Mit seiner “Belt-and-Road”-Initiative will Peking international an Bedeutung gewinnen. Diese globale Macht äußert sich jedoch nicht nur in politischem Einfluss oder großen und bisweilen länderübergreifenden Infrastrukturprojekten, sondern vor allem auch in technischen Details.
Chinesische Unternehmen etablieren in den Ländern der sogenannten Neuen Seidenstraße ihre technologischen Normen und Standards, etwa bei 5G oder Schnellzügen. So kann Peking die Länder langfristig an seine Wirtschaftssphäre binden. Denn wer in einem Bereich die Standards gesetzt hat, dominiert mit seinen Produkten bald auch alle verwandten Sektoren. Wie weit diese Entwicklung bereits fortgeschritten ist, analysiert Finn Mayer-Kuckuk.
An Standards für eine Kommunikation zwischen den Verteidigungsministerien Chinas und der USA mangelt es unterdessen. Zuletzt verweigerte der chinesische Verteidigungsminister Li Shangfu am Rande des Shangri-La-Sicherheitsdialogs in Singapur seinem US-amerikanischen Amtskollegen Lloyd Austin ein Gespräch.
Erst wenn die Vereinigten Staaten “unverzüglich ihre falschen Praktiken korrigieren” und “die notwendige Atmosphäre” für ein Treffen schaffen würden, sei man zum Reden bereit. Ein Grund: Li ist von Washington mit Sanktionen belegt. Ein echter Dialog scheint angesichts zunehmend diametraler Standpunkte immer unmöglicher, wie Fabian Kretschmer analysiert. Und diese Funkstille ist gefährlich.
Mit dem Seidenstraßen-Projekt ist China 2013 als großer Spieler in die internationale Zusammenarbeit eingestiegen – und Normen und Standards waren von Anfang an ein wichtiger Teil der Strategie. “China spielt eine aktive Rolle beim Setzen von Standards im Rahmen der Belt-and-Road-Initiative“, sagt Tim Rühlig vom Zentrum für Geopolitik, Geoökonomie und Technologie der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP). “Es erhält dadurch zunehmend Macht und Einfluss im Wettbewerb digitaler Technologien.”
Inzwischen sind 151 Länder der Belt-and-Road-Initiative (BRI) beigetreten. Eine runde Billion Euro an Fördermitteln wurden im Rahmen der Projekte bereits vergeben – wie viel genau, weiß niemand. Seit 2015 hat der Geldstrom zwar etwas abgenommen, doch China ist für viele bisher vernachlässigte Länder längst der wichtigste Partner.
Das Setzen technischer Standards ist kein einmaliger Vorgang, bei dem China einem Partnerland die Regeln diktiert. Es handelt sich vielmehr um einen fortlaufenden Prozess, wie Rühlig erläutert. Chinesische Unternehmen setzen Impulse für die örtliche Standardisierung, indem sie ihre Produkte anbieten. Meist kommt das Bedürfnis nach technischer Regulierung durch den jeweiligen Staat ganz von selbst auf, nachdem sich ein Produkt etabliert hat. Dann treten chinesische Regierungsstellen sogleich als Berater auf. Nur wenige Technikgenerationen später dominieren chinesische Standards.
Beispiel 5G: Huawei und ZTE sind nicht nur durch gute Geschäfte in Europa zu globalen Marktführern aufgestiegen. In weiten Teilen des Globalen Südens, und insbesondere entlang der Seidenstraße, haben sie schnelle Netze in weite Landstriche gebracht. Zwar hat sich die Mobilfunkindustrie länderübergreifend auf die offene Plattform Open RAN geeinigt; zumindest gilt das für die Geräte, die direkt zum Endkunden funken. Doch China dominiert die technische Weiterentwicklung und bestimmt den Standard entscheidend mit.
Beispiel Zugtechnik: Die Wagen der chinesischen Hochgeschwindigkeitszüge mögen von Shinkansen, ICE und TGV abgeleitet sein, doch die Signaltechnik ist eine Eigenentwicklung. Die Systeme sind nicht mit ihren westlichen oder japanischen Gegenstücken kompatibel. DGAP-Experte Rühlig vermutet hier Absicht. Der Export der Zugtechnik war von Anfang an ein Ziel des chinesischen Bahnausbaus. Seidenstraßen-Länder, die jetzt ihre ersten modernen Bahnstrecken erhalten, legen sich gleich auf chinesische Signalstandards fest.
Wer technische Standards setzt, hat laut Rühlig gleich mehrere Vorteile:
USA und Europa haben lange die Mehrheit der technischen Standards gesetzt. Es gibt jedoch Unterschiede zum Agieren Chinas. “In den USA werden technische Standards vor allem von privaten Akteuren geschrieben”, so Rühlig. “In China spielt der Parteistaat eine wesentlich größere Rolle.” Peking politisiere also die Standards.
Doch nicht nur das Setzen technischer Normen entlang der Seidenstraße verschafft China einen Vorteil, sondern auch der Verzicht auf ethische Anforderungen an die Nehmerländer. Während die EU künftig auf saubere Lieferketten achten will, baut China keine solchen Hürden für den Handel auf. Das Schlagwort dafür ist das Prinzip der voraussetzungslosen Zusammenarbeit.
Das Prinzip gilt offiziell und wird auch ausgesprochen. Auf dem China-Afrika-Forum 2018 hat Peking die “fünf Neins” formuliert:
Das Muster ist nur logisch: China setzt technische Standards, weil es technisch gut ist – es setzt aus naheliegenden Gründen aber keine Standards in Hinblick auf Demokratie oder Transparenz. Peking fordert selbst Nichteinmischung und bietet sie auch anderen.
Anders gesagt: China exportiert seine eigenen niedrigen ethischen Standards. Gerade in Ländern mit Korruptionsproblemen verschärfen die BRI-Milliarden die Probleme daher noch.
Den Verantwortlichen in Peking ist allerdings nicht entgangen, wie sehr solche Vorgänge dem Image der BRI schaden. Nicht zuletzt ist China selbst Teil der Uno-Konvention gegen Korruption. Deshalb hat es 2019 die Säuberung des BRI-Projekts von Bestechlichkeit verkündet. Sie sei jetzt “green and clean”, sagte Xi Jinping stolz.
Das “green” markiert ein wichtiges Umsteuern, das bereits erfolgt ist. Im Jahr 2015 hat Peking die Vergabe von Seidenstraßenmitteln an Umweltstandards geknüpft und hält sich seitdem auch mehr und mehr daran (mit Ausnahmen). Auch das ist folgerichtig, schließlich stilisiert China sich selbst als Umwelt-Vorreiter.
Am Wochenende hatte US-Verteidigungsminister Lloyd Austin um ein Treffen mit seinem chinesischen Amtskollegen Li Shangfu gebeten. Das Gespräch hätte am Rande des Shangri La-Sicherheitsdialogs in Singapur stattfinden und angesichts der rekordhohen Spannungen zwischen den zwei Weltmächten für Deeskalation sorgen sollen. Doch dazu kam es nicht: Peking lehnte das Gesprächsangebot der Amerikaner mit ungewöhnlich schroffen Worten ab. Am Dienstag untermauerte die chinesische Regierung ihre Position. Erst wenn die Vereinigten Staaten “unverzüglich ihre falschen Praktiken korrigieren” und “die notwendige Atmosphäre” für ein Treffen schaffen würden, sei man zum Reden wieder bereit.
Gerade über das Militär aber sollten beide Seiten sprechen. Eine militärische Auseinandersetzung scheint mittlerweile nicht mehr nur wie ein denkbares Szenario, sondern bisweilen wie eine wahrscheinliche Option. Wer sich dieser Tage innerhalb Washingtoner Denkfabriken oder Pekinger Regierungskonferenzen umhört, ist nicht selten schockiert ob der jeweiligen Wahrnehmung des Gegenübers. Für die internationale Staatengemeinschaft geben die frostigen Beziehungen zwischen den zwei führenden Volkswirtschaften daher Anlass zu tiefer Sorge.
