Table.Briefing: China

Liu He im Aufwind + Beziehungen EU-China

  • Vizepremier Liu im Rampenlicht
  • Table.Live-Briefing: Was lief schief beim EU-China-Gipfel?
  • Termine der kommenden Woche
  • Shanghai verspricht bessere Versorgung mit Lebensmitteln
  • Pelosi-Reise nach Taiwan erzürnt Peking
  • Tibeter stirbt nach Selbstanzündung
  • Im Portrait: Designer Stefan Sielaff von Geely
Liebe Leserin, lieber Leser,

wenn unter Xi Jinping vernünftige Leute nach oben kommen, kann das für die Handelspartner des Landes nur gut sein. Das gilt umso mehr, wenn sie als Wirtschaftsfachleute zwar Internationalisierung und Öffnung bevorzugen, aber kein Wachstums-Feuerwerk um jeden Preis zünden wollen. So ein Politiker ist der inzwischen 70-jährige Vizepremier Liu He. Sein Stern ist im Steigen, analysiert Frank Sieren. Es kann sogar sein, dass Liu auch nach dem Parteitag im Herbst – und damit über das Pensionsalter hinaus – eine entscheidende Rolle spielt. Premier Li Keqiang bleibt derweil kaltgestellt.

Die Ohnmacht Lis mag einer der Gründe dafür gewesen sein, dass der EU-China-Gipfel in der vergangenen Woche so wenig gebracht hat. Schließlich war er dort Hauptansprechpartner. Doch die EU-Kommission unter Ursula von der Leyen ist auch taktisch ungeschickt vorgegangen: Sie habe den Gipfel unvorteilhaft vorbereitet. Durch den Fokus auf den Ukraine-Krieg und Pekings Position dazu blieb China nur wenig Raum für andere Themen. Die europäische Seite hatte darauf gehofft, dass China sich als Vermittler zur Verfügung stellt. Doch schon das sei eine blauäugige Fehleinschätzung gewesen – so ist das Fazit des ersten Table.Live-Briefings zur Nachlese des Gipfels.

Wir wünschen Ihnen ein entspanntes Wochenende!

Ihr
Finn Mayer-Kuckuk
Bild von Finn  Mayer-Kuckuk

Analyse

Wird Vizepremier Liu zum Kandidat für höhere Aufgaben?

Liu He wird von Xi Jinping derzeit mit wichtigen Aufgaben betraut.

Liu He verleiht Flügel. Der oberste Wirtschaftsberater von Staatspräsident Xi Jinping lässt Chinas Aktien fliegen. Von Shanghai über Hongkong bis nach New York. Schon ein einziger Satz des Vizepremiers hatte am 16. März genügt, um die gebeutelten Kurse chinesischer Tech-Unternehmen in einen rasanten Steigflug zu versetzen. Shanghais Hang-Seng-Index gewann über neun Prozent, der größte Anstieg an einem Tag in über einem Jahrzehnt. Der Tech-Index stieg sogar um über 22 Prozent.

Dabei klang der Satz, der ein markantes Kapitel Börsengeschichte schrieb, vergleichsweise unspektakulär “Alle relevanten Behörden sollen eine marktfreundliche Politik machen”, hatte Liu gesagt. Doch seine immense Wirkung zog die Frage nach sich, weshalb Parteichef Xi diesen großen politischen Stich nicht selbst gemacht hat.

Xi hätte die Verlautbarung auch seinem Premierminister überlassen können. Li Keqiang, der nächstes Frühjahr seine Amtsgeschäfte abgeben wird, muss es als Ohrfeige empfunden haben, dass Xi den politischen Lichtkegel nun auf seinen Vize richten lässt. Zumal Liu zwar Mitglied im Politbüro der Kommunistischen Partei ist, aber im Gegensatz zu Li nicht dem innersten Machtzirkel des siebenköpfigen Ständigen Ausschuss angehört.

An zahlreichen Ecken und Enden tauchte Liu zuletzt immer wieder an prominenter Stelle auf. Der Wirtschaftsfachmann wurde von Xi nun sogar beauftragt, den Absturz der Boeing 737-800 in der Provinz Guangxi aufzuklären (China.Table berichtete). Erneut blieb Li Keqiang nur die Zuschauerrolle.

Dabei hätte die politische Karriere des 70-jährigen Liu He eigentlich schon zu Ende sein sollen. Denn normalerweise ist für Spitzenkader im Alter von 68 Jahren Schluss. Xi selbst bildet eine der wenigen Ausnahmen. Er ist 68 und wird seine Amtszeit im Herbst voraussichtlich um mindestens fünf Jahre verlängern. Dazu hat Xi 2018 die entsprechende Verfassungsregelung gekippt.

Lius Beförderung als Zeichen für mehr Internationalisierung

Eine weitere Beförderung Lius wäre ein deutliches, politisches Zeichen für einen Trend zu mehr Marktwirtschaft, Internationalisierung und erwünschtem Börsenboom. Die staatliche Nachrichtenagentur Xinhua gab kürzlich Einblicke in dessen Kernideen. Liu “unterstützt Unternehmen, die in Hongkong und in Übersee gelistet werden wollen.” Die USA und China hätten eine “gute Kommunikation” und “machen Fortschritte”, um gemeinsame Spielregeln für Neuemissionen an der Börse zu entwickeln. Immobilienentwickler sollten zwar “Risikoprävention” betreiben, sich aber auch “für einen neuen Entwicklungsschub transformieren.” Die Behörden sollten “zeitnah auf Themen reagieren, die die Märkte beschäftigen” und vorsichtig sein mit politischen Maßnahmen, die eine “kontraktive Wirkung auf die Märkte haben.” Konkrete Aktionen “müssen nun die Wirtschaft unterstützen.”

Und tatsächlich geht es Liu zwar um eine “marktfreundliche Politik”, aber nicht mehr um ein rauschendes Wachstumsfest um jeden Preis. Insgesamt steht Liu für ein langsameres, nachhaltigeres und konsumorientierteres Wachstum. Schuldenfinanzierte Investitionen ließ er zurückschrauben. Er nimmt Einfluss auf die Geschicke der Zentralbank, möchte die Banken und Finanzströme stärker kontrollieren und Schuldenblasen vermeiden. Überkapazitäten sollen weiter abgebaut werden, zum Beispiel in der Stahl- und Kohleindustrie.

