Table.Briefing: China

Peng Shuai + Siemens-Sparte vor Verkauf + Zug nach Laos

  • Übernimmt Hisense die Verkehrstechnik-Sparte von Siemens?
  • Verschwundener Tennisstar Peng Shuai meldet sich mutmaßlich mit E-Mail
  • Mit dem Schnellzug von Yunnan nach Laos
  • Termine der kommenden Woche
  • Zentralbank stellt Geld für “saubere Kohle” zur Verfügung
  • Allianz übernimmt vollständige Kontrolle bei Lebensversicherer
  • Haft für Hongkonger Demokratie-Aktivisten
  • Einweihung von Taiwan-Büro in Litauen
  • Johnny Erling: Personenkult um Xi erreicht fast Mao-Ausmaß
  • Beijing Foton Daimler Automotive mit neuem CEO
Liebe Leserin, lieber Leser,

Namen wie Kion, Putzmeister, Kuka oder Volvo stehen als Beispiel für hochkarätige, langfristig orientierte Übernahmen durch chinesische Konzerne in Europa. Nun könnte noch ein weiterer hinzukommen: Medienberichten zufolge hat Hisense Interesse an der Siemens-Mobility-Tochter Yunex angemeldet. Als Kaufangebot schwebt eine Milliarde US-Dollar im Raum. Angesichts der schnellen Digitalisierung des Verkehrs in China wäre der Zukauf besonders passend, analysiert Finn Mayer-Kuckuk.

Die chinesische Wimbledon-Siegerin Peng Shuai ist seit gut zwei Wochen von der Bildfläche verschwunden. Peng hatte zu Beginn des Monats Vorwürfe des sexuellen Missbrauchs gegen einen chinesischen Spitzenpolitiker veröffentlicht. Seither fehlt von ihr jede Spur. In einer mutmaßlich von Peng geschriebenen E-Mail erklärt die Sportlerin: “Alles ist gut”. Doch es gibt Zweifel an der Echtheit der Nachricht. Allerdings nur international. Und in der Volksrepublik? Unsere Kollegen in China berichten: Statt sich um Aufklärung zu bemühen, geht Peking mit harter Zensur vor.

Wir werfen außerdem einen Blick auf das Bahnprojekt zwischen Kunming und Laos. Nach sechs Jahren Bauzeit hat China die erste Hochgeschwindigkeitsstrecke mit Verbindung ins Ausland fertiggestellt, ab dem 2. Dezember sollen dort erste Züge rollen. Andernorts jedoch stehen die ambitionierten Eisenbahn-Pläne der Volksrepublik still, auch wegen der Corona-Pandemie. Peking wird deshalb seine Pläne aber nicht ändern, schreibt Frank Sieren – denn die Volksrepublik will die Nachbarländer mit einem Hochgeschwindigkeitszugnetz an sich binden.

Unser Kolumnist Johnny Erling hat sich indes die “historische” Resolution des 6. Plenums noch einmal angesehen. Er stellt fest: Fünf Jahre nachdem Xi Jinping zum “Kern” der Partei ernannt wurde, sitzt er heute fester als je zuvor im Sattel. Er lässt sich wie einst Mao Zedong als Volksführer, Oberkommandierender oder fast mit den gleichen Worten wie einst Mao als Chinas Steuermann anreden. Die höchste Ehrenbezeichnung fehlt ihm allerdings noch: Dass ihn die Nation mit dem Ruf  万岁 hochleben lässt, dem Wunsch nach einem “zehntausend Jahre” währenden Leben. 

Wir wünschen Ihnen ein schönes Wochenende!

Ihre
Amelie Richter
Bild von Amelie  Richter

Analyse

Hisense interessiert sich für die Verkehrstechnik-Sparte von Siemens

Der chinesische Hausgerätekonzern Hisense hat Interesse an einer Übernahme der Verkehrstechnik-Sparte “Yunex” von Siemens. Das berichtet das chinesische Wirtschaftsmedium 21st Century Business Herald. Yunex Traffic, wie das Siemens-Teilunternehmen seit Juli 2021 heißt, bietet komplette IT-Pakete zur Steuerung des Verkehrs an. Dazu gehören Ampeln und Kameras, aber auch Server und Software. Das wiederum passt bestens zur Hisense-Sparte TransTech. Deren Präsident Zhang Sihai kündigte in einem Interview eine konsequente internationale Expansion an. Der Kaufpreis soll den Berichten zufolge eine Milliarde US-Dollar betragen.

Siemens Mobility wollte den Bericht gegenüber Table.Media am Donnerstag nicht kommentieren. Eine Übernahme durch Hisense hätte aber zumindest aus chinesischer Sicht Sinn. Schon vergangene Woche wurden Gerüchte laut, dass Siemens einen Käufer für Yunex sucht. Zu den anderen Bietern gehören Berichten zufolge der italienische Maut-Betreiber Autostrade und der Finanzinvestor Bridgepoint. Von Hisense als möglichem Käufer war in der deutschen Presse allerdings bislang noch nichts zu lesen. Yunex ist eine Tochter von Siemens Mobility, die beispielsweise Züge herstellt.

Digitalisierung des Verkehrs ist in vollem Gange

In China ist die Urbanisierung weiter in vollem Gange. Bis 2035 sollen 75 Prozent der Bevölkerung in Städten wohnen. Derzeit liegt die Urbanisierungsrate noch bei 64 Prozent. Ungefähr 150 Millionen Menschen werden also in den kommenden Jahren aus einem ländlichen in ein städtisches Umfeld ziehen. Die Städte ächzen jedoch jetzt schon unter Verkehrsproblemen. Moderne Technik soll helfen, Ordnung ins Chaos zu bringen.

Chinas Städte sind daher besonders offen für Digitalisierung. Deutschland nimmt seine Verkehrsinfrastruktur dagegen im Wesentlichen als fertig ausgebaut wahr und hegt Widerstände gegen Veränderung. Aus deutschen Stadtverwaltungen ist von erheblichen Hürden auf dem Weg zu digitalem Verkehrsmanagement zu hören. Das Geld fehlt. Es gibt nicht genug Mitarbeiter, die sich mit Computern auskennen. Datenschützer können Projekte abschießen, ohne konstruktive Gegenvorschläge machen zu müssen. Die Bürger sind von Neuerungen genervt.

In China dagegen entstehen nicht nur ganze Stadtteile neu. Es findet ein technisch getriebener Auf- und Umbau des Verkehrswesens statt. Derzeit läuft beispielsweise die Einführung des Führerscheins als App. Es reicht, am Steuer das Handy dabeizuhaben. Der Telekom-Ausrüster Huawei testet bereits smarte Straßen. Ampeln, Sensoren im Fahrbahnbelag, Kameras, Radarmasten und Sender an Verkehrsschildern sind vernetzt und kommunizieren mit den Rechnern in den Autos. Bis 2025 soll die Hälfte aller verkauften Autos die nötige Ausrüstung haben, um solche Infrastruktur zu nutzen. Chinas Markt für moderne Mobilitätsausrüstung ist riesig und wächst.

Das Profil von Yunex würde zu China passen

Hisense TransTech möchte hier ganz vorne mitmischen. Das Unternehmen sitzt in der Küstenstadt Qingdao. Es wurde 1998 gegründet. Es ist auf die Entwicklung und Herstellung von intelligenten Verkehrstechnik- und Überwachungsprodukten ausgerichtet. Auch Überwachungskameras gehören zu den Produkten des Unternehmens – der Markt dafür ist in China bekanntlich besonders groß. Das Unternehmen hat zuletzt zahlreiche Patente im Bereich der Verkehrssteuerung angemeldet. Kürzlich hat sich Hisense beispielsweise die Rechte an einer Weiterentwicklung der Signalsteuerung für Schnellzugstrecken gesichert.

Yunex Traffic beschreibt sich selbst als Weltmarktführer bei Mobilitätsausrüstung “auf der Straße und in den Städten”. Das Unternehmen macht rund 600 Millionen Euro Umsatz. Es hat das reine Geschäft mit Verkehrsampeln längst hinter sich gelassen. Der treibende Gedanke ist heute der einer intelligenten Stadt. Sie soll zusammen mit vernetzten Autos Teil einer riesigen Mobilitätsmaschine werden. Der Auftragseingang wächst um acht Prozent pro Jahr. Das Unternehmen ist in 40 Ländern tätig. Es hat bereits Dubai, London, Bogota und Miami mit moderner Technik versorgt. Die Sparte hieß bis zu diesem Sommer “Intelligent Traffic Systems” (ITS).

So ein Zukauf wäre ganz nach chinesischem Geschmack. Ein Kaufpreis von einer Milliarde wäre großzügig bemessen, was Hisense eine reale Chance im Bieterwettstreit gäbe. Die Übernahme würde sich in die Reihe der größeren Zukäufe auf dem europäischen Markt einreihen. Sie würde dann neben Namen wie Kion, Putzmeister, Kuka oder Volvo als Beispiel für hochkarätige, langfristig orientierte Übernahmen durch chinesische Konzerne stehen.

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    Der Fall Peng Shuai: Mysteriöse Nachricht als Lebenszeichen

    Zwei Wochen nach dem Verschwinden der chinesischen Profi-Tennisspielerin Peng Shuai gibt es ein vermeintliches Lebenszeichen. Am Mittwochabend erreichte Frauen-Weltverbandschef Steve Simon eine E-Mail im Namen der 35-Jährigen, die am 2. November einem Spitzenkader der Kommunistischen Partei einen sexuellen Übergriff vorgeworfen hatte und seitdem öffentlich keine Spur mehr hinterlassen hat (China.Table berichtete). Allerdings ist unklar, ob Peng die Nachricht überhaupt selbst und aus freien Stücken geschrieben hat oder möglicherweise dazu gezwungen wurde.

    Mit einem Beitrag auf dem chinesischen Kurznachrichtendienst Weibo hatte Peng den Stein ins Rollen gebracht. Obwohl der Eintrag nur wenige Minuten nach seiner Veröffentlichung schon wieder gelöscht wurde, kursierten Screenshots davon im Internet. Peng behauptet darin, der frühere Vizepremierminister Zhang Gaoli und sie hätten über einen Zeitraum von zehn Jahren eine Beziehung geführt. In ihrem Beitrag, dessen Urheberschaft nicht verifiziert werden konnte, ist unter anderem auch von Liebe und Zuneigung die Rede. Allerdings wirft Peng dem 75-Jährigen auch einen nicht einvernehmlichen sexuellen Übergriff vor.

    CGTN verbreitet nach Verschwinden Email im Namen von Peng Shuai

    Das Thema ist in China streng zensiert. Suchen nach Pengs Namen oder nach #MeToo im chinesischen Internet sind geblockt. Und auch Staatsmedien berichten nicht – jedenfalls nicht auf Chinesisch. Stattdessen verbreitete der chinesische Auslandssender CGTN die mysteriöse E-Mail-Nachricht, die angeblich von Peng selbst stammt und an den Chef des Frauentennis-Weltverbandes WTA gerichtet war. In der E-Mail heißt es: Die Berichte über sie, “einschließlich des Vorwurfs der sexuellen Nötigung”, seien “nicht wahr”. Sie sei zurzeit zu Hause, um sich auszuruhen: “Alles ist gut.”