Dass nun selbst manche der grundlegendsten Kommunikationskanäle zwischen den zwei Staaten eingefroren sind, erhöht das Risiko. Noch 2013 gab es insgesamt 40 bilaterale Treffen zwischen Militärvertretern, im Vorjahr waren es lediglich vier. Dabei sind Gespräche gerade für die Militärs essenziell wichtig – allein schon, um im Ernstfall Missverständnisse und versehentliche Eskalationen zu vermeiden. Mögliche Anlässe gab es in jüngster Vergangenheit bereits zur Genüge, zuletzt etwa beim Abschuss des chinesischen Spionageballons vor amerikanischem Territorium. Auch im Südchinesischen Meer warnen Experten regelmäßig vor versehentlichen Zusammenstößen von Schiffen oder Flugzeugen beider Staaten.
Für die gehäuften Absagen aus Peking liegt ein offensichtlicher Grund auf der Hand: Chinas Verteidigungsminister Li Shangfu steht seit Herbst 2018 auf der US-Sanktionsliste, da er laut Angaben des Weißen Hauses an “an bedeutenden Transaktionen” beteiligt war, bei denen es unter anderem um die Lieferung russischer Kampfflugzeuge nach China ging. “Wenn der US-Verteidigungsminister unter chinesischen Sanktionen stünde, würde er dann ein Gesprächsangebot annehmen?”, kommentierte Dennis Wilder, Sinologe von der Washingtoner Georgetown Universität.
Immerhin gab es zuletzt auf anderen Politikfeldern wieder mehr Kontakt. Anfang Mai traf US-Botschafter Nicholas Burns mit dem chinesischen Außenminister Qin Gang zusammen, in Wien Chinas Top-Diplomat Wang Yi mit Jake Sullivan, Bidens Nationalem Sicherheitsberater. Handelsminister Wang Wentao traf sich in den USA mit seiner US-Amtskollegin Gina Raimondo und der Handelsbeauftragten Katherine Tai. US-Präsident Joe Biden hatte kurz nach dem G7-Gipfel gar den “Beginn eines Tauwetters” angekündigt. Außenminister Qin Gang empfing am Dienstag in Peking Tesla-Chef Elon Musk und sagte eine Fortsetzung der Öffnungspolitik zu.
Doch zugleich geht der Tech-Krieg zwischen beiden unvermindert weiter. Peking antwortete kürzlich auf die immer länger werdenden Sanktionslisten der USA, indem es ein teilweises Verkaufsverbot für Micron Technology, den größten Speicherchiphersteller der USA, in China erließ. Es bleibt also schwierig.
Die Absage des Militärdialogs ist daher kein gutes Zeichen. Die Anreize für China, einen Dialog mit der US-Regierung in schwierigen Bereichen zu forcieren, sind auch aufgrund des Zeitpunkts überaus gering. Man weiß in Peking bestens über den Wahlzyklus in Washington Bescheid, und dass der populistische Stimmenfang schon jetzt das Handeln der US-Regierung beeinflusst. Zudem ist jede investierte Mühe eine ungewisse Wette in die Zukunft: Ab Januar 2025 könnte bereits ein anderer Präsident im Amt sein, möglicherweise gar wieder Donald Trump. Der zeitliche Horizont der kommunistischen Partei hingegen reicht über Dekaden.
Darüber hinaus kommen immer mehr Parteikader in Peking offenbar zu dem Schluss, dass ein Dialog mit den USA ohnehin verschwendete Zeit sei. Die Standpunkte seien diametral entgegengesetzt, ein inhaltlicher Austausch nahezu unmöglich. Und am Ende, so heißt es, würde Washington an der vorgeworfenen “Eindämmungspolitik” ohnehin festhalten. Eine neue Nummer Eins würden die USA keineswegs dulden.
In einer Stellungnahme gegenüber des “Wall Street Journal” bringt es ein Sprecher der chinesischen Botschaft in Washington unmissverständlich auf den Punkt: “Die USA versuchen, China mit allen möglichen Mitteln zu unterdrücken und sie verhängen weiterhin Sanktionen gegen chinesische Beamte, Institutionen und Unternehmen. (…) Ist eine solche Kommunikation wirklich aufrichtig?”
Früher argumentierte man in Peking noch, dass ein weitgehend friedliches Ablösen einer Weltmacht durch die nächste möglich sei – wie es etwa zwischen Großbritannien und den Vereinigten Staaten zu Beginn des 20. Jahrhunderts der Fall war. Mittlerweile zieht man dort hingegen fast ausschließlich die sogenannte Thukydides-Falle heran. Diese beschreibt – in historischer Anlehnung an den Konflikt zwischen Athen und Sparta – die hohe Wahrscheinlichkeit für einen Krieg, wenn eine aufstrebende Macht einen bestehenden Hegemon abzulösen droht.
Doch angesichts der wirtschaftlich schleppenden Erholung, dem drohenden demografischen Wandel und den geopolitischen Spannungen dürfte Chinas Weg an die Spitze ohnehin deutlich länger dauern, als es die meisten Ökonomen noch vor der Pandemie prognostiziert hatten. Fabian Kretschmer, Mitarbeit: Christiane Kühl
Sinolytics ist ein europäisches Beratungs- und Analyseunternehmen, das sich auf China spezialisiert hat. Es berät europäische Unternehmen bei der strategischen Ausrichtung und den konkreten Geschäftsaktivitäten in der Volksrepublik.
Die strengere Auslegung des geplanten EU-Lieferkettengesetz steht auf der Kippe. Innerhalb der größten Fraktion im EU-Parlament, der EVP, formiert sich derzeit Widerstand gegen den Bericht, über den am Donnerstag im Plenum abgestimmt werden soll. Auch die liberale Renew-Fraktion meldete teilweise Bedenken an. Das Papier soll die Verhandlungsgrundlage des Parlaments mit den anderen EU-Institutionen sein; das EU-Parlament hatte eigentlich eine strenge Auslegung anvisiert.
Das EU-Lieferkettengesetz wird künftig auch auf den Handel mit China Einfluss haben. Bei der Debatte geht es unter anderem um die Reichweite des geplanten Gesetzes und die Verantwortlichkeit der Vorstände von Unternehmen. “Wir als CDU/CSU-Gruppe werden am Donnerstag gegen den Bericht stimmen”, sagt der Co-Vorsitzende der EVP, Daniel Caspary, zu Table.Media. Er empfange auch aus den anderen großen EVP-Delegationen “klare Signale”, dass diese den Entwurf ebenfalls kritisch sähen, so der CDU-Politiker. Er warnte auch vor einem Verlust der Wettbewerbsfähigkeit der EU. Das Gesetz verbessere so nicht die Bedingungen in ärmeren Ländern – sondern führe dazu, dass sich europäische Unternehmen zurückzögen und etwa chinesischen Konkurrenten das Feld überließen, sagte Caspary.
Sollte der Bericht am Donnerstag im Plenum durchfallen, wird er an den Ausschuss zurückverwiesen zur Nacharbeit. Die geplante EU-Gesetzgebung soll generell schärfer ausfallen als das deutsche Lieferkettengesetz. Beschlossen wird es im sogenannten Trilog: Beteiligt sind also neben dem EU-Parlament auch der EU-Rat und die EU-Kommission, die ihre eigenen Entwürfen einbringen. wir/ari
Nach der Rückkehr des Ukraine-Sondergesandten Li Hui nach China hat ein Bericht des Wall Street Journal eine Debatte um angebliche Äußerungen des Diplomaten ausgelöst. Li habe seine Gesprächspartner in Europa dazu aufgefordert, Kiew zu einem sofortigen Waffenstillstand zu drängen, berichtete die US-Zeitung unter Berufung auf anonyme Diplomaten, die mit dem Inhalt der Gespräche Lis vertraut sein sollen. Der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba wies diese Darstellung in einem Videobeitrag auf Facebook allerdings zurück.