Der Privatsektor spiele zudem eine wichtige Rolle bei der Stabilisierung der Beschäftigung, der Anpassung der Wirtschaftsstruktur und der Förderung von Innovationen, so Liu in einer früheren Rede. Der Privatsektor trage mehr als 50 Prozent der Steuereinnahmen, über 60 Prozent des Bruttoinlandsproduktes, über 70 Prozent der technologischen Innovation sowie zu mehr als 80 Prozent der städtischen Beschäftigung bei.

Wie stark das marktwirtschaftliche Denken in der Familie Liu verankert ist, zeigt sich auch bei Lius Sohn Tianran. 2016 gründete er das Investmenthaus Skycus Capital, das bald darauf in Tech-Riesen wie Tencent und JD.com investierte. Als sein Vater Vizepremier wurde, musste der Sohn seine Beteiligungen verkaufen.

Als “Sondergesandter” von Staatschef Xi in den USA

Liu trat 1976 im Alter von 24 Jahren in die KP China ein und kletterte die Karriereleiter in verschiedenen Regierungsabteilungen hoch, bevor er in die USA zum Studieren ging – zunächst als Gastwissenschaftler an der Seton Hall University in New Jersey 1992, dann an der Harvard University, wo er einen Master in öffentlicher Verwaltung an der dortigen Kennedy School of Government abschloss und auch lehrte.

Zurück in China bekleidete Liu mehrere leitende Positionen in der chinesischen Regierung, unter anderem in der Nationalen Entwicklungs- und Reformkommission (NDRC), der Top-Planungsbehörde des Landes. Der US-Wirtschaftsnobelpreisträger Michael Spence zählt Liu zu seinen Freunden. 2014 schrieb Liu sein bisher letztes Papier für die Harvard Kennedy School. Die Studie Nr. 33 hat den Titel: “Die große Rezession überwinden. Lehren aus China.” Das Vorwort kam von Larry Summers, dem ehemaligen US-Finanzminister, Weltbank Chefökonom und Wirtschaftsprofessor. In der Studie vergleicht Liu die Große Depression 1929 mit der großen Rezession 2008.

2017 wurde Liu zu einem der 25 Mitglieder des KP-Politbüros ernannt. 2018 wurde er Vizepremierminister für Wirtschaft und Chefverhandler im Handelskrieg mit den USA, wo er sich bei dem damaligen Präsidenten Donald Trump eine blutige Nase holte. Als Direktor der Zentralen Führungsgruppe für Finanz- und Wirtschaftsangelegenheiten steuert er maßgeblich den wirtschaftlichen Kurs Chinas. Liu überzeugte auch Staatschef Xi davon, Yi Gang zum Zentralbankchef zu machen, was Liu nun einen großen Einfluss auf die Geldpolitik des Landes ermöglicht.

Einer breiten internationalen Öffentlichkeit wurde Liu bekannt, als er beim Weltwirtschaftsforum 2018 in Davos die Grundsatzrede hielt. Im Jahr zuvor hatte Xi das noch selbst übernommen. Dies war schon damals ein klares Zeichen, wie sehr Xi Liu vertraut. Ein Jahr später ließ Liu in Washington eine Grußbotschaft von Präsident Xi an Donald Trump vorlesen. Der erste Satz ist wie eine Adelung: “Ich habe Vizepremier Liu He die Aufgabe anvertraut, mein Sonderbeauftragter zu sein.”

  • Handel
  • KP Chinas
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  • Technologie
  • Xi Jinping

“Die EU geht von falschen Annahmen aus”

Der EU-China-Gipfel hat in der vergangenen Woche ohne Erfolg geendet (China.Table berichtete). In der öffentlichen Wahrnehmung wurde der Schwarze Peter meist Peking zugeschoben. Denn die chinesische Außenpolitik verweigert hartnäckig eine Teilnahme an den internationalen Strafen gegen Russland. Doch die Passivität Chinas im Angesicht des Ukraine-Kriegs hat durchaus Gründe, betonen zwei führende Expert:innen am Donnerstag in einer Veranstaltung von Table.Media. “Assessing the EU-China Summit Confirmation” fand in unserer Reihe “Table.Live-Briefing” statt.

Alicia García-Herrero
Alicia García-Herrero

Die Erwartung einer plötzlichen Abwendung von Russland war von Anfang an unrealistisch, sagt Alicia García-Herrero. Sie ist China-Expertin bei der renommierten Brüsseler Denkfabrik Bruegel und Beraterin der Asian Development Bank (ADB). “Ich war von Anfang an erstaunt über den Versuch, China als Vermittler zu gewinnen.” Das Land sei noch nie in einem gravierenden internationalen Konflikt als Schlichter aufgetreten.

Außerdem müsse den Akteuren in Brüssel eigentlich klar gewesen sein, wie schwer China eine Abwendung von Russland fallen würde. “Das Problem liegt daher nicht so sehr in China als in einer Fehlwahrnehmung der chinesischen Position“, so García-Herrero. China arbeite auf die Schaffung einer neuen weltpolitischen Ordnung hin. García-Herrero fragt zugespitzt: “Wenn China Russland aufgibt, wer steht dann noch an der Seite Chinas? Wie kann China ohne Russland auf die angestrebte Änderung der internationalen Ordnung hinwirken?” Es ist einfach der Mangel an Verbündeten, der China keine Wahl lässt, als zu Russland zu halten. Die Erwartung, dass es sich an die Seite der USA und der EU stellt, sei von Anfang an blauäugig gewesen.

EU-China-Gipfel war unzureichend vorbereitet

Die EU habe die chinesischen Befindlichkeiten jedoch nicht nur in der Sache schlecht eingeschätzt. Sie habe China auch gar keine echte Chance gegeben, den Europäern entgegenzukommen. “Der Gipfel war schlecht vorbereitet”, sagt Matthias Stepan, Leiter des Verbindungsbüros der Stiftung Mercator in Peking. Wenn die eigene Führungsspitze im Spiel ist, missbilligt China diplomatische Überraschungen. Doch die EU hatte die Invasion in der Ukraine erst spät zum Hauptthema der Online-Veranstaltung gemacht. “Dies war ein Gipfel, bei dem es eigentlich um Wirtschaft gehen sollte”, bestätigt García-Herrero. Das Datum für das Online-Treffen war vor Beginn des Ukraine-Kriegs festgelegt worden.