    CGTN Screenshot von Peng Shuai über ihr Verschwinden
    Screenshot der von CGTN auf Twitter verbreiteten, vermeintlichen E-Mail Pengs.

    “Es fällt mir schwer zu glauben, dass Peng Shuai diese E-Mail, die wir bekommen haben, tatsächlich selbst geschrieben hat“, kommentierte Simon die Nachricht. In der Vergangenheit kam es in China immer wieder zu Fällen, in denen Festgehaltene vermeintlich freiwillig schriftliche Nachrichten abgesetzt hatten, um die besorgte Öffentlichkeit zu beruhigen.

    Während das Thema in China selbst zwar erdrückt wird, schlagen die Wellen im Ausland hoch. Die WTA und der Rest der Welt bräuchten einen “unabhängigen und nachprüfbaren Beweis”, dass die Spielerin in Sicherheit ist, sagte Simon. Die Veröffentlichung durch chinesische Staatsmedien vergrößere seine Bedenken bezüglich ihrer Sicherheit und ihres Aufenthaltsorts. Er habe selbst wiederholt über verschiedene Wege vergeblich versucht, den Tennisstar zu erreichen. Auch die US-Tennis-Ikone Chris Evert, die Peng seit vielen Jahren kennt, hatte über soziale Medien Alarm geschlagen und um Hinweise auf den Verbleib Pengs gebeten.

    Standen bei früheren #MeToo-Fällen in China etwa ein Universitätsprofessor und ein bekannter Fernsehmoderator im Mittelpunkt der Anschuldigungen, machte Peng erstmals Vorwürfe gegen einen hochrangigen Politiker öffentlich. Die Angelegenheit ist extrem delikat. Als ehemaliges Mitglied im Ständigen Ausschuss des Politbüros gehörte Zhang zwischen 2012 und 2017 dem engsten Machtzirkel der Kommunistischen Partei an. Der Fall hat das Potenzial, eine öffentliche Debatte über Moral und Verantwortung der Topkader zu initiieren. An solchen Diskussionen ist das Regime jedoch nicht interessiert und versucht ihre Ursachen schon im Keim zu ersticken.

    Neue Dynamik für Boykott der Winterspiele

    Dabei hatte es nach dem Posting von Peng auf Weibo zumindest kurz einen öffentlichen Aufschrei gegeben, ehe die Zensur einschritt und die Debatte abwürgte. Viele Chinesen:innen äußerten den Wunsch, dass der Fall aufgeklärt und Zhang Gaoli gegebenenfalls zur Rechenschaft gezogen wird.

    Wenig überraschend stellt sich auch das Pekinger Außenministerium unwissend. “Ich habe noch nichts von der Angelegenheit gehört. Es handelt sich auch nicht um eine diplomatische Frage”, sagte Außenamtssprecher Zhao Lijian am Montag während des täglichen Briefings auf die Frage eines Journalisten nach Peng. 

    Doch das Thema könnte noch politischer werden, als es der Führung in Peking lieb ist. Das Verschwinden von Peng verschaffte Menschenrechtlern neues Gehör, die einen diplomatischen Boykott der Winterspiele in Peking fordern. “Die chinesische Regierung hat eine lange Vorgeschichte, willkürlich Menschen in kontroversen Fällen festzuhalten, deren Meinungsäußerungen zu kontrollieren und ihnen erzwungene Erklärungen abzuringen”, kommentierten Human Rights Watch. “Diese Vorwürfe sollten nicht zensiert werden, sondern eine unparteiische und faire Untersuchung auslösen”, sagte William Nee von der Organisation Chinese Human Rights Defenders (CHRD). 

    Der wachsenden Zahl von Athleten:innen und Organisationen, die Bedenken hinsichtlich der Sicherheit Pengs geäußert haben, schloss sich auch der japanische Tennis-Superstar Naomi Ōsaka an. “Zensur ist nie in Ordnung”, schrieb die 24-jährige auf Twitter unter dem Hashtag #WhereisPengShuai: “Ich bin schockiert über die aktuelle Situation und sende ihr Liebe und Licht.” Joern Petring/Gregor Koppenburg 

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      Zugstrecke zwischen China und Laos vor Eröffnung

      China hat nach sechs Jahren Bauzeit einen wichtigen Teil einer internationalen Hochgeschwindigkeitszugstrecke fertiggestellt: Die rund 1.000 Kilometer lange Verbindung zwischen Kunming, der Hauptstadt der chinesischen Provinz Yunnan, und Vientiane, der Hauptstadt von Laos, soll ab dem 2. Dezember in Betrieb gehen. Auf der Zugstrecke zwischen China und Laos soll zunächst Fracht befördert werden. Der Passagierverkehr soll folgen. “Der Zug wird zuerst nur Waren transportieren, da die Zahl der Covid-19-Fälle immer noch hoch ist und die Grenzen immer noch geschlossen sind”, erklärte ein Beamter des laotischen Verkehrsministeriums

      Die Zugstrecke durchläuft fünf laotische Provinzen. Sie soll langfristig Kosten für Exporte und Konsumgüter senken und den Tourismus ankurbeln. Der Startschuss des Projekts in Höhe von sechs Milliarden US-Dollar fiel im Dezember 2016. Seitdem mussten zahlreiche Brücken und 167 Tunnel mit einer Länge von 590 Kilometern durch das gebirgige Terrain gezogen werden. 

      Ein erster Zug aus China mit neun Waggons und einer Kapazität von 720 Passagieren traf bereits Mitte Oktober in Vientiane ein. Die Züge sollen auf der Strecke, die schlussendlich 45 Bahnhöfe umfassen wird, mit bis zu 160 Kilometern pro Stunde unterwegs sein.

      Zugstrecke für den Anschluss an das wichtigste Zentrum Südostasiens

      In diesem Jahr feiern Laos und China 60 Jahre diplomatischer Beziehungen. In einer Pressekonferenz Mitte Oktober erklärte Zhao Lijian, Sprecher des chinesischen Außenministeriums, die Zugverbindung solle Laos von “einem Binnenland zu einem Drehkreuz mit Landverbindung” verwandeln. Laos, das keinen direkten Zugang zum Meer hat, plant, über die Strecke mehr Agrarprodukte per Bahn zu exportieren. China ist der größte ausländische Investor und Hilfsgeber des nach wie vor armen Sieben-Millionen-Einwohner-Staates. Die Volksrepublik ist nach Thailand Laos’ zweitgrößter Handelspartner. 

      Die Kunming-Vientiane-Eisenbahn ist ein Teil eines viel größeren Projektes, das China mit dem wichtigsten Zentrum in Südostasien verbinden soll: Die Strecke Kunming-Singapur, auch Pan-Asian Railway Network genannt. Sie umfasst verschiedene Hochgeschwindigkeitsbahnstrecken, die Thailand, Vietnam, Laos, Kambodscha, Malaysia und Myanmar mit Singapur an einem Ende und Kunming am anderen Ende verbinden sollen. 

      Verlauf der Zugstrecke von Kunming nach Vientiane

      Damit wäre die Strecke ein wichtiger Wirtschaftskorridor für die Länder der Regional Comprehensive Economic Partnership (RCEP). Das Freihandelsabkommen RCEP, das Japan, Südkorea, Australien, Neuseeland sowie die zehn ASEAN-Staaten Indonesien, Malaysia, Thailand, Philippinen, Vietnam, Myanmar, Brunei, Laos, Kambodscha und Singapur Ende 2020 unter der Führung der Volksrepublik unterzeichnet haben, ist das größte Freihandelsabkommen der Welt.

      Andere BRI-Projekte laufen schleppend

      Tatsächlich ist die Strecke von Kunming nach Laos bislang die erste internationale Hochgeschwindigkeitsverbindung Chinas, die komplett fertig wurde. Andernorts geht der Bau geplanter Strecken nur langsam voran. Beispielsweise in Thailand, wo in vier Jahren gerade einmal 3,5 Kilometer neue Schienen verlegt wurden. Die Fertigstellung der 2017 begonnenen ersten Teilstrecke zwischen der Hauptstadt Bangkok und Nakhon Ratchasima war für dieses Jahr vorgesehen. Sie wurde nun jedoch auf 2026 verschoben.

      Als Grund werden vor allem die durch die Corona-Pandemie bedingten geschlossenen Grenzen genannt. Die Fertigstellung der Laos Strecke erhöht nun den Druck. Bereits im Dezember 2020 hat die China Railway Construction Corporation (CRCC) den Zuschlag für das erste Segment der China – Thailand Hochgeschwindigkeitsstrecke über 415 Millionen US-Dollar bekommen. Insgesamt soll die 900 Kilometer Strecke 5,2 Milliarden US-Dollar kosten.

      Eine zweite Strecke, die mehr als 7,2 Milliarden US-Dollar kosten soll, wird Bangkok mit Ostthailand über Pattaya bis zum U-Tapao Flughafen in der Provinz Rayong an der kambodschanischen Grenze verbinden. Für diese Strecke sind Aufträge noch nicht vergeben. Der steigende Druck, den Klimawandel zu bekämpfen, macht die Investitionen immer attraktiver. Die Internationale Energy Agency (IEA) hält Züge für “das effizienteste Transportmittel”.  

      China hält weiter an seinem Fahrplan fest

      Trotz Corona-Verzögerungen und einer spürbaren politischen und wirtschaftlichen Innenwendung setzt China nach wie vor auf den internationalen Schienenverkehr als Transportmittel der Zukunft. In den letzten zehn Jahren hat das Land sein Hochgeschwindigkeitsbahnnetz (HSR) um mehr als 35.000 Kilometer erweitert – das ist mehr als der Rest der Welt zusammen gebaut hat. Mehr als ein Drittel des globalen Hochgeschwindigkeitsnetzes befindet sich nun in China. Die Chinesen nennen ihre Hochgeschwindigkeitszüge, die zwischen 200 und 350 Kilometer pro Stunde erreichen “Fuxing”, was so viel wie Erneuerung oder Wiederbelebung bedeutet. 

      Der Erfolg von Chinas Eisenbahn-Expansion liegt zum einen an der jahrelangen Zusammenarbeit mit ausländischen Firmen. Die deutschen, französischen und japanischen Unternehmen bekamen Zugang zum chinesischen Markt – im Tausch gegen Technologie. Ein anderer Grund für Chinas Zugkraft liegt in der Stärke des chinesischen Bahnindustriekonzerns CRRC. Er entstand, als die beiden chinesischen Eisenbahn-Giganten CNR und CSR von Peking zum größten Zughersteller der Welt verschmolzen wurden.

      Mit sehr günstigen Konditionen drängt das Unternehmen heute auch nach Nordamerika und Afrika, nach Indien, in die Türkei und nach Russland. Im israelischen Tel Aviv sind seit kurzem Züge von CRRC in Betrieb. Derzeit wird eine Zugfabrik mit Mexiko gebaut, in der 5.000 Menschen arbeiten sollen. Im Juli hat die CRRC die neuen Züge für das Los Angeles Metrosystem vorgestellt. Bereits seit 2014 stellt CRRC Züge in Springfield im Bundesstaat Massachusetts für den dortigen Markt her. Trotz politischer Diskussionen über den Zugang chinesischer Zuganbieter zum US-Markt, vor allem unter dem ehemaligen Präsidenten Donald Trump, ist es bisher nicht zu einem Ausschluss der CRRC vom amerikanischen Markt gekommen.

