Table.Briefing: China

Stromsektor + Rekord bei Offshore-Windkraft

  • Reformbedürftiger Stromsektor hemmt Energiewende
  • Architekt Hans-Martin Renn über Nachhaltigkeit beim olympischen Schanzenbau
  • Rekord bei Offshore-Windkraft
  • Im Portrait: Christian Hochfeld von Agora Energiewende
Liebe Leserin, lieber Leser,

die Olympischen Winterspiele in Peking sind für China eine große Bühne, um sich der Welt als fortschrittliche Nation zu präsentieren. Die Verantwortlichen haben auch das Thema Nachhaltigkeit entdeckt. Sie werben mit grünen Spielen. Doch schon beim künstlichen Schnee wird klar: Dieses Sportfest wurde höchstens grün angestrichen. Der Strom für die Schneekanonen mag noch aus erneuerbaren Quellen stammen. Doch der immense Wasserverbrauch ist kaum auszugleichen. Auch beim Bau der olympischen Skisprungschanze stand die Nachhaltigkeit nicht im Vordergrund, wie Hans-Martin Renn im Interview erklärt. Der Architekt aus dem Allgäu hat mitgeholfen, die Olympia-Schanze im Austragungsort Zhangjiakou zu konzipieren.

Auch bei der Stromerzeugung und dem Stromverbrauch muss noch viel passieren, damit Peking seine Klimaziele erreicht. Ein guter Anfang wäre, den geplanten Bau einer ganzen Reihe neuer Kohlekraftwerke effektiv zu stoppen. Bisher reformiert die Regierung den Sektor nur zögerlich, wie Christiane Kühl analysiert. Strom wird hauptsächlich von schwerfälligen und lokal gut vernetzten Staatskolossen generiert. Und während die erneuerbaren Energien kräftig ausgebaut wurden, wurden fossile Kraftwerke von Netzbetreibern jahrelang bevorzugt. Das zeigt: Auch China steht bei der Energiewende vor der Herausforderung, unterschiedliche wirtschaftliche und politische Interessen unter einen Hut zu bringen.

Wir wünschen viele neue Erkenntnisse!

Ihr
Nico Beckert
Bild von Nico  Beckert

Analyse

Verkalkter Stromsektor als Hürde für den Klima-Umbau

Schlote und Solarparks, Kohlekraft und Windkraft: Auch in Chinas Stromsektor ringen Vergangenheit und Zukunft miteinander. Die Welt sorgt sich um eine riesige Pipeline geplanter Kohlekraftwerke im Land. Und zugleich errichtet China wie kein anderes Land Wind- und Solarenergieanlagen. 2021 machten Wind- und Solarparks mehr als die Hälfte der neu ans Netz gegangenen Stromkapazität aus – das fünfte Jahr in Folge. Vor allem die Fotovoltaik boomt: China installierte nach Angaben der Nationalen Energiebehörde fast 55 Gigawatt, 14 Prozent mehr als 2020. Die Windkraft fiel dagegen wegen des Auslaufens von Subventionen für Onshore-Windparks hinter Solar zurück. Neue Windkapazitäten sanken gegenüber 2020 um ein Drittel auf immerhin noch knapp 48 Gigawatt. Zum Vergleich: In der EU wurden 2021 knapp 26 Gigawatt Fotovoltaik-Kapazität in Betrieb genommen, ebenfalls ein Rekord.

Peking will bis 2030 eine Wind- und Solarkapazität von insgesamt 1.200 GW erreichen – knapp das Doppelte der Kapazität von Ende 2021 (635 GW). Der Anteil nicht-fossiler Brennstoffe am Gesamtenergieverbrauch Chinas soll von 20 Prozent im Jahr 2020 auf 25 Prozent bis 2030 steigen. Das bedeutet aber auch, dass 2030 drei Viertel der Energie noch aus fossilen Energieträgern stammen werden. Das wiederum heißt noch immer hauptsächlich: Kohle.

Der Stromsektor ist voll mit schwerfälligen Staatskonzernen

Das zu verändern, ist nicht so einfach. Kraftwerke sind gewaltige Kapitalinvestitionen; gerade neue Anlagen könnten theoretisch noch Jahrzehnte laufen. Der Kohlestromsektor besteht zudem vor allem aus schwerfälligen Staatskonzernen, die China seit Jahrzehnten mit Strom versorgen und gut mit lokalen Regierungen vernetzt sind.

Als China Ende der 1970er-Jahre die Öffnungspolitik begann, die ein beispielloses Wirtschaftswachstum auslöste, expandierte das Land den Stromsektor zunächst auf Basis des damals bestehenden ineffizienten Systems, das schnell überfordert war. Die 1990er-Jahre waren geprägt von häufigen regionalen Stromausfällen. In der Folge begann die Regierung, den Sektor umzubauen. Die Stromerzeugung wurde teilweise für private und ausländische Investoren geöffnet, staatliche Stromriesen wurden immer wieder umstrukturiert. Manche brachten Tochterfirmen oder Teile ihrer Aktien an die Börse, teilweise sogar in New York, wie etwa Huaneng Power International.

Übertragung und Verteilung des Stroms aber blieben bis heute unter staatlicher Kontrolle. Peking verband schrittweise die jahrzehntelang fragmentierten Stromnetze des Landes miteinander. Die größten Netzbetreiber sind heute die ehemalige Monopolgesellschaft State Grid Corporation und China Southern Power Grid.

Preise am Strommarkt oft an der erlaubten Höchstgrenze

Staatlich kontrolliert sind in der Volksrepublik traditionell auch die Strompreise. Dies trug mit zu der Stromkrise von 2021 bei. Denn die Stromerzeuger konnten die rasant steigenden Rohstoffpreise nicht an ihre Kunden weitergeben und drosselten die Erzeugung. Im Oktober reagierte die Regierung. Zwar gab sie die Preise nicht frei, doch sie lockerte die Kontrollen. Die Strompreise für die Industrie durften fortan um bis zu 20 Prozent auf beiden Seiten einer festgesetzten Benchmark schwanken. Zuvor durften sie um 10 Prozent steigen oder 15 Prozent fallen. Für die Landwirtschaft und den Wohnsektor blieben die Sätze gleich. Seither stiegen die Preise am Strommarkt in vielen Regionen bis an ihre regional erlaubte Höchstgrenze, etwa in Hebei, Shaanxi und Hainan.

Die Lockerung entlastet zwar die Stromerzeuger ein wenig, ist aber beileibe keine Revolution. Der Staat behält das Sagen – und will offenbar die energieintensive Industrie nicht durch realistisch hohe Strompreise belasten. Viele Kraftwerke werden auch jetzt noch Verluste schreiben, erwartet Yan Qin, Lead Carbon Analyst beim Datenanbieter Refinitiv. Die Erhöhung reiche nicht aus, um den Anstieg der Treibstoffkosten vollständig auszugleichen. “Produzenten, die sehr energieintensiv, aber kostenintensiv sind, könnten aus dem Markt gedrängt werden”, sagte Penny Chen, Senior Director of Asia-Pacific Corporates bei Fitch, der South China Morning Post. Das sei aber Teil der gewollten Strukturreform hin zu nachhaltigeren Unternehmen mit höherer Wertschöpfung.