Matthias Stepan im China.Table Live Briefing.
Matthias Stepan

Stepan zufolge hat die abrupte Änderung der Themensetzung die Erfolgschancen bereits erheblich verringert. Sie hat den Diplomaten und anderen Beamten auf Arbeitsebene die Chance genommen, im Vorfeld einen Kompromiss einzufädeln. Für gewöhnlich verbringen große Stäbe von Fachleuten beider Seiten die Monate vor so einem Gipfel damit, ihre Entwürfe abzugleichen. Das habe diesmal nicht stattgefunden.

Tatsächlich hatte Handelskommissar Valdis Dombrovskis noch kürzlich die offenen Wirtschaftsfragen als Schwerpunkt genannt. “Das hätte Türöffner für die Wiederaufnahme eines Dialogs sein können”, so Stepan. Nachdem das Investitionsabkommen CAI schon seit einem Jahr auf Eis liegt (China.Table berichtete), bestehe eigentlich auch hier erheblicher Gesprächsbedarf. Umso enttäuschender sei es, dass auch diesmal keine Vereinbarungen zustande kamen.

China sollte lernen, die EU ernster zu nehmen

García-Herrero und Stepan betonen zudem, wie wichtig die Fortsetzung der Zusammenarbeit der EU mit China ist. Die EU müsse trotz aller “Zeitenwende” eine funktionierende Beziehung zu China aufrechterhalten. Was bisher funktioniert habe, müsse jetzt nicht zwangsläufig enden, sagt Stepan. “Es sind zwei völlig unterschiedliche politische Systeme, und doch war Kooperation möglich.”

Die Grundlage für den letztlich erfolgreichen Dialog in der Vergangenheit lag im gegenseitigen Nutzen. Der Handel habe beiden Seiten mehr Wohlstand gebracht – und hier lag die gemeinsame Basis für Kompromisse. Daher ist es nach Ansicht der Politik-Expert:innen umso wichtiger, den Handel am Laufen zu halten. Die derzeit global immer stärkere Neigung zu Autarkie und Protektionismus sei da umso schädlicher und führe immer tiefer in die Entfremdung.

Zugleich müsse die chinesische Seite lernen, die EU besser zu verstehen. “China muss sich klarmachen, dass die EU ein außenpolitischer Spieler ist”, sagt Stepan. Peking hatte lange die Haltung, Brüssel nur pro forma als Gesprächspartner zu akzeptieren und für harte Sachfragen in Berlin oder Paris anzurufen. Doch die geopolitischen Entwicklungen machen aus der langsamen und umständlichen EU eben doch den entscheidenden Ansprechpartner in Europa.

  • EU
  • Geopolitik
  • Russland
  • Ukraine

Termine

11.04.2022, 15:00-16:30 Uhr (21:00 – 22:30 Uhr Beijing Time)
GCC Knowledge Hub, Webinar: Legal and Liability Issues Caused by the Recent Lockdown – What to Know and What to Do Anmeldung

12.04.2022, 9:00-10:30 Uhr (15:00-16:30 Uhr Beijing Time)
CNBW, Ausblick: 100 Tage nach der Bundestagswahl: Welche Weichen sind schon gestellt? Mehr

12.04.2022, 10:00-11:00 Uhr (Beijing Time)
European Chamber China, Insight Sharing: Implementation rules for the regulation on human genetic resources management (Chinese language session) Anmeldung

12.04.2022, 10:00 Uhr (16:00 Uhr Beijing Time)
Dezan Shira, Webinar: How to Attract and Retain Gen Z Employees in China During the Great Resignation Anmeldung

13.04.2022, 18:00 Uhr (14.04.2022, 0:00 Uhr Beijing Time)
Harvard Kennedy School, Lecture: Has the EU Joined China to shut out American Companies? Mehr

13.04.2022, 10:00 Uhr – 11:00 Uhr (16:00 Uhr – 17:00 Uhr Beijing Time)
European Chamber China, Webinar: How your China Business Strategy can prosper in the new era? Anmeldung

13.04.2022, 18:30 Uhr (14.04.2022, 0:30 Uhr Beijing Time)
Harvard Fairbank Center for Chinese Studies, Critical Issues Confronting China: Christopher Carothers – When Autocrats Clean House: Xi Jinping’s Anti-Corruption Campaign and Its Consequences Mehr

14.04.2022, 20:00 Uhr (15.04.2022, 02:00 Uhr)
Harvard Fairbank Center for Chinese Studies, Contemporary Chinese Society Lecture Series: Rachel Stern – Performing Legality: When and Why Chinese Government Leaders Show Up in Court Mehr

15.04.2022, 10:00 Uhr – 11:00 Uhr (16:00 Uhr – 17:00 Uhr Beijing Time)
Dezan Shira, Webinar: China’s Two Sessions 2022: Economic & Social Policies Explained Anmelden

News

In Shanghai leeren sich die Vorräte

Die Stadtregierung von Shanghai verspricht, die Versorgungslage im Lockdown zu verbessern. Die Zahl der aktiven Lieferfahrer werde dazu auf 11.000 erhöht. Kooperationspartner sind weiterhin Privatfirmen wie Meituan, Hema (auf Englisch Freshippo), Dingdong und Ele.me. Meituan allein kündigte an, tausend zusätzliche Fahrer einzusetzen.

Je länger der Lockdown sich hinzieht, desto leerer werden die Vorratskammern der Bürger. Es seien grundsätzlich genug Grundnahrungsmittel für alle da, doch es hapere weiterhin an der Verteilung auf den letzten Metern, sagte Vizebürgermeister Chen Tong in einer Pressekonferenz. Bei der Lebensmittelverteilung tun sich zugleich immer wieder Lücken auf. So sind Einwohner ohne Shanghaier Meldestatus (Hukou) oder Hotelgäste nur unzureichend erfasst.

Die Versorgung während des Lockdowns in Shanghai ist schwierig. Das zeigt auch ein Meme auf den sozialen Medien.
Meme auf Sozialmedien: Eine Frau präsentiert ihren gähnend leeren Kühlschrank

Trotz über einer Woche mit der Ausgangssperre steigen die Fallzahlen in der Metropole weiter. Shanghai meldete am Donnerstag 19.989 bestätigte Neuinfektionen mit dem Coronavirus. Am Tag zuvor waren es noch 17.007. Ein Ende des Lockdowns ist daher nicht absehbar. Auch in anderen Städten nehmen wegen örtlichen Ausbrüchen die Einschränkungen zu.