Eine solche Forderung würde einen Tabubruch darstellen, da sie faktisch ein Einfrieren des Konfliktes entlang der jetzigen Front bedeutet – und damit die Ukraine Russland die derzeit besetzten Territorien überlassen müsste. Bislang hat China offiziell stets die Souveränität und die territoriale Integrität beider Konfliktpartner betont – wenn auch ohne Details, und ohne Russlands Invasion zu verurteilen. “Wir haben erklärt, dass ein Einfrieren des Konflikts nicht im Interesse der internationalen Gemeinschaft ist, solange die russischen Truppen nicht abgezogen werden”, zitierte das Wall Street Journal einen Diplomaten, der mit Li Hui gesprochen haben soll.
Kuleba reagierte offenbar sofort nach der Veröffentlichung des Beitrags. “Ich habe mich sofort mit meinen Kollegen in den Hauptstädten, die er besucht hat, in Verbindung gesetzt”, sagte er in dem Video. Keiner von ihnen habe bestätigt, dass es mit Li Verhandlungen über die Anerkennung besetzter ukrainischer Gebiete als russisches Territorium gegeben hätte. “Deshalb bitte ich Sie dringend, einen kühlen Kopf zu bewahren und Ihren gesunden Menschenverstand zu gebrauchen”, mahnte Kuleba. Es gebe keinen Grund, “emotional auf jeden Artikel zu reagieren. Wir kontrollieren den Prozess.” Kiew werde weiter mit Peking im Gespräch bleiben, sagte Kuleba.
Li Hui hatte auf seiner Friedensmission zunächst in Kiew Kuleba und auch Präsident Wolodymyr Selenskyj getroffen. “Es gibt kein Allheilmittel zur Lösung der Krise“, räumte Li dort nach seinen Treffen ein. Anschließend flog er nach Berlin, Warschau, Paris und Brüssel. Dort soll er hauptsächlich auf Ebene der Staatssekretäre empfangen worden sein; über diese Treffen ist bislang nichts bekannt. Am Wochenende traf Li in Moskau mit Außenminister Sergej Lawrow zusammen. Dieser dankte China nach Angaben seines Ministeriums für seine “ausgewogene Position” und Bereitschaft, eine positive Rolle zu spielen. ck
Drei Astronauten sind zum ersten vollständigen Besatzungswechsel auf der neuen chinesischen Raumstation Tiangong ins All gestartet. ihr Raumschiff “Shenzhou 16” hob am Dienstag mit einer Trägerrakete vom Typ “Langer Marsch 2F” vom Raumfahrtbahnhof Jiuquan in der Provinz Gansu ab. Sie erreichte eine gute Viertelstunde später die Umlaufbahn. Auch die Sonnensegel entfalteten sich nach Angaben des Raumfahrtzentrums wie vorgesehen.
“Shenzhou 16” ist bereits die fünfte bemannte Mission zur chinesischen Raumstation, die Anfang des Jahres ohne viel Aufhebens ihren regulären Betrieb aufgenommen hatte. Anfang Mai brachte ein Frachtflug Versorgungsgüter, Nahrung, Ersatzteile und 600 Kilogramm Treibstoff zur Tiangong (“Himmelspalast”), um den Aufenthalt der drei neuen Astronauten vorzubereiten. Sie sollen ihre Kollegen nach einem halben Jahr im All ablösen – und nun selbst rund fünf Monate auf der Tiangong bleiben. Unter ihnen ist mit dem Wissenschaftler Gui Haichao von der Pekinger Universität für Luft- und Raumfahrt erstmals in der chinesischen Raumfahrtgeschichte ein Zivilist.
Bis 2030 will China erstmals Astronauten auf den Mond bringen. Die USA planen sogar ab Ende 2025 wieder eine bemannte Landung auf dem Erdtrabanten. Beide Raumfahrtnationen haben den Mond-Südpol im Blick, wo gefrorenes Wasser vermutet wird. ck
Der ehemalige Leiter des chinesischen Zentrums für Seuchenkontrolle (CDC), George Gao, schließt die Möglichkeit nicht aus, dass das Covid-Virus aus einem Labor ausgetreten ist. Das erklärte der Wissenschaftler in einem Podcast von BBC News. “Man darf immer alles vermuten. So ist das in der Wissenschaft. Schließe nichts aus”, erklärte Gao, der seit seinem Ausscheiden aus dem CDC als Vizepräsident der National Natural Science Foundation of China tätig ist.
Nach dem Ausbruch des Virus spielte Gaos Behörde eine Schlüsselrolle bei den Bemühungen, die Ursprünge des Virus zu ermitteln. Chinas Regierung weist bis heute jeden Verdacht zurück, dass die Krankheit in einem Labor in Wuhan entstanden sein könnte. Laut Gao habe die chinesische Regierung jedoch eine Art formale Untersuchung des Wuhan Institute of Virology (WIV) durchgeführt, was darauf hindeute, dass sie den Verdacht durchaus ernst genommen habe. Das CDC sei jedoch nicht in diese Untersuchung involviert gewesen. Er habe jedoch “gehört”, dass bei der Untersuchung “kein Fehlverhalten festgestellt” worden sei, erklärte Gao weiter. fpe
In seinem inzwischen zum Klassiker avancierten, 2018 erschienenen Buch “AI Superpowers” stellte Kai-Fu Lee die provozierende These auf, dass China für die USA eine wachsende technologische Bedrohung darstelle. Als Lee Ende 2019 einen Gastvortrag vor den Teilnehmern meines Kurses “Das neue China” in Yale hielt, waren meine Studenten von seiner provokanten Argumentation fasziniert: Amerika sei dabei, angesichts von Chinas Vorteil bei der Umsetzung (Big-Data-Anwendungen) seinen First-Mover-Vorteil im Bereich der Entdeckung (der Expertise bei KI-Algorithmen) einzubüßen.
Freilich ließ Lee dabei eine zentrale Entwicklung unberücksichtigt: das Aufkommen großer Sprachmodelle (LLM) und der generativen künstlichen Intelligenz. Während er auf eine allgemeinere Form von Universaltechnologie verwies, die er auf die Industrielle Revolution zurückführte, erfasste er den ChatGPT-Rausch, der inzwischen die KI-Debatte bestimmt, nicht im Ansatz. Zwar enthielten Lees Argumente vage Hinweise auf “Deep Learning” und neurale Netzwerke. Doch es ging dabei viel mehr um das Potenzial der KI, von Menschen ausgeführte Tätigkeiten zu ersetzen, als um die Möglichkeiten einer “künstlichen allgemeinen Intelligenz”, die dem menschlichen Denken nahekommt. Was Chinas Zukunft als KI-Supermacht angeht, ist das durchaus kein trivialer Aspekt.
Das liegt daran, dass die chinesische Zensur diese Zukunft schwer infrage stellt. In einem kürzlich erschienenen Essay bringen Henry Kissinger, Eric Schmidt und Daniel Huttenlocher – deren 2021 erschienenes Buch auf das Potenzial einer Universal-KI hinwies – starke Argumente dafür vor, dass wir am Rande einer durch ChatGPT und Co. ermöglichten intellektuellen Revolution stehen. Sie sprechen darin nicht nur die von großen generativen Sprachmodellen ausgehenden moralischen und philosophischen Herausforderungen an. Sondern sie werfen auch wichtige praktische Fragen zur Umsetzung auf, die direkten Einfluss auf den Umfang des in die verarbeitete Sprache eingebetteten Wissensfundus haben.
