburg gegründet, der bereits seit 1961 eine Chinesisch-Schule in der Hansestadt betreibt. Weltweit wurden bisher insgesamt 45 TCML eröffnet, 35 davon in den USA. In Deutschland, Frankreich und Großbritannien gibt es jeweils zwei.
Das zweite Sprachzentrum in Deutschland wurde Anfang des Jahres in Heidelberg eröffnet. Dessen Geschäfte ruhen seit im Mai #MeToo-Vorwürfe gegen den stellvertretenden Leiter Thomas W. laut geworden waren. In Taiwan schwelt deshalb eine Debatte über die Frage, inwieweit staatliche Stellen ihrer Aufsichtspflicht bei der Vergabe von Fördergeldern für das Sprachzentrum nachgekommen sind und wie Opfern im Ausland besser geholfen werden kann. Der taiwanische Repräsentant in Deutschland Shieh Jhy-wey erklärte dazu, dass bisher keine öffentlichen Gelder nach Heidelberg geflossen seien. Außerdem habe W. seinen Posten bereits kurz nach Bekanntwerden der Vorwürfe geräumt.
Taiwans Regierung will, mit vergleichsweise begrenzten Mitteln, schnell viel bewegen. Die Initiative wird nicht zentral gelenkt, sondern bietet nur Fördermittel und Unterstützung für lokale Akteure an, die ein solches Zentrum an ihrer bestehenden Chinesisch-Schule einrichten wollen. Die Behörden haben so kaum Einfluss auf die Auswahl der Lehrkräfte und die Qualität der Lehre. Unter den im Projektantrag des Sprachzentrums Heidelberg aufgeführten Lehrkräfte hatte nur eine Person eine offizielle Qualifikation als Lehrer für “Chinesisch als Fremdsprache”.
Im Gespräch mit China.Table bestätigt die Vorsitzende der taiwanischen “Association of Teaching Chinese as a Second Language”, Peng Ni-se, dass es kaum möglich ist, die Qualifikation aller Lehrkräfte im Ausland zu überprüfen. “Einige sind sehr erfahrene Lehrerinnen und Lehrer, bei anderen wissen wir nicht, wie sie zum Unterrichten gekommen sind. Das ist sehr gemischt,” so Peng. Das OCAC sei sich dessen aber bewusst und habe letztes Jahr das Lehrwerk “Let’s Learn Mandarin” veröffentlicht und Lehrvideos dazu produziert, die die Lehrerkräfte vor Ort didaktisch unterstützen sollen.
Taiwans internationale Situation schafft immer wieder neue Hindernisse für die Entsendung von Sprachlehrerinnen und -lehrern, so Peng. So müssten Dozentinnen und Dozenten oft alle zwei Jahre ausgetauscht werden, weil ihre Aufenthaltserlaubnis nicht verlängert würde. “Wir haben das lange diskutiert und sind zu dem Schluss gekommen, dass es die beste Lösung ist, vor Ort Chinesisch-Lehrer auszubilden. So müssen wir nicht alle zwei Jahre jemand neues entsenden.” Das sei eine Frage der personellen Kontinuität in der Lehre, so Peng.
Taiwans passive Strategie sorgt derweil selbst in der Regierungspartei für Verwirrung. Im Oktober 2021 forderte der DPP-Abgeordnete Chiu Chih-wei OCAC-Minister Tung im Parlament dazu auf, verstärkt in osteuropäischen Ländern aktiv zu werden, die Taiwan freundlich gesinnt seien. “Sie müssen gezielt und geplant Sprachzentren in diesen Schlüsselländern einrichten, um die bilateralen Beziehung durch Chinesisch-Unterricht zu vertiefen und nicht passiv darauf warten, dass diese Länder einen Antrag stellen,” so Chiu. Minister Tung erwiderte, die Regierung könne nur Schulen vor Ort “ermutigen”, aber nicht selbst festlegen, in welchen Ländern TCMLs gegründet werden.
Das japanische Nachrichtenmagazin Nikkei Asia hatte vor Kurzem berichtet, dass in Berlin bereits das dritte Sprachzentrum in Deutschland in Planung sei. Auf Nachfrage erklärte Repräsentant Shieh gegenüber China.Table jedoch, dass in diesem Jahr nicht mit einer Eröffnung zu rechnen sei. Einen Antrag für eine Eröffnung im kommenden Jahr schließe er aber nicht aus. “Es gibt in Berlin zwar bereits erfahrene und engagierte Chinesisch-Schulen, allerdings nutzen diese für den Unterricht die Räumlichkeiten örtlicher Schulen und können daher nur am Wochenende unterrichten.”