Die Behörden wollen unterdessen auch Flüge mit Ziel Shanghai strengere Vorschriften auferlegen. Schon jetzt gilt die Regel, dass internationale Verbindungen chinesischer Airlines auf andere Flughäfen ausweichen sollen. Dies gilt noch mindestens bis zum 1. Mai. Zusätzlich sollen die verbleibenden Shanghai-Flüge mindestens zu 60 Prozent leer fliegen. Die freien Sitze sollen die Wahrscheinlichkeit einer Infektion an Bord senken, berichtet die Nachrichtenagentur Reuters. Bisher mussten die Anbieter mindestens 25 Prozent der Sitze freibleiben. Die Verschärfung soll dem Bericht zufolge kommenden Montag in Kraft treten.

Die Kommunistische Partei verstärkt derweil ihre Propagandaanstrengungen, um sich als unermüdliche Kämpferin gegen das Virus zu präsentieren. In einem Brief an Mitglieder schwor die KP in Shanghai, das “Schwert gegen all diejenigen zu schwingen, die den Bemühungen gegen die Pandemie entgegenstehen”. Die Staatsmedien vermeldeten eine Disziplinarstrafe gegen einen mittelhohen Kader aus der Provinz Hebei. Dieser hatte online geprahlt, die Grenzen gesperrter Zonen mit seinem Dienstausweis mühelos überschreiten zu können. Das war legal, aber ungeschickt. Man sei nicht für die Bequemlichkeit Teil der Partei, lautete der Kommentar. Wer ihrem Image schade, müsse bestraft werden. fin

  • Coronavirus
  • Gesundheit
  • KP Chinas

Peking warnt vor Pelosi-Reise nach Taiwan

China droht den USA mit Konsequenzen, sollte die Sprecherin des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, nach Taiwan reisen. Dies würde die bilateralen Beziehungen schwer beschädigen, erklärte am Donnerstag ein Sprecher des Außenministeriums in Peking. “Wenn die Vereinigten Staaten darauf bestehen, ihren eigenen Weg zu gehen, wird China starke Maßnahmen ergreifen, um seine nationale Souveränität und territoriale Integrität zu verteidigen. Alle möglichen Konsequenzen, die sich daraus ergeben, werden vollständig von der US-Seite getragen.”

Tatsächlich soll ein Besuch Pelosis in Taiwan für den Anfang der kommenden Woche geplant gewesen sein. Die Demokratin wollte im Anschluss an einen vorgesehen Stippvisite nach Japan direkt weiterfliegen nach Taipeh. Allerdings hatten weder Pelosis Büro noch Taipeh den Stopp in Taiwan offiziell bestätigt. Jedoch wurden Pelosis Reisepläne am Donnerstag ohnehin von einem positiven Corona-Test durchkreuzt, weswegen der Besuch bei den beiden US-Verbündeten zur Disposition stand.

Pelosis Besuch käme zu einem geschichtlich bedeutsamen Datum: Am kommenden Sonntag jährt sich zum 43. Mal die Unterzeichnung des Taiwan Relations Act, einem US-Gesetz, das die Beziehungen zwischen der Insel und Washington regelt. Darin ist auch festgeschrieben, dass die USA Taiwan Mittel zur Selbstverteidigung zur Verfügung zu stellen. Das letzte Mal, dass ein Sprecher des US-Repräsentantenhauses Taiwan besuchte, war 1997. Damals traf Newt Gingrich den damaligen Präsidenten Lee Teng-hui. rtr/ari

  • Geopolitik
  • Taiwan
  • USA

Erneute Selbstverbrennung in Tibet

Der 81-jährige Taphun in der Provinz Sichuan in Brand gesteckt- Selbstverbrennungen in Tibet sind eine extreme Protestform gegen die chinesische Besatzung.
Tod nach Selbstanzündung: Taphun

In Tibet ist es binnen weniger Wochen erneut zu einer Selbstanzündung mit Todesfolge gekommen. Ein 81-Jähriger namens Taphun hatte sich nach Angaben der International Campaign for Tibet (ICT) am 27. März vor einer Polizeistation im osttibetischen Landkreis Aba in der Provinz Sichuan in Brand gesteckt und war später seinen Verletzungen erlegen. Bereits Ende Februar hatte sich der 25-jährige tibetische Sänger Tsewang Norbu vor dem Potala-Palast in Lhasa selbst angezündet. (China.Table berichtete.) Auch er war einige Tage später verstorben.

Selbstanzündungen sind eine extreme Form des Protestes der Tibeter gegen die chinesische Besatzung. Seit 2009 haben sich knapp 160 Tibeter selbst in Brand gesteckt, um gegen chinesische Repressionen zu protestieren. Ein Drittel der Selbstverbrennungen unternahmen Bewohner der Region Aba. Seit 2015 aber hatte die Zahl solcher Vorfälle drastisch abgenommen.

Die chinesischen Behörden machen die Selbstverbrennungen nicht publik, sondern vermeiden eine öffentliche Wahrnehmung. Durch die hermetische Informationspolitik schaffen es Nachrichten über solche Tragödien erst Tage oder Wochen über die chinesische Staatsgrenze hinaus. grz

  • Menschenrechte
  • Polizeistationen
  • Tibet
  • Zivilgesellschaft

Presseschau

Ukraine-Krieg in Chinas Medien: Die Toten von Butscha kommen nicht vor ZEIT
Russia and China align on war disinformation, EU service says EURACTIV
China warns of strong measures if U.S. Speaker Pelosi visits Taiwan CNBC
US delegation to Asia postponed after Nancy Pelosi tests positive for coronavirus SCMP
Chinas neues Sicherheitsabkommen mit Südsee-Nation schürt Ängste in Australien und Neuseeland MERKUR
“Müssen lernen mit Corona zu leben” – Taiwan beendet Null-Covid-Strategie NTV
Chinas rigide Lockdown-Politik: “Zügeln Sie Ihre Sehnsucht nach Freiheit!” FAZ
China’s lockdowns put working class, poor provinces at risk of ‘falling back into poverty’ SCMP
Manufacturers Grind to a Halt in China as Covid Lockdowns Expand WSJ
Stopped trucks, foldable beds for workers: What European businesses face with China’s Covid surge CNBC
UN inaction on China abuses ‘huge disappointment’: Uyghur campaigner FRANCE24
Jetzt aus China: 4,20 Meter lang, 1,8 Tonnen schwer – die seltsame Wiedergeburt des Smart WELT
Chinese tests show nuclear bunkers are not what they used to be, with earth-penetrating weapons on the rise SCMP