Genau hier lässt Chinas strenges Zensursystem die Alarmglocken schrillen. Während die Zensur im Osten wie im Westen eine lange, umfangreiche Geschichte hat, ragt die Propagandaabteilung der Kommunistischen Partei Chinas in ihren Bemühungen heraus, alle Aspekte der Meinungsäußerung in der chinesischen Gesellschaft – Presse, Film, Literatur, Medien und Bildung – zu kontrollieren und die Kultur und Werte zu steuern, die die öffentliche Debatte formen.
Anders als im Westen, wo alles seinen Weg ins Internet findet, beharren Chinas Zensoren auf der Einhaltung strenger politischer Richtlinien zur KPCh-konformen Informationsverbreitung. Chinas Internetnutzer sind nicht imstande, Texte zur ein Jahrzehnt währenden Kulturrevolution, der Tragödie auf dem Platz des himmlischen Friedens im Juni 1989, Menschenrechtsproblemen in Tibet und Xinjiang, den Spannungen mit Taiwan, den Demokratieprotesten des Jahres 2019 in Hongkong, Protesten gegen Chinas Null-Covid-Politik und vielem anderen abzurufen.
Diese aggressive Informationskontrolle ist ein echtes Problem für ein ChatGPT chinesischer Art. Durch Auslöschung wichtiger historischer Ereignisse und der damit verbundenen menschlichen Erfahrungen hat Chinas Zensursystem die Informationsbasis für das Training großer Sprachmodelle durch maschinelles Lernen verengt und verzerrt. Chinas Fähigkeit, von einer intellektuellen KI-Revolution zu profitieren, wird darunter logischerweise leiden.
Die Auswirkungen der Zensur lassen sich natürlich nicht präzise quantifizieren. Doch die alljährliche Freedom-House-Umfrage “Freedom on the Net” bietet eine qualitative Bewertung. Für 2022 weist sie China den niedrigsten Gesamtwert für die Freiheit des Internets unter 70 einbezogenen Ländern zu.
Dieser Wert ergibt sich aus den Antworten auf 21 Fragen (und fast 100 Unterfragen), die sich in drei allgemeine Kategorien einordnen lassen: Zugangshürden, Verstöße gegen Nutzerrechte und inhaltliche Beschränkungen. Die Unterkategorie Inhalt – die die Filterung und Sperrung von Websites, rechtliche Beschränkungen für Inhalte, Dynamik und Vielfalt des online erhältlichen Informationsangebots und die Nutzung digitaler Tools zur Mobilisierung der Bürger umfasst – stellt die bisher genaueste Annäherung an eine Messung der Auswirkungen der Zensur auf die Menge der durchsuchbaren Informationen dar. China erreichte in dieser Kategorie zwei von 35 Punkten, verglichen mit einem Durchschnittswert von 20.
Das dürfte sich auch künftig kaum ändern. Die chinesische Regierung hat bereits einen Entwurf für neue Regeln zu Chatbots veröffentlicht. Am 11. April beschied die chinesische Cyberspace-Behörde (CAC), dass generative KI-Inhalte “sozialistische Kernwerte verkörpern müssen und keine Inhalte enthalten dürfen, die die staatliche Macht untergraben, für den Sturz des sozialistischen Systems eintreten, die Uneinigkeit im Lande fördern oder die nationale Einheit untergraben”.
Dies unterstreicht einen zentralen Unterschied zwischen dem bestehenden Zensursystem und den neuen Bemühungen zur Kontrolle der KI. Während Ersteres eine Filterung nach Schlüsselwörtern nutzt, um nicht genehme Informationen zu blockieren, stützen sich Letztere (wie kürzlich bei einem DigiChina-Forum festgestellt) darauf, die sich rasch ändernde generative Verarbeitung derartiger Informationen in jedem Einzelfall zu unterbinden. Und je mehr sich die CAC bemüht, ChatGPT-Inhalte zu kontrollieren, desto kleiner wird entsprechend der Ausstoß chatbotgenerierter chinesischer Informationen – ein weiteres Hindernis für eine intellektuelle KI-Revolution in China.
Es überrascht daher nicht, dass erste Ergebnisse von Chinas Bemühungen mit generativer KI enttäuschten. Baidus Wenxin Yiyan, oder “Ernie Bot” – Chinas bekanntestes First-Mover-LLM – wurde jüngst in Wired dafür kritisiert, dass es versuche, in “einem von der staatlichen Zensur abgeschotteten Internet zu operieren”. Ähnlich enttäuschende Ergebnisse wurden für andere KI-Sprachverarbeitungsmodelle in China vermeldet, darunter Robot, Lily und Alibabas Tongyi Qianwen (was sich in etwa mit “Wahrheit durch tausend Fragen” übersetzen lässt).
Zudem kam eine aktuelle Beurteilung von NewsGuard – einem “Tool für ein vertrauenswürdiges Internet”, das von einem großen Team angesehener westlicher Journalisten gegründet wurde und unterhalten wird – zu dem Schluss, dass ChatGPT-3.5 von OpenAI auf Chinesisch deutlich mehr falsche oder “halluzinogene” Informationen lieferte als auf Englisch.
Das bemerkenswerte Buch “Kingdom of Characters: The Language Revolution That Made China Modern” der Literaturwissenschaftlerin Jing Tsu unterstreicht die wichtige Rolle, die die Sprache in Chinas Entwicklung seit dem Jahr 1900 gespielt hat. Letztlich ist Sprache nichts weiter als ein Informationsmedium, und in ihrem letzten Kapitel greift Tsu dieses Punkt auf und argumentiert: “Wer immer Informationen kontrolliert, kontrolliert die Welt.”
Im Zeitalter der KI wirft diese Schlussfolgerung profunde Fragen für China auf. Informationen sind der Treibstoff großer KI-Sprachmodelle. Doch die staatliche Zensur bremst China durch kleine Sprachmodelle. Diesem Unterschied könnte im Kampf um die Herrschaft über Informationen und die Weltmacht eine entscheidende Bedeutung zukommen.
Aus dem Englischen von Jan Doolan.
Stephen S. Roach ist ehemaliger Chairman von Morgan Stanley Asia. Er lehrt an der Universität Yale und ist Verfasser mehrerer Bücher, darunter zuletzt Accidental Conflict: America, China, and the Clash of False Narratives (Yale University Press, 2022).
Christoph Karg hat bei der Venta Luftwäscher GmbH den Posten des Area Sales Manager Asien übernommen. Das Unternehmen aus Weingarten stellt Luftbefeuchtungs- und Luftreinigungsgeräte her. Karg hat in Taipeh studiert und in Peking China-Erfahrung gesammelt, unter anderem als Projektmanager bei der Friedrich-Ebert-Stiftung.
Zhishuo Feng wird mit sofortiger Wirkung zum geschäftsführenden Direktor von China Nonferrous Gold ernannt. Das teilte das börsennotierte, auf Tadschikistan fokussierte Goldbergbau-Unternehmen aus Peking am Dienstag mit. Feng folgt auf Hui Zhang, der seinen Rücktritt eingereicht hat.
Ändert sich etwas in Ihrer Organisation? Schicken Sie doch einen Hinweis für unsere Personal-Rubrik an heads@table.media!
China ist im Amphibien-Fieber: Überall im Land gehen derzeit Menschen in Froschkostümen auf die Straße, um zu tanzen, Stunts zu vollführen – oder sich einfach mal so zu benehmen, wie es die sozialen Normen sonst nicht zulassen. Zuletzt haben vor allem Straßenhändler den Trend entdeckt, um ihren Umsatz anzukurbeln. Designt hat das Kostüm eine arbeitslose Kunststudentin aus Nanjing, die selbst damit auf der Straße Spielzeug verkaufte und anschließend in Chinas Sozialmedien viral ging.