Chinas Stromsektor und die Klimakrise

Eine Reform des Stromsektors ist entscheidend, um Chinas Klimaziele zu erreichen, sind sich die meisten Beobachter einig. Denn die Stromerzeuger verursachen nach Angaben des China Electricity Council rund 41 Prozent der chinesischen CO2-Emissionen. Schon 2028 könne der Sektor die CO2-Wende erreichen, empfahl das CEC vergangene Woche – und damit zwei Jahre vor dem bisher angestrebten Emissions-Höhepunkt 2030. Für 2022 erwartet das CEC aber erst einmal ein Wachstum des Stromverbrauchs um fünf bis sechs Prozent. Die Internationale Energie-Agentur IEA erwartet für die Jahre 2022 bis 2024 dann eine Verlangsamung des Wachstums im Stromverbrauch auf 4,5 Prozent – durch mehr Energieeffizienz und langsameres Wirtschaftswachstum.

Unklar ist, wie das Wachstum des Stromverbrauchs künftig kontrolliert werden soll. 2021 drohten viele Provinzen die von Peking erlassenen Stromverbrauchsziele zu verfehlen – und rationierten daraufhin den Strom. Das war der zweite Grund für die Stromkrise. Künftig will Peking seine klimarelevanten Vorgaben für die Provinzen oder Industrien nicht mehr auf den absoluten Energieverbrauch abzielen, sondern vielmehr die CO2-Emissionen deckeln (China.Table berichtete). Doch Details dazu fehlen bislang.

Firmenkraftwerke sind besonders schmutzig

Eine Schwierigkeit in China für die Transformation ist die hohe Anzahl firmeneigener Kraftwerke. Diese stehen auf dem jeweiligen Fabrikgelände und beliefern vornehmlich diesen Standort. Laut Global Energy Monitor (GEM) waren im Januar 2021 in China 132 Gigawatt (GW) solcher Kohlekapazität in Betrieb, 13 Prozent der gesamten Kohlekraft. 85 Prozent dieser Kapazitäten beliefern laut GEW nur drei Schwerindustriesektoren: Aluminium, Eisen und Stahl sowie Bergbau und Metalle.

Das Problem: Diese Kraftwerke sind besonders schmutzig und entziehen sich teilweise den Richtlinien. Schon während des Smog-Winters von 2013 brandmarkte die Regierung nach einer Studie des Klima-Informationsdienstes Carbon Brief diese Kraftwerke für ihre stinkenden Schlote und verbot den Neubau in sogenannten Umweltkontrollgebieten wie die Beijing-Tianjin-Hebei-Region. Bestehende Standorte wurden angewiesen, von Kohle auf Gas umzustellen. 2015 beschloss Peking, die umweltschädlichsten Eigenkraftwerke schrittweise zu schließen. Viele dieser Kraftwerke seien einfach gebaut worden, bevor sie eine Genehmigung bekamen – mit geringerer Effizienz und höheren Schadstoffemissionen als öffentliche Kraftwerke. Auch das Management entspreche nicht dem Standard öffentlicher Kraftwerke und solle angeglichen werden.

Doch die Regeln wurden nie wirklich durchgesetzt, und der Bau der Firmenkraftwerke ging ungebremst weiter. Allein in Shandong wurden zwischen 2013 und 2017 laut Carbon Brief 110 solcher Kraftwerke illegal gebaut. Neun von zehn der beanstandeten Anlagen bauten allein zwei Aluminium-Großkonzerne, die Weiqiao Pioneering Group und die Xinfa Group. 2020 schloss Shandong immerhin 28 dieser Standorte. Doch das Problem bleibt. Das Central Ecological and Environment Inspection Team (CEEIT) machte im Oktober 2021 die Fabrikkraftwerke dafür verantwortlich, dass China seine eigenen Kohleverbrauchsziele nicht erreiche.

Emissionshandel soll Kraftwerke an die Leine legen

Heute versucht China, solche Kraftwerke mithilfe des neuen Emissionshandelssystems (ETS) einzuhegen. Mehr als ein Drittel der vom ETS erfassten Standorte gehören zu den problematischen Fabrik-Kraftwerken. Allein 105 davon stehen in Shandong.

Da es so schwierig war, diese Kraftwerke mithilfe administrativer Maßnahmen zu schließen, scheine die “CO2-Bepreisung ein effizienter Ansatz zur Lösung des Problems zu sein”, zitierte Carbon Brief Chen Zhibin von der Beratungsfirma Sino-Carbon. Li Lina von Adelphi sagte dem Informationsdienst, dass sich sogar der öffentliche Energiesektor aus Gründen des “Fair Play” dafür eingesetzt habe, die Fabrikkraftwerke in den CO2-Markt aufzunehmen. Was es bringt, wird man sehen.

Ausblick: Tauziehen zwischen Peking und den Regionen

Auch sonst gibt es viele Baustellen. So ist die Nutzungsrate der erneuerbaren Energien trotz einiger Verbesserung bei Laufzeiten und Übertragungsrate noch immer zu niedrig. Die gesamte Wind- und Solarenergieleistung betrug im Jahr 2020 nur 9,5 Prozent der gesamten Stromerzeugung, obwohl ihre kombinierte installierte Kapazität 18,8 Prozent der Gesamtleistung ausmachte. Kohle- und Erdgaskraftwerke machten zwei Drittel der Gesamtleistung aus. Sie bekommen vielerorts in den Netzleitungen Vorrang vor dem Ökostrom. Um das zu ändern, muss der Filz in den Provinzen aufgebrochen werden, der die langjährigen Kohlekraftbetreiber bevorteilt. Außerdem investiert China in die Entwicklung von Speicherkapazitäten für Ökostrom, was ebenfalls helfen könnte.

Die größte Gefahr für Chinas Klimaziele ist indes die gewaltige Pipeline an neuen Kohlekraftwerken, die viele Provinzen genehmigt haben. Von hunderten Gigawatt ist in verschiedenen Berichten die Rede. Und noch ist völlig unklar, ob diese Kraftwerke wirklich gebaut werden – oder ob die Regierung am Ende doch einen Riegel vorschiebt. Vielfach ist von einem Tauziehen zwischen Peking und den Regionen die Rede. Es ist zu hoffen, dass Peking sich durchsetzt.

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    “Ich war nur ein Rad im Getriebe”

    Hans-Martin Renn war am Bau der Olympia-Schanze in China beteiligt.
    Hans-Martin Renn

    Herr Renn, ist der Bau einer Skisprungschanze in der chinesischen Provinz eines der letzten großen Abenteuer unserer Zeit?