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        Termine

        22.11.2021, 18:00 Uhr (23.11.2021, 01:00 Uhr Beijing Time)
        Universität Trier, Vorlesung: Kai Strittmatter, “Die Neuerfindung der Diktatur – Wie China den digitalen Überwachungsstaat aufbaut und uns damit herausfordert” Mehr

        22.11.2021, 18:00 Uhr (23.11.2021, 01:00 Uhr Beijing Time)
        Harvard Fairbank Center, Vorlesung: Panel Discussion – Combatting Anti-Asian Racism and Misogyny: Perspectives from Harvard Alumni Mehr

        23.11.2021, 09:00 Uhr (16:00 Uhr Beijing Time)
        AHK China, Online Event: Sozialversicherung, Vertragsgestaltung und Vorsorge für Deutsche in China Mehr

        25.11.2021, 02:00 Uhr (09:00 Uhr Beijing Time)
        HQTS Group, Webinar: Exporting Food to China Under the New 2022 Customs Regulation Mehr

        25.11.2021, 09:00 Uhr (16:00 Beijing Time)
        Dezan Shira & Associates, Webinar: China’s FY2021 Annual Audit: What’s New and How to Prepare? Mehr

        25.11.2021, 10:00 Uhr (17:00 Uhr Beijing Time)
        PrivacyRules, Webinar: Doing business in and from China, what changes with the new Chinese privacy Mehr

        25.11.2021, 11:00 Uhr (18:00 Uhr Beijing Time)
        IfW Kiel, Webinar: Global China Conversations #4 – “Innovation Made in China” – Wie wirksam ist Pekings Innovationspolitik? Mehr

        25.11.2021, 19:30 Uhr (26.11.2021, 02:30 Uhr Beijing Time)
        Berliner Ensemble, Buchvorstellung: Ai Weiwei im Gespräch mit Daniel Kehlmann Mehr

        26.11.2021, 09:00 Uhr (16:00 Uhr Beijing Time)
        EUSME Centre, Webinar: Public Incentives for Tech SMEs: Examples from Zhejiang and Hangzhou Mehr

        26.11.2021, 10:00 Uhr (17:00 Uhr Beijing Time)
        IHK Köln, Webinar: China 2021: Rechtliche Chancen und Barrieren Mehr

        News

        Chinas Zentralbank finanziert “saubere Kohle”

        China hat beschlossen, 31 Milliarden US-Dollar für die Finanzierung sogenannter “sauberer Kohle” bereitzustellen. Das gab der Staatsrat bekannt. Chinas Zentralbank werde den nationalen Banken vergünstigte Kredite zur Verfügung stellen, um Projekte zum “sauberen und effizienten Einsatz von Kohle” zu finanzieren. Dazu gehöre auch der “sichere Kohlebergbau” und die “saubere” Kohleverbrennung zur Stromerzeugung und Heizung.

        Chinas Strommix besteht derzeit noch zu gut 60 Prozent aus Kohlestrom. Es wird kaum möglich sein, innerhalb weniger Jahre komplett auf andere Energieträger umzusteigen. Deswegen ist die Umrüstung von Kohlekraftwerken zum effizienteren Einsatz des Brennstoffs ein Schwerpunkt der chinesischen Energiepolitik. Nichtsdestotrotz bleibt Kohle ein dreckiger Energieträger und die Effizienzverbesserungen werden nur zu einer geringen Reduzierung des Ausstoßes von Treibhausgasen führen. Lauri Myllyvirta vom Centre for Research on Energy and Clean Air sagt, dieses Kreditprogramm schüre “Erwartungen, dass weiterhin investiert wird und neue Projekte gefördert werden, was nicht gut ist”.

        Erst kürzlich hatte die Zentralbank Chinas ein Programm zur günstigen Finanzierung von Projekten im Bereich der erneuerbaren Energien bekannt gegeben (China.Table berichtete). Dazu gehören die Energieerzeugung, -speicherung und -übertragung. Dabei können Banken bis zu 60 Prozent eines Kredites zu der vergünstigten Zinsrate von 1,75 Prozent von der Zentralbank aufnehmen. Das Programm ist nicht auf eine bestimmte Summe begrenzt. Goldman Sachs geht davon aus, dass so umgerechnet mehr als 180 Milliarden US-Dollar bereitgestellt werden könnten, wie Bloomberg berichtet. nib

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          Allianz übernimmt vollständige Kontrolle bei Lebensversicherer

          Eine Tochterfirma der Allianz-Gruppe hat von den chinesischen Behörden die Erlaubnis erhalten, als erstes ausländisches Unternehmen die vollständige Kontrolle über ein Lebensversicherungsunternehmen in China zu erwerben, wie aus einer Meldung des Unternehmens hervorgeht. Die Allianz (China) Insurance Holding besitzt demnach derzeit 51 Prozent der Allianz China Life Insurance. Die chinesische Versicherungsaufsicht hat dem Unternehmen jetzt grünes Licht erteilt für die Übernahme der restlichen 49 Prozent von der chinesischen Treuhandgesellschaft Citic Trust.

          China sei ein wichtiger strategischer Markt, sagte der Vorsitzende von Sergio Balbinot. Das Unternehmen sei stolz, “von den von der chinesischen Regierung angekündigten Öffnungsmaßnahmen zu profitieren”, so Balbinot. Schon im Januar feierte die Allianz eine Premiere in der Volksrepublik. Die chinesische Versicherungsaufsicht erteilte die Genehmigung, die erste vollständig in ausländischem Besitz befindliche Vermögensverwaltungsgesellschaft für Versicherungen in China zu gründen (China.Table berichtete). nib

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            Hongkong: Fast sechs Jahre Haft für “Captain America 2.0”

            In Hongkong ist zum zweiten Mal ein Demokratie-Aktivist auf Grundlage des Nationalen Sicherheitsgesetzes zu einer langen Haftstrafe verurteilt worden. Dem 31-Jährigen wurde vorgeworfen, zwischen August und November 2020 bei mindestens 20 Versammlungen Slogans geschrien und diese auch über soziale Medien verbreitet zu haben. Er forderte die Unabhängigkeit der Stadt von der Volksrepublik China. Der Richter verhängte eine Haftdauer von fünf Jahren und neun Monaten.

            Der Mann namens Ma Chun-man war innerhalb der Demokratiebewegung als Captain America 2.0 bekannt geworden. Zu den Protesten hatte er stets ein Verteidigungsschild des US-Superhelden am Arm getragen. Vor Gericht bekannte sich Ma für nicht schuldig. Sein Anwalt argumentierte, der Angeklagte habe lediglich die Auslegung des Sicherheitsgesetzes in der Praxis testen wollen. Er sei überzeugt gewesen, dass die Meinungsfreiheit auch in dem neuen Rechtsrahmen gedeckt ist. Ma habe jedoch nie ernsthaft die Unabhängigkeit Hongkongs gefordert.

            Ende Juli war das erste Urteil auf Basis des Sicherheitsgesetzes gesprochen worden. Damals wurde ein 24-Jähriger zu neun Jahren Gefängnis verurteilt, weil er mit einem Motorrad in eine Gruppe von Polizisten gerast war und dabei drei Menschen verletzt hatte.

            Das Gesetz wurde im Juli vergangenen Jahres implementiert, nachdem der Ständige Ausschuss des Nationalen Volkskongresses in Peking das Basic Law für Hongkong entsprechend ergänzt hatte. Das Basic Law wird auch als Hongkongs Miniverfassung bezeichnet. Die chinesische Regierung hatte als Reaktion auf die Massenproteste in den Jahren 2019 und 2020 gegen den wachsenden Einfluss der Volksrepublik in der Stadt den Rechtsrahmen drastisch verschärft. In den kommenden Monaten werden weitere Urteile gegen Demokratie-Aktivisten erwartet. grz

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              Taiwan-Büro in Litauen eröffnet

              Taipeh hat in Litauen trotz Drohungen aus Peking eine Vertretung unter dem Namen Taiwan eröffnet. “Taiwans Vertretungsbüro” habe “offiziell seine Arbeit” in Vilnius aufgenommen, teilte das taiwanische Außenministerium am Donnerstag mit. Die Eröffnung der diplomatischen Vertretung werde einen “neuen und vielversprechenden Kurs für die bilateralen Beziehungen zwischen Taiwan und Litauen einleiten”. 

              Aus Furcht vor chinesischen Repressalien bezeichnet Taiwan seine de facto Botschaften im Ausland üblicherweise als “Taipeh Vertretung”. Umgekehrt ist beispielsweise Deutschlands diplomatische Vertretung in Taipeh offiziell auch keine Botschaft, sondern ein “Deutsches Institut”.

              Die China-kritische Regierung im EU-Land Litauen hatte Taipeh allerdings erlaubt, den Namen “Taiwan” bei seiner Vertretung zu führen. Peking zog daraufhin seinen Botschafter aus Vilnius ab und forderte Litauens Regierung auf, ihre Botschafterin in Peking ebenfalls zurückzurufen. Zudem stoppte China Frachtzüge nach Litauen und erteilte dem Land keine Einfuhrgenehmigungen für Lebensmittel mehr (China.Table berichtete). ari

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                RSBK 2021

                Deutsch-Chinesische Wirtschaftskonferenz RSBK 2021

                Vom 22. bis 24. November veranstaltet die Beratungsfirma RSBK die Deutsch-Chinesische Wirtschaftskonferenz 2021 mit Table.Media als Medienpartner. Hier finden Sie einen ausgewählten Programmpunkt vom kommenden Montag. Der thematische Schwerpunkt des Tages wird sein: Politik und Wirtschaft.

                Investitionen und Finanzen

                Dr. Sabine Mauderer (Vorstand, Deutsche Bundesbank): China und Deutschland – die Wirtschaft in Zeiten des Umbruchs

                MA Xiuhong (Präsidentin, China Counsel for International Investment Promotion – CCIIP): Ausländische Investitionen in China, Energieeffizienz, Wachstum

                Bagrin Angelov (Managing Director, Head of China Cross-border M&A, China International Capital Co., Ltd.): Strukturelle Veränderungen Chinesischer Cross-border Transaktionen

                Roland Boehm (Bereichsvorstand International Corporates, Commerzbank AG)

                Dr. Dietmar Helms (Partner, Hogan Lovells International LLP): Investitionsklima und -umfeld in China: Aktuelle Entwicklungen

                Uwe Michel (Executive Vice President, Head of Asia Business Division, Allianz SE): Green finance – Eine Lösung für Chinas Grünen Wandel?