Mit seiner “Belt-and-Road”-Initiative will Peking international an Bedeutung gewinnen. Diese globale Macht äußert sich jedoch nicht nur in politischem Einfluss oder großen und bisweilen länderübergreifenden Infrastrukturprojekten, sondern vor allem auch in technischen Details.
Chinesische Unternehmen etablieren in den Ländern der sogenannten Neuen Seidenstraße ihre technologischen Normen und Standards, etwa bei 5G oder Schnellzügen. So kann Peking die Länder langfristig an seine Wirtschaftssphäre binden. Denn wer in einem Bereich die Standards gesetzt hat, dominiert mit seinen Produkten bald auch alle verwandten Sektoren. Wie weit diese Entwicklung bereits fortgeschritten ist, analysiert Finn Mayer-Kuckuk.
An Standards für eine Kommunikation zwischen den Verteidigungsministerien Chinas und der USA mangelt es unterdessen. Zuletzt verweigerte der chinesische Verteidigungsminister Li Shangfu am Rande des Shangri-La-Sicherheitsdialogs in Singapur seinem US-amerikanischen Amtskollegen Lloyd Austin ein Gespräch.
Erst wenn die Vereinigten Staaten “unverzüglich ihre falschen Praktiken korrigieren” und “die notwendige Atmosphäre” für ein Treffen schaffen würden, sei man zum Reden bereit. Ein Grund: Li ist von Washington mit Sanktionen belegt. Ein echter Dialog scheint angesichts zunehmend diametraler Standpunkte immer unmöglicher, wie Fabian Kretschmer analysiert. Und diese Funkstille ist gefährlich.
Mit dem Seidenstraßen-Projekt ist China 2013 als großer Spieler in die internationale Zusammenarbeit eingestiegen – und Normen und Standards waren von Anfang an ein wichtiger Teil der Strategie. “China spielt eine aktive Rolle beim Setzen von Standards im Rahmen der Belt-and-Road-Initiative“, sagt Tim Rühlig vom Zentrum für Geopolitik, Geoökonomie und Technologie der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP). “Es erhält dadurch zunehmend Macht und Einfluss im Wettbewerb digitaler Technologien.”
Inzwischen sind 151 Länder der Belt-and-Road-Initiative (BRI) beigetreten. Eine runde Billion Euro an Fördermitteln wurden im Rahmen der Projekte bereits vergeben – wie viel genau, weiß niemand. Seit 2015 hat der Geldstrom zwar etwas abgenommen, doch China ist für viele bisher vernachlässigte Länder längst der wichtigste Partner.
Das Setzen technischer Standards ist kein einmaliger Vorgang, bei dem China einem Partnerland die Regeln diktiert. Es handelt sich vielmehr um einen fortlaufenden Prozess, wie Rühlig erläutert. Chinesische Unternehmen setzen Impulse für die örtliche Standardisierung, indem sie ihre Produkte anbieten. Meist kommt das Bedürfnis nach technischer Regulierung durch den jeweiligen Staat ganz von selbst auf, nachdem sich ein Produkt etabliert hat. Dann treten chinesische Regierungsstellen sogleich als Berater auf. Nur wenige Technikgenerationen später dominieren chinesische Standards.
Beispiel 5G: Huawei und ZTE sind nicht nur durch gute Geschäfte in Europa zu globalen Marktführern aufgestiegen. In weiten Teilen des Globalen Südens, und insbesondere entlang der Seidenstraße, haben sie schnelle Netze in weite Landstriche gebracht. Zwar hat sich die Mobilfunkindustrie länderübergreifend auf die offene Plattform Open RAN geeinigt; zumindest gilt das für die Geräte, die direkt zum Endkunden funken. Doch China dominiert die technische Weiterentwicklung und bestimmt den Standard entscheidend mit.
Beispiel Zugtechnik: Die Wagen der chinesischen Hochgeschwindigkeitszüge mögen von Shinkansen, ICE und TGV abgeleitet sein, doch die Signaltechnik ist eine Eigenentwicklung. Die Systeme sind nicht mit ihren westlichen oder japanischen Gegenstücken kompatibel. DGAP-Experte Rühlig vermutet hier Absicht. Der Export der Zugtechnik war von Anfang an ein Ziel des chinesischen Bahnausbaus. Seidenstraßen-Länder, die jetzt ihre ersten modernen Bahnstrecken erhalten, legen sich gleich auf chinesische Signalstandards fest.
Wer technische Standards setzt, hat laut Rühlig gleich mehrere Vorteile:
USA und Europa haben lange die Mehrheit der technischen Standards gesetzt. Es gibt jedoch Unterschiede zum Agieren Chinas. “In den USA werden technische Standards vor allem von privaten Akteuren geschrieben”, so Rühlig. “In China spielt der Parteistaat eine wesentlich größere Rolle.” Peking politisiere also die Standards.
Doch nicht nur das Setzen technischer Normen entlang der Seidenstraße verschafft China einen Vorteil, sondern auch der Verzicht auf ethische Anforderungen an die Nehmerländer. Während die EU künftig auf saubere Lieferketten achten will, baut China keine solchen Hürden für den Handel auf. Das Schlagwort dafür ist das Prinzip der voraussetzungslosen Zusammenarbeit.
Das Prinzip gilt offiziell und wird auch ausgesprochen. Auf dem China-Afrika-Forum 2018 hat Peking die “fünf Neins” formuliert:
Das Muster ist nur logisch: China setzt technische Standards, weil es technisch gut ist – es setzt aus naheliegenden Gründen aber keine Standards in Hinblick auf Demokratie oder Transparenz. Peking fordert selbst Nichteinmischung und bietet sie auch anderen.
Anders gesagt: China exportiert seine eigenen niedrigen ethischen Standards. Gerade in Ländern mit Korruptionsproblemen verschärfen die BRI-Milliarden die Probleme daher noch.
Den Verantwortlichen in Peking ist allerdings nicht entgangen, wie sehr solche Vorgänge dem Image der BRI schaden. Nicht zuletzt ist China selbst Teil der Uno-Konvention gegen Korruption. Deshalb hat es 2019 die Säuberung des BRI-Projekts von Bestechlichkeit verkündet. Sie sei jetzt “green and clean”, sagte Xi Jinping stolz.
Das “green” markiert ein wichtiges Umsteuern, das bereits erfolgt ist. Im Jahr 2015 hat Peking die Vergabe von Seidenstraßenmitteln an Umweltstandards geknüpft und hält sich seitdem auch mehr und mehr daran (mit Ausnahmen). Auch das ist folgerichtig, schließlich stilisiert China sich selbst als Umwelt-Vorreiter.
Am Wochenende hatte US-Verteidigungsminister Lloyd Austin um ein Treffen mit seinem chinesischen Amtskollegen Li Shangfu gebeten. Das Gespräch hätte am Rande des Shangri La-Sicherheitsdialogs in Singapur stattfinden und angesichts der rekordhohen Spannungen zwischen den zwei Weltmächten für Deeskalation sorgen sollen. Doch dazu kam es nicht: Peking lehnte das Gesprächsangebot der Amerikaner mit ungewöhnlich schroffen Worten ab. Am Dienstag untermauerte die chinesische Regierung ihre Position. Erst wenn die Vereinigten Staaten “unverzüglich ihre falschen Praktiken korrigieren” und “die notwendige Atmosphäre” für ein Treffen schaffen würden, sei man zum Reden wieder bereit.
Gerade über das Militär aber sollten beide Seiten sprechen. Eine militärische Auseinandersetzung scheint mittlerweile nicht mehr nur wie ein denkbares Szenario, sondern bisweilen wie eine wahrscheinliche Option. Wer sich dieser Tage innerhalb Washingtoner Denkfabriken oder Pekinger Regierungskonferenzen umhört, ist nicht selten schockiert ob der jeweiligen Wahrnehmung des Gegenübers. Für die internationale Staatengemeinschaft geben die frostigen Beziehungen zwischen den zwei führenden Volkswirtschaften daher Anlass zu tiefer Sorge.