Portrait

Stefan Sielaff – Geelys Fels in der Design-Brandung

Stefan Sielaff ist neuer Vice President for Global Design bei Geely.
Designer Stefan Sielaff

Der Sprung ins kalte Wasser musste ausfallen. Eher behutsam stieg Stefan Sielaff in sein neues Amt als Vice President of Global Design beim chinesischen Autokonzern Geely ein. Zwar füllt der gebürtige Münchner diese Rolle seit gut einem halben Jahr aus, wegen strenger Quarantäne-Regeln schaffte er es in den ersten Monaten seines neuen Jobs allerdings nicht in die Volksrepublik. 

Die Probleme halten sich Grenzen. Das globale Design-Headquarter ist ohnehin in Göteborg. Dort hat Sielaff jetzt auch sein Büro. Hier arbeiten 500 Mitarbeiter im Design, 500 weitere sitzen in Shanghai und jeweils 15 in Barcelona und Kalifornien. Geely hat enorme Summen in die Digitalisierung investiert, um dieses globale Team zu vereinen. Die Pandemie mag diesen Prozess beschleunigt haben, sie war aber nicht der Auslöser. Geely versteht sich als globaler und moderner Konzern und möchte entsprechend arbeiten. Präsentiert Sielaff dem Vorstand ein Auto, passiert das in der virtuellen Realität. Dort spazieren Avatare um das Fahrzeug und tauschen ihre Meinungen aus. 

Ruhe ist eine Qualität

Warum Geely unbedingt Sielaff haben wollte, wird schnell klar. Er war vorher Chefdesigner bei Bentley und für das globale Interieurdesign des gesamten VW-Konzerns zuständig. Das Ergebnis spricht für sich. Bentley strahlt monolithische Ruhe aus, und die Innenräume der Wolfsburger Marken gelten als durchkomponierte Benchmarks. Sielaff: “Man muss versuchen, das Design zu beruhigen und eine klare Formensprache einzuführen. Chinesische Kunden erkennen, wenn die Qualität passt. Und diese Wirkung erzielt man mit einer ruhigen Handschrift, organischen Flächen und klaren Linien im Exterieur und dem Zusammenspiel der Materialien im Interieur.”

Sielaff gilt als gut organisiert und arbeitet strukturiert. Eigenschaften, die von chinesischen Topmanagern geschätzt werden, die gerade in kreativen Beruf wie dem Design aber eher selten sind. Auch die Arbeitsweise in China kommt ihm entgegen. “Das Erste, was einem auffällt, ist die Geschwindigkeit – wie schnell Dinge entschieden werden. Ich bin ein fordernder Mensch, will schnell Ergebnisse sehen und kann es nicht ertragen, wenn sich Entscheidungen über Monate hinziehen. Deswegen bin ich auch ein Verfechter der digitalen Arbeitsweise.”

Zeitgeist spielt ihm in die Karten

In seinen 35 Berufsjahren bei beinahe allen Marken des VW Konzerns – inklusive eines Intermezzos bei Daimler – hat Sielaff gelernt, Autos nicht einfach nur zu designen. Er denkt sie ganzheitlich. Verarbeitungsqualität beginnt seiner Meinung nach bei den ersten Skizzen. Sielaff weiß, wann ein Design zu verspielt ist und zu Verarbeitungsproblemen führen kann. “Über Design lässt sich immer streiten. Aber nicht darüber, ob es Top-Qualität ist. Die spürt jeder sofort, auch wenn vielleicht nicht jedem bewusst ist, woher die Wirkung kommt. Mein Job ist es, diese Botschaft rüberzubringen.” 

Der Zeitgeist arbeite außerdem für ihn, glaubt er: “Chinesen mögen Luxus, der nicht übertrieben wirkt, sondern diskret ist. Und das wird in den nächsten Jahren kommen. Deswegen bin ich zur rechten Zeit am rechten Ort.” Christian Domke-Seidel

  • Autoindustrie

Personalien

Dominik Schedl ist zurück nach Deutschland gewechselt und neuer Head of Logistics Control CS & BS bei der Dräxlmaier Group im bayerischen Vilsbiburg. Schedl war zuvor als Logistics Auditor/Supply Chain Manager bei Audi China tätig.

Hans Niemann ist bei Inhabit, einer Beratungsfirma für nachhaltiges Bauen, von Xuhui nach Shenzhen gewechselt. Er ist dort als Sustainability Engineer tätig.

Dessert

Gaofen 3-03 auf dem Weg ins All: Eine Long March-4C-Rakete bringt den Satelliten vom Kosmodrom Jiuquan im Nordwesten Chinas aus in den Weltraum. Der neue hochauflösende Erdbeobachtungssatellit sei erfolgreich in die geplante Umlaufbahn eingetreten, meldeten staatliche Stellen. Zusammen mit dem im August 2016 gestarteten Gaofen 3 und dem im November 2021 gestarteten Gaofen 3-02 bildet Gaofen 3-03 eine Konstellation, mit der jeder Punkt der Erde einmal pro Tag beobachtet werden kann.

China.Table Redaktion

CHINA.TABLE REDAKTION

Licenses:
    • Vizepremier Liu im Rampenlicht
    • Table.Live-Briefing: Was lief schief beim EU-China-Gipfel?
    • Termine der kommenden Woche
    • Shanghai verspricht bessere Versorgung mit Lebensmitteln
    • Pelosi-Reise nach Taiwan erzürnt Peking
    • Tibeter stirbt nach Selbstanzündung
    • Im Portrait: Designer Stefan Sielaff von Geely
    Liebe Leserin, lieber Leser,

    wenn unter Xi Jinping vernünftige Leute nach oben kommen, kann das für die Handelspartner des Landes nur gut sein. Das gilt umso mehr, wenn sie als Wirtschaftsfachleute zwar Internationalisierung und Öffnung bevorzugen, aber kein Wachstums-Feuerwerk um jeden Preis zünden wollen. So ein Politiker ist der inzwischen 70-jährige Vizepremier Liu He. Sein Stern ist im Steigen, analysiert Frank Sieren. Es kann sogar sein, dass Liu auch nach dem Parteitag im Herbst – und damit über das Pensionsalter hinaus – eine entscheidende Rolle spielt. Premier Li Keqiang bleibt derweil kaltgestellt.