                Presseschau

                China making example of jailed Wuhan Covid journalist, says lawyer THE GUARDIAN
                Biden Says U.S. Is Considering Diplomatic Boycott of Beijing Winter Olympics WSJ
                Outcry over missing Peng Shuai’s #MeToo claim poses new challenge for China INDEPENDENT
                Alibaba Outlook Disappoints After China Slowdown Hurt Sales BLOOMBERG (PAY)
                Chinese FM urges Japan to remain firm and avoid crossing the line on history issues and Taiwan question, stresses active cooperation GLOBALTIMES (STAATSMEDIUM)
                Das Verhältnis zwischen China und Afrika trübt sich ein HANDELSBLATT
                Hohe Preise: China will seine Ölreserven anzapfen SPIEGEL
                Kritik an Null-Covid-Strategie: Unmut in Chinas Bevölkerung wächst N-TV
                Auch China investiert: Ägypten baut neue Hauptstadt für 50 Milliarden Dollar STERN
                Taiwan-Büro in Litauen eröffnet: China wütet wegen “extrem ungeheuerlichem Akt” N-TV

                Kolumne

                Zehntausend Jahre soll er leben

                Johnny Erling
                Ein Bild von Johnny Erling

                Allein 22-mal verewigte KP-Chef Xi Jinping sich mit seinem Namen in einer 25 Seiten umfassenden, “historisch” genannten Resolution. Das am Dienstag veröffentlichte Grundsatzdokument habe er selbst, gemeinsam mit seinem Cheftheoretiker Wang Huning und dem Leiter der ZK-Organisationsabteilung Zhao Leji, entworfen, ließ er erklären. Es sei als Fazit der 100-jährigen Geschichte der Kommunistischen Partei Chinas gedacht, aber auch als ihr “politisches Manifest” für eine marxistische Runderneuerung und technologische Modernisierung der Volksrepublik und ihrer Reinkarnation bis 2050 als künftige Weltmacht. 

                Fünf Jahre, nachdem Xi 2016 zum “Kern” (核心) der Partei ernannt wurde, sitzt er heute fester als jemals zuvor im Sattel. Er lässt sich wie einst Mao Zedong als Volksführer (人民领袖), Oberkommandierender (军队统帅) oder fast mit den gleichen Worten wie einst Mao als Chinas Steuermann (掌舵者) anreden. Alle Hindernisse scheinen ausgeräumt, damit sich Xi vom Wahlparteitag im Winter 2022 einen Freibrief zur Fortsetzung seiner Herrschaft ausstellen lassen kann. Eine Ehrenbezeichnung fehlt ihm allerdings noch, um mit dem Meister des Personenkults Mao gleichzuziehen. Dass ihn die Nation mit dem Ruf 万岁 hochleben lässt, dem Wunsch nach einem “zehntausend Jahre” währenden Leben.  

                10.000 Jahre für den Kaiser Chinas

                Die chinesische Chiffre für Zehntausend (万) ist eigentlich ein Schriftzeichen, das dem Herrscher des Himmels vorbehalten war. Daher durfte der irdische Kaiserpalast in Peking (Gugong) nicht mehr als 9.999 Räume umfassen, mit gerade noch einem halben Raum dazu. So steht es in vielen Reiseführern. Der Legende nach hätte Ming-Kaiser Yongle (永乐 – 1360 bis 1424) seinem Bauherren befohlen, den für ihn neu geplanten Palast mit so vielen Räumen wie nur möglich auszustatten. Doch dann träumte er, dass der Jadeherrscher 玉皇大帝 davon gehört und ihn sofort zum Besuch einbestellt hätte. Er zeigte ihm seinen Himmelspalast mit 10.000 Zimmern und warnte: Ob Yongle mehr Räume als er besitzen wollte? 

                Der Personenkult von Mao Zedong in Bildern. Xi Jinpings Personenkult gleicht diesem.
                Personenkult um Mao in der Kulturevolution. Auf der Anzeigetafel stehen die vier Anreden: Großer Lehrer, Führer, Oberkommandierender und Steuermann – Vorsitzender Mao lebe Zehntausend Jahre lang. Alle vier Anreden treffen heute auch auf Xi Jinping zu. Nur die Parole “Zehntausend Jahre” fehlt noch.

                Seither soll keiner der 24 Kaiser, die von 1420 an im Gugong bis zum Ende der Qingzeit residierten, bei Erweiterungs- oder Neubauten nach Bränden gewagt haben, die magische Grenze zu übertreffen. Zur Mingzeit wurden rund 8.000 Zimmer in den Hallen und Pavillons gezählt. Nach 1972 kam eine systematische Untersuchung auf 9.371 Zimmer, gemessen nach Chinas Raummaß Jian (间). 

                Das Zahlwort 10.000 war kein komplettes Tabu. Als Söhne des Himmels durften sich die menschlichen Kaiser mit Wansui (万岁) als “Zehntausend Jahre-Herrscher” anreden lassen, oder ewiges Leben “zehntausend Jahre lang” gewünscht bekommen. Nach der 1979 überarbeiteten Ausgabe der “Wortmeer”-Enzyklopädie Cihai ist “Wansui” seit der Zeit der Streitenden Reiche (475-221 v.Chr.) in den Annalen verbrieft. Das ging bis zur Regentschaft der Kaiserinwitwe Cixi (1861 -1908). Alte Fotos zeigen sie vor repetitiven Aufschriften sitzen, wie: “Die Heilige Kaiserinmutter der großen Qing lebe 10.000 Jahre, 10.000 Jahre, zehntausend mal zehntausend Jahre.” (大清国當今聖母皇太后 万岁、万岁、万万岁). Während der Kulturrevolution wurde der gleiche Ausruf auch für Mao gebrüllt. 

                Das chinesische Wansui ging als Lehnwort in andere ostasiatische Sprachen ein, angeblich seit dem achten Jahrhundert ins Japanische als banzei oder banzai. Im Koreanischen wurde daraus “manse”, im Vietnamesischen “vạn tue”. Obwohl das Cihai-Wörterbuch “Wansui” als “feudalistisches Erbe” brandmarkte, übernahmen es Chinas Kommunisten 1949. Am Tiananmen-Tor hängen seit Gründung der Volksrepublik bis heute die Aufschriften “Zehntausend Jahre für die Volksrepublik China”(中华人民共和国万岁) und als Gegenpart: “Zehntausend Jahre für die große Solidarität unter allen Völkern der Welt.” (世界人民大团结万岁).

                Tiananmen-Tor mit den Aufschriften "Zehntausend Jahre für die Volksrepublik China" und "Zehntausend Jahre für die große Solidarität unter allen Völkern der Welt"
                Auf dem Tiananmen-Tor hängen zu beiden Seiten des Eingangs-Tores zum Kaiserpalast die Aufschriften “Zehntausend Jahre für die Volksrepublik China””(links) und rechts als Gegenpart der Spruch: “Zehntausend Jahre für die große Solidarität unter allen Völkern der Welt.” Beide Parolen hängen unverändert seit Gründung der Volksrepublik.

                10.000 Jahre unter Mao Zedong

                Diktator Mao beanspruchte, was den alten Kaisern zustand, von seiner Residenz in Zhongnanhai bis zum Anruf Wansui. Auf offiziellen Kundgebungen ließ er sich von Vorbeimarschierenden am 1. Mai-Feiertag 1950 mit dem Ruf: “Mao Zedong lebe zehntausend Jahre lang” grüßen. 2010 machte die mutige Pekinger Monatszeitschrift für marxistische Aufklärung “Yanhuang Chunjiu” (炎黄春秋) bekannt, dass Mao eigenhändig dafür gesorgt hatte. Sie stieß eine brisante Debatte über seinen Personenkult an. Zugrunde lag die Erinnerung von Chen Youqun, der 1950 als politischer Sekretär für einen hochrangigen Funktionär Chinas arbeitete. Erst Jahre nach dem Tode Maos enthüllte Chen, dass Mao bei den Vorbereitungen für die 1. Mai-Kundgebung 1950 die Liste der vorgeschlagenen “Arbeiterparolen” um den Slogan erweitert hatte: “Es lebe Genosse Mao zehntausend Jahre lang.” 

                In der vom Magazin dazu geführten Debatte widersprach zuerst die Geschichtsforscherin Zhang Suhua. Sie hätte im Parteiarchiv den fünfseitigen Originalentwurf mit 35 Losungen für den 1. Mai 1950 gefunden, ohne eine erkennbare Änderung durch Mao. Andere kritische Parteiintellektuelle verwarfen ihren Einwand, darunter Li Rui, ein ehemaliger Sekretär Maos, der später beim Diktator in Ungnade fiel und zum Dissidenten wurde. In der Julinummer der Yanhuang Chunjiu schrieb Li Rui, dass Mao schon vorab dafür gesorgt hatte, dass sein Slogan in den Entwurf einging. “Damals schon brauchte er viele öffentliche Stimmen, die ihn hochleben ließen.”

                Xi Jinpings Personenkult: “Steuermann” des modernen Marxismus

                Das ist beim heutigen Volkstribun Xi Jinping nicht anders. Die Debatte von 2010 (deren Beiträge heute im Internet gelöscht sind, nachdem vermutlich auf Anweisung Xis die des “Nihilismus” bezichtigte Zeitschrift Yanhuang Chunjiu 2016 politisch mundtot gemacht und von regimekonformen Historikern übernommen wurde) wäre heute besonders brisant.

                Nach Maos Tod 1976 wurde sein Personenkult kritisiert, wurden über Nacht alle Wansui-Rufe geächtet, die zum Lob eines einzelnen Führers gedacht waren. Sie könnten nach dem großen Wahlparteitag im Herbst 2022 wieder aufleben, der Xis weitere Herrschaft bestätigen soll. Seit der Veröffentlichung der neuen Resolution in dieser Woche preisen Chinas staatliche Medien Xi als “würdigen Kern” der Partei, als Führer des Volkes oder Oberkommandierender. Sie nennen ihn sogar Steuermann “掌舵者”. Der chinesische Ausdruck dafür weicht sprachlich kaum von der gleichen kulturrevolutionären Bezeichnung für Mao “舵手” ab. Das Lied vom Steuermann Mao können noch heute Millionen Chinesen singen. “大海航行靠舵手”.

                Marxismus-Leninismus und Mao Zedong
                China ließ neben Mao auch Marx-Engels-Lenin und Stalin hochleben. Auf dem Poster steht. “Das Denken des Marxismus-Leninismus und Mao Zedongs lebe zehntausend Jahre lang.”

                In eigener Sache trägt Xi in der Resolution noch dicker auf. Er lässt dort sein Denken als “Marxismus des 21. Jahrhunderts und Essenz der chinesischen Kultur und ihres Geistes” preisen. Nur bei Wansui hält er sich noch zurück: Als er bei einer Inspektionsreise von einem Zuschauer aus der Menge im Kreis Gaotai in Nordwestchinas Gansu mit einem lauten “Vorsitzender Xi lebe zehntausend Jahre” angerufen wurde, wirkten Xi und seine Leibwächter höchst irritiert. Die im Internet geteilten Handyaufnahmen wurden von der Zensur zumindest in China komplett gelöscht. Die Zeit war noch nicht reif.

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                  Personalie

                  Holger Scherr wird neuer Präsident und CEO des chinesischen Joint Ventures Beijing Foton Daimler Automotive (BFDA). Das beschloss der Vorstand der Daimler Truck AG kürzlich. Scherr folgt auf Kelley Platt, die Anfang 2022 in den Ruhestand geht. Sie hatte die Leitung von BFDA in Peking seit 2018 inne.

                  Dessert

                  Baumeister Natur – im Yuanmou County in der Provinz Yunnan entstanden vor Millionen von Jahren beeindruckende “Erdwälder”. Die säulenartigen Gebilde aus Erde erinnern aus der Ferne an Wolkenkratzer.