Dass nun selbst manche der grundlegendsten Kommunikationskanäle zwischen den zwei Staaten eingefroren sind, erhöht das Risiko. Noch 2013 gab es insgesamt 40 bilaterale Treffen zwischen Militärvertretern, im Vorjahr waren es lediglich vier. Dabei sind Gespräche gerade für die Militärs essenziell wichtig – allein schon, um im Ernstfall Missverständnisse und versehentliche Eskalationen zu vermeiden. Mögliche Anlässe gab es in jüngster Vergangenheit bereits zur Genüge, zuletzt etwa beim Abschuss des chinesischen Spionageballons vor amerikanischem Territorium. Auch im Südchinesischen Meer warnen Experten regelmäßig vor versehentlichen Zusammenstößen von Schiffen oder Flugzeugen beider Staaten.
Für die gehäuften Absagen aus Peking liegt ein offensichtlicher Grund auf der Hand: Chinas Verteidigungsminister Li Shangfu steht seit Herbst 2018 auf der US-Sanktionsliste, da er laut Angaben des Weißen Hauses an “an bedeutenden Transaktionen” beteiligt war, bei denen es unter anderem um die Lieferung russischer Kampfflugzeuge nach China ging. “Wenn der US-Verteidigungsminister unter chinesischen Sanktionen stünde, würde er dann ein Gesprächsangebot annehmen?”, kommentierte Dennis Wilder, Sinologe von der Washingtoner Georgetown Universität.
Immerhin gab es zuletzt auf anderen Politikfeldern wieder mehr Kontakt. Anfang Mai traf US-Botschafter Nicholas Burns mit dem chinesischen Außenminister Qin Gang zusammen, in Wien Chinas Top-Diplomat Wang Yi mit Jake Sullivan, Bidens Nationalem Sicherheitsberater. Handelsminister Wang Wentao traf sich in den USA mit seiner US-Amtskollegin Gina Raimondo und der Handelsbeauftragten Katherine Tai. US-Präsident Joe Biden hatte kurz nach dem G7-Gipfel gar den “Beginn eines Tauwetters” angekündigt. Außenminister Qin Gang empfing am Dienstag in Peking Tesla-Chef Elon Musk und sagte eine Fortsetzung der Öffnungspolitik zu.
Doch zugleich geht der Tech-Krieg zwischen beiden unvermindert weiter. Peking antwortete kürzlich auf die immer länger werdenden Sanktionslisten der USA, indem es ein teilweises Verkaufsverbot für Micron Technology, den größten Speicherchiphersteller der USA, in China erließ. Es bleibt also schwierig.
Die Absage des Militärdialogs ist daher kein gutes Zeichen. Die Anreize für China, einen Dialog mit der US-Regierung in schwierigen Bereichen zu forcieren, sind auch aufgrund des Zeitpunkts überaus gering. Man weiß in Peking bestens über den Wahlzyklus in Washington Bescheid, und dass der populistische Stimmenfang schon jetzt das Handeln der US-Regierung beeinflusst. Zudem ist jede investierte Mühe eine ungewisse Wette in die Zukunft: Ab Januar 2025 könnte bereits ein anderer Präsident im Amt sein, möglicherweise gar wieder Donald Trump. Der zeitliche Horizont der kommunistischen Partei hingegen reicht über Dekaden.
Darüber hinaus kommen immer mehr Parteikader in Peking offenbar zu dem Schluss, dass ein Dialog mit den USA ohnehin verschwendete Zeit sei. Die Standpunkte seien diametral entgegengesetzt, ein inhaltlicher Austausch nahezu unmöglich. Und am Ende, so heißt es, würde Washington an der vorgeworfenen “Eindämmungspolitik” ohnehin festhalten. Eine neue Nummer Eins würden die USA keineswegs dulden.
In einer Stellungnahme gegenüber des “Wall Street Journal” bringt es ein Sprecher der chinesischen Botschaft in Washington unmissverständlich auf den Punkt: “Die USA versuchen, China mit allen möglichen Mitteln zu unterdrücken und sie verhängen weiterhin Sanktionen gegen chinesische Beamte, Institutionen und Unternehmen. (…) Ist eine solche Kommunikation wirklich aufrichtig?”
Früher argumentierte man in Peking noch, dass ein weitgehend friedliches Ablösen einer Weltmacht durch die nächste möglich sei – wie es etwa zwischen Großbritannien und den Vereinigten Staaten zu Beginn des 20. Jahrhunderts der Fall war. Mittlerweile zieht man dort hingegen fast ausschließlich die sogenannte Thukydides-Falle heran. Diese beschreibt – in historischer Anlehnung an den Konflikt zwischen Athen und Sparta – die hohe Wahrscheinlichkeit für einen Krieg, wenn eine aufstrebende Macht einen bestehenden Hegemon abzulösen droht.
Doch angesichts der wirtschaftlich schleppenden Erholung, dem drohenden demografischen Wandel und den geopolitischen Spannungen dürfte Chinas Weg an die Spitze ohnehin deutlich länger dauern, als es die meisten Ökonomen noch vor der Pandemie prognostiziert hatten. Fabian Kretschmer, Mitarbeit: Christiane Kühl
Sinolytics ist ein europäisches Beratungs- und Analyseunternehmen, das sich auf China spezialisiert hat. Es berät europäische Unternehmen bei der strategischen Ausrichtung und den konkreten Geschäftsaktivitäten in der Volksrepublik.
Die strengere Auslegung des geplanten EU-Lieferkettengesetz steht auf der Kippe. Innerhalb der größten Fraktion im EU-Parlament, der EVP, formiert sich derzeit Widerstand gegen den Bericht, über den am Donnerstag im Plenum abgestimmt werden soll. Auch die liberale Renew-Fraktion meldete teilweise Bedenken an. Das Papier soll die Verhandlungsgrundlage des Parlaments mit den anderen EU-Institutionen sein; das EU-Parlament hatte eigentlich eine strenge Auslegung anvisiert.
Das EU-Lieferkettengesetz wird künftig auch auf den Handel mit China Einfluss haben. Bei der Debatte geht es unter anderem um die Reichweite des geplanten Gesetzes und die Verantwortlichkeit der Vorstände von Unternehmen. “Wir als CDU/CSU-Gruppe werden am Donnerstag gegen den Bericht stimmen”, sagt der Co-Vorsitzende der EVP, Daniel Caspary, zu Table.Media. Er empfange auch aus den anderen großen EVP-Delegationen “klare Signale”, dass diese den Entwurf ebenfalls kritisch sähen, so der CDU-Politiker. Er warnte auch vor einem Verlust der Wettbewerbsfähigkeit der EU. Das Gesetz verbessere so nicht die Bedingungen in ärmeren Ländern – sondern führe dazu, dass sich europäische Unternehmen zurückzögen und etwa chinesischen Konkurrenten das Feld überließen, sagte Caspary.
Sollte der Bericht am Donnerstag im Plenum durchfallen, wird er an den Ausschuss zurückverwiesen zur Nacharbeit. Die geplante EU-Gesetzgebung soll generell schärfer ausfallen als das deutsche Lieferkettengesetz. Beschlossen wird es im sogenannten Trilog: Beteiligt sind also neben dem EU-Parlament auch der EU-Rat und die EU-Kommission, die ihre eigenen Entwürfen einbringen. wir/ari
Nach der Rückkehr des Ukraine-Sondergesandten Li Hui nach China hat ein Bericht des Wall Street Journal eine Debatte um angebliche Äußerungen des Diplomaten ausgelöst. Li habe seine Gesprächspartner in Europa dazu aufgefordert, Kiew zu einem sofortigen Waffenstillstand zu drängen, berichtete die US-Zeitung unter Berufung auf anonyme Diplomaten, die mit dem Inhalt der Gespräche Lis vertraut sein sollen. Der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba wies diese Darstellung in einem Videobeitrag auf Facebook allerdings zurück.