    Ein bisschen trifft das zu. Aber wie das so ist mit vielen Abenteuern, sind sie zu Beginn fürchterlich aufregend, und nach einer Weile normalisiert sich alles. Am Ende ist es eine Aufgabe, die man bewältigen muss. Zumal nicht so viele Emotionen drinstecken wie bei unserem Bau der Schanze in Oberstdorf vor einigen Jahren. Da habe ich natürlich einen ganz anderen Bezug. Und seit Pandemie-Beginn war ich sowieso nicht mehr in China vor Ort.

    Was war das Knifflige am Schanzenbau zu Zhangjiakou?

    In meiner Verantwortung lag die Ermittlung des Schanzenprofils und wie die Schanze in die Landschaft eingefügt wird. Da besitzt mein Büro in der 3D-Planung eine sehr gute Expertise. Des Weiteren beinhaltete die Beauftragung die Planung aller skisprungrelevanten Belange wie Infrastruktur, Konstruktion und Einhaltung der Normen. Die Topografie auf 1700 Metern Höhe war eine Herausforderung, weil der Auslauf der Schanze in einer Mulde zwischen zwei Hügeln liegt. Was mich aber viel mehr beschäftigte, war die Frage, was mit diesem Dorf geschehen sollte, das in dieser Mulde lag.

    Die Optionen blieben vermutlich überschaubar.

    Man sagte, dass das wegkommt. Und tatsächlich stand ein Jahr später kein Haus mehr. Die Leute sollen irgendwo anders eine Wohnung bekommen haben und dazu noch zwei Jahresgehälter. Das kann aber nicht so viel gewesen sein. Darauf ließ der Lebensstandard der Leute schließen.

    Sie waren an der Planung der Anlage seitens der FIS als Kommissionsdirektor und Architekt beteiligt. Wer saß ihrem Expertengremium von chinesischer Seite gegenüber?

    Das waren Vertreter des Organisationskomitees BOCOG und Funktionäre der Kommunistischen Partei, sowohl von Provinzebene als auch von Bezirksebene. Außerdem der spätere Betreiber der Anlage.

    Wie ist es, mit Leuten über Skisprungschanzen zu konferieren, die überhaupt keine Ahnung haben, auf was es dabei ankommt?

    Der Ansatz war hochprofessionell wie bei der Vergabe der Architekturplanung, bei der ich Teil des Preisgerichts war. Jeder Teilnehmer bekam Simultanübersetzung in seine Landessprache aufs Ohr und einen persönlichen Protokollanten an die Seite. Neu für mich war allerdings, dass wir am Eingang alle unsere Handys abgeben mussten.

    Wieso?

    Es sollte wohl sichergestellt werden, dass die Kommunikation ausschließlich über die staatlichen Organe vonstatten geht. Wenn man das Große und Ganze sieht, kann man das vielleicht noch nachvollziehen. Die Winterspiele sind für China eine riesige Werbetrommel. Da wird anscheinend nichts dem Zufall überlassen.

    War die Veranstaltung “Top Secret” klassifiziert?

    Offenbar war alles, was in dem Saal stattfand, eine Art geistiges Staatseigentum und genoss höchste Prioritätsstufe. Dazu gehörte auch, dass alle Entwürfe der Anlagen, die aus aller Welt eingebracht wurden, in chinesisches Eigentum übergegangen sind. Jeder hat seine Rechte komplett abtreten müssen. Also auch alle Architekten der abgelehnten Entwürfe. Das ist so eigentlich nicht üblich. Aber das waren die von Beginn an kommunizierten Spielregeln.

    Vielleicht entsteht später anderswo in China eine weitere Skisprungschanze auf Basis dieser beschlagnahmten Entwürfe.

    Das kann sein, aber Beschlagnahmung sehe ich als das falsche Wort. Alle Beteiligten waren darüber im Vorfeld informiert und wussten, worauf sie sich einlassen würden.

    Fast schon Glück für Sie, dass Sie keinen eigenen Entwurf eingereicht haben.

    Solch ein Projekt wäre auch für unser Büro eine Nummer zu groß gewesen. Es mag reizvoll sein, an solch einem Wettbewerb teilzunehmen. Wenn man aber erlebt, welchen Aufwand alleine die Wettbewerbsteilnehmer für deren Präsentationen betrieben haben, war es eher beruhigend, sich nicht beteiligt zu haben.

    Ist denn im Laufe der Zeit tatsächlich nie etwas an die Außenwelt gedrungen?

    Ist mir nicht bekannt. Dabei wurden alle Entwürfe mit den Meinungen aller Experten transparent diskutiert. Weshalb dann aber welche Entscheidungen getroffen wurden, war für mich nicht mehr nachzuvollziehen.

    Haben sie ein Beispiel?

    Naja, ich war der Einzige in einem Gremium von rund 25 Fachleuten, der einen Entwurf der gesamten Anlage mit einer Art Rundgang favorisiert hatte. Mir gefiel diese städtebauliche Idee, die Skisprungschanze, die Biathlon-Anlage und die Langlauf-Loipe durch eine Art Chinesischer Mauer einzukreisen und mit verschiedenen Eingangsbereichen zu versehen.

    Und?

    Genau dieser Entwurf wurde ausgewählt, obwohl andere Entwürfe größere Unterstützung erhielten.

    Vielleicht weil man deutsche Städte in China gerne mag und Sie als Deutscher diese Beziehung repräsentiert haben.

    Das mag sein. Ich habe jedenfalls den hohen Respekt der Chinesen für “Made in Germany” wahrgenommen. Aber übrigens genauso ihre Enttäuschung über den Diesel-Skandal, der damals ans Licht gekommen war. ‘Wir hätten nie gedacht, dass die Deutschen betrügen würden’, hat man mir häufiger und unaufgefordert gesagt. Ich glaube nicht, dass alle betroffenen Manager bis heute wissen, was sie für einen Imageschaden angerichtet haben.

    China steht in der Kritik, unter anderem für die Behandlung der Uiguren in Xinjiang. Gab es Momente, in denen Sie ein mulmiges Gefühl bekamen, dass Sie der chinesischer Regierung helfen, eines der Olympia-Momumente zu errichten?

    Die Frage hat sich mir natürlich gestellt. Aber ich war letztlich auch nur ein Rad im Getriebe. Hätte ich es nicht gemacht, wäre es jemand anderes gewesen. Ich bin nicht für die Rahmenbedingungen verantwortlich. Es geht ja auch nicht darum, sich daran zu bereichern, sondern dass dort der Sport vernünftig abgewickelt werden kann. Die Gedanken, die ich mir gemacht habe, als ich zum ersten Mal chinesischen Boden betreten habe, waren eher anderer Natur. Da sind mir all die Kameras und die tausenden Polizisten aufgefallen. Da habe ich schon darüber nachgedacht, was passiert, wenn man aus dem Land nicht mehr rauskommt.

    Das IOC bejubelt die Nachhaltigkeit der Olympischen Spiele. Wie steht es um die Nachhaltigkeit der Schanzenanlage?