                  China.Table Redaktion

                  CHINA.TABLE REDAKTION

                  Licenses:
                    • Übernimmt Hisense die Verkehrstechnik-Sparte von Siemens?
                    • Verschwundener Tennisstar Peng Shuai meldet sich mutmaßlich mit E-Mail
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                    • Zentralbank stellt Geld für “saubere Kohle” zur Verfügung
                    • Allianz übernimmt vollständige Kontrolle bei Lebensversicherer
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                    • Einweihung von Taiwan-Büro in Litauen
                    • Johnny Erling: Personenkult um Xi erreicht fast Mao-Ausmaß
                    • Beijing Foton Daimler Automotive mit neuem CEO
                    Liebe Leserin, lieber Leser,

                    Namen wie Kion, Putzmeister, Kuka oder Volvo stehen als Beispiel für hochkarätige, langfristig orientierte Übernahmen durch chinesische Konzerne in Europa. Nun könnte noch ein weiterer hinzukommen: Medienberichten zufolge hat Hisense Interesse an der Siemens-Mobility-Tochter Yunex angemeldet. Als Kaufangebot schwebt eine Milliarde US-Dollar im Raum. Angesichts der schnellen Digitalisierung des Verkehrs in China wäre der Zukauf besonders passend, analysiert Finn Mayer-Kuckuk.

                    Die chinesische Wimbledon-Siegerin Peng Shuai ist seit gut zwei Wochen von der Bildfläche verschwunden. Peng hatte zu Beginn des Monats Vorwürfe des sexuellen Missbrauchs gegen einen chinesischen Spitzenpolitiker veröffentlicht. Seither fehlt von ihr jede Spur. In einer mutmaßlich von Peng geschriebenen E-Mail erklärt die Sportlerin: “Alles ist gut”. Doch es gibt Zweifel an der Echtheit der Nachricht. Allerdings nur international. Und in der Volksrepublik? Unsere Kollegen in China berichten: Statt sich um Aufklärung zu bemühen, geht Peking mit harter Zensur vor.

                    Wir werfen außerdem einen Blick auf das Bahnprojekt zwischen Kunming und Laos. Nach sechs Jahren Bauzeit hat China die erste Hochgeschwindigkeitsstrecke mit Verbindung ins Ausland fertiggestellt, ab dem 2. Dezember sollen dort erste Züge rollen. Andernorts jedoch stehen die ambitionierten Eisenbahn-Pläne der Volksrepublik still, auch wegen der Corona-Pandemie. Peking wird deshalb seine Pläne aber nicht ändern, schreibt Frank Sieren – denn die Volksrepublik will die Nachbarländer mit einem Hochgeschwindigkeitszugnetz an sich binden.

                    Unser Kolumnist Johnny Erling hat sich indes die “historische” Resolution des 6. Plenums noch einmal angesehen. Er stellt fest: Fünf Jahre nachdem Xi Jinping zum “Kern” der Partei ernannt wurde, sitzt er heute fester als je zuvor im Sattel. Er lässt sich wie einst Mao Zedong als Volksführer, Oberkommandierender oder fast mit den gleichen Worten wie einst Mao als Chinas Steuermann anreden. Die höchste Ehrenbezeichnung fehlt ihm allerdings noch: Dass ihn die Nation mit dem Ruf  万岁 hochleben lässt, dem Wunsch nach einem “zehntausend Jahre” währenden Leben. 

                    Wir wünschen Ihnen ein schönes Wochenende!

                    Ihre
                    Amelie Richter
                    Bild von Amelie  Richter

                    Analyse

                    Hisense interessiert sich für die Verkehrstechnik-Sparte von Siemens

                    Der chinesische Hausgerätekonzern Hisense hat Interesse an einer Übernahme der Verkehrstechnik-Sparte “Yunex” von Siemens. Das berichtet das chinesische Wirtschaftsmedium 21st Century Business Herald. Yunex Traffic, wie das Siemens-Teilunternehmen seit Juli 2021 heißt, bietet komplette IT-Pakete zur Steuerung des Verkehrs an. Dazu gehören Ampeln und Kameras, aber auch Server und Software. Das wiederum passt bestens zur Hisense-Sparte TransTech. Deren Präsident Zhang Sihai kündigte in einem Interview eine konsequente internationale Expansion an. Der Kaufpreis soll den Berichten zufolge eine Milliarde US-Dollar betragen.

                    Siemens Mobility wollte den Bericht gegenüber Table.Media am Donnerstag nicht kommentieren. Eine Übernahme durch Hisense hätte aber zumindest aus chinesischer Sicht Sinn. Schon vergangene Woche wurden Gerüchte laut, dass Siemens einen Käufer für Yunex sucht. Zu den anderen Bietern gehören Berichten zufolge der italienische Maut-Betreiber Autostrade und der Finanzinvestor Bridgepoint. Von Hisense als möglichem Käufer war in der deutschen Presse allerdings bislang noch nichts zu lesen. Yunex ist eine Tochter von Siemens Mobility, die beispielsweise Züge herstellt.

                    Digitalisierung des Verkehrs ist in vollem Gange

                    In China ist die Urbanisierung weiter in vollem Gange. Bis 2035 sollen 75 Prozent der Bevölkerung in Städten wohnen. Derzeit liegt die Urbanisierungsrate noch bei 64 Prozent. Ungefähr 150 Millionen Menschen werden also in den kommenden Jahren aus einem ländlichen in ein städtisches Umfeld ziehen. Die Städte ächzen jedoch jetzt schon unter Verkehrsproblemen. Moderne Technik soll helfen, Ordnung ins Chaos zu bringen.

                    Chinas Städte sind daher besonders offen für Digitalisierung. Deutschland nimmt seine Verkehrsinfrastruktur dagegen im Wesentlichen als fertig ausgebaut wahr und hegt Widerstände gegen Veränderung. Aus deutschen Stadtverwaltungen ist von erheblichen Hürden auf dem Weg zu digitalem Verkehrsmanagement zu hören. Das Geld fehlt. Es gibt nicht genug Mitarbeiter, die sich mit Computern auskennen. Datenschützer können Projekte abschießen, ohne konstruktive Gegenvorschläge machen zu müssen. Die Bürger sind von Neuerungen genervt.

                    In China dagegen entstehen nicht nur ganze Stadtteile neu. Es findet ein technisch getriebener Auf- und Umbau des Verkehrswesens statt. Derzeit läuft beispielsweise die Einführung des Führerscheins als App. Es reicht, am Steuer das Handy dabeizuhaben. Der Telekom-Ausrüster Huawei testet bereits smarte Straßen. Ampeln, Sensoren im Fahrbahnbelag, Kameras, Radarmasten und Sender an Verkehrsschildern sind vernetzt und kommunizieren mit den Rechnern in den Autos. Bis 2025 soll die Hälfte aller verkauften Autos die nötige Ausrüstung haben, um solche Infrastruktur zu nutzen. Chinas Markt für moderne Mobilitätsausrüstung ist riesig und wächst.

                    Das Profil von Yunex würde zu China passen

                    Hisense TransTech möchte hier ganz vorne mitmischen. Das Unternehmen sitzt in der Küstenstadt Qingdao. Es wurde 1998 gegründet. Es ist auf die Entwicklung und Herstellung von intelligenten Verkehrstechnik- und Überwachungsprodukten ausgerichtet. Auch Überwachungskameras gehören zu den Produkten des Unternehmens – der Markt dafür ist in China bekanntlich besonders groß. Das Unternehmen hat zuletzt zahlreiche Patente im Bereich der Verkehrssteuerung angemeldet. Kürzlich hat sich Hisense beispielsweise die Rechte an einer Weiterentwicklung der Signalsteuerung für Schnellzugstrecken gesichert.

                    Yunex Traffic beschreibt sich selbst als Weltmarktführer bei Mobilitätsausrüstung “auf der Straße und in den Städten”. Das Unternehmen macht rund 600 Millionen Euro Umsatz. Es hat das reine Geschäft mit Verkehrsampeln längst hinter sich gelassen. Der treibende Gedanke ist heute der einer intelligenten Stadt. Sie soll zusammen mit vernetzten Autos Teil einer riesigen Mobilitätsmaschine werden. Der Auftragseingang wächst um acht Prozent pro Jahr. Das Unternehmen ist in 40 Ländern tätig. Es hat bereits Dubai, London, Bogota und Miami mit moderner Technik versorgt. Die Sparte hieß bis zu diesem Sommer “Intelligent Traffic Systems” (ITS).

                    So ein Zukauf wäre ganz nach chinesischem Geschmack. Ein Kaufpreis von einer Milliarde wäre großzügig bemessen, was Hisense eine reale Chance im Bieterwettstreit gäbe. Die Übernahme würde sich in die Reihe der größeren Zukäufe auf dem europäischen Markt einreihen. Sie würde dann neben Namen wie Kion, Putzmeister, Kuka oder Volvo als Beispiel für hochkarätige, langfristig orientierte Übernahmen durch chinesische Konzerne stehen.

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                      Der Fall Peng Shuai: Mysteriöse Nachricht als Lebenszeichen

                      Zwei Wochen nach dem Verschwinden der chinesischen Profi-Tennisspielerin Peng Shuai gibt es ein vermeintliches Lebenszeichen. Am Mittwochabend erreichte Frauen-Weltverbandschef Steve Simon eine E-Mail im Namen der 35-Jährigen, die am 2. November einem Spitzenkader der Kommunistischen Partei einen sexuellen Übergriff vorgeworfen hatte und seitdem öffentlich keine Spur mehr hinterlassen hat (China.Table berichtete). Allerdings ist unklar, ob Peng die Nachricht überhaupt selbst und aus freien Stücken geschrieben hat oder möglicherweise dazu gezwungen wurde.

                      Mit einem Beitrag auf dem chinesischen Kurznachrichtendienst Weibo hatte Peng den Stein ins Rollen gebracht. Obwohl der Eintrag nur wenige Minuten nach seiner Veröffentlichung schon wieder gelöscht wurde, kursierten Screenshots davon im Internet. Peng behauptet darin, der frühere Vizepremierminister Zhang Gaoli und sie hätten über einen Zeitraum von zehn Jahren eine Beziehung geführt. In ihrem Beitrag, dessen Urheberschaft nicht verifiziert werden konnte, ist unter anderem auch von Liebe und Zuneigung die Rede. Allerdings wirft Peng dem 75-Jährigen auch einen nicht einvernehmlichen sexuellen Übergriff vor.

                      CGTN verbreitet nach Verschwinden Email im Namen von Peng Shuai

                      Das Thema ist in China streng zensiert. Suchen nach Pengs Namen oder nach #MeToo im chinesischen Internet sind geblockt. Und auch Staatsmedien berichten nicht – jedenfalls nicht auf Chinesisch. Stattdessen verbreitete der chinesische Auslandssender CGTN die mysteriöse E-Mail-Nachricht, die angeblich von Peng selbst stammt und an den Chef des Frauentennis-Weltverbandes WTA gerichtet war. In der E-Mail heißt es: Die Berichte über sie, “einschließlich des Vorwurfs der sexuellen Nötigung”, seien “nicht wahr”. Sie sei zurzeit zu Hause, um sich auszuruhen: “Alles ist gut.”