Eine solche Forderung würde einen Tabubruch darstellen, da sie faktisch ein Einfrieren des Konfliktes entlang der jetzigen Front bedeutet – und damit die Ukraine Russland die derzeit besetzten Territorien überlassen müsste. Bislang hat China offiziell stets die Souveränität und die territoriale Integrität beider Konfliktpartner betont – wenn auch ohne Details, und ohne Russlands Invasion zu verurteilen. “Wir haben erklärt, dass ein Einfrieren des Konflikts nicht im Interesse der internationalen Gemeinschaft ist, solange die russischen Truppen nicht abgezogen werden”, zitierte das Wall Street Journal einen Diplomaten, der mit Li Hui gesprochen haben soll.
Kuleba reagierte offenbar sofort nach der Veröffentlichung des Beitrags. “Ich habe mich sofort mit meinen Kollegen in den Hauptstädten, die er besucht hat, in Verbindung gesetzt”, sagte er in dem Video. Keiner von ihnen habe bestätigt, dass es mit Li Verhandlungen über die Anerkennung besetzter ukrainischer Gebiete als russisches Territorium gegeben hätte. “Deshalb bitte ich Sie dringend, einen kühlen Kopf zu bewahren und Ihren gesunden Menschenverstand zu gebrauchen”, mahnte Kuleba. Es gebe keinen Grund, “emotional auf jeden Artikel zu reagieren. Wir kontrollieren den Prozess.” Kiew werde weiter mit Peking im Gespräch bleiben, sagte Kuleba.
Li Hui hatte auf seiner Friedensmission zunächst in Kiew Kuleba und auch Präsident Wolodymyr Selenskyj getroffen. “Es gibt kein Allheilmittel zur Lösung der Krise“, räumte Li dort nach seinen Treffen ein. Anschließend flog er nach Berlin, Warschau, Paris und Brüssel. Dort soll er hauptsächlich auf Ebene der Staatssekretäre empfangen worden sein; über diese Treffen ist bislang nichts bekannt. Am Wochenende traf Li in Moskau mit Außenminister Sergej Lawrow zusammen. Dieser dankte China nach Angaben seines Ministeriums für seine “ausgewogene Position” und Bereitschaft, eine positive Rolle zu spielen. ck
Drei Astronauten sind zum ersten vollständigen Besatzungswechsel auf der neuen chinesischen Raumstation Tiangong ins All gestartet. ihr Raumschiff “Shenzhou 16” hob am Dienstag mit einer Trägerrakete vom Typ “Langer Marsch 2F” vom Raumfahrtbahnhof Jiuquan in der Provinz Gansu ab. Sie erreichte eine gute Viertelstunde später die Umlaufbahn. Auch die Sonnensegel entfalteten sich nach Angaben des Raumfahrtzentrums wie vorgesehen.
“Shenzhou 16” ist bereits die fünfte bemannte Mission zur chinesischen Raumstation, die Anfang des Jahres ohne viel Aufhebens ihren regulären Betrieb aufgenommen hatte. Anfang Mai brachte ein Frachtflug Versorgungsgüter, Nahrung, Ersatzteile und 600 Kilogramm Treibstoff zur Tiangong (“Himmelspalast”), um den Aufenthalt der drei neuen Astronauten vorzubereiten. Sie sollen ihre Kollegen nach einem halben Jahr im All ablösen – und nun selbst rund fünf Monate auf der Tiangong bleiben. Unter ihnen ist mit dem Wissenschaftler Gui Haichao von der Pekinger Universität für Luft- und Raumfahrt erstmals in der chinesischen Raumfahrtgeschichte ein Zivilist.
Bis 2030 will China erstmals Astronauten auf den Mond bringen. Die USA planen sogar ab Ende 2025 wieder eine bemannte Landung auf dem Erdtrabanten. Beide Raumfahrtnationen haben den Mond-Südpol im Blick, wo gefrorenes Wasser vermutet wird. ck
Der ehemalige Leiter des chinesischen Zentrums für Seuchenkontrolle (CDC), George Gao, schließt die Möglichkeit nicht aus, dass das Covid-Virus aus einem Labor ausgetreten ist. Das erklärte der Wissenschaftler in einem Podcast von BBC News. “Man darf immer alles vermuten. So ist das in der Wissenschaft. Schließe nichts aus”, erklärte Gao, der seit seinem Ausscheiden aus dem CDC als Vizepräsident der National Natural Science Foundation of China tätig ist.
Nach dem Ausbruch des Virus spielte Gaos Behörde eine Schlüsselrolle bei den Bemühungen, die Ursprünge des Virus zu ermitteln. Chinas Regierung weist bis heute jeden Verdacht zurück, dass die Krankheit in einem Labor in Wuhan entstanden sein könnte. Laut Gao habe die chinesische Regierung jedoch eine Art formale Untersuchung des Wuhan Institute of Virology (WIV) durchgeführt, was darauf hindeute, dass sie den Verdacht durchaus ernst genommen habe. Das CDC sei jedoch nicht in diese Untersuchung involviert gewesen. Er habe jedoch “gehört”, dass bei der Untersuchung “kein Fehlverhalten festgestellt” worden sei, erklärte Gao weiter. fpe
In seinem inzwischen zum Klassiker avancierten, 2018 erschienenen Buch “AI Superpowers” stellte Kai-Fu Lee die provozierende These auf, dass China für die USA eine wachsende technologische Bedrohung darstelle. Als Lee Ende 2019 einen Gastvortrag vor den Teilnehmern meines Kurses “Das neue China” in Yale hielt, waren meine Studenten von seiner provokanten Argumentation fasziniert: Amerika sei dabei, angesichts von Chinas Vorteil bei der Umsetzung (Big-Data-Anwendungen) seinen First-Mover-Vorteil im Bereich der Entdeckung (der Expertise bei KI-Algorithmen) einzubüßen.
Freilich ließ Lee dabei eine zentrale Entwicklung unberücksichtigt: das Aufkommen großer Sprachmodelle (LLM) und der generativen künstlichen Intelligenz. Während er auf eine allgemeinere Form von Universaltechnologie verwies, die er auf die Industrielle Revolution zurückführte, erfasste er den ChatGPT-Rausch, der inzwischen die KI-Debatte bestimmt, nicht im Ansatz. Zwar enthielten Lees Argumente vage Hinweise auf “Deep Learning” und neurale Netzwerke. Doch es ging dabei viel mehr um das Potenzial der KI, von Menschen ausgeführte Tätigkeiten zu ersetzen, als um die Möglichkeiten einer “künstlichen allgemeinen Intelligenz”, die dem menschlichen Denken nahekommt. Was Chinas Zukunft als KI-Supermacht angeht, ist das durchaus kein trivialer Aspekt.
Das liegt daran, dass die chinesische Zensur diese Zukunft schwer infrage stellt. In einem kürzlich erschienenen Essay bringen Henry Kissinger, Eric Schmidt und Daniel Huttenlocher – deren 2021 erschienenes Buch auf das Potenzial einer Universal-KI hinwies – starke Argumente dafür vor, dass wir am Rande einer durch ChatGPT und Co. ermöglichten intellektuellen Revolution stehen. Sie sprechen darin nicht nur die von großen generativen Sprachmodellen ausgehenden moralischen und philosophischen Herausforderungen an. Sondern sie werfen auch wichtige praktische Fragen zur Umsetzung auf, die direkten Einfluss auf den Umfang des in die verarbeitete Sprache eingebetteten Wissensfundus haben.