    Zumindest standen auf dem Weg von Peking nach Zhangjiakou überall Windräder, darüber war ich überrascht. Was den Bau der Anlage angeht, sind mir besonders nachhaltige Elemente nicht bekannt. Möglich, dass die Skisprungarena auch für andere Sportarten genutzt werden soll. Im Auslaufbereich ist ein Fußballfeld entstanden. Ich denke, dass man die Nachhaltigkeit nicht daran messen sollte, ob künftig Skispringen stattfindet, sondern ob die vielen touristischen Investitionen rund um die Sportstätten angenommen werden. Die Schanze ist eine richtige Sehenswürdigkeit geworden. Von der Restaurant-Plattform können die Leute dann bestaunen, was in ihrem Land jetzt für Sportarten möglich sind.

    Mussten Sie mit den Kadern die erfolgreiche Sondierung der Entwürfe in chinesischer Tradition auch kräftig begießen?

    Oh ja. Irgendwann wurde nicht mehr aus Gläsern getrunken, sondern direkt aus den Karaffen. Ich saß gleich neben dem späteren Betreiber, ein massiver Typ mit mongolischen Wurzeln. Zum Glück war ich auf so ein Gelage geistig vorbereitet. Ich habe zwischen dem Zuprosten alles an Wasser und Suppe in mich hineingeschüttet, was zur Verfügung stand. Am nächsten Tag war ich sein gefeierter Held. Andere aus der Delegation hatte es dagegen schwer erwischt.

    Welcome to China.

    Ist eben die dortige Kultur. Beim Oktoberfest trinken die Geschäftspartner auch krügeweise Bier und tanzen später auf den Tischen.

    Der Architekt Hans-Martin Renn, 55, aus Fischen im Allgäu, ist Vorsitzender der Schanzenbau-Kommission des Internationalen Skiverbandes (FIS). Als die Ausrichter der Olympischen Winterspiele in Peking (4. bis 20. Februar) den Verband um Hilfe baten, eine geeignete Anlage für die Nordischen Ski-Wettbewerbe Skispringen und Langlauf sowie den Biathlon zu konzipieren, reiste Renn 2017 erstmals in die Volksrepublik China. Auch mit seinem Architektenbüro unterstützte er den Bau der Anlage im chinesischen Zhangjiakou.

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      China führend bei Offshore-Windkraft

      China ist eigenen Angaben zufolge zum weltweit größten Produzenten von Offshore-Windkraft aufgestiegen. Wie das Staatsfernsehen CCTV berichtet, habe die Volksrepublik im vergangenen Jahr 16,9 Gigawatt an neuen Windfarmen gebaut. Die Daten der Nationalen Energie Behörde (NEA) zeigten, dass sich die installierte Offshore-Windkraft damit auf insgesamt 26,4 Gigawatt gesteigert habe – so viel wie kein anderes Land der Welt. Bisheriger Spitzenreiter war das Vereinigte Königreich. Die britische Kapazität betrug im dritten Quartal 2021 rund 11 Gigawatt. Damit ist Chinas aktuelle Kapazität 2,5 Mal größer. rad

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        Christian Hochfeld – Verkehrswende als Lebensaufgabe

        Christian Hochfeld, Direktor des Thinktanks Agora Verkehrswende

        Der Elefant im Raum muss erst einmal weg: Christian Hochfeld ist seit 2016 Direktor der Agora Verkehrswende und hat ein Auto. Obwohl es sich seine NGO zum Auftrag gemacht hat, den Verkehrssektor bis zum Jahr 2045 vollständig zu dekarbonisieren. Ein Ziel, das sich auch die deutsche Bundesregierung gesetzt hat – die jedoch ein mahnendes, schlechtes Gewissen braucht, um es nicht zu vergessen.

        Oder um die Verantwortung nicht von sich zu schieben. “Eine Frage wird immer gestellt und ich kann sie nicht mehr hören: ‘Was tust du persönlich für die Verkehrswende?’ Schön und gut, wenn immer mehr Menschen persönlich etwas für den Klimaschutz tun, aber die Verantwortung liegt bei der Politik. Sie muss den Rahmen setzen, in dem sich Menschen bewegen.” Und an diesen Rahmen versuchen Hochfeld und die Agora Verkehrswende die Politik immer wieder zu erinnern.

        Jonglieren lernen im Grundstudium

        Für Hochfeld ist das eine Lebensaufgabe. Der Berliner wurde in den 1980er-Jahren politisch geprägt. In Tschernobyl explodierte ein Reaktor, in Deutschland starb der Wald und die Grünen gründeten sich. Derart emotional bewaffnet, begann er 1988 sein Studium im Fach Technischer Umweltschutz.

        Das lief nicht so wie geplant. Sein erstes Semester fiel in die Zeit von Studentenprotesten, weswegen er zunächst nur Jonglieren lernte, wie er selbst sagt. Als der reguläre Unterricht wieder einsetzte, erkannte er die wahre Natur des von ihm gewählten Studienfachs. Technischer Umweltschutz entpuppte sich im Kern als Ingenieursstudium. Strömungslehre pauken zu müssen, schockte nicht nur ihn, sondern auch einige Mitstudenten. Hochfeld tourte erst einmal durch Südamerika, zog das Studium anschließend aber doch noch durch.

        Mittlerweile schreiben wir das Jahr 1996. Hochfeld findet einen Platz im Öko-Institut, einem Verein in Freiburg. Die Forschungseinrichtung unterstützt Umweltaktivisten vor Gericht. Sie erstellt Studien, mit denen damals gegen die Errichtung von Müllverbrennungsanlagen und Atommeilern vorgegangen wird. Hier wird Hochfeld klar, dass Umweltschutz nur dann Zählbares erreicht, wenn er Wissenschaft und Politik zusammenbringt.

        Lehrgeld aus China

        Doch Klimapolitik funktioniert eben nur international. “Mir war klar, dass sich die Verkehrswende nicht in Bielefeld entscheidet, sondern in Beijing. Deswegen bin ich nach China gegangen”, begründet Hochfeld seinen Wechsel zur Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) im Jahr 2010. Er leitete das Projekt für nachhaltigen Verkehr in der Volksrepublik. “Es war eine etwas naive Haltung. Ich bin mit dem festen Vorhaben hin, in China etwas bewegen zu können, bis mir klar wurde, was wir in Deutschland noch zu lernen haben.”

        Die Dynamik der chinesischen Politik und Wirtschaft beeindruckte ihn jedoch. Nicht Elon Musk habe die Elektromobilität zu einem globalen Phänomen gemacht, sondern das chinesische Verkehrsministerium.