    Die Ohnmacht Lis mag einer der Gründe dafür gewesen sein, dass der EU-China-Gipfel in der vergangenen Woche so wenig gebracht hat. Schließlich war er dort Hauptansprechpartner. Doch die EU-Kommission unter Ursula von der Leyen ist auch taktisch ungeschickt vorgegangen: Sie habe den Gipfel unvorteilhaft vorbereitet. Durch den Fokus auf den Ukraine-Krieg und Pekings Position dazu blieb China nur wenig Raum für andere Themen. Die europäische Seite hatte darauf gehofft, dass China sich als Vermittler zur Verfügung stellt. Doch schon das sei eine blauäugige Fehleinschätzung gewesen – so ist das Fazit des ersten Table.Live-Briefings zur Nachlese des Gipfels.

    Wir wünschen Ihnen ein entspanntes Wochenende!

    Ihr
    Finn Mayer-Kuckuk
    Bild von Finn  Mayer-Kuckuk

    Analyse

    Wird Vizepremier Liu zum Kandidat für höhere Aufgaben?

    Liu He wird von Xi Jinping derzeit mit wichtigen Aufgaben betraut.

    Liu He verleiht Flügel. Der oberste Wirtschaftsberater von Staatspräsident Xi Jinping lässt Chinas Aktien fliegen. Von Shanghai über Hongkong bis nach New York. Schon ein einziger Satz des Vizepremiers hatte am 16. März genügt, um die gebeutelten Kurse chinesischer Tech-Unternehmen in einen rasanten Steigflug zu versetzen. Shanghais Hang-Seng-Index gewann über neun Prozent, der größte Anstieg an einem Tag in über einem Jahrzehnt. Der Tech-Index stieg sogar um über 22 Prozent.

    Dabei klang der Satz, der ein markantes Kapitel Börsengeschichte schrieb, vergleichsweise unspektakulär “Alle relevanten Behörden sollen eine marktfreundliche Politik machen”, hatte Liu gesagt. Doch seine immense Wirkung zog die Frage nach sich, weshalb Parteichef Xi diesen großen politischen Stich nicht selbst gemacht hat.

    Xi hätte die Verlautbarung auch seinem Premierminister überlassen können. Li Keqiang, der nächstes Frühjahr seine Amtsgeschäfte abgeben wird, muss es als Ohrfeige empfunden haben, dass Xi den politischen Lichtkegel nun auf seinen Vize richten lässt. Zumal Liu zwar Mitglied im Politbüro der Kommunistischen Partei ist, aber im Gegensatz zu Li nicht dem innersten Machtzirkel des siebenköpfigen Ständigen Ausschuss angehört.

    An zahlreichen Ecken und Enden tauchte Liu zuletzt immer wieder an prominenter Stelle auf. Der Wirtschaftsfachmann wurde von Xi nun sogar beauftragt, den Absturz der Boeing 737-800 in der Provinz Guangxi aufzuklären (China.Table berichtete). Erneut blieb Li Keqiang nur die Zuschauerrolle.

    Dabei hätte die politische Karriere des 70-jährigen Liu He eigentlich schon zu Ende sein sollen. Denn normalerweise ist für Spitzenkader im Alter von 68 Jahren Schluss. Xi selbst bildet eine der wenigen Ausnahmen. Er ist 68 und wird seine Amtszeit im Herbst voraussichtlich um mindestens fünf Jahre verlängern. Dazu hat Xi 2018 die entsprechende Verfassungsregelung gekippt.

    Lius Beförderung als Zeichen für mehr Internationalisierung

    Eine weitere Beförderung Lius wäre ein deutliches, politisches Zeichen für einen Trend zu mehr Marktwirtschaft, Internationalisierung und erwünschtem Börsenboom. Die staatliche Nachrichtenagentur Xinhua gab kürzlich Einblicke in dessen Kernideen. Liu “unterstützt Unternehmen, die in Hongkong und in Übersee gelistet werden wollen.” Die USA und China hätten eine “gute Kommunikation” und “machen Fortschritte”, um gemeinsame Spielregeln für Neuemissionen an der Börse zu entwickeln. Immobilienentwickler sollten zwar “Risikoprävention” betreiben, sich aber auch “für einen neuen Entwicklungsschub transformieren.” Die Behörden sollten “zeitnah auf Themen reagieren, die die Märkte beschäftigen” und vorsichtig sein mit politischen Maßnahmen, die eine “kontraktive Wirkung auf die Märkte haben.” Konkrete Aktionen “müssen nun die Wirtschaft unterstützen.”

    Und tatsächlich geht es Liu zwar um eine “marktfreundliche Politik”, aber nicht mehr um ein rauschendes Wachstumsfest um jeden Preis. Insgesamt steht Liu für ein langsameres, nachhaltigeres und konsumorientierteres Wachstum. Schuldenfinanzierte Investitionen ließ er zurückschrauben. Er nimmt Einfluss auf die Geschicke der Zentralbank, möchte die Banken und Finanzströme stärker kontrollieren und Schuldenblasen vermeiden. Überkapazitäten sollen weiter abgebaut werden, zum Beispiel in der Stahl- und Kohleindustrie.

    Der Privatsektor spiele zudem eine wichtige Rolle bei der Stabilisierung der Beschäftigung, der Anpassung der Wirtschaftsstruktur und der Förderung von Innovationen, so Liu in einer früheren Rede. Der Privatsektor trage mehr als 50 Prozent der Steuereinnahmen, über 60 Prozent des Bruttoinlandsproduktes, über 70 Prozent der technologischen Innovation sowie zu mehr als 80 Prozent der städtischen Beschäftigung bei.

    Wie stark das marktwirtschaftliche Denken in der Familie Liu verankert ist, zeigt sich auch bei Lius Sohn Tianran. 2016 gründete er das Investmenthaus Skycus Capital, das bald darauf in Tech-Riesen wie Tencent und JD.com investierte. Als sein Vater Vizepremier wurde, musste der Sohn seine Beteiligungen verkaufen.