Vor elf Jahren hatte die Regierung Ma Ying-Jeou bereits eine ähnliche Initiative gegründet. Unter der Leitung des Kulturministeriums sollte damals die sogenannte “Taiwan Academy” eine “chinesische Kultur taiwanischer Prägung” verbreiten. Außer drei Instituten in den USA wurden allerdings keine weiteren Ableger gegründet und das Programm nicht weiter vorangetrieben. Auf die Frage, ob die TCMLs das gleiche Schicksal wie die Taiwan Academy ereilen könnte, zeigt sich Peng vorsichtig optimistisch: “Es gibt diesmal einen klaren Plan, der Lehrwerke und Fortbildungen für die Lehrer mit einbezieht. Das letzte Mal gab es keine Lehrwerke und auch die Lehrerausbildung war nicht so eindeutig geregelt wie heute.” David Demes
In einer Rede vor Beginn des Brics-Wirtschaftsgipfels hat Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping vor einer Ausweitung internationaler Militärbündnisse gewarnt. Die Ukraine-Krise sei ein “Weckruf”, sagte er laut chinesischen Staatsmedien, richtete seine Kritik aber nicht gegen Russlands Angriffskrieg, sondern gegen die USA und ihren Verbündeten. Er warnte davor, “militärische Allianzen auszuweiten” und “die eigene Sicherheit auf Kosten der Sicherheit anderer Staaten” anzustreben.
China hat es wiederholt abgelehnt, den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine zu verurteilen, sondern gibt der Nato die Schuld für die Eskalation. Vor einer Woche sicherte Xi in einem Telefonat mit dem russischen Staatschef Wladimir Putin Unterstützung in Fragen der “Souveränität und Sicherheit” zu. Xi kritisierte in seiner Rede erneut auch die von den USA und der EU verhängten Sanktionen gegen Russland. Sanktionen seien “ein Bumerang”.
Der sogenannten Brics-Gruppe gehören China, Brasilien, Indien, Russland und Südafrika an. Sie repräsentieren mehr als 40 Prozent der Weltbevölkerung und fast ein Viertel des weltweiten Bruttoinlandsprodukts. Neben China hatten sich bei der Abstimmung über eine UN-Resolution, die den russischen Einmarsch in der Ukraine verurteilte, auch Indien und Südafrika enthalten. China und Indien beziehen seit Ausbruch des Krieges auch vermehrt Öl und Gas aus Russland.
Putin zufolge vollzieht Russland einen grundlegenden Wandel in seiner Handelspolitik. Die Geschäfte würden derzeit auf die anderen sogenannten Brics-Länder ausgerichtet, sagte Putin. Aktuell werde eine größere Präsenz chinesischer Autobauer auf dem russischen Markt ebenso erörtert wie die Eröffnung von Filialen indischer Supermarktketten. flee/rtr
Mit einer weiteren langen Haftstrafe gegen einen Aktivisten setzen chinesische Behörden ihren Feldzug gegen tibetische Intellektuelle fort. Mitte Juni sprach ein Gericht in Sichuan einen zweifachen Familienvater wegen angeblicher “separatistischer Aktivitäten” und der “Schaffung gesellschaftlicher Unordnung” schuldig. Er wurde zu knapp viereinhalb Jahren Haft verurteilt.
Der Mann namens Thupten Lodoe hatte sich für den Erhalt der tibetischen Sprache eingesetzt. Über soziale Medien verbreitete er seine Übersetzungen von englisch- oder chinesischsprachigen Texten ins Tibetische. Freunde des Verurteilten hatten gegenüber Radio Free Asia die Vermutung geäußert, dass Lodoe bei den Behörden als Gefahr für die sogenannte nationale Sicherheit galt, ein Euphemismus für politischen Dissens jeglicher Art. Er soll mit Exilanten außerhalb Tibets in Kontakt gestanden habe.
Lodoe war im Oktober vergangenen Jahres von Beamten der Provinzregierung verhaftet worden. Das ist unüblich und Ausdruck für die Dringlichkeit des behördlichen Handelns. Normalerweise übernehmen Beamte aus den zuständigen Bezirken solche Verhaftungen. Lodoe stammt aus Shiqu im Verwaltungsbezirk Ganzi in den tibetischen Siedlungsgebieten in Sichuan.
Laut Lodoes persönlichem Umfeld hatten die Behörden ihm einen Posten in der Verwaltung mit einem monatlichen Salär in Höhe von 10.000 Yuan angeboten, etwa 1.400 Euro. Lodoe soll jedoch abgelehnt haben, um sich weiter dem Erhalt der tibetischen Sprache zu widmen.