        In Deutschland geht es langsamer – das müssen die Akteure akzeptieren. Die Politiker und Topmanager der Industrie müssen überzeugt werden. Daran glaubt Hochfeld fest, das hat er sich zu Lebensaufgabe gemacht, daran arbeitet Agora Verkehrswende tagtäglich. Christian Domke Seidel

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          China.Table Redaktion

          CHINA.TABLE REDAKTION

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            • Architekt Hans-Martin Renn über Nachhaltigkeit beim olympischen Schanzenbau
            • Rekord bei Offshore-Windkraft
            • Im Portrait: Christian Hochfeld von Agora Energiewende
            Liebe Leserin, lieber Leser,

            die Olympischen Winterspiele in Peking sind für China eine große Bühne, um sich der Welt als fortschrittliche Nation zu präsentieren. Die Verantwortlichen haben auch das Thema Nachhaltigkeit entdeckt. Sie werben mit grünen Spielen. Doch schon beim künstlichen Schnee wird klar: Dieses Sportfest wurde höchstens grün angestrichen. Der Strom für die Schneekanonen mag noch aus erneuerbaren Quellen stammen. Doch der immense Wasserverbrauch ist kaum auszugleichen. Auch beim Bau der olympischen Skisprungschanze stand die Nachhaltigkeit nicht im Vordergrund, wie Hans-Martin Renn im Interview erklärt. Der Architekt aus dem Allgäu hat mitgeholfen, die Olympia-Schanze im Austragungsort Zhangjiakou zu konzipieren.

            Auch bei der Stromerzeugung und dem Stromverbrauch muss noch viel passieren, damit Peking seine Klimaziele erreicht. Ein guter Anfang wäre, den geplanten Bau einer ganzen Reihe neuer Kohlekraftwerke effektiv zu stoppen. Bisher reformiert die Regierung den Sektor nur zögerlich, wie Christiane Kühl analysiert. Strom wird hauptsächlich von schwerfälligen und lokal gut vernetzten Staatskolossen generiert. Und während die erneuerbaren Energien kräftig ausgebaut wurden, wurden fossile Kraftwerke von Netzbetreibern jahrelang bevorzugt. Das zeigt: Auch China steht bei der Energiewende vor der Herausforderung, unterschiedliche wirtschaftliche und politische Interessen unter einen Hut zu bringen.

            Wir wünschen viele neue Erkenntnisse!

            Ihr
            Nico Beckert
            Bild von Nico  Beckert

            Analyse

            Verkalkter Stromsektor als Hürde für den Klima-Umbau

            Schlote und Solarparks, Kohlekraft und Windkraft: Auch in Chinas Stromsektor ringen Vergangenheit und Zukunft miteinander. Die Welt sorgt sich um eine riesige Pipeline geplanter Kohlekraftwerke im Land. Und zugleich errichtet China wie kein anderes Land Wind- und Solarenergieanlagen. 2021 machten Wind- und Solarparks mehr als die Hälfte der neu ans Netz gegangenen Stromkapazität aus – das fünfte Jahr in Folge. Vor allem die Fotovoltaik boomt: China installierte nach Angaben der Nationalen Energiebehörde fast 55 Gigawatt, 14 Prozent mehr als 2020. Die Windkraft fiel dagegen wegen des Auslaufens von Subventionen für Onshore-Windparks hinter Solar zurück. Neue Windkapazitäten sanken gegenüber 2020 um ein Drittel auf immerhin noch knapp 48 Gigawatt. Zum Vergleich: In der EU wurden 2021 knapp 26 Gigawatt Fotovoltaik-Kapazität in Betrieb genommen, ebenfalls ein Rekord.

            Peking will bis 2030 eine Wind- und Solarkapazität von insgesamt 1.200 GW erreichen – knapp das Doppelte der Kapazität von Ende 2021 (635 GW). Der Anteil nicht-fossiler Brennstoffe am Gesamtenergieverbrauch Chinas soll von 20 Prozent im Jahr 2020 auf 25 Prozent bis 2030 steigen. Das bedeutet aber auch, dass 2030 drei Viertel der Energie noch aus fossilen Energieträgern stammen werden. Das wiederum heißt noch immer hauptsächlich: Kohle.

            Der Stromsektor ist voll mit schwerfälligen Staatskonzernen

            Das zu verändern, ist nicht so einfach. Kraftwerke sind gewaltige Kapitalinvestitionen; gerade neue Anlagen könnten theoretisch noch Jahrzehnte laufen. Der Kohlestromsektor besteht zudem vor allem aus schwerfälligen Staatskonzernen, die China seit Jahrzehnten mit Strom versorgen und gut mit lokalen Regierungen vernetzt sind.

            Als China Ende der 1970er-Jahre die Öffnungspolitik begann, die ein beispielloses Wirtschaftswachstum auslöste, expandierte das Land den Stromsektor zunächst auf Basis des damals bestehenden ineffizienten Systems, das schnell überfordert war. Die 1990er-Jahre waren geprägt von häufigen regionalen Stromausfällen. In der Folge begann die Regierung, den Sektor umzubauen. Die Stromerzeugung wurde teilweise für private und ausländische Investoren geöffnet, staatliche Stromriesen wurden immer wieder umstrukturiert. Manche brachten Tochterfirmen oder Teile ihrer Aktien an die Börse, teilweise sogar in New York, wie etwa Huaneng Power International.

            Übertragung und Verteilung des Stroms aber blieben bis heute unter staatlicher Kontrolle. Peking verband schrittweise die jahrzehntelang fragmentierten Stromnetze des Landes miteinander. Die größten Netzbetreiber sind heute die ehemalige Monopolgesellschaft State Grid Corporation und China Southern Power Grid.

            Preise am Strommarkt oft an der erlaubten Höchstgrenze

            Staatlich kontrolliert sind in der Volksrepublik traditionell auch die Strompreise. Dies trug mit zu der Stromkrise von 2021 bei. Denn die Stromerzeuger konnten die rasant steigenden Rohstoffpreise nicht an ihre Kunden weitergeben und drosselten die Erzeugung. Im Oktober reagierte die Regierung. Zwar gab sie die Preise nicht frei, doch sie lockerte die Kontrollen. Die Strompreise für die Industrie durften fortan um bis zu 20 Prozent auf beiden Seiten einer festgesetzten Benchmark schwanken. Zuvor durften sie um 10 Prozent steigen oder 15 Prozent fallen. Für die Landwirtschaft und den Wohnsektor blieben die Sätze gleich. Seither stiegen die Preise am Strommarkt in vielen Regionen bis an ihre regional erlaubte Höchstgrenze, etwa in Hebei, Shaanxi und Hainan.

            Die Lockerung entlastet zwar die Stromerzeuger ein wenig, ist aber beileibe keine Revolution. Der Staat behält das Sagen – und will offenbar die energieintensive Industrie nicht durch realistisch hohe Strompreise belasten. Viele Kraftwerke werden auch jetzt noch Verluste schreiben, erwartet Yan Qin, Lead Carbon Analyst beim Datenanbieter Refinitiv. Die Erhöhung reiche nicht aus, um den Anstieg der Treibstoffkosten vollständig auszugleichen. “Produzenten, die sehr energieintensiv, aber kostenintensiv sind, könnten aus dem Markt gedrängt werden”, sagte Penny Chen, Senior Director of Asia-Pacific Corporates bei Fitch, der South China Morning Post. Das sei aber Teil der gewollten Strukturreform hin zu nachhaltigeren Unternehmen mit höherer Wertschöpfung.