                      CGTN Screenshot von Peng Shuai über ihr Verschwinden
                      Screenshot der von CGTN auf Twitter verbreiteten, vermeintlichen E-Mail Pengs.

                      “Es fällt mir schwer zu glauben, dass Peng Shuai diese E-Mail, die wir bekommen haben, tatsächlich selbst geschrieben hat“, kommentierte Simon die Nachricht. In der Vergangenheit kam es in China immer wieder zu Fällen, in denen Festgehaltene vermeintlich freiwillig schriftliche Nachrichten abgesetzt hatten, um die besorgte Öffentlichkeit zu beruhigen.

                      Während das Thema in China selbst zwar erdrückt wird, schlagen die Wellen im Ausland hoch. Die WTA und der Rest der Welt bräuchten einen “unabhängigen und nachprüfbaren Beweis”, dass die Spielerin in Sicherheit ist, sagte Simon. Die Veröffentlichung durch chinesische Staatsmedien vergrößere seine Bedenken bezüglich ihrer Sicherheit und ihres Aufenthaltsorts. Er habe selbst wiederholt über verschiedene Wege vergeblich versucht, den Tennisstar zu erreichen. Auch die US-Tennis-Ikone Chris Evert, die Peng seit vielen Jahren kennt, hatte über soziale Medien Alarm geschlagen und um Hinweise auf den Verbleib Pengs gebeten.

                      Standen bei früheren #MeToo-Fällen in China etwa ein Universitätsprofessor und ein bekannter Fernsehmoderator im Mittelpunkt der Anschuldigungen, machte Peng erstmals Vorwürfe gegen einen hochrangigen Politiker öffentlich. Die Angelegenheit ist extrem delikat. Als ehemaliges Mitglied im Ständigen Ausschuss des Politbüros gehörte Zhang zwischen 2012 und 2017 dem engsten Machtzirkel der Kommunistischen Partei an. Der Fall hat das Potenzial, eine öffentliche Debatte über Moral und Verantwortung der Topkader zu initiieren. An solchen Diskussionen ist das Regime jedoch nicht interessiert und versucht ihre Ursachen schon im Keim zu ersticken.

                      Neue Dynamik für Boykott der Winterspiele

                      Dabei hatte es nach dem Posting von Peng auf Weibo zumindest kurz einen öffentlichen Aufschrei gegeben, ehe die Zensur einschritt und die Debatte abwürgte. Viele Chinesen:innen äußerten den Wunsch, dass der Fall aufgeklärt und Zhang Gaoli gegebenenfalls zur Rechenschaft gezogen wird.

                      Wenig überraschend stellt sich auch das Pekinger Außenministerium unwissend. “Ich habe noch nichts von der Angelegenheit gehört. Es handelt sich auch nicht um eine diplomatische Frage”, sagte Außenamtssprecher Zhao Lijian am Montag während des täglichen Briefings auf die Frage eines Journalisten nach Peng. 

                      Doch das Thema könnte noch politischer werden, als es der Führung in Peking lieb ist. Das Verschwinden von Peng verschaffte Menschenrechtlern neues Gehör, die einen diplomatischen Boykott der Winterspiele in Peking fordern. “Die chinesische Regierung hat eine lange Vorgeschichte, willkürlich Menschen in kontroversen Fällen festzuhalten, deren Meinungsäußerungen zu kontrollieren und ihnen erzwungene Erklärungen abzuringen”, kommentierten Human Rights Watch. “Diese Vorwürfe sollten nicht zensiert werden, sondern eine unparteiische und faire Untersuchung auslösen”, sagte William Nee von der Organisation Chinese Human Rights Defenders (CHRD). 

                      Der wachsenden Zahl von Athleten:innen und Organisationen, die Bedenken hinsichtlich der Sicherheit Pengs geäußert haben, schloss sich auch der japanische Tennis-Superstar Naomi Ōsaka an. “Zensur ist nie in Ordnung”, schrieb die 24-jährige auf Twitter unter dem Hashtag #WhereisPengShuai: “Ich bin schockiert über die aktuelle Situation und sende ihr Liebe und Licht.” Joern Petring/Gregor Koppenburg 

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                        Zugstrecke zwischen China und Laos vor Eröffnung

                        China hat nach sechs Jahren Bauzeit einen wichtigen Teil einer internationalen Hochgeschwindigkeitszugstrecke fertiggestellt: Die rund 1.000 Kilometer lange Verbindung zwischen Kunming, der Hauptstadt der chinesischen Provinz Yunnan, und Vientiane, der Hauptstadt von Laos, soll ab dem 2. Dezember in Betrieb gehen. Auf der Zugstrecke zwischen China und Laos soll zunächst Fracht befördert werden. Der Passagierverkehr soll folgen. “Der Zug wird zuerst nur Waren transportieren, da die Zahl der Covid-19-Fälle immer noch hoch ist und die Grenzen immer noch geschlossen sind”, erklärte ein Beamter des laotischen Verkehrsministeriums

                        Die Zugstrecke durchläuft fünf laotische Provinzen. Sie soll langfristig Kosten für Exporte und Konsumgüter senken und den Tourismus ankurbeln. Der Startschuss des Projekts in Höhe von sechs Milliarden US-Dollar fiel im Dezember 2016. Seitdem mussten zahlreiche Brücken und 167 Tunnel mit einer Länge von 590 Kilometern durch das gebirgige Terrain gezogen werden. 

                        Ein erster Zug aus China mit neun Waggons und einer Kapazität von 720 Passagieren traf bereits Mitte Oktober in Vientiane ein. Die Züge sollen auf der Strecke, die schlussendlich 45 Bahnhöfe umfassen wird, mit bis zu 160 Kilometern pro Stunde unterwegs sein.

                        Zugstrecke für den Anschluss an das wichtigste Zentrum Südostasiens

                        In diesem Jahr feiern Laos und China 60 Jahre diplomatischer Beziehungen. In einer Pressekonferenz Mitte Oktober erklärte Zhao Lijian, Sprecher des chinesischen Außenministeriums, die Zugverbindung solle Laos von “einem Binnenland zu einem Drehkreuz mit Landverbindung” verwandeln. Laos, das keinen direkten Zugang zum Meer hat, plant, über die Strecke mehr Agrarprodukte per Bahn zu exportieren. China ist der größte ausländische Investor und Hilfsgeber des nach wie vor armen Sieben-Millionen-Einwohner-Staates. Die Volksrepublik ist nach Thailand Laos’ zweitgrößter Handelspartner. 

                        Die Kunming-Vientiane-Eisenbahn ist ein Teil eines viel größeren Projektes, das China mit dem wichtigsten Zentrum in Südostasien verbinden soll: Die Strecke Kunming-Singapur, auch Pan-Asian Railway Network genannt. Sie umfasst verschiedene Hochgeschwindigkeitsbahnstrecken, die Thailand, Vietnam, Laos, Kambodscha, Malaysia und Myanmar mit Singapur an einem Ende und Kunming am anderen Ende verbinden sollen. 

                        Verlauf der Zugstrecke von Kunming nach Vientiane

                        Damit wäre die Strecke ein wichtiger Wirtschaftskorridor für die Länder der Regional Comprehensive Economic Partnership (RCEP). Das Freihandelsabkommen RCEP, das Japan, Südkorea, Australien, Neuseeland sowie die zehn ASEAN-Staaten Indonesien, Malaysia, Thailand, Philippinen, Vietnam, Myanmar, Brunei, Laos, Kambodscha und Singapur Ende 2020 unter der Führung der Volksrepublik unterzeichnet haben, ist das größte Freihandelsabkommen der Welt.

                        Andere BRI-Projekte laufen schleppend

                        Tatsächlich ist die Strecke von Kunming nach Laos bislang die erste internationale Hochgeschwindigkeitsverbindung Chinas, die komplett fertig wurde. Andernorts geht der Bau geplanter Strecken nur langsam voran. Beispielsweise in Thailand, wo in vier Jahren gerade einmal 3,5 Kilometer neue Schienen verlegt wurden. Die Fertigstellung der 2017 begonnenen ersten Teilstrecke zwischen der Hauptstadt Bangkok und Nakhon Ratchasima war für dieses Jahr vorgesehen. Sie wurde nun jedoch auf 2026 verschoben.

                        Als Grund werden vor allem die durch die Corona-Pandemie bedingten geschlossenen Grenzen genannt. Die Fertigstellung der Laos Strecke erhöht nun den Druck. Bereits im Dezember 2020 hat die China Railway Construction Corporation (CRCC) den Zuschlag für das erste Segment der China – Thailand Hochgeschwindigkeitsstrecke über 415 Millionen US-Dollar bekommen. Insgesamt soll die 900 Kilometer Strecke 5,2 Milliarden US-Dollar kosten.

                        Eine zweite Strecke, die mehr als 7,2 Milliarden US-Dollar kosten soll, wird Bangkok mit Ostthailand über Pattaya bis zum U-Tapao Flughafen in der Provinz Rayong an der kambodschanischen Grenze verbinden. Für diese Strecke sind Aufträge noch nicht vergeben. Der steigende Druck, den Klimawandel zu bekämpfen, macht die Investitionen immer attraktiver. Die Internationale Energy Agency (IEA) hält Züge für “das effizienteste Transportmittel”.  

                        China hält weiter an seinem Fahrplan fest

                        Trotz Corona-Verzögerungen und einer spürbaren politischen und wirtschaftlichen Innenwendung setzt China nach wie vor auf den internationalen Schienenverkehr als Transportmittel der Zukunft. In den letzten zehn Jahren hat das Land sein Hochgeschwindigkeitsbahnnetz (HSR) um mehr als 35.000 Kilometer erweitert – das ist mehr als der Rest der Welt zusammen gebaut hat. Mehr als ein Drittel des globalen Hochgeschwindigkeitsnetzes befindet sich nun in China. Die Chinesen nennen ihre Hochgeschwindigkeitszüge, die zwischen 200 und 350 Kilometer pro Stunde erreichen “Fuxing”, was so viel wie Erneuerung oder Wiederbelebung bedeutet. 

                        Der Erfolg von Chinas Eisenbahn-Expansion liegt zum einen an der jahrelangen Zusammenarbeit mit ausländischen Firmen. Die deutschen, französischen und japanischen Unternehmen bekamen Zugang zum chinesischen Markt – im Tausch gegen Technologie. Ein anderer Grund für Chinas Zugkraft liegt in der Stärke des chinesischen Bahnindustriekonzerns CRRC. Er entstand, als die beiden chinesischen Eisenbahn-Giganten CNR und CSR von Peking zum größten Zughersteller der Welt verschmolzen wurden.

                        Mit sehr günstigen Konditionen drängt das Unternehmen heute auch nach Nordamerika und Afrika, nach Indien, in die Türkei und nach Russland. Im israelischen Tel Aviv sind seit kurzem Züge von CRRC in Betrieb. Derzeit wird eine Zugfabrik mit Mexiko gebaut, in der 5.000 Menschen arbeiten sollen. Im Juli hat die CRRC die neuen Züge für das Los Angeles Metrosystem vorgestellt. Bereits seit 2014 stellt CRRC Züge in Springfield im Bundesstaat Massachusetts für den dortigen Markt her. Trotz politischer Diskussionen über den Zugang chinesischer Zuganbieter zum US-Markt, vor allem unter dem ehemaligen Präsidenten Donald Trump, ist es bisher nicht zu einem Ausschluss der CRRC vom amerikanischen Markt gekommen.