Wo genau der Tibeter inhaftiert ist, wissen Freunde und Angehörige ebenso wie in vergleichbaren Fällen nicht. Oft halten die chinesischen Behörden die Aufenthaltsorte jahrelang geheim. Die Vereinten Nationen hatten Anfang des Jahres auf drei Fälle aufmerksam gemacht (China.Table berichete) und die Volksrepublik um konkrete Informationen zu Gefängnissen und Haftbedingungen gebeten. Im Falle der Lehrerin Rinchen Kyi folgte wenige Woche danach deren Freilassung (China.Table berichtete). grz
Das bankrotte Sri Lanka bittet China, Indien und Japan um finanzielle Unterstützung. Der südasiatische Staat will die drei Länder demnächst zu einer Geberkonferenz bitten. Sri Lanka befindet sich derzeit in seiner schlimmsten Wirtschaftskrise der vergangenen 70 Jahre. Die Devisenreserven des Landes sind aufgebraucht. Dringende Importe wie Nahrungsmittel, Medizin und Treibstoffe können nicht mehr bezahlt werden. Hinzu kommt eine steigende Inflation. Infolge des Mangels kam es zu Unruhen in der Bevölkerung, wie Reuters berichtet. Das Land strebt jetzt ein Rettungsprogramm des Internationalen Währungsfonds und Hilfe befreundeter Staaten an. “Wir werden auch die USA um Hilfe bitten”, sagte Premierminister Ranil Wickremesinghe.
Indien und China haben in der Vergangenheit um Einfluss auf Sri Lanka gerungen. Indien habe bisher Hilfe im Wert von vier Milliarden US-Dollar bereitgestellt. China prüft Sri Lankas Ansinnen, die Bedingungen eines sogenannten Währungsswaps in Höhe von umgerechnet 1,5 Milliarden US-Dollar neu zu verhandeln. Bei Währungsswaps tauschen die Länder zwei verschiedene Währungen. Sri Lanka hat in diesem Fall Yuan erhalten, um auf Yuan laufende Importe bezahlen zu können. nib
Die Stadt Brüssel hat nach Beschwerden von Kunden Anzeigen auf mehreren Straßenbahnen zum 25. Jahrestag der Übergabe Hongkongs zurückgezogen. Die zwei Straßenbahnen mit dem Slogan “A New Era – Stability. Prosperity. Opportunity” hätten eigentlich bis zum 29. August in der Hauptstadt Belgiens fahren sollen, wie die South China Morning Post berichtet. Nach Hinweisen von Fahrgästen seien die Anzeigen nun jedoch zurückgezogen worden, sagte eine Sprecherin der Brüsseler Verkehrsbetriebe STIB. Beschwerden über die Kampagne habe es auch in den sozialen Medien gegeben, so die Sprecherin.
“STIB hat eine Satzung, die unter anderem vorschreibt, dass keine Werbung mit politischen Konnotationen verbreitet werden darf”, erklärte die Sprecherin dem Bericht zufolge. Die Vertretung Hongkongs in Brüssel zeigte sich ob der Entscheidung enttäuscht. Der Aufdruck wurde demnach vor Beginn der Kampagne von STIB abgesegnet. Straßenbahnen mit der Anzeige zur Übergabe Hongkongs fahren auch auf den Straßen von Istanbul, Lissabon und Mailand.
Auch in der italienischen Stadt regt sich dem Bericht zufolge Widerstand: Politiker in Mailand reichten laut lokaler Medienberichte beim Bürgermeister Beschwerde ein. Die Botschaft auf den Trams seien “ein Symbol der chinesischen Unterdrückung”. Die Straßenbahnen wurden jedoch noch nicht aus dem Verkehr gezogen. ari
Die Video-App Douyin (im Westen bekannt auch als Tiktok) wird in China die Fußballweltmeisterschaft 2022 live übertragen. Der Mutterkonzern Bytedance wurde von der China Media Group, der unter anderem der staatliche Sender China Central Television (CCTV) gehört, als Partner ausgewählt, wie das Wirtschaftsportal Caixin berichtete. Demnach will die China Media Group ein interaktives Programm rund um die Weltmeisterschaft in Katar gemeinsam mit Douyin gestalten.
Neben Douyin dürfen auch die von Bytedance unterstützte Newsfeed-App Toutiao und die Video-Sharing-Plattform Xigua Clips der Fußballweltmeisterschaft 2022 verbreiten. ari
Bei der Frage nach der Motivation für ihr menschenrechtliches Engagement in China runzelt Yaqiu Wang, Senior China Researcher bei Human Rights Watch, leicht die Stirn: “Bereits meine Geburt war ein Menschenrechtsproblem.” Als Drittgeborene zur Zeit der Ein-Kind-Politik bekam sie rasch zu spüren, was es bedeutet, unter staatlicher Kontrolle und Repression leben zu müssen.