            Chinas Stromsektor und die Klimakrise

            Eine Reform des Stromsektors ist entscheidend, um Chinas Klimaziele zu erreichen, sind sich die meisten Beobachter einig. Denn die Stromerzeuger verursachen nach Angaben des China Electricity Council rund 41 Prozent der chinesischen CO2-Emissionen. Schon 2028 könne der Sektor die CO2-Wende erreichen, empfahl das CEC vergangene Woche – und damit zwei Jahre vor dem bisher angestrebten Emissions-Höhepunkt 2030. Für 2022 erwartet das CEC aber erst einmal ein Wachstum des Stromverbrauchs um fünf bis sechs Prozent. Die Internationale Energie-Agentur IEA erwartet für die Jahre 2022 bis 2024 dann eine Verlangsamung des Wachstums im Stromverbrauch auf 4,5 Prozent – durch mehr Energieeffizienz und langsameres Wirtschaftswachstum.

            Unklar ist, wie das Wachstum des Stromverbrauchs künftig kontrolliert werden soll. 2021 drohten viele Provinzen die von Peking erlassenen Stromverbrauchsziele zu verfehlen – und rationierten daraufhin den Strom. Das war der zweite Grund für die Stromkrise. Künftig will Peking seine klimarelevanten Vorgaben für die Provinzen oder Industrien nicht mehr auf den absoluten Energieverbrauch abzielen, sondern vielmehr die CO2-Emissionen deckeln (China.Table berichtete). Doch Details dazu fehlen bislang.

            Firmenkraftwerke sind besonders schmutzig

            Eine Schwierigkeit in China für die Transformation ist die hohe Anzahl firmeneigener Kraftwerke. Diese stehen auf dem jeweiligen Fabrikgelände und beliefern vornehmlich diesen Standort. Laut Global Energy Monitor (GEM) waren im Januar 2021 in China 132 Gigawatt (GW) solcher Kohlekapazität in Betrieb, 13 Prozent der gesamten Kohlekraft. 85 Prozent dieser Kapazitäten beliefern laut GEW nur drei Schwerindustriesektoren: Aluminium, Eisen und Stahl sowie Bergbau und Metalle.

            Das Problem: Diese Kraftwerke sind besonders schmutzig und entziehen sich teilweise den Richtlinien. Schon während des Smog-Winters von 2013 brandmarkte die Regierung nach einer Studie des Klima-Informationsdienstes Carbon Brief diese Kraftwerke für ihre stinkenden Schlote und verbot den Neubau in sogenannten Umweltkontrollgebieten wie die Beijing-Tianjin-Hebei-Region. Bestehende Standorte wurden angewiesen, von Kohle auf Gas umzustellen. 2015 beschloss Peking, die umweltschädlichsten Eigenkraftwerke schrittweise zu schließen. Viele dieser Kraftwerke seien einfach gebaut worden, bevor sie eine Genehmigung bekamen – mit geringerer Effizienz und höheren Schadstoffemissionen als öffentliche Kraftwerke. Auch das Management entspreche nicht dem Standard öffentlicher Kraftwerke und solle angeglichen werden.

            Doch die Regeln wurden nie wirklich durchgesetzt, und der Bau der Firmenkraftwerke ging ungebremst weiter. Allein in Shandong wurden zwischen 2013 und 2017 laut Carbon Brief 110 solcher Kraftwerke illegal gebaut. Neun von zehn der beanstandeten Anlagen bauten allein zwei Aluminium-Großkonzerne, die Weiqiao Pioneering Group und die Xinfa Group. 2020 schloss Shandong immerhin 28 dieser Standorte. Doch das Problem bleibt. Das Central Ecological and Environment Inspection Team (CEEIT) machte im Oktober 2021 die Fabrikkraftwerke dafür verantwortlich, dass China seine eigenen Kohleverbrauchsziele nicht erreiche.

            Emissionshandel soll Kraftwerke an die Leine legen

            Heute versucht China, solche Kraftwerke mithilfe des neuen Emissionshandelssystems (ETS) einzuhegen. Mehr als ein Drittel der vom ETS erfassten Standorte gehören zu den problematischen Fabrik-Kraftwerken. Allein 105 davon stehen in Shandong.

            Da es so schwierig war, diese Kraftwerke mithilfe administrativer Maßnahmen zu schließen, scheine die “CO2-Bepreisung ein effizienter Ansatz zur Lösung des Problems zu sein”, zitierte Carbon Brief Chen Zhibin von der Beratungsfirma Sino-Carbon. Li Lina von Adelphi sagte dem Informationsdienst, dass sich sogar der öffentliche Energiesektor aus Gründen des “Fair Play” dafür eingesetzt habe, die Fabrikkraftwerke in den CO2-Markt aufzunehmen. Was es bringt, wird man sehen.

            Ausblick: Tauziehen zwischen Peking und den Regionen

            Auch sonst gibt es viele Baustellen. So ist die Nutzungsrate der erneuerbaren Energien trotz einiger Verbesserung bei Laufzeiten und Übertragungsrate noch immer zu niedrig. Die gesamte Wind- und Solarenergieleistung betrug im Jahr 2020 nur 9,5 Prozent der gesamten Stromerzeugung, obwohl ihre kombinierte installierte Kapazität 18,8 Prozent der Gesamtleistung ausmachte. Kohle- und Erdgaskraftwerke machten zwei Drittel der Gesamtleistung aus. Sie bekommen vielerorts in den Netzleitungen Vorrang vor dem Ökostrom. Um das zu ändern, muss der Filz in den Provinzen aufgebrochen werden, der die langjährigen Kohlekraftbetreiber bevorteilt. Außerdem investiert China in die Entwicklung von Speicherkapazitäten für Ökostrom, was ebenfalls helfen könnte.

            Die größte Gefahr für Chinas Klimaziele ist indes die gewaltige Pipeline an neuen Kohlekraftwerken, die viele Provinzen genehmigt haben. Von hunderten Gigawatt ist in verschiedenen Berichten die Rede. Und noch ist völlig unklar, ob diese Kraftwerke wirklich gebaut werden – oder ob die Regierung am Ende doch einen Riegel vorschiebt. Vielfach ist von einem Tauziehen zwischen Peking und den Regionen die Rede. Es ist zu hoffen, dass Peking sich durchsetzt.

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              “Ich war nur ein Rad im Getriebe”

              Hans-Martin Renn war am Bau der Olympia-Schanze in China beteiligt.
              Hans-Martin Renn

              Herr Renn, ist der Bau einer Skisprungschanze in der chinesischen Provinz eines der letzten großen Abenteuer unserer Zeit?