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                          22.11.2021, 18:00 Uhr (23.11.2021, 01:00 Uhr Beijing Time)
                          Universität Trier, Vorlesung: Kai Strittmatter, “Die Neuerfindung der Diktatur – Wie China den digitalen Überwachungsstaat aufbaut und uns damit herausfordert” Mehr

                          22.11.2021, 18:00 Uhr (23.11.2021, 01:00 Uhr Beijing Time)
                          Harvard Fairbank Center, Vorlesung: Panel Discussion – Combatting Anti-Asian Racism and Misogyny: Perspectives from Harvard Alumni Mehr

                          23.11.2021, 09:00 Uhr (16:00 Uhr Beijing Time)
                          AHK China, Online Event: Sozialversicherung, Vertragsgestaltung und Vorsorge für Deutsche in China Mehr

                          25.11.2021, 02:00 Uhr (09:00 Uhr Beijing Time)
                          HQTS Group, Webinar: Exporting Food to China Under the New 2022 Customs Regulation Mehr

                          25.11.2021, 09:00 Uhr (16:00 Beijing Time)
                          Dezan Shira & Associates, Webinar: China’s FY2021 Annual Audit: What’s New and How to Prepare? Mehr

                          25.11.2021, 10:00 Uhr (17:00 Uhr Beijing Time)
                          PrivacyRules, Webinar: Doing business in and from China, what changes with the new Chinese privacy Mehr

                          25.11.2021, 11:00 Uhr (18:00 Uhr Beijing Time)
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                          25.11.2021, 19:30 Uhr (26.11.2021, 02:30 Uhr Beijing Time)
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                          26.11.2021, 09:00 Uhr (16:00 Uhr Beijing Time)
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                          Chinas Zentralbank finanziert “saubere Kohle”

                          China hat beschlossen, 31 Milliarden US-Dollar für die Finanzierung sogenannter “sauberer Kohle” bereitzustellen. Das gab der Staatsrat bekannt. Chinas Zentralbank werde den nationalen Banken vergünstigte Kredite zur Verfügung stellen, um Projekte zum “sauberen und effizienten Einsatz von Kohle” zu finanzieren. Dazu gehöre auch der “sichere Kohlebergbau” und die “saubere” Kohleverbrennung zur Stromerzeugung und Heizung.

                          Chinas Strommix besteht derzeit noch zu gut 60 Prozent aus Kohlestrom. Es wird kaum möglich sein, innerhalb weniger Jahre komplett auf andere Energieträger umzusteigen. Deswegen ist die Umrüstung von Kohlekraftwerken zum effizienteren Einsatz des Brennstoffs ein Schwerpunkt der chinesischen Energiepolitik. Nichtsdestotrotz bleibt Kohle ein dreckiger Energieträger und die Effizienzverbesserungen werden nur zu einer geringen Reduzierung des Ausstoßes von Treibhausgasen führen. Lauri Myllyvirta vom Centre for Research on Energy and Clean Air sagt, dieses Kreditprogramm schüre “Erwartungen, dass weiterhin investiert wird und neue Projekte gefördert werden, was nicht gut ist”.

                          Erst kürzlich hatte die Zentralbank Chinas ein Programm zur günstigen Finanzierung von Projekten im Bereich der erneuerbaren Energien bekannt gegeben (China.Table berichtete). Dazu gehören die Energieerzeugung, -speicherung und -übertragung. Dabei können Banken bis zu 60 Prozent eines Kredites zu der vergünstigten Zinsrate von 1,75 Prozent von der Zentralbank aufnehmen. Das Programm ist nicht auf eine bestimmte Summe begrenzt. Goldman Sachs geht davon aus, dass so umgerechnet mehr als 180 Milliarden US-Dollar bereitgestellt werden könnten, wie Bloomberg berichtet. nib

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                            Allianz übernimmt vollständige Kontrolle bei Lebensversicherer

                            Eine Tochterfirma der Allianz-Gruppe hat von den chinesischen Behörden die Erlaubnis erhalten, als erstes ausländisches Unternehmen die vollständige Kontrolle über ein Lebensversicherungsunternehmen in China zu erwerben, wie aus einer Meldung des Unternehmens hervorgeht. Die Allianz (China) Insurance Holding besitzt demnach derzeit 51 Prozent der Allianz China Life Insurance. Die chinesische Versicherungsaufsicht hat dem Unternehmen jetzt grünes Licht erteilt für die Übernahme der restlichen 49 Prozent von der chinesischen Treuhandgesellschaft Citic Trust.

                            China sei ein wichtiger strategischer Markt, sagte der Vorsitzende von Sergio Balbinot. Das Unternehmen sei stolz, “von den von der chinesischen Regierung angekündigten Öffnungsmaßnahmen zu profitieren”, so Balbinot. Schon im Januar feierte die Allianz eine Premiere in der Volksrepublik. Die chinesische Versicherungsaufsicht erteilte die Genehmigung, die erste vollständig in ausländischem Besitz befindliche Vermögensverwaltungsgesellschaft für Versicherungen in China zu gründen (China.Table berichtete). nib

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                              Hongkong: Fast sechs Jahre Haft für “Captain America 2.0”

                              In Hongkong ist zum zweiten Mal ein Demokratie-Aktivist auf Grundlage des Nationalen Sicherheitsgesetzes zu einer langen Haftstrafe verurteilt worden. Dem 31-Jährigen wurde vorgeworfen, zwischen August und November 2020 bei mindestens 20 Versammlungen Slogans geschrien und diese auch über soziale Medien verbreitet zu haben. Er forderte die Unabhängigkeit der Stadt von der Volksrepublik China. Der Richter verhängte eine Haftdauer von fünf Jahren und neun Monaten.

                              Der Mann namens Ma Chun-man war innerhalb der Demokratiebewegung als Captain America 2.0 bekannt geworden. Zu den Protesten hatte er stets ein Verteidigungsschild des US-Superhelden am Arm getragen. Vor Gericht bekannte sich Ma für nicht schuldig. Sein Anwalt argumentierte, der Angeklagte habe lediglich die Auslegung des Sicherheitsgesetzes in der Praxis testen wollen. Er sei überzeugt gewesen, dass die Meinungsfreiheit auch in dem neuen Rechtsrahmen gedeckt ist. Ma habe jedoch nie ernsthaft die Unabhängigkeit Hongkongs gefordert.

                              Ende Juli war das erste Urteil auf Basis des Sicherheitsgesetzes gesprochen worden. Damals wurde ein 24-Jähriger zu neun Jahren Gefängnis verurteilt, weil er mit einem Motorrad in eine Gruppe von Polizisten gerast war und dabei drei Menschen verletzt hatte.

                              Das Gesetz wurde im Juli vergangenen Jahres implementiert, nachdem der Ständige Ausschuss des Nationalen Volkskongresses in Peking das Basic Law für Hongkong entsprechend ergänzt hatte. Das Basic Law wird auch als Hongkongs Miniverfassung bezeichnet. Die chinesische Regierung hatte als Reaktion auf die Massenproteste in den Jahren 2019 und 2020 gegen den wachsenden Einfluss der Volksrepublik in der Stadt den Rechtsrahmen drastisch verschärft. In den kommenden Monaten werden weitere Urteile gegen Demokratie-Aktivisten erwartet. grz

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                                Taiwan-Büro in Litauen eröffnet

                                Taipeh hat in Litauen trotz Drohungen aus Peking eine Vertretung unter dem Namen Taiwan eröffnet. “Taiwans Vertretungsbüro” habe “offiziell seine Arbeit” in Vilnius aufgenommen, teilte das taiwanische Außenministerium am Donnerstag mit. Die Eröffnung der diplomatischen Vertretung werde einen “neuen und vielversprechenden Kurs für die bilateralen Beziehungen zwischen Taiwan und Litauen einleiten”. 

                                Aus Furcht vor chinesischen Repressalien bezeichnet Taiwan seine de facto Botschaften im Ausland üblicherweise als “Taipeh Vertretung”. Umgekehrt ist beispielsweise Deutschlands diplomatische Vertretung in Taipeh offiziell auch keine Botschaft, sondern ein “Deutsches Institut”.

                                Die China-kritische Regierung im EU-Land Litauen hatte Taipeh allerdings erlaubt, den Namen “Taiwan” bei seiner Vertretung zu führen. Peking zog daraufhin seinen Botschafter aus Vilnius ab und forderte Litauens Regierung auf, ihre Botschafterin in Peking ebenfalls zurückzurufen. Zudem stoppte China Frachtzüge nach Litauen und erteilte dem Land keine Einfuhrgenehmigungen für Lebensmittel mehr (China.Table berichtete). ari

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                                  RSBK 2021

                                  Deutsch-Chinesische Wirtschaftskonferenz RSBK 2021

                                  Vom 22. bis 24. November veranstaltet die Beratungsfirma RSBK die Deutsch-Chinesische Wirtschaftskonferenz 2021 mit Table.Media als Medienpartner. Hier finden Sie einen ausgewählten Programmpunkt vom kommenden Montag. Der thematische Schwerpunkt des Tages wird sein: Politik und Wirtschaft.

                                  Investitionen und Finanzen

                                  Dr. Sabine Mauderer (Vorstand, Deutsche Bundesbank): China und Deutschland – die Wirtschaft in Zeiten des Umbruchs

                                  MA Xiuhong (Präsidentin, China Counsel for International Investment Promotion – CCIIP): Ausländische Investitionen in China, Energieeffizienz, Wachstum

                                  Bagrin Angelov (Managing Director, Head of China Cross-border M&A, China International Capital Co., Ltd.): Strukturelle Veränderungen Chinesischer Cross-border Transaktionen

                                  Roland Boehm (Bereichsvorstand International Corporates, Commerzbank AG)

                                  Dr. Dietmar Helms (Partner, Hogan Lovells International LLP): Investitionsklima und -umfeld in China: Aktuelle Entwicklungen

                                  Uwe Michel (Executive Vice President, Head of Asia Business Division, Allianz SE): Green finance – Eine Lösung für Chinas Grünen Wandel?