Sie erfuhr früh, dass ihre Mutter sich während ihrer Schwangerschaft bei Verwandten verstecken musste, um einer Zwangsabtreibung zu entkommen. Dies gelang glücklicherweise, führte aber dazu, dass Wang verarmt aufwuchs, denn wegen der ausgebliebenen Abtreibung wurde ihre Familie mit einer Geldstrafe bestraft.
Dazu kam, dass sie mit ihren Problemen und ihrer Scham weitgehend allein war. Denn in der Schule konnte sie über ihre Familiensituation nichts preisgeben, aus Angst vor Stigmatisierung und Ächtung. “Ich fühlte mich so stimmlos, ich fühlte mich unfrei. Aber aufgrund der Staatsindoktrination hatte ich nicht einmal die Sprache, um das auszudrücken.”
Dass dieser Zustand kein andauernder sein muss, wurde ihr in ihrer Collegezeit in China bewusst, in der sie die Tiefen des Internets entdeckte – für sie damals eine “historische Schatzkiste”, die Funde wie eine kritische Darstellung des Tian’anmen-Massakers parat hielt.
2012 kehrte Wang nach Abschluss ihres Masters aus den USA zurück in die Volksrepublik. Sie war zuversichtlich, den Weg Chinas hin zu einer rechtsstaatlichen Demokratie vor Ort unterstützen zu können. Doch direkt bei ihrer Ankunft wird sie inhaftiert: “Ich war wortwörtlich ein Niemand! Das sprach Bände über die umfangreiche Überwachung, denen alle Chinesen weltweit ausgesetzt sind.”
Dementsprechend war es ihr, in Anbetracht ihrer eigenen Sicherheit, unmöglich, in diesem China zu arbeiten. Ihre Ideale hingegen hat sie bis heute nicht aufgegeben, nur verfolgt sie diese seit 2017 von New York aus, wo das Hauptbüro von Human Rights Watch China liegt.
Momentan fokussiert sich Wang thematisch auf Zensur, den Schutz von Menschenrechtlerinnen und Menschenrechtlern und die Rechte von Frauen. Sie bearbeitet dabei in erster Linie aktuelle Angelegenheiten, teils geht es um akut gefährdete Personen.
Aber auch längerfristige Trends nimmt sie ins Visier: “Uns geht es darum, effektive Veränderungen zu bewirken, da müssen wir anpassungsfähig sein.” Denn auch wenn sich im Nachrichtenzyklus kein prominenter Platz dafür finden lässt, dass bei vielen Stellenausschreibungen Männer explizit bevorzugt werden, ist es unerlässlich, auch solche Ungerechtigkeiten aufzuarbeiten. Es sind schließlich nicht weniger als mehrere Hundert Millionen Frauen betroffen.
Zwar führt Wang ihre Recherchearbeit hauptsächlich online in New York durch, aber durch die vielen Außenposten von Human Rights Watch und ihre Kontakte ist sie global vernetzt. Klar, nach China sowieso.
Aber wenn es um Fälle wie die Berichte von Zwangsarbeit in den Fabriken deutscher Firmen in Xinjiang geht, kann sie das Berliner Büro beauftragen, ihr einen Termin bei der deutschen Regierung oder den betreffenden Firmen zu verschaffen. Ob sie diese Anfragen dann über ihre Vertrauten in den Medien an ein breiteres Publikum trägt, ist situationsabhängig, denn “größere Öffentlichkeit entspricht nicht zwangsweise größerer Wirksamkeit”.
Sie ist sich bewusst, dass ihre zumeist harsche Kritik an China von einigen aufgenommen und verzerrt werden kann, um rassistische Ressentiments zu schüren. Verschüchterung ist Wang jedoch ein Fremdwort: “Wenigstens habe ich eine Stimme hier, die Uiguren haben keine. Ich würde nie meine Zunge bezüglich China zügeln, aus Furcht, instrumentalisiert zu werden.” Julius Schwarzwälder
Stefan Mecha wird neuer CEO der Marke Volkswagen Pkw in China sowie Leiter des Konzernvertriebs der Volkswagen Group China.
Manchmal wird die Schönheit erst aus der Vogelperspektive sichtbar, wie dieses riesige Wasserreservoir im Südosten der chinesischen Provinz Guizhou eindrücklich beweist.