Genau hier lässt Chinas strenges Zensursystem die Alarmglocken schrillen. Während die Zensur im Osten wie im Westen eine lange, umfangreiche Geschichte hat, ragt die Propagandaabteilung der Kommunistischen Partei Chinas in ihren Bemühungen heraus, alle Aspekte der Meinungsäußerung in der chinesischen Gesellschaft – Presse, Film, Literatur, Medien und Bildung – zu kontrollieren und die Kultur und Werte zu steuern, die die öffentliche Debatte formen.
Anders als im Westen, wo alles seinen Weg ins Internet findet, beharren Chinas Zensoren auf der Einhaltung strenger politischer Richtlinien zur KPCh-konformen Informationsverbreitung. Chinas Internetnutzer sind nicht imstande, Texte zur ein Jahrzehnt währenden Kulturrevolution, der Tragödie auf dem Platz des himmlischen Friedens im Juni 1989, Menschenrechtsproblemen in Tibet und Xinjiang, den Spannungen mit Taiwan, den Demokratieprotesten des Jahres 2019 in Hongkong, Protesten gegen Chinas Null-Covid-Politik und vielem anderen abzurufen.
Diese aggressive Informationskontrolle ist ein echtes Problem für ein ChatGPT chinesischer Art. Durch Auslöschung wichtiger historischer Ereignisse und der damit verbundenen menschlichen Erfahrungen hat Chinas Zensursystem die Informationsbasis für das Training großer Sprachmodelle durch maschinelles Lernen verengt und verzerrt. Chinas Fähigkeit, von einer intellektuellen KI-Revolution zu profitieren, wird darunter logischerweise leiden.
Die Auswirkungen der Zensur lassen sich natürlich nicht präzise quantifizieren. Doch die alljährliche Freedom-House-Umfrage “Freedom on the Net” bietet eine qualitative Bewertung. Für 2022 weist sie China den niedrigsten Gesamtwert für die Freiheit des Internets unter 70 einbezogenen Ländern zu.
Dieser Wert ergibt sich aus den Antworten auf 21 Fragen (und fast 100 Unterfragen), die sich in drei allgemeine Kategorien einordnen lassen: Zugangshürden, Verstöße gegen Nutzerrechte und inhaltliche Beschränkungen. Die Unterkategorie Inhalt – die die Filterung und Sperrung von Websites, rechtliche Beschränkungen für Inhalte, Dynamik und Vielfalt des online erhältlichen Informationsangebots und die Nutzung digitaler Tools zur Mobilisierung der Bürger umfasst – stellt die bisher genaueste Annäherung an eine Messung der Auswirkungen der Zensur auf die Menge der durchsuchbaren Informationen dar. China erreichte in dieser Kategorie zwei von 35 Punkten, verglichen mit einem Durchschnittswert von 20.
Das dürfte sich auch künftig kaum ändern. Die chinesische Regierung hat bereits einen Entwurf für neue Regeln zu Chatbots veröffentlicht. Am 11. April beschied die chinesische Cyberspace-Behörde (CAC), dass generative KI-Inhalte “sozialistische Kernwerte verkörpern müssen und keine Inhalte enthalten dürfen, die die staatliche Macht untergraben, für den Sturz des sozialistischen Systems eintreten, die Uneinigkeit im Lande fördern oder die nationale Einheit untergraben”.
Dies unterstreicht einen zentralen Unterschied zwischen dem bestehenden Zensursystem und den neuen Bemühungen zur Kontrolle der KI. Während Ersteres eine Filterung nach Schlüsselwörtern nutzt, um nicht genehme Informationen zu blockieren, stützen sich Letztere (wie kürzlich bei einem DigiChina-Forum festgestellt) darauf, die sich rasch ändernde generative Verarbeitung derartiger Informationen in jedem Einzelfall zu unterbinden. Und je mehr sich die CAC bemüht, ChatGPT-Inhalte zu kontrollieren, desto kleiner wird entsprechend der Ausstoß chatbotgenerierter chinesischer Informationen – ein weiteres Hindernis für eine intellektuelle KI-Revolution in China.
Es überrascht daher nicht, dass erste Ergebnisse von Chinas Bemühungen mit generativer KI enttäuschten. Baidus Wenxin Yiyan, oder “Ernie Bot” – Chinas bekanntestes First-Mover-LLM – wurde jüngst in Wired dafür kritisiert, dass es versuche, in “einem von der staatlichen Zensur abgeschotteten Internet zu operieren”. Ähnlich enttäuschende Ergebnisse wurden für andere KI-Sprachverarbeitungsmodelle in China vermeldet, darunter Robot, Lily und Alibabas Tongyi Qianwen (was sich in etwa mit “Wahrheit durch tausend Fragen” übersetzen lässt).
Zudem kam eine aktuelle Beurteilung von NewsGuard – einem “Tool für ein vertrauenswürdiges Internet”, das von einem großen Team angesehener westlicher Journalisten gegründet wurde und unterhalten wird – zu dem Schluss, dass ChatGPT-3.5 von OpenAI auf Chinesisch deutlich mehr falsche oder “halluzinogene” Informationen lieferte als auf Englisch.
Das bemerkenswerte Buch “Kingdom of Characters: The Language Revolution That Made China Modern” der Literaturwissenschaftlerin Jing Tsu unterstreicht die wichtige Rolle, die die Sprache in Chinas Entwicklung seit dem Jahr 1900 gespielt hat. Letztlich ist Sprache nichts weiter als ein Informationsmedium, und in ihrem letzten Kapitel greift Tsu dieses Punkt auf und argumentiert: “Wer immer Informationen kontrolliert, kontrolliert die Welt.”
Im Zeitalter der KI wirft diese Schlussfolgerung profunde Fragen für China auf. Informationen sind der Treibstoff großer KI-Sprachmodelle. Doch die staatliche Zensur bremst China durch kleine Sprachmodelle. Diesem Unterschied könnte im Kampf um die Herrschaft über Informationen und die Weltmacht eine entscheidende Bedeutung zukommen.
Aus dem Englischen von Jan Doolan.
Stephen S. Roach ist ehemaliger Chairman von Morgan Stanley Asia. Er lehrt an der Universität Yale und ist Verfasser mehrerer Bücher, darunter zuletzt Accidental Conflict: America, China, and the Clash of False Narratives (Yale University Press, 2022).
Christoph Karg hat bei der Venta Luftwäscher GmbH den Posten des Area Sales Manager Asien übernommen. Das Unternehmen aus Weingarten stellt Luftbefeuchtungs- und Luftreinigungsgeräte her. Karg hat in Taipeh studiert und in Peking China-Erfahrung gesammelt, unter anderem als Projektmanager bei der Friedrich-Ebert-Stiftung.
Zhishuo Feng wird mit sofortiger Wirkung zum geschäftsführenden Direktor von China Nonferrous Gold ernannt. Das teilte das börsennotierte, auf Tadschikistan fokussierte Goldbergbau-Unternehmen aus Peking am Dienstag mit. Feng folgt auf Hui Zhang, der seinen Rücktritt eingereicht hat.
Ändert sich etwas in Ihrer Organisation? Schicken Sie doch einen Hinweis für unsere Personal-Rubrik an heads@table.media!
China ist im Amphibien-Fieber: Überall im Land gehen derzeit Menschen in Froschkostümen auf die Straße, um zu tanzen, Stunts zu vollführen – oder sich einfach mal so zu benehmen, wie es die sozialen Normen sonst nicht zulassen. Zuletzt haben vor allem Straßenhändler den Trend entdeckt, um ihren Umsatz anzukurbeln. Designt hat das Kostüm eine arbeitslose Kunststudentin aus Nanjing, die selbst damit auf der Straße Spielzeug verkaufte und anschließend in Chinas Sozialmedien viral ging.