                                  Presseschau

                                  China making example of jailed Wuhan Covid journalist, says lawyer THE GUARDIAN
                                  Biden Says U.S. Is Considering Diplomatic Boycott of Beijing Winter Olympics WSJ
                                  Outcry over missing Peng Shuai’s #MeToo claim poses new challenge for China INDEPENDENT
                                  Alibaba Outlook Disappoints After China Slowdown Hurt Sales BLOOMBERG (PAY)
                                  Chinese FM urges Japan to remain firm and avoid crossing the line on history issues and Taiwan question, stresses active cooperation GLOBALTIMES (STAATSMEDIUM)
                                  Das Verhältnis zwischen China und Afrika trübt sich ein HANDELSBLATT
                                  Hohe Preise: China will seine Ölreserven anzapfen SPIEGEL
                                  Kritik an Null-Covid-Strategie: Unmut in Chinas Bevölkerung wächst N-TV
                                  Auch China investiert: Ägypten baut neue Hauptstadt für 50 Milliarden Dollar STERN
                                  Taiwan-Büro in Litauen eröffnet: China wütet wegen “extrem ungeheuerlichem Akt” N-TV

                                  Kolumne

                                  Zehntausend Jahre soll er leben

                                  Johnny Erling
                                  Ein Bild von Johnny Erling

                                  Allein 22-mal verewigte KP-Chef Xi Jinping sich mit seinem Namen in einer 25 Seiten umfassenden, “historisch” genannten Resolution. Das am Dienstag veröffentlichte Grundsatzdokument habe er selbst, gemeinsam mit seinem Cheftheoretiker Wang Huning und dem Leiter der ZK-Organisationsabteilung Zhao Leji, entworfen, ließ er erklären. Es sei als Fazit der 100-jährigen Geschichte der Kommunistischen Partei Chinas gedacht, aber auch als ihr “politisches Manifest” für eine marxistische Runderneuerung und technologische Modernisierung der Volksrepublik und ihrer Reinkarnation bis 2050 als künftige Weltmacht. 

                                  Fünf Jahre, nachdem Xi 2016 zum “Kern” (核心) der Partei ernannt wurde, sitzt er heute fester als jemals zuvor im Sattel. Er lässt sich wie einst Mao Zedong als Volksführer (人民领袖), Oberkommandierender (军队统帅) oder fast mit den gleichen Worten wie einst Mao als Chinas Steuermann (掌舵者) anreden. Alle Hindernisse scheinen ausgeräumt, damit sich Xi vom Wahlparteitag im Winter 2022 einen Freibrief zur Fortsetzung seiner Herrschaft ausstellen lassen kann. Eine Ehrenbezeichnung fehlt ihm allerdings noch, um mit dem Meister des Personenkults Mao gleichzuziehen. Dass ihn die Nation mit dem Ruf 万岁 hochleben lässt, dem Wunsch nach einem “zehntausend Jahre” währenden Leben.  

                                  10.000 Jahre für den Kaiser Chinas

                                  Die chinesische Chiffre für Zehntausend (万) ist eigentlich ein Schriftzeichen, das dem Herrscher des Himmels vorbehalten war. Daher durfte der irdische Kaiserpalast in Peking (Gugong) nicht mehr als 9.999 Räume umfassen, mit gerade noch einem halben Raum dazu. So steht es in vielen Reiseführern. Der Legende nach hätte Ming-Kaiser Yongle (永乐 – 1360 bis 1424) seinem Bauherren befohlen, den für ihn neu geplanten Palast mit so vielen Räumen wie nur möglich auszustatten. Doch dann träumte er, dass der Jadeherrscher 玉皇大帝 davon gehört und ihn sofort zum Besuch einbestellt hätte. Er zeigte ihm seinen Himmelspalast mit 10.000 Zimmern und warnte: Ob Yongle mehr Räume als er besitzen wollte? 

                                  Der Personenkult von Mao Zedong in Bildern. Xi Jinpings Personenkult gleicht diesem.
                                  Personenkult um Mao in der Kulturevolution. Auf der Anzeigetafel stehen die vier Anreden: Großer Lehrer, Führer, Oberkommandierender und Steuermann – Vorsitzender Mao lebe Zehntausend Jahre lang. Alle vier Anreden treffen heute auch auf Xi Jinping zu. Nur die Parole “Zehntausend Jahre” fehlt noch.

                                  Seither soll keiner der 24 Kaiser, die von 1420 an im Gugong bis zum Ende der Qingzeit residierten, bei Erweiterungs- oder Neubauten nach Bränden gewagt haben, die magische Grenze zu übertreffen. Zur Mingzeit wurden rund 8.000 Zimmer in den Hallen und Pavillons gezählt. Nach 1972 kam eine systematische Untersuchung auf 9.371 Zimmer, gemessen nach Chinas Raummaß Jian (间). 

                                  Das Zahlwort 10.000 war kein komplettes Tabu. Als Söhne des Himmels durften sich die menschlichen Kaiser mit Wansui (万岁) als “Zehntausend Jahre-Herrscher” anreden lassen, oder ewiges Leben “zehntausend Jahre lang” gewünscht bekommen. Nach der 1979 überarbeiteten Ausgabe der “Wortmeer”-Enzyklopädie Cihai ist “Wansui” seit der Zeit der Streitenden Reiche (475-221 v.Chr.) in den Annalen verbrieft. Das ging bis zur Regentschaft der Kaiserinwitwe Cixi (1861 -1908). Alte Fotos zeigen sie vor repetitiven Aufschriften sitzen, wie: “Die Heilige Kaiserinmutter der großen Qing lebe 10.000 Jahre, 10.000 Jahre, zehntausend mal zehntausend Jahre.” (大清国當今聖母皇太后 万岁、万岁、万万岁). Während der Kulturrevolution wurde der gleiche Ausruf auch für Mao gebrüllt. 

                                  Das chinesische Wansui ging als Lehnwort in andere ostasiatische Sprachen ein, angeblich seit dem achten Jahrhundert ins Japanische als banzei oder banzai. Im Koreanischen wurde daraus “manse”, im Vietnamesischen “vạn tue”. Obwohl das Cihai-Wörterbuch “Wansui” als “feudalistisches Erbe” brandmarkte, übernahmen es Chinas Kommunisten 1949. Am Tiananmen-Tor hängen seit Gründung der Volksrepublik bis heute die Aufschriften “Zehntausend Jahre für die Volksrepublik China”(中华人民共和国万岁) und als Gegenpart: “Zehntausend Jahre für die große Solidarität unter allen Völkern der Welt.” (世界人民大团结万岁).

                                  Tiananmen-Tor mit den Aufschriften "Zehntausend Jahre für die Volksrepublik China" und "Zehntausend Jahre für die große Solidarität unter allen Völkern der Welt"
                                  Auf dem Tiananmen-Tor hängen zu beiden Seiten des Eingangs-Tores zum Kaiserpalast die Aufschriften “Zehntausend Jahre für die Volksrepublik China””(links) und rechts als Gegenpart der Spruch: “Zehntausend Jahre für die große Solidarität unter allen Völkern der Welt.” Beide Parolen hängen unverändert seit Gründung der Volksrepublik.

                                  10.000 Jahre unter Mao Zedong

                                  Diktator Mao beanspruchte, was den alten Kaisern zustand, von seiner Residenz in Zhongnanhai bis zum Anruf Wansui. Auf offiziellen Kundgebungen ließ er sich von Vorbeimarschierenden am 1. Mai-Feiertag 1950 mit dem Ruf: “Mao Zedong lebe zehntausend Jahre lang” grüßen. 2010 machte die mutige Pekinger Monatszeitschrift für marxistische Aufklärung “Yanhuang Chunjiu” (炎黄春秋) bekannt, dass Mao eigenhändig dafür gesorgt hatte. Sie stieß eine brisante Debatte über seinen Personenkult an. Zugrunde lag die Erinnerung von Chen Youqun, der 1950 als politischer Sekretär für einen hochrangigen Funktionär Chinas arbeitete. Erst Jahre nach dem Tode Maos enthüllte Chen, dass Mao bei den Vorbereitungen für die 1. Mai-Kundgebung 1950 die Liste der vorgeschlagenen “Arbeiterparolen” um den Slogan erweitert hatte: “Es lebe Genosse Mao zehntausend Jahre lang.” 

                                  In der vom Magazin dazu geführten Debatte widersprach zuerst die Geschichtsforscherin Zhang Suhua. Sie hätte im Parteiarchiv den fünfseitigen Originalentwurf mit 35 Losungen für den 1. Mai 1950 gefunden, ohne eine erkennbare Änderung durch Mao. Andere kritische Parteiintellektuelle verwarfen ihren Einwand, darunter Li Rui, ein ehemaliger Sekretär Maos, der später beim Diktator in Ungnade fiel und zum Dissidenten wurde. In der Julinummer der Yanhuang Chunjiu schrieb Li Rui, dass Mao schon vorab dafür gesorgt hatte, dass sein Slogan in den Entwurf einging. “Damals schon brauchte er viele öffentliche Stimmen, die ihn hochleben ließen.”

                                  Xi Jinpings Personenkult: “Steuermann” des modernen Marxismus

                                  Das ist beim heutigen Volkstribun Xi Jinping nicht anders. Die Debatte von 2010 (deren Beiträge heute im Internet gelöscht sind, nachdem vermutlich auf Anweisung Xis die des “Nihilismus” bezichtigte Zeitschrift Yanhuang Chunjiu 2016 politisch mundtot gemacht und von regimekonformen Historikern übernommen wurde) wäre heute besonders brisant.

                                  Nach Maos Tod 1976 wurde sein Personenkult kritisiert, wurden über Nacht alle Wansui-Rufe geächtet, die zum Lob eines einzelnen Führers gedacht waren. Sie könnten nach dem großen Wahlparteitag im Herbst 2022 wieder aufleben, der Xis weitere Herrschaft bestätigen soll. Seit der Veröffentlichung der neuen Resolution in dieser Woche preisen Chinas staatliche Medien Xi als “würdigen Kern” der Partei, als Führer des Volkes oder Oberkommandierender. Sie nennen ihn sogar Steuermann “掌舵者”. Der chinesische Ausdruck dafür weicht sprachlich kaum von der gleichen kulturrevolutionären Bezeichnung für Mao “舵手” ab. Das Lied vom Steuermann Mao können noch heute Millionen Chinesen singen. “大海航行靠舵手”.

                                  Marxismus-Leninismus und Mao Zedong
                                  China ließ neben Mao auch Marx-Engels-Lenin und Stalin hochleben. Auf dem Poster steht. “Das Denken des Marxismus-Leninismus und Mao Zedongs lebe zehntausend Jahre lang.”

                                  In eigener Sache trägt Xi in der Resolution noch dicker auf. Er lässt dort sein Denken als “Marxismus des 21. Jahrhunderts und Essenz der chinesischen Kultur und ihres Geistes” preisen. Nur bei Wansui hält er sich noch zurück: Als er bei einer Inspektionsreise von einem Zuschauer aus der Menge im Kreis Gaotai in Nordwestchinas Gansu mit einem lauten “Vorsitzender Xi lebe zehntausend Jahre” angerufen wurde, wirkten Xi und seine Leibwächter höchst irritiert. Die im Internet geteilten Handyaufnahmen wurden von der Zensur zumindest in China komplett gelöscht. Die Zeit war noch nicht reif.

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                                    Personalie

                                    Holger Scherr wird neuer Präsident und CEO des chinesischen Joint Ventures Beijing Foton Daimler Automotive (BFDA). Das beschloss der Vorstand der Daimler Truck AG kürzlich. Scherr folgt auf Kelley Platt, die Anfang 2022 in den Ruhestand geht. Sie hatte die Leitung von BFDA in Peking seit 2018 inne.

                                    Dessert

                                    Baumeister Natur – im Yuanmou County in der Provinz Yunnan entstanden vor Millionen von Jahren beeindruckende “Erdwälder”. Die säulenartigen Gebilde aus Erde erinnern aus der Ferne an Wolkenkratzer.

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