Table.Briefing: China

Markt für Ökostrom + Teile aus Xinjiang

  • Markt für Ökostrom befindet sich im Aufbau
  • Teile für Windkraftanlagen aus Xinjiang unter Verdacht der Zwangsarbeit
  • Weniger Import von russischem Gas und Öl
  • Strom aus den Wüsten
  • CATL steigt in Batterietausch ein
  • Entstehung eines Brennstoffzellen-Marktes
Liebe Leserin, lieber Leser,

China will einen Handelsplatz für Ökostrom aufbauen. Christiane Kühl analysiert heute für uns die schwierigen Fortschritte bei diesem Unterfangen. Sie beobachtet, dass es zwar viel Zeit braucht, aber Schritt für Schritt vorankommt. Parallel helfen Reformen im Stromsektor und der Aufbau überregionaler Stromnetze dabei, Ökostrom im ganzen Land verfügbar zu machen.

Mit dem sogenannten Sorgfaltspflichtengesetz, das im kommenden Jahr in Kraft tritt, sollen deutsche Unternehmen verpflichtet werden, ihre Lieferketten auf Menschenrechtsverletzungen, Korruption und Umweltverschmutzung abzuklopfen. Wer nicht nachhaltig und ethisch aufgestellt ist, riskiert hohe Geldstrafen – und eines Tages vielleicht sogar Schadensersatzklagen von betroffenen Arbeitnehmern und ihren Familien. Das betrifft auch und besonders den Markt für Solar- und Windenergieausrüstung.

Doch wie soll man überprüfen, ob einzelne Komponenten wirklich ethisch sauber sind? Im Fokus steht hier die immer wirtschaftsstärkere Region Xinjiang, deren Name schon zum Synonym für Menschenrechtsverletzungen geworden ist. Marcel Grzanna hat mit Experten über die praktische Umsetzung des Gesetzes gesprochen. Die Juristen sind sich sicher, dass vorgetäuschte Unwissenheit nicht vor Unannehmlichkeiten schützen wird. Das Risiko eines massiven Imageschadens sei einfach zu hoch.

Ihr
Finn Mayer-Kuckuk
Bild von Finn  Mayer-Kuckuk

Analyse

Woher erhalten Firmen reinen Ökostrom?

Zwei Ingenieure gehen einen Berg voller Solarzellen hinauf zur Inspektion - China möchte den Ökostrom-Sektor ausbauen.
Chinas Ökostrom kommt aus dem Westen des Landes: Ingenieure inspizieren eine Solaranlage in Yunnan

Zuerst die gute Nachricht: In China können neu gebaute Wind- und Solaranlagen weitgehend mit den Preisen für Kohlestrom konkurrieren – selbst kleinere, dezentral verteilte Solardächer sind preislich konkurrenzfähig geworden. Das liegt vor allem am gestiegenen Kohlepreis. Und zum anderen daran, dass der Einstieg in Erneuerbare Energien immer günstiger zu haben ist.

Doch es gibt einen Haken: Wie kaufe ich in der Volksrepublik Ökostrom, wenn ich ihn brauche – und zwar nur ihn? Chinas Strommarkt ist noch immer auf konventionelle Kraftwerke ausgelegt. Das Land muss daher einerseits den Stromhandel generell verändern – und anderseits eigene Märkte nur für Ökostrom aufbauen.

Beides ist inzwischen angeschoben. Eine künftige Plattform für Ökostromhandel hat im September 2021 erstmals einen Pilot-Handelstag organisiert – mit echten Umsätzen und Verträgen. Auch hat Peking Ende 2021 Reformen im Stromsektor angekündigt, die nach Ansicht von Experten schrittweise das Spielfeld verändern und die Wirtschaftlichkeit erneuerbarer Energien verbessern werden.

Dazu gehören der Aufbau von Spotmärkten, Stromhandel zwischen Provinzen oder auch Preisreformen. Diese Reformen haben das Potenzial, einen tiefgreifenden Wandel auszulösen. Sie könnten eine erhebliche Rolle dabei spielen, den Übergang zu sauberer Energie zu beschleunigen, schreibt Anders Hove, Direktor des von der GIZ umgesetzten Sino-German Energy Transition Projects des deutschen Wirtschafts- und Klimaschutzministeriums in einem Beitrag für den Fachdienst China Dialogue.

China: Ökostrom inzwischen wettbewerbsfähig

Bis vor drei oder vier Jahren waren Wind- und Solarenergie auch in China noch sehr kostspielig. Auf dem damaligen Preisniveau konnte kein Markt mit Angebot und Nachfrage entstehen. Also förderte China – ebenso wie andere Länder – erneuerbare Energien durch Subventionen. In Chinas Fall war dies laut Hove hauptsächlich eine subventionierte, fixe Einspeisevergütung an die Erzeuger von Wind- und Sonnenenergie. Als die Preise für Erneuerbare aufgrund der Massenproduktion im Land immer weiter fielen, schaffte China die subventionierten Einspeisetarife schrittweise wieder ab.

Stattdessen führte es administrative Maßnahmen ein, wie Wind- und Solarquoten für jede Provinz. Außerdem hielt man Auktionen ab, bei denen staatliche Stromkonzerne um feste Quoten für langfristige Ökostrom-Verträge zu günstigen Preisen konkurrierten. Diese Preise lagen auf oder unter dem Preisniveau für Kohlestrom.

Doch das alles sind nur Anfänge. Wie ein marktbasierter Handel mit Ökostrom künftig in der Praxis funktionieren könnte, zeigte die im September gestartete Ökostrom-Handelsplattform für Erzeuger, Endverbraucher und Händler zumindest an einem einzigen Tag. Mehr als 7,9 Milliarden Kilowattstunden (kWh) wurden an diesem Tag gehandelt, was etwa einem Prozent der 2021 erzeugten Gesamtmenge an Solar- und Windenergie entsprach. Auch deutsche Firmen nahmen daran teil, etwa die Chemiefirmen BASF und Covestro und der Industriegasproduzent Linde. Viele Unternehmen unterzeichneten damals gleich mehrjährige Verträge – was das Ausmaß des Bedarfs zeigt.

Ökostrom in China: Hoher Bedarf, geringe Verfügbarkeit

Covestro etwa kaufte nach einem Bericht der South China Morning Post 100 Millionen Kilowattstunden im Rahmen einer Einjahresvereinbarung mit Datang Wuzhong New Energy Strom von Solarparks in Nordchina. Rund zehn Prozent des Stroms, den Covestro in seinem Shanghaier Werk benötigt, stammen nach Angaben des Unternehmens inzwischen aus diese Solarparks. Zunächst nur für Solar- und Windkraft gestartet, soll das Handelssystem künftig auch Wasserkraft und andere erneuerbare Energien umfassen.

“Ob es dieses Jahr noch weitere Handelsrunden geben kann, hängt wirklich vom Angebot ab”, sagt David Fishman von der auf Ökstrom für Großkonzerne spezialisierten Energieberatung The Lantau Group in Shanghai. Das Problem: Große Teile des Ökostroms sind im Rahmen von Verträgen in dem staatlichen System bereits gebunden. “Der handelbare Ökostrom ist für 2022 bereits ausverkauft und auch das Angebot für 2023 wird angesichts der hohen Nachfrage wohl sehr schnell nachgekauft sein”, so Fishman zur South China Morning Post. Das Interesse ist vor allem an langfristigen Verträgen über 10 oder 15 Jahre groß: Großkonzerne brauchen eine verlässliche Planung.

China: Stromnetze mit entscheidender Bedeutung für Ökostrom

Solange es keine zentrale Handelsplattform gibt, müssen sich interessierte Unternehmen lokal selbst um den Zugang zu Ökostrom kümmern. BASF etwa errichtet in der Stadt Zhanjiang in Guangdong derzeit einen Verbundstandort, der ab 2025 zu 100 Prozent mit Ökostrom versorgt werden soll. Dafür initiierte der Chemiekonzern bei der Provinzregierung ab 2019 einen Mechanismus zum Direktankauf von Ökostrom (China.Table berichtete). Damals schlug das Unternehmen nach eigenen Angaben den lokalen Behörden das “Renewable Direct Power Purchase” (R-DPP)-Konzept vor, das es gemeinsam mit dem Konzern China Resources Power entwickelt hatte. Im März unterzeichnete BASF mit der State Power Investment Corporation (SPIC) für Zhanjiang einen Ökostrom-Rahmenvertrag mit einer Laufzeit von 25 Jahren. Die ersten Anlagen gehen in Zhanjiang laut BASF noch in diesem Jahr in Betrieb.

Den Stromnetzen kommt bei Chinas Übergang zur Klimaneutralität eine entscheidende Rolle zu. Sie müssen das Kohle-Primat brechen und anteilig mehr Öko-Strom durchleiten. Damit das funktioniert, sind auch mehr und bessere überregionale Stromnetze notwendig. Denn der Großteil des Ökostroms wird in den sonnen- und windreichen Regionen Westchinas erzeugt. Der größte Bedarf aber kommt aus der industriellen Ostküste mit ihren Metropolen.

Seit Jahren arbeiten Chinas Netzbetreiber deshalb daran, riesige neue Hochspannungsnetze zu bauen, darunter einige Leitungen speziell für den Ökostromtransport von West nach Ost. “Der provinzübergreifende Stromhandel ist sowohl für die Stromsicherheit als auch für die Steigerung der Nutzung erneuerbarer Energien wichtig”, schreibt Hove. Am Pilot-Handelstag der Ökostromplattform fanden immerhin auch einige Transaktionen über Provinzgrenzen hinweg statt. Das ist immerhin ein Anfang.

  • Energie
  • Erneuerbare Energien
  • Klima
  • Nachhaltigkeit
  • Strommarkt

Sorgfalt in der Lieferkette: Brennpunkt Xinjiang

Baumwollfeld in Shawan, Xinjiang. Aus der Region kommt ein Fünftel der weltweit geernteten Baumwolle. Das geplante Lieferkettengesetz soll Produkte aus Zwangsarbeit begrenzen.
Baumwollfeld in Shawan, Xinjiang. Aus der Region kommt ein Fünftel der weltweit geernteten Baumwolle.

Bei Pacifico Renewables Yield (PRY) gibt man sich keinen Illusionen hin. Die Firma mit Sitz in Grünwald bei München kauft und betreibt Solar- und Windparks in ganz Europa. Projekte, in die sie investiert, müssen hohen sozialen und ökologischen Standards entsprechen. Zur Finanzierung gibt die Firma grüne Anleihen heraus oder beschafft sich Kredite bei Nachhaltigkeitsbanken mit strengsten Maßstäben.

Doch wenn es um China und Nachhaltigkeit geht, vor allem in der Solarbranche, weiß Geschäftsführer Martin Siddiqui sehr genau, dass es keine Gewissheiten gibt. “Der Großteil der Komponenten kommt aus China, und dort gibt es Zulieferer, die mit fossiler Energie produzieren, oder deren Produkte durch Zwangsarbeit hergestellt werden”, sagt Siddiqui. Man arbeite so gut es ginge daran, Unternehmen entlang der Lieferketten weiter und präziser zurückzuverfolgen und zu prüfen, sagt der 37-Jährige. Eine Garantie könne er aber nicht abgeben, ob alle verbauten Module in den Parks seines Unternehmens zu einhundert Prozent nachhaltig hergestellt wurden.

Garantien will nicht einmal die Politik erzwingen, wenn im kommenden Jahr das deutsche Sorgfaltspflichtengesetz in Kraft tritt. Gemeinhin als Lieferkettengesetz bezeichnet, soll es Produkte, aber auch Dienstleistungen deutscher Unternehmen nachhaltiger machen. Zwangsarbeit, Menschenrechtsverletzungen, Korruption, Umweltverschmutzung – all das soll ab 2023 so weit wie möglich aus der Wertschöpfung verbannt werden, wenn deutsche Firmen beteiligt sind.

Jetzt fragen sich Unternehmen, die Solarmodule, Elektrokomponenten, Baumwolle oder Tomaten aus Xinjiang beziehen, wie es ihnen gelingen soll, ihre Lieferketten aufzuräumen. Die nordwestchinesische Autonome Region gilt als Synonym für die Verletzung von Menschenrechten. Die Internationale Arbeitsorganisation ILO der Vereinten Nationen spricht von einem “weit verbreiteten und systematischen” Zwangsarbeitsprogramm. Betroffen: vornehmlich Uiguren, aber auch türkische und andere muslimische Minderheiten.

Wenn jemand betrügen will, wird er Mittel und Wege finden.”

Doch manche Branchen sind so abhängig von Lieferungen aus Xinjiang, dass es für sie unmöglich ist, innerhalb weniger Jahre ihren Bedarf aus anderen Quellen zu decken. Ein Fünftel der globalen Baumwolle kommt von dort, keine Region der Welt pflanzt und erntet mehr Tomaten für den Weltmarkt, und auch die Photovoltaik-Industrie verlässt sich weitgehend auf Module aus China.

Was nun? “Verlässlich nachzuweisen, dass in einem der Risikoprodukte keine Zwangsarbeit steckt, ist nahezu unmöglich”, sagt Joachim Trebeck von der Kölner Anwaltskanzlei Trebeck & von Broich. Der Arbeitsrechtler hält das Gesetz dennoch für sinnvoll, weil Deutschland als “interessanter Markt seine Einflussnahme auf andere Länder” bündele. Doch Trebeck sagt auch: “Wenn ein Zulieferer betrügen will, dann wird er auch Mittel und Wege finden.”

Für die Solarpark-Betreiber von PRY ist das noch kein Grund, nervös zu werden. Das Lieferkettengesetz zielt zunächst nur auf die großen Akteure mit 3.000 Mitarbeitern aufwärts. 2024 wird die Geltung auf alle Firmen ab 1.000 Mitarbeitern erweitert. Erst wenn auch die Europäische Union ein europaweites Lieferkettengesetz implementiert, rückt der Rechtsrahmen an den Mittelstand heran. Der aktuell diskutierte Vorschlag für die EU-Richtlinie in den Risikosektoren Textil, Landwirtschaft und Bergbau liegt bei 250 Mitarbeitern und 40 Millionen Euro Jahresumsatz. Doch bis dahin vergehen wohl noch vier, vielleicht fünf Jahre.

Näherin in Yutian, Xinjiang. Die Autonome Region entwickelt derzeit arbeitsintensive Industriezweige - das Lieferkettengesetz soll für mehr Transparenz in der Wertschöpfungskette sorgen.
Näherin in Yutian, Xinjiang. Die Autonome Region entwickelt derzeit arbeitsintensive Industriezweige.

Zudem gilt die Bemühenspflicht, die besagt, dass Unternehmen die Verhinderung von Verstößen nicht garantieren müssen. “Wohl aber müssen sie alles Erforderliche tun, um ihren Sorgfaltspflichten nachzukommen. Nur so vermeiden sie eine Strafe”, sagt Christoph Schork von der Anwaltskanzlei Heuking Kühn Lüer Wojtek, der seit zweieinhalb Jahren Klienten auf die Einführung des Lieferkettengesetzes vorbereitet. “Das bedeutet aber auch, dass ein Unternehmen unter Umständen an die Zulieferer zweiten, dritten oder vierten Grades heranmuss, wenn es konkrete Hinweise auf Zwangsarbeit gibt”, so Schork.

Es gibt keine Best-Practice-Lösung

Eine Mammutaufgabe. Je größer ein Unternehmen, desto breiter knüpft sich sein Netzwerk. Mehrere Tausend unmittelbare Zulieferer sind bei riesigen Konzerne mit Hunderttausenden Mitarbeitern keine Ausnahme, sondern die Regel. Die mühsame Kleinarbeit beginnt mit einer gründlichen Risikoanalyse. Jedes Risiko muss intern bewertet und seiner Dringlichkeit nach angegangen werden. Ganz oben auf den Listen: Zulieferer aus Xinjiang.

Das Gesetz setzt eine “substanziierende Kenntnis” voraus, ehe sich die Verantwortung der Unternehmen auch auf den mittelbaren Zulieferer in der Lieferkette erstreckt. Sprich: Es müssen ernstzunehmende und nachprüfbare Hinweise vorliegen auf Risiken für Verstöße. “Bei dem Thema Uiguren kann niemand sagen, er hätte davon nichts gewusst”, sagt Schork. Doch es wird andere Fälle geben, bei denen die Verdachtsmomente weniger offenbar sind und Firmen dazu verleitet sein könnten, Unkenntnis vorzugaukeln.

Anwalt Schork glaubt jedoch nicht, dass sich das Vortäuschen von Unwissenheit langfristig auszahlen wird. “Die Angst vor einem Imageschaden, der aus solcher Ignoranz entstehen kann, dürfte die meisten Firmen davon abhalten.” Zudem hätten die Unternehmen erkannt, dass sie von echter Nachhaltigkeit profitieren können, weil sie dem gesellschaftlichen Zeitgeist folgten. Einige seien bereits entsprechend fortgeschritten in ihren Vorbereitungen.

Vorerst sind aber auch Experten noch ratlos, was die konkrete Ausgestaltung angeht. “Zurzeit blicken wir alle noch in die Blackbox. Es gibt einfach keine Best-Practice-Lösung“, sagt Schork. Auch glaubt er, das zuständige Bundesamt für Ausfuhrkontrolle und Wirtschaft werde unmittelbar nach Inkrafttreten des Gesetzes “keine Welle der Sanktionen in Gang setzen”. Die Behörde mit Sitz in der Niederlausitz müsse sich zunächst sortieren. Werden Verstöße jedoch geahndet, kann sie Bußgelder bis zu acht Millionen Euro verhängen.

EU-Lieferkettengesetz ermöglicht auch Schadenersatzklagen

Entscheidende Unterstützung für die Unternehmen erhofft sich die Politik von Whistleblowern. Deutsche Firmen müssen niederschwellige Kanäle einrichten, über die Beschwerden aus aller Welt zu Verstößen gegen Arbeits- oder Menschenrechte abgesetzt werden können. Auch müssen die Firmen ihre Zulieferer nachdrücklich dazu auffordern, über die Existenz dieser Kanäle auch deren eigenen Zulieferer aufzuklären. “Bei der Umsetzung der Sorgfaltspflichten gibt es eine Vielzahl von Möglichkeiten. Denkbar sind Fragebögen, Audits, Schulungen – jede angemessene Maßnahme dient der Erfüllung der gesetzlichen Anforderungen und sorgt für größere Sicherheit”, so Schork.

Den deutschen Unternehmen bietet die Einführung des Gesetzes einen Vorgeschmack auf die noch schärfere EU-Richtlinie in einigen Jahren. Sobald die EU die Norm setzt, drohen den Firmen nicht nur Bußgelder, sondern Schadenersatzklagen von betroffenen Arbeitnehmern oder deren Familien in Millionenhöhe. Dann müssen deutsche Firmen für die arbeitsrechtlichen Defizite bei ihren Zulieferern möglicherweise tief in die Tasche greifen, wenn sie nicht frühzeitig und konsequent gegen Risiken von Verstößen vorgehen.

  • Handel
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  • Lieferketten
  • Menschenrechte
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News

Strom aus den Wüsten

Chinas gigantisches Programm zum Ausbau von Erneuerbaren Energien in den Wüsten des Landes nimmt weiter Gestalt an. Einem Industrievertreter zufolge sollen die Wüstenprojekte bis zum Jahr 2025 eine Kapazität von 200 Gigawatt umfassen, wie der Nachrichtendienst Bloomberg berichtet. Zwischen 2026 und 2030 sollen demnach weitere 255 Gigawatt installiert werden. Mehr als 300 Gigawatt der geplanten Gesamtkapazität sollen über Fernleitungen in die Industrie-Zentren des Landes übertragen werden. In der ersten Phase sollen 60 Prozent des Stroms durch Solarenergie gewonnen werden. Um die Stabilität des Stromnetzes zu garantieren, soll ein großer Teil der neuen Solar– und Windkraftwerke in der Nähe bestehender fossiler Kraftwerke entstehen. Kohlekraftwerke sollen in Dunkelflauten für den notwendigen Strom sorgen, um die Netze stabil zu halten (China.Table berichtete).

Ein Vertreter der Nationalen Entwicklungs- und Reformkommission teilte laut Bloomberg mit, dass China zwischen 2021 und 2025 rund 500 Gigawatt an neuen Wind- und Solarkraftwerken bauen werde. In der zweiten Hälfte des Jahrzehnts sollen weitere 700 Gigawatt hinzukommen. Die Gesamtkapazität läge dann bei 1.700 Gigawatt, weit über den bisherigen Zielen der chinesischen Regierung. In offiziellen Dokumenten ist bislang eine Gesamtkapazität von 1.200 Gigawatt als Ziel bis 2030 angegeben. nib

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Weniger Öl und Kohle aus Russland importiert

Chinas importierte im März weniger Öl und Kohle aus Russland. Das Land habe 14 Prozent weniger russisches Öl und 30 Prozent weniger russische Kohle eingeführt als im Februar, teilte die Zollbehörde am Mittwoch mit. Auch die Einfuhr von Öl aus Saudi-Arabien ging demnach deutlich zurück. Als Grund für die Rückgänge wird offiziell eine Periode von Wartungsarbeiten in der Großindustrie genannt.

Chinesische Händler hätten die Bestellungen aber auch wegen Sanktionsdrohungen des Westens zurückgefahren, berichtet die Nachrichtenagentur Reuters. Die Großbanken des Landes befürchten Nachteile, wenn sie die Importe aus Russland finanzieren – und dann als Sanktionsbrecher dastehen. fin

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Sinolytics.Radar

Der Markt für Wasserstoff-Antriebe ist heiß umkämpft

Dieser Inhalt ist Lizenznehmern unserer Vollversion vorbehalten.
  • Im Vergleich zur EU und Japan hat China bei der Entwicklung von Wasserstoff als Bestandteil seines künftigen Energiemixes nur langsame Fortschritte gemacht.
  • Dies ändert sich nun: Der kürzlich veröffentlichte “Langfristige Entwicklungsplan des Wasserstoffsektors für China 2021-2035” (NDRC, 24. März) setzt klare Vorgaben und hohe Erwartungen für den neuen Energiesektor. Wasserstoff soll ein wichtiger Bestandteil des künftigen Energiemixes werden.
  • Derzeit befindet sich der nationale Markt für Brennstoffzellenfahrzeuge noch in einem frühen Stadium der Entwicklung. 2022 sollen nur etwa 1.500 Fahrzeuge verkauft werden.
  • Dennoch haben einige internationale Unternehmen wie Toyota, Bosch und Ballard das große Marktpotenzial von Brennstoffzellenanwendungen in China erkannt. Sie sind frühzeitig in diesen Sektor eingestiegen.
  • Sie haben bereits in mehrere Bereiche der Wertschöpfungskette investiert, darunter Basismaterialien, Komponenten für Brennstoffzellen, Brennstoffzellenstacks/-systeme und Brennstoffzellenfahrzeuge.
  • Für den Markteintritt streben die meisten ausländischen Unternehmen Partnerschaften mit chinesischen Unternehmen wie Weichai, Sinohytec und Weifu an, entweder in Form eines Joint Ventures oder durch den Abschluss strategischer Kooperationsvereinbarungen. Chinesische Unternehmen verfügen in der Regel über umfangreiche Produktionskapazitäten und ein dichtes Vertriebsnetz, was ihren ausländischen Partnern die künftige Geschäftstätigkeit in China erleichtert.
  • Für andere Unternehmen, die auf dem chinesischen Wasserstoffmarkt Fuß fassen wollen, ist die Entwicklung einer optimalen Markteintrittsstrategie und die Wahl geeigneter Partner noch wichtiger geworden. Schließlich haben die Early Movers schon begonnen, den Markt zu prägen.

Sinolytics ist ein europäisches Beratungs- und Analyseunternehmen, das sich auf China spezialisiert hat. Es berät europäische Unternehmen bei der strategischen Ausrichtung und den konkreten Geschäftsaktivitäten in der Volksrepublik.

  • Nachhaltigkeit
  • Wasserstoff

China.Table Redaktion

CHINA.TABLE REDAKTION

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    • Markt für Ökostrom befindet sich im Aufbau
    • Teile für Windkraftanlagen aus Xinjiang unter Verdacht der Zwangsarbeit
    • Weniger Import von russischem Gas und Öl
    • Strom aus den Wüsten
    • CATL steigt in Batterietausch ein
    • Entstehung eines Brennstoffzellen-Marktes
    Liebe Leserin, lieber Leser,

    China will einen Handelsplatz für Ökostrom aufbauen. Christiane Kühl analysiert heute für uns die schwierigen Fortschritte bei diesem Unterfangen. Sie beobachtet, dass es zwar viel Zeit braucht, aber Schritt für Schritt vorankommt. Parallel helfen Reformen im Stromsektor und der Aufbau überregionaler Stromnetze dabei, Ökostrom im ganzen Land verfügbar zu machen.

    Mit dem sogenannten Sorgfaltspflichtengesetz, das im kommenden Jahr in Kraft tritt, sollen deutsche Unternehmen verpflichtet werden, ihre Lieferketten auf Menschenrechtsverletzungen, Korruption und Umweltverschmutzung abzuklopfen. Wer nicht nachhaltig und ethisch aufgestellt ist, riskiert hohe Geldstrafen – und eines Tages vielleicht sogar Schadensersatzklagen von betroffenen Arbeitnehmern und ihren Familien. Das betrifft auch und besonders den Markt für Solar- und Windenergieausrüstung.

    Doch wie soll man überprüfen, ob einzelne Komponenten wirklich ethisch sauber sind? Im Fokus steht hier die immer wirtschaftsstärkere Region Xinjiang, deren Name schon zum Synonym für Menschenrechtsverletzungen geworden ist. Marcel Grzanna hat mit Experten über die praktische Umsetzung des Gesetzes gesprochen. Die Juristen sind sich sicher, dass vorgetäuschte Unwissenheit nicht vor Unannehmlichkeiten schützen wird. Das Risiko eines massiven Imageschadens sei einfach zu hoch.

    Ihr
    Finn Mayer-Kuckuk
    Bild von Finn  Mayer-Kuckuk

    Analyse

    Woher erhalten Firmen reinen Ökostrom?

    Zwei Ingenieure gehen einen Berg voller Solarzellen hinauf zur Inspektion - China möchte den Ökostrom-Sektor ausbauen.
    Chinas Ökostrom kommt aus dem Westen des Landes: Ingenieure inspizieren eine Solaranlage in Yunnan

    Zuerst die gute Nachricht: In China können neu gebaute Wind- und Solaranlagen weitgehend mit den Preisen für Kohlestrom konkurrieren – selbst kleinere, dezentral verteilte Solardächer sind preislich konkurrenzfähig geworden. Das liegt vor allem am gestiegenen Kohlepreis. Und zum anderen daran, dass der Einstieg in Erneuerbare Energien immer günstiger zu haben ist.

    Doch es gibt einen Haken: Wie kaufe ich in der Volksrepublik Ökostrom, wenn ich ihn brauche – und zwar nur ihn? Chinas Strommarkt ist noch immer auf konventionelle Kraftwerke ausgelegt. Das Land muss daher einerseits den Stromhandel generell verändern – und anderseits eigene Märkte nur für Ökostrom aufbauen.

    Beides ist inzwischen angeschoben. Eine künftige Plattform für Ökostromhandel hat im September 2021 erstmals einen Pilot-Handelstag organisiert – mit echten Umsätzen und Verträgen. Auch hat Peking Ende 2021 Reformen im Stromsektor angekündigt, die nach Ansicht von Experten schrittweise das Spielfeld verändern und die Wirtschaftlichkeit erneuerbarer Energien verbessern werden.

    Dazu gehören der Aufbau von Spotmärkten, Stromhandel zwischen Provinzen oder auch Preisreformen. Diese Reformen haben das Potenzial, einen tiefgreifenden Wandel auszulösen. Sie könnten eine erhebliche Rolle dabei spielen, den Übergang zu sauberer Energie zu beschleunigen, schreibt Anders Hove, Direktor des von der GIZ umgesetzten Sino-German Energy Transition Projects des deutschen Wirtschafts- und Klimaschutzministeriums in einem Beitrag für den Fachdienst China Dialogue.

    China: Ökostrom inzwischen wettbewerbsfähig

    Bis vor drei oder vier Jahren waren Wind- und Solarenergie auch in China noch sehr kostspielig. Auf dem damaligen Preisniveau konnte kein Markt mit Angebot und Nachfrage entstehen. Also förderte China – ebenso wie andere Länder – erneuerbare Energien durch Subventionen. In Chinas Fall war dies laut Hove hauptsächlich eine subventionierte, fixe Einspeisevergütung an die Erzeuger von Wind- und Sonnenenergie. Als die Preise für Erneuerbare aufgrund der Massenproduktion im Land immer weiter fielen, schaffte China die subventionierten Einspeisetarife schrittweise wieder ab.

    Stattdessen führte es administrative Maßnahmen ein, wie Wind- und Solarquoten für jede Provinz. Außerdem hielt man Auktionen ab, bei denen staatliche Stromkonzerne um feste Quoten für langfristige Ökostrom-Verträge zu günstigen Preisen konkurrierten. Diese Preise lagen auf oder unter dem Preisniveau für Kohlestrom.

    Doch das alles sind nur Anfänge. Wie ein marktbasierter Handel mit Ökostrom künftig in der Praxis funktionieren könnte, zeigte die im September gestartete Ökostrom-Handelsplattform für Erzeuger, Endverbraucher und Händler zumindest an einem einzigen Tag. Mehr als 7,9 Milliarden Kilowattstunden (kWh) wurden an diesem Tag gehandelt, was etwa einem Prozent der 2021 erzeugten Gesamtmenge an Solar- und Windenergie entsprach. Auch deutsche Firmen nahmen daran teil, etwa die Chemiefirmen BASF und Covestro und der Industriegasproduzent Linde. Viele Unternehmen unterzeichneten damals gleich mehrjährige Verträge – was das Ausmaß des Bedarfs zeigt.

    Ökostrom in China: Hoher Bedarf, geringe Verfügbarkeit

    Covestro etwa kaufte nach einem Bericht der South China Morning Post 100 Millionen Kilowattstunden im Rahmen einer Einjahresvereinbarung mit Datang Wuzhong New Energy Strom von Solarparks in Nordchina. Rund zehn Prozent des Stroms, den Covestro in seinem Shanghaier Werk benötigt, stammen nach Angaben des Unternehmens inzwischen aus diese Solarparks. Zunächst nur für Solar- und Windkraft gestartet, soll das Handelssystem künftig auch Wasserkraft und andere erneuerbare Energien umfassen.

    “Ob es dieses Jahr noch weitere Handelsrunden geben kann, hängt wirklich vom Angebot ab”, sagt David Fishman von der auf Ökstrom für Großkonzerne spezialisierten Energieberatung The Lantau Group in Shanghai. Das Problem: Große Teile des Ökostroms sind im Rahmen von Verträgen in dem staatlichen System bereits gebunden. “Der handelbare Ökostrom ist für 2022 bereits ausverkauft und auch das Angebot für 2023 wird angesichts der hohen Nachfrage wohl sehr schnell nachgekauft sein”, so Fishman zur South China Morning Post. Das Interesse ist vor allem an langfristigen Verträgen über 10 oder 15 Jahre groß: Großkonzerne brauchen eine verlässliche Planung.

    China: Stromnetze mit entscheidender Bedeutung für Ökostrom

    Solange es keine zentrale Handelsplattform gibt, müssen sich interessierte Unternehmen lokal selbst um den Zugang zu Ökostrom kümmern. BASF etwa errichtet in der Stadt Zhanjiang in Guangdong derzeit einen Verbundstandort, der ab 2025 zu 100 Prozent mit Ökostrom versorgt werden soll. Dafür initiierte der Chemiekonzern bei der Provinzregierung ab 2019 einen Mechanismus zum Direktankauf von Ökostrom (China.Table berichtete). Damals schlug das Unternehmen nach eigenen Angaben den lokalen Behörden das “Renewable Direct Power Purchase” (R-DPP)-Konzept vor, das es gemeinsam mit dem Konzern China Resources Power entwickelt hatte. Im März unterzeichnete BASF mit der State Power Investment Corporation (SPIC) für Zhanjiang einen Ökostrom-Rahmenvertrag mit einer Laufzeit von 25 Jahren. Die ersten Anlagen gehen in Zhanjiang laut BASF noch in diesem Jahr in Betrieb.

    Den Stromnetzen kommt bei Chinas Übergang zur Klimaneutralität eine entscheidende Rolle zu. Sie müssen das Kohle-Primat brechen und anteilig mehr Öko-Strom durchleiten. Damit das funktioniert, sind auch mehr und bessere überregionale Stromnetze notwendig. Denn der Großteil des Ökostroms wird in den sonnen- und windreichen Regionen Westchinas erzeugt. Der größte Bedarf aber kommt aus der industriellen Ostküste mit ihren Metropolen.

    Seit Jahren arbeiten Chinas Netzbetreiber deshalb daran, riesige neue Hochspannungsnetze zu bauen, darunter einige Leitungen speziell für den Ökostromtransport von West nach Ost. “Der provinzübergreifende Stromhandel ist sowohl für die Stromsicherheit als auch für die Steigerung der Nutzung erneuerbarer Energien wichtig”, schreibt Hove. Am Pilot-Handelstag der Ökostromplattform fanden immerhin auch einige Transaktionen über Provinzgrenzen hinweg statt. Das ist immerhin ein Anfang.

    • Energie
    • Erneuerbare Energien
    • Klima
    • Nachhaltigkeit
    • Strommarkt

    Sorgfalt in der Lieferkette: Brennpunkt Xinjiang

    Baumwollfeld in Shawan, Xinjiang. Aus der Region kommt ein Fünftel der weltweit geernteten Baumwolle. Das geplante Lieferkettengesetz soll Produkte aus Zwangsarbeit begrenzen.
    Baumwollfeld in Shawan, Xinjiang. Aus der Region kommt ein Fünftel der weltweit geernteten Baumwolle.

    Bei Pacifico Renewables Yield (PRY) gibt man sich keinen Illusionen hin. Die Firma mit Sitz in Grünwald bei München kauft und betreibt Solar- und Windparks in ganz Europa. Projekte, in die sie investiert, müssen hohen sozialen und ökologischen Standards entsprechen. Zur Finanzierung gibt die Firma grüne Anleihen heraus oder beschafft sich Kredite bei Nachhaltigkeitsbanken mit strengsten Maßstäben.

    Doch wenn es um China und Nachhaltigkeit geht, vor allem in der Solarbranche, weiß Geschäftsführer Martin Siddiqui sehr genau, dass es keine Gewissheiten gibt. “Der Großteil der Komponenten kommt aus China, und dort gibt es Zulieferer, die mit fossiler Energie produzieren, oder deren Produkte durch Zwangsarbeit hergestellt werden”, sagt Siddiqui. Man arbeite so gut es ginge daran, Unternehmen entlang der Lieferketten weiter und präziser zurückzuverfolgen und zu prüfen, sagt der 37-Jährige. Eine Garantie könne er aber nicht abgeben, ob alle verbauten Module in den Parks seines Unternehmens zu einhundert Prozent nachhaltig hergestellt wurden.

    Garantien will nicht einmal die Politik erzwingen, wenn im kommenden Jahr das deutsche Sorgfaltspflichtengesetz in Kraft tritt. Gemeinhin als Lieferkettengesetz bezeichnet, soll es Produkte, aber auch Dienstleistungen deutscher Unternehmen nachhaltiger machen. Zwangsarbeit, Menschenrechtsverletzungen, Korruption, Umweltverschmutzung – all das soll ab 2023 so weit wie möglich aus der Wertschöpfung verbannt werden, wenn deutsche Firmen beteiligt sind.

    Jetzt fragen sich Unternehmen, die Solarmodule, Elektrokomponenten, Baumwolle oder Tomaten aus Xinjiang beziehen, wie es ihnen gelingen soll, ihre Lieferketten aufzuräumen. Die nordwestchinesische Autonome Region gilt als Synonym für die Verletzung von Menschenrechten. Die Internationale Arbeitsorganisation ILO der Vereinten Nationen spricht von einem “weit verbreiteten und systematischen” Zwangsarbeitsprogramm. Betroffen: vornehmlich Uiguren, aber auch türkische und andere muslimische Minderheiten.

    Wenn jemand betrügen will, wird er Mittel und Wege finden.”

    Doch manche Branchen sind so abhängig von Lieferungen aus Xinjiang, dass es für sie unmöglich ist, innerhalb weniger Jahre ihren Bedarf aus anderen Quellen zu decken. Ein Fünftel der globalen Baumwolle kommt von dort, keine Region der Welt pflanzt und erntet mehr Tomaten für den Weltmarkt, und auch die Photovoltaik-Industrie verlässt sich weitgehend auf Module aus China.

    Was nun? “Verlässlich nachzuweisen, dass in einem der Risikoprodukte keine Zwangsarbeit steckt, ist nahezu unmöglich”, sagt Joachim Trebeck von der Kölner Anwaltskanzlei Trebeck & von Broich. Der Arbeitsrechtler hält das Gesetz dennoch für sinnvoll, weil Deutschland als “interessanter Markt seine Einflussnahme auf andere Länder” bündele. Doch Trebeck sagt auch: “Wenn ein Zulieferer betrügen will, dann wird er auch Mittel und Wege finden.”

    Für die Solarpark-Betreiber von PRY ist das noch kein Grund, nervös zu werden. Das Lieferkettengesetz zielt zunächst nur auf die großen Akteure mit 3.000 Mitarbeitern aufwärts. 2024 wird die Geltung auf alle Firmen ab 1.000 Mitarbeitern erweitert. Erst wenn auch die Europäische Union ein europaweites Lieferkettengesetz implementiert, rückt der Rechtsrahmen an den Mittelstand heran. Der aktuell diskutierte Vorschlag für die EU-Richtlinie in den Risikosektoren Textil, Landwirtschaft und Bergbau liegt bei 250 Mitarbeitern und 40 Millionen Euro Jahresumsatz. Doch bis dahin vergehen wohl noch vier, vielleicht fünf Jahre.

    Näherin in Yutian, Xinjiang. Die Autonome Region entwickelt derzeit arbeitsintensive Industriezweige - das Lieferkettengesetz soll für mehr Transparenz in der Wertschöpfungskette sorgen.
    Näherin in Yutian, Xinjiang. Die Autonome Region entwickelt derzeit arbeitsintensive Industriezweige.

    Zudem gilt die Bemühenspflicht, die besagt, dass Unternehmen die Verhinderung von Verstößen nicht garantieren müssen. “Wohl aber müssen sie alles Erforderliche tun, um ihren Sorgfaltspflichten nachzukommen. Nur so vermeiden sie eine Strafe”, sagt Christoph Schork von der Anwaltskanzlei Heuking Kühn Lüer Wojtek, der seit zweieinhalb Jahren Klienten auf die Einführung des Lieferkettengesetzes vorbereitet. “Das bedeutet aber auch, dass ein Unternehmen unter Umständen an die Zulieferer zweiten, dritten oder vierten Grades heranmuss, wenn es konkrete Hinweise auf Zwangsarbeit gibt”, so Schork.

    Es gibt keine Best-Practice-Lösung

    Eine Mammutaufgabe. Je größer ein Unternehmen, desto breiter knüpft sich sein Netzwerk. Mehrere Tausend unmittelbare Zulieferer sind bei riesigen Konzerne mit Hunderttausenden Mitarbeitern keine Ausnahme, sondern die Regel. Die mühsame Kleinarbeit beginnt mit einer gründlichen Risikoanalyse. Jedes Risiko muss intern bewertet und seiner Dringlichkeit nach angegangen werden. Ganz oben auf den Listen: Zulieferer aus Xinjiang.

    Das Gesetz setzt eine “substanziierende Kenntnis” voraus, ehe sich die Verantwortung der Unternehmen auch auf den mittelbaren Zulieferer in der Lieferkette erstreckt. Sprich: Es müssen ernstzunehmende und nachprüfbare Hinweise vorliegen auf Risiken für Verstöße. “Bei dem Thema Uiguren kann niemand sagen, er hätte davon nichts gewusst”, sagt Schork. Doch es wird andere Fälle geben, bei denen die Verdachtsmomente weniger offenbar sind und Firmen dazu verleitet sein könnten, Unkenntnis vorzugaukeln.

    Anwalt Schork glaubt jedoch nicht, dass sich das Vortäuschen von Unwissenheit langfristig auszahlen wird. “Die Angst vor einem Imageschaden, der aus solcher Ignoranz entstehen kann, dürfte die meisten Firmen davon abhalten.” Zudem hätten die Unternehmen erkannt, dass sie von echter Nachhaltigkeit profitieren können, weil sie dem gesellschaftlichen Zeitgeist folgten. Einige seien bereits entsprechend fortgeschritten in ihren Vorbereitungen.

    Vorerst sind aber auch Experten noch ratlos, was die konkrete Ausgestaltung angeht. “Zurzeit blicken wir alle noch in die Blackbox. Es gibt einfach keine Best-Practice-Lösung“, sagt Schork. Auch glaubt er, das zuständige Bundesamt für Ausfuhrkontrolle und Wirtschaft werde unmittelbar nach Inkrafttreten des Gesetzes “keine Welle der Sanktionen in Gang setzen”. Die Behörde mit Sitz in der Niederlausitz müsse sich zunächst sortieren. Werden Verstöße jedoch geahndet, kann sie Bußgelder bis zu acht Millionen Euro verhängen.

    EU-Lieferkettengesetz ermöglicht auch Schadenersatzklagen

    Entscheidende Unterstützung für die Unternehmen erhofft sich die Politik von Whistleblowern. Deutsche Firmen müssen niederschwellige Kanäle einrichten, über die Beschwerden aus aller Welt zu Verstößen gegen Arbeits- oder Menschenrechte abgesetzt werden können. Auch müssen die Firmen ihre Zulieferer nachdrücklich dazu auffordern, über die Existenz dieser Kanäle auch deren eigenen Zulieferer aufzuklären. “Bei der Umsetzung der Sorgfaltspflichten gibt es eine Vielzahl von Möglichkeiten. Denkbar sind Fragebögen, Audits, Schulungen – jede angemessene Maßnahme dient der Erfüllung der gesetzlichen Anforderungen und sorgt für größere Sicherheit”, so Schork.

    Den deutschen Unternehmen bietet die Einführung des Gesetzes einen Vorgeschmack auf die noch schärfere EU-Richtlinie in einigen Jahren. Sobald die EU die Norm setzt, drohen den Firmen nicht nur Bußgelder, sondern Schadenersatzklagen von betroffenen Arbeitnehmern oder deren Familien in Millionenhöhe. Dann müssen deutsche Firmen für die arbeitsrechtlichen Defizite bei ihren Zulieferern möglicherweise tief in die Tasche greifen, wenn sie nicht frühzeitig und konsequent gegen Risiken von Verstößen vorgehen.

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    Strom aus den Wüsten

    Chinas gigantisches Programm zum Ausbau von Erneuerbaren Energien in den Wüsten des Landes nimmt weiter Gestalt an. Einem Industrievertreter zufolge sollen die Wüstenprojekte bis zum Jahr 2025 eine Kapazität von 200 Gigawatt umfassen, wie der Nachrichtendienst Bloomberg berichtet. Zwischen 2026 und 2030 sollen demnach weitere 255 Gigawatt installiert werden. Mehr als 300 Gigawatt der geplanten Gesamtkapazität sollen über Fernleitungen in die Industrie-Zentren des Landes übertragen werden. In der ersten Phase sollen 60 Prozent des Stroms durch Solarenergie gewonnen werden. Um die Stabilität des Stromnetzes zu garantieren, soll ein großer Teil der neuen Solar– und Windkraftwerke in der Nähe bestehender fossiler Kraftwerke entstehen. Kohlekraftwerke sollen in Dunkelflauten für den notwendigen Strom sorgen, um die Netze stabil zu halten (China.Table berichtete).

    Ein Vertreter der Nationalen Entwicklungs- und Reformkommission teilte laut Bloomberg mit, dass China zwischen 2021 und 2025 rund 500 Gigawatt an neuen Wind- und Solarkraftwerken bauen werde. In der zweiten Hälfte des Jahrzehnts sollen weitere 700 Gigawatt hinzukommen. Die Gesamtkapazität läge dann bei 1.700 Gigawatt, weit über den bisherigen Zielen der chinesischen Regierung. In offiziellen Dokumenten ist bislang eine Gesamtkapazität von 1.200 Gigawatt als Ziel bis 2030 angegeben. nib

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    Weniger Öl und Kohle aus Russland importiert

    Chinas importierte im März weniger Öl und Kohle aus Russland. Das Land habe 14 Prozent weniger russisches Öl und 30 Prozent weniger russische Kohle eingeführt als im Februar, teilte die Zollbehörde am Mittwoch mit. Auch die Einfuhr von Öl aus Saudi-Arabien ging demnach deutlich zurück. Als Grund für die Rückgänge wird offiziell eine Periode von Wartungsarbeiten in der Großindustrie genannt.

    Chinesische Händler hätten die Bestellungen aber auch wegen Sanktionsdrohungen des Westens zurückgefahren, berichtet die Nachrichtenagentur Reuters. Die Großbanken des Landes befürchten Nachteile, wenn sie die Importe aus Russland finanzieren – und dann als Sanktionsbrecher dastehen. fin

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    Sinolytics.Radar

    Der Markt für Wasserstoff-Antriebe ist heiß umkämpft

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    • Im Vergleich zur EU und Japan hat China bei der Entwicklung von Wasserstoff als Bestandteil seines künftigen Energiemixes nur langsame Fortschritte gemacht.
    • Dies ändert sich nun: Der kürzlich veröffentlichte “Langfristige Entwicklungsplan des Wasserstoffsektors für China 2021-2035” (NDRC, 24. März) setzt klare Vorgaben und hohe Erwartungen für den neuen Energiesektor. Wasserstoff soll ein wichtiger Bestandteil des künftigen Energiemixes werden.
    • Derzeit befindet sich der nationale Markt für Brennstoffzellenfahrzeuge noch in einem frühen Stadium der Entwicklung. 2022 sollen nur etwa 1.500 Fahrzeuge verkauft werden.
    • Dennoch haben einige internationale Unternehmen wie Toyota, Bosch und Ballard das große Marktpotenzial von Brennstoffzellenanwendungen in China erkannt. Sie sind frühzeitig in diesen Sektor eingestiegen.
    • Sie haben bereits in mehrere Bereiche der Wertschöpfungskette investiert, darunter Basismaterialien, Komponenten für Brennstoffzellen, Brennstoffzellenstacks/-systeme und Brennstoffzellenfahrzeuge.
    • Für den Markteintritt streben die meisten ausländischen Unternehmen Partnerschaften mit chinesischen Unternehmen wie Weichai, Sinohytec und Weifu an, entweder in Form eines Joint Ventures oder durch den Abschluss strategischer Kooperationsvereinbarungen. Chinesische Unternehmen verfügen in der Regel über umfangreiche Produktionskapazitäten und ein dichtes Vertriebsnetz, was ihren ausländischen Partnern die künftige Geschäftstätigkeit in China erleichtert.
    • Für andere Unternehmen, die auf dem chinesischen Wasserstoffmarkt Fuß fassen wollen, ist die Entwicklung einer optimalen Markteintrittsstrategie und die Wahl geeigneter Partner noch wichtiger geworden. Schließlich haben die Early Movers schon begonnen, den Markt zu prägen.

    Sinolytics ist ein europäisches Beratungs- und Analyseunternehmen, das sich auf China spezialisiert hat. Es berät europäische Unternehmen bei der strategischen Ausrichtung und den konkreten Geschäftsaktivitäten in der Volksrepublik.

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    China.Table Redaktion

    CHINA.TABLE REDAKTION

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