    Als “Sondergesandter” von Staatschef Xi in den USA

    Liu trat 1976 im Alter von 24 Jahren in die KP China ein und kletterte die Karriereleiter in verschiedenen Regierungsabteilungen hoch, bevor er in die USA zum Studieren ging – zunächst als Gastwissenschaftler an der Seton Hall University in New Jersey 1992, dann an der Harvard University, wo er einen Master in öffentlicher Verwaltung an der dortigen Kennedy School of Government abschloss und auch lehrte.

    Zurück in China bekleidete Liu mehrere leitende Positionen in der chinesischen Regierung, unter anderem in der Nationalen Entwicklungs- und Reformkommission (NDRC), der Top-Planungsbehörde des Landes. Der US-Wirtschaftsnobelpreisträger Michael Spence zählt Liu zu seinen Freunden. 2014 schrieb Liu sein bisher letztes Papier für die Harvard Kennedy School. Die Studie Nr. 33 hat den Titel: “Die große Rezession überwinden. Lehren aus China.” Das Vorwort kam von Larry Summers, dem ehemaligen US-Finanzminister, Weltbank Chefökonom und Wirtschaftsprofessor. In der Studie vergleicht Liu die Große Depression 1929 mit der großen Rezession 2008.

    2017 wurde Liu zu einem der 25 Mitglieder des KP-Politbüros ernannt. 2018 wurde er Vizepremierminister für Wirtschaft und Chefverhandler im Handelskrieg mit den USA, wo er sich bei dem damaligen Präsidenten Donald Trump eine blutige Nase holte. Als Direktor der Zentralen Führungsgruppe für Finanz- und Wirtschaftsangelegenheiten steuert er maßgeblich den wirtschaftlichen Kurs Chinas. Liu überzeugte auch Staatschef Xi davon, Yi Gang zum Zentralbankchef zu machen, was Liu nun einen großen Einfluss auf die Geldpolitik des Landes ermöglicht.

    Einer breiten internationalen Öffentlichkeit wurde Liu bekannt, als er beim Weltwirtschaftsforum 2018 in Davos die Grundsatzrede hielt. Im Jahr zuvor hatte Xi das noch selbst übernommen. Dies war schon damals ein klares Zeichen, wie sehr Xi Liu vertraut. Ein Jahr später ließ Liu in Washington eine Grußbotschaft von Präsident Xi an Donald Trump vorlesen. Der erste Satz ist wie eine Adelung: “Ich habe Vizepremier Liu He die Aufgabe anvertraut, mein Sonderbeauftragter zu sein.”

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    “Die EU geht von falschen Annahmen aus”

    Der EU-China-Gipfel hat in der vergangenen Woche ohne Erfolg geendet (China.Table berichtete). In der öffentlichen Wahrnehmung wurde der Schwarze Peter meist Peking zugeschoben. Denn die chinesische Außenpolitik verweigert hartnäckig eine Teilnahme an den internationalen Strafen gegen Russland. Doch die Passivität Chinas im Angesicht des Ukraine-Kriegs hat durchaus Gründe, betonen zwei führende Expert:innen am Donnerstag in einer Veranstaltung von Table.Media. “Assessing the EU-China Summit Confirmation” fand in unserer Reihe “Table.Live-Briefing” statt.

    Alicia García-Herrero
    Alicia García-Herrero

    Die Erwartung einer plötzlichen Abwendung von Russland war von Anfang an unrealistisch, sagt Alicia García-Herrero. Sie ist China-Expertin bei der renommierten Brüsseler Denkfabrik Bruegel und Beraterin der Asian Development Bank (ADB). “Ich war von Anfang an erstaunt über den Versuch, China als Vermittler zu gewinnen.” Das Land sei noch nie in einem gravierenden internationalen Konflikt als Schlichter aufgetreten.

    Außerdem müsse den Akteuren in Brüssel eigentlich klar gewesen sein, wie schwer China eine Abwendung von Russland fallen würde. “Das Problem liegt daher nicht so sehr in China als in einer Fehlwahrnehmung der chinesischen Position“, so García-Herrero. China arbeite auf die Schaffung einer neuen weltpolitischen Ordnung hin. García-Herrero fragt zugespitzt: “Wenn China Russland aufgibt, wer steht dann noch an der Seite Chinas? Wie kann China ohne Russland auf die angestrebte Änderung der internationalen Ordnung hinwirken?” Es ist einfach der Mangel an Verbündeten, der China keine Wahl lässt, als zu Russland zu halten. Die Erwartung, dass es sich an die Seite der USA und der EU stellt, sei von Anfang an blauäugig gewesen.

    EU-China-Gipfel war unzureichend vorbereitet

    Die EU habe die chinesischen Befindlichkeiten jedoch nicht nur in der Sache schlecht eingeschätzt. Sie habe China auch gar keine echte Chance gegeben, den Europäern entgegenzukommen. “Der Gipfel war schlecht vorbereitet”, sagt Matthias Stepan, Leiter des Verbindungsbüros der Stiftung Mercator in Peking. Wenn die eigene Führungsspitze im Spiel ist, missbilligt China diplomatische Überraschungen. Doch die EU hatte die Invasion in der Ukraine erst spät zum Hauptthema der Online-Veranstaltung gemacht. “Dies war ein Gipfel, bei dem es eigentlich um Wirtschaft gehen sollte”, bestätigt García-Herrero. Das Datum für das Online-Treffen war vor Beginn des Ukraine-Kriegs festgelegt worden.

    Matthias Stepan im China.Table Live Briefing.
    Matthias Stepan

    Stepan zufolge hat die abrupte Änderung der Themensetzung die Erfolgschancen bereits erheblich verringert. Sie hat den Diplomaten und anderen Beamten auf Arbeitsebene die Chance genommen, im Vorfeld einen Kompromiss einzufädeln. Für gewöhnlich verbringen große Stäbe von Fachleuten beider Seiten die Monate vor so einem Gipfel damit, ihre Entwürfe abzugleichen. Das habe diesmal nicht stattgefunden.