              Ein bisschen trifft das zu. Aber wie das so ist mit vielen Abenteuern, sind sie zu Beginn fürchterlich aufregend, und nach einer Weile normalisiert sich alles. Am Ende ist es eine Aufgabe, die man bewältigen muss. Zumal nicht so viele Emotionen drinstecken wie bei unserem Bau der Schanze in Oberstdorf vor einigen Jahren. Da habe ich natürlich einen ganz anderen Bezug. Und seit Pandemie-Beginn war ich sowieso nicht mehr in China vor Ort.

              Was war das Knifflige am Schanzenbau zu Zhangjiakou?

              In meiner Verantwortung lag die Ermittlung des Schanzenprofils und wie die Schanze in die Landschaft eingefügt wird. Da besitzt mein Büro in der 3D-Planung eine sehr gute Expertise. Des Weiteren beinhaltete die Beauftragung die Planung aller skisprungrelevanten Belange wie Infrastruktur, Konstruktion und Einhaltung der Normen. Die Topografie auf 1700 Metern Höhe war eine Herausforderung, weil der Auslauf der Schanze in einer Mulde zwischen zwei Hügeln liegt. Was mich aber viel mehr beschäftigte, war die Frage, was mit diesem Dorf geschehen sollte, das in dieser Mulde lag.

              Die Optionen blieben vermutlich überschaubar.

              Man sagte, dass das wegkommt. Und tatsächlich stand ein Jahr später kein Haus mehr. Die Leute sollen irgendwo anders eine Wohnung bekommen haben und dazu noch zwei Jahresgehälter. Das kann aber nicht so viel gewesen sein. Darauf ließ der Lebensstandard der Leute schließen.

              Sie waren an der Planung der Anlage seitens der FIS als Kommissionsdirektor und Architekt beteiligt. Wer saß ihrem Expertengremium von chinesischer Seite gegenüber?

              Das waren Vertreter des Organisationskomitees BOCOG und Funktionäre der Kommunistischen Partei, sowohl von Provinzebene als auch von Bezirksebene. Außerdem der spätere Betreiber der Anlage.

              Wie ist es, mit Leuten über Skisprungschanzen zu konferieren, die überhaupt keine Ahnung haben, auf was es dabei ankommt?

              Der Ansatz war hochprofessionell wie bei der Vergabe der Architekturplanung, bei der ich Teil des Preisgerichts war. Jeder Teilnehmer bekam Simultanübersetzung in seine Landessprache aufs Ohr und einen persönlichen Protokollanten an die Seite. Neu für mich war allerdings, dass wir am Eingang alle unsere Handys abgeben mussten.

              Wieso?

              Es sollte wohl sichergestellt werden, dass die Kommunikation ausschließlich über die staatlichen Organe vonstatten geht. Wenn man das Große und Ganze sieht, kann man das vielleicht noch nachvollziehen. Die Winterspiele sind für China eine riesige Werbetrommel. Da wird anscheinend nichts dem Zufall überlassen.

              War die Veranstaltung “Top Secret” klassifiziert?

              Offenbar war alles, was in dem Saal stattfand, eine Art geistiges Staatseigentum und genoss höchste Prioritätsstufe. Dazu gehörte auch, dass alle Entwürfe der Anlagen, die aus aller Welt eingebracht wurden, in chinesisches Eigentum übergegangen sind. Jeder hat seine Rechte komplett abtreten müssen. Also auch alle Architekten der abgelehnten Entwürfe. Das ist so eigentlich nicht üblich. Aber das waren die von Beginn an kommunizierten Spielregeln.

              Vielleicht entsteht später anderswo in China eine weitere Skisprungschanze auf Basis dieser beschlagnahmten Entwürfe.

              Das kann sein, aber Beschlagnahmung sehe ich als das falsche Wort. Alle Beteiligten waren darüber im Vorfeld informiert und wussten, worauf sie sich einlassen würden.

              Fast schon Glück für Sie, dass Sie keinen eigenen Entwurf eingereicht haben.

              Solch ein Projekt wäre auch für unser Büro eine Nummer zu groß gewesen. Es mag reizvoll sein, an solch einem Wettbewerb teilzunehmen. Wenn man aber erlebt, welchen Aufwand alleine die Wettbewerbsteilnehmer für deren Präsentationen betrieben haben, war es eher beruhigend, sich nicht beteiligt zu haben.

              Ist denn im Laufe der Zeit tatsächlich nie etwas an die Außenwelt gedrungen?

              Ist mir nicht bekannt. Dabei wurden alle Entwürfe mit den Meinungen aller Experten transparent diskutiert. Weshalb dann aber welche Entscheidungen getroffen wurden, war für mich nicht mehr nachzuvollziehen.

              Haben sie ein Beispiel?

              Naja, ich war der Einzige in einem Gremium von rund 25 Fachleuten, der einen Entwurf der gesamten Anlage mit einer Art Rundgang favorisiert hatte. Mir gefiel diese städtebauliche Idee, die Skisprungschanze, die Biathlon-Anlage und die Langlauf-Loipe durch eine Art Chinesischer Mauer einzukreisen und mit verschiedenen Eingangsbereichen zu versehen.

              Und?

              Genau dieser Entwurf wurde ausgewählt, obwohl andere Entwürfe größere Unterstützung erhielten.

              Vielleicht weil man deutsche Städte in China gerne mag und Sie als Deutscher diese Beziehung repräsentiert haben.

              Das mag sein. Ich habe jedenfalls den hohen Respekt der Chinesen für “Made in Germany” wahrgenommen. Aber übrigens genauso ihre Enttäuschung über den Diesel-Skandal, der damals ans Licht gekommen war. ‘Wir hätten nie gedacht, dass die Deutschen betrügen würden’, hat man mir häufiger und unaufgefordert gesagt. Ich glaube nicht, dass alle betroffenen Manager bis heute wissen, was sie für einen Imageschaden angerichtet haben.

              China steht in der Kritik, unter anderem für die Behandlung der Uiguren in Xinjiang. Gab es Momente, in denen Sie ein mulmiges Gefühl bekamen, dass Sie der chinesischer Regierung helfen, eines der Olympia-Momumente zu errichten?

              Die Frage hat sich mir natürlich gestellt. Aber ich war letztlich auch nur ein Rad im Getriebe. Hätte ich es nicht gemacht, wäre es jemand anderes gewesen. Ich bin nicht für die Rahmenbedingungen verantwortlich. Es geht ja auch nicht darum, sich daran zu bereichern, sondern dass dort der Sport vernünftig abgewickelt werden kann. Die Gedanken, die ich mir gemacht habe, als ich zum ersten Mal chinesischen Boden betreten habe, waren eher anderer Natur. Da sind mir all die Kameras und die tausenden Polizisten aufgefallen. Da habe ich schon darüber nachgedacht, was passiert, wenn man aus dem Land nicht mehr rauskommt.

              Das IOC bejubelt die Nachhaltigkeit der Olympischen Spiele. Wie steht es um die Nachhaltigkeit der Schanzenanlage?

              Zumindest standen auf dem Weg von Peking nach Zhangjiakou überall Windräder, darüber war ich überrascht. Was den Bau der Anlage angeht, sind mir besonders nachhaltige Elemente nicht bekannt. Möglich, dass die Skisprungarena auch für andere Sportarten genutzt werden soll. Im Auslaufbereich ist ein Fußballfeld entstanden. Ich denke, dass man die Nachhaltigkeit nicht daran messen sollte, ob künftig Skispringen stattfindet, sondern ob die vielen touristischen Investitionen rund um die Sportstätten angenommen werden. Die Schanze ist eine richtige Sehenswürdigkeit geworden. Von der Restaurant-Plattform können die Leute dann bestaunen, was in ihrem Land jetzt für Sportarten möglich sind.

              Mussten Sie mit den Kadern die erfolgreiche Sondierung der Entwürfe in chinesischer Tradition auch kräftig begießen?

              Oh ja. Irgendwann wurde nicht mehr aus Gläsern getrunken, sondern direkt aus den Karaffen. Ich saß gleich neben dem späteren Betreiber, ein massiver Typ mit mongolischen Wurzeln. Zum Glück war ich auf so ein Gelage geistig vorbereitet. Ich habe zwischen dem Zuprosten alles an Wasser und Suppe in mich hineingeschüttet, was zur Verfügung stand. Am nächsten Tag war ich sein gefeierter Held. Andere aus der Delegation hatte es dagegen schwer erwischt.

              Welcome to China.

              Ist eben die dortige Kultur. Beim Oktoberfest trinken die Geschäftspartner auch krügeweise Bier und tanzen später auf den Tischen.

              Der Architekt Hans-Martin Renn, 55, aus Fischen im Allgäu, ist Vorsitzender der Schanzenbau-Kommission des Internationalen Skiverbandes (FIS). Als die Ausrichter der Olympischen Winterspiele in Peking (4. bis 20. Februar) den Verband um Hilfe baten, eine geeignete Anlage für die Nordischen Ski-Wettbewerbe Skispringen und Langlauf sowie den Biathlon zu konzipieren, reiste Renn 2017 erstmals in die Volksrepublik China. Auch mit seinem Architektenbüro unterstützte er den Bau der Anlage im chinesischen Zhangjiakou.

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                China führend bei Offshore-Windkraft

                China ist eigenen Angaben zufolge zum weltweit größten Produzenten von Offshore-Windkraft aufgestiegen. Wie das Staatsfernsehen CCTV berichtet, habe die Volksrepublik im vergangenen Jahr 16,9 Gigawatt an neuen Windfarmen gebaut. Die Daten der Nationalen Energie Behörde (NEA) zeigten, dass sich die installierte Offshore-Windkraft damit auf insgesamt 26,4 Gigawatt gesteigert habe – so viel wie kein anderes Land der Welt. Bisheriger Spitzenreiter war das Vereinigte Königreich. Die britische Kapazität betrug im dritten Quartal 2021 rund 11 Gigawatt. Damit ist Chinas aktuelle Kapazität 2,5 Mal größer. rad

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                  Portrait

                  Christian Hochfeld – Verkehrswende als Lebensaufgabe

                  Christian Hochfeld, Direktor des Thinktanks Agora Verkehrswende

                  Der Elefant im Raum muss erst einmal weg: Christian Hochfeld ist seit 2016 Direktor der Agora Verkehrswende und hat ein Auto. Obwohl es sich seine NGO zum Auftrag gemacht hat, den Verkehrssektor bis zum Jahr 2045 vollständig zu dekarbonisieren. Ein Ziel, das sich auch die deutsche Bundesregierung gesetzt hat – die jedoch ein mahnendes, schlechtes Gewissen braucht, um es nicht zu vergessen.

                  Oder um die Verantwortung nicht von sich zu schieben. “Eine Frage wird immer gestellt und ich kann sie nicht mehr hören: ‘Was tust du persönlich für die Verkehrswende?’ Schön und gut, wenn immer mehr Menschen persönlich etwas für den Klimaschutz tun, aber die Verantwortung liegt bei der Politik. Sie muss den Rahmen setzen, in dem sich Menschen bewegen.” Und an diesen Rahmen versuchen Hochfeld und die Agora Verkehrswende die Politik immer wieder zu erinnern.

                  Jonglieren lernen im Grundstudium

                  Für Hochfeld ist das eine Lebensaufgabe. Der Berliner wurde in den 1980er-Jahren politisch geprägt. In Tschernobyl explodierte ein Reaktor, in Deutschland starb der Wald und die Grünen gründeten sich. Derart emotional bewaffnet, begann er 1988 sein Studium im Fach Technischer Umweltschutz.

                  Das lief nicht so wie geplant. Sein erstes Semester fiel in die Zeit von Studentenprotesten, weswegen er zunächst nur Jonglieren lernte, wie er selbst sagt. Als der reguläre Unterricht wieder einsetzte, erkannte er die wahre Natur des von ihm gewählten Studienfachs. Technischer Umweltschutz entpuppte sich im Kern als Ingenieursstudium. Strömungslehre pauken zu müssen, schockte nicht nur ihn, sondern auch einige Mitstudenten. Hochfeld tourte erst einmal durch Südamerika, zog das Studium anschließend aber doch noch durch.

                  Mittlerweile schreiben wir das Jahr 1996. Hochfeld findet einen Platz im Öko-Institut, einem Verein in Freiburg. Die Forschungseinrichtung unterstützt Umweltaktivisten vor Gericht. Sie erstellt Studien, mit denen damals gegen die Errichtung von Müllverbrennungsanlagen und Atommeilern vorgegangen wird. Hier wird Hochfeld klar, dass Umweltschutz nur dann Zählbares erreicht, wenn er Wissenschaft und Politik zusammenbringt.

                  Lehrgeld aus China

                  Doch Klimapolitik funktioniert eben nur international. “Mir war klar, dass sich die Verkehrswende nicht in Bielefeld entscheidet, sondern in Beijing. Deswegen bin ich nach China gegangen”, begründet Hochfeld seinen Wechsel zur Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) im Jahr 2010. Er leitete das Projekt für nachhaltigen Verkehr in der Volksrepublik. “Es war eine etwas naive Haltung. Ich bin mit dem festen Vorhaben hin, in China etwas bewegen zu können, bis mir klar wurde, was wir in Deutschland noch zu lernen haben.”

                  Die Dynamik der chinesischen Politik und Wirtschaft beeindruckte ihn jedoch. Nicht Elon Musk habe die Elektromobilität zu einem globalen Phänomen gemacht, sondern das chinesische Verkehrsministerium.

                  In Deutschland geht es langsamer – das müssen die Akteure akzeptieren. Die Politiker und Topmanager der Industrie müssen überzeugt werden. Daran glaubt Hochfeld fest, das hat er sich zu Lebensaufgabe gemacht, daran arbeitet Agora Verkehrswende tagtäglich. Christian Domke Seidel

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