    Tatsächlich hatte Handelskommissar Valdis Dombrovskis noch kürzlich die offenen Wirtschaftsfragen als Schwerpunkt genannt. “Das hätte Türöffner für die Wiederaufnahme eines Dialogs sein können”, so Stepan. Nachdem das Investitionsabkommen CAI schon seit einem Jahr auf Eis liegt (China.Table berichtete), bestehe eigentlich auch hier erheblicher Gesprächsbedarf. Umso enttäuschender sei es, dass auch diesmal keine Vereinbarungen zustande kamen.

    China sollte lernen, die EU ernster zu nehmen

    García-Herrero und Stepan betonen zudem, wie wichtig die Fortsetzung der Zusammenarbeit der EU mit China ist. Die EU müsse trotz aller “Zeitenwende” eine funktionierende Beziehung zu China aufrechterhalten. Was bisher funktioniert habe, müsse jetzt nicht zwangsläufig enden, sagt Stepan. “Es sind zwei völlig unterschiedliche politische Systeme, und doch war Kooperation möglich.”

    Die Grundlage für den letztlich erfolgreichen Dialog in der Vergangenheit lag im gegenseitigen Nutzen. Der Handel habe beiden Seiten mehr Wohlstand gebracht – und hier lag die gemeinsame Basis für Kompromisse. Daher ist es nach Ansicht der Politik-Expert:innen umso wichtiger, den Handel am Laufen zu halten. Die derzeit global immer stärkere Neigung zu Autarkie und Protektionismus sei da umso schädlicher und führe immer tiefer in die Entfremdung.

    Zugleich müsse die chinesische Seite lernen, die EU besser zu verstehen. “China muss sich klarmachen, dass die EU ein außenpolitischer Spieler ist”, sagt Stepan. Peking hatte lange die Haltung, Brüssel nur pro forma als Gesprächspartner zu akzeptieren und für harte Sachfragen in Berlin oder Paris anzurufen. Doch die geopolitischen Entwicklungen machen aus der langsamen und umständlichen EU eben doch den entscheidenden Ansprechpartner in Europa.

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    Termine

    11.04.2022, 15:00-16:30 Uhr (21:00 – 22:30 Uhr Beijing Time)
    GCC Knowledge Hub, Webinar: Legal and Liability Issues Caused by the Recent Lockdown – What to Know and What to Do Anmeldung

    12.04.2022, 9:00-10:30 Uhr (15:00-16:30 Uhr Beijing Time)
    CNBW, Ausblick: 100 Tage nach der Bundestagswahl: Welche Weichen sind schon gestellt? Mehr

    12.04.2022, 10:00-11:00 Uhr (Beijing Time)
    European Chamber China, Insight Sharing: Implementation rules for the regulation on human genetic resources management (Chinese language session) Anmeldung

    12.04.2022, 10:00 Uhr (16:00 Uhr Beijing Time)
    Dezan Shira, Webinar: How to Attract and Retain Gen Z Employees in China During the Great Resignation Anmeldung

    13.04.2022, 18:00 Uhr (14.04.2022, 0:00 Uhr Beijing Time)
    Harvard Kennedy School, Lecture: Has the EU Joined China to shut out American Companies? Mehr

    13.04.2022, 10:00 Uhr – 11:00 Uhr (16:00 Uhr – 17:00 Uhr Beijing Time)
    European Chamber China, Webinar: How your China Business Strategy can prosper in the new era? Anmeldung

    13.04.2022, 18:30 Uhr (14.04.2022, 0:30 Uhr Beijing Time)
    Harvard Fairbank Center for Chinese Studies, Critical Issues Confronting China: Christopher Carothers – When Autocrats Clean House: Xi Jinping’s Anti-Corruption Campaign and Its Consequences Mehr

    14.04.2022, 20:00 Uhr (15.04.2022, 02:00 Uhr)
    Harvard Fairbank Center for Chinese Studies, Contemporary Chinese Society Lecture Series: Rachel Stern – Performing Legality: When and Why Chinese Government Leaders Show Up in Court Mehr

    15.04.2022, 10:00 Uhr – 11:00 Uhr (16:00 Uhr – 17:00 Uhr Beijing Time)
    Dezan Shira, Webinar: China’s Two Sessions 2022: Economic & Social Policies Explained Anmelden

    News

    In Shanghai leeren sich die Vorräte

    Die Stadtregierung von Shanghai verspricht, die Versorgungslage im Lockdown zu verbessern. Die Zahl der aktiven Lieferfahrer werde dazu auf 11.000 erhöht. Kooperationspartner sind weiterhin Privatfirmen wie Meituan, Hema (auf Englisch Freshippo), Dingdong und Ele.me. Meituan allein kündigte an, tausend zusätzliche Fahrer einzusetzen.

    Je länger der Lockdown sich hinzieht, desto leerer werden die Vorratskammern der Bürger. Es seien grundsätzlich genug Grundnahrungsmittel für alle da, doch es hapere weiterhin an der Verteilung auf den letzten Metern, sagte Vizebürgermeister Chen Tong in einer Pressekonferenz. Bei der Lebensmittelverteilung tun sich zugleich immer wieder Lücken auf. So sind Einwohner ohne Shanghaier Meldestatus (Hukou) oder Hotelgäste nur unzureichend erfasst.

    Die Versorgung während des Lockdowns in Shanghai ist schwierig. Das zeigt auch ein Meme auf den sozialen Medien.
    Meme auf Sozialmedien: Eine Frau präsentiert ihren gähnend leeren Kühlschrank

    Trotz über einer Woche mit der Ausgangssperre steigen die Fallzahlen in der Metropole weiter. Shanghai meldete am Donnerstag 19.989 bestätigte Neuinfektionen mit dem Coronavirus. Am Tag zuvor waren es noch 17.007. Ein Ende des Lockdowns ist daher nicht absehbar. Auch in anderen Städten nehmen wegen örtlichen Ausbrüchen die Einschränkungen zu.

    Die Behörden wollen unterdessen auch Flüge mit Ziel Shanghai strengere Vorschriften auferlegen. Schon jetzt gilt die Regel, dass internationale Verbindungen chinesischer Airlines auf andere Flughäfen ausweichen sollen. Dies gilt noch mindestens bis zum 1. Mai. Zusätzlich sollen die verbleibenden Shanghai-Flüge mindestens zu 60 Prozent leer fliegen. Die freien Sitze sollen die Wahrscheinlichkeit einer Infektion an Bord senken, berichtet die Nachrichtenagentur Reuters. Bisher mussten die Anbieter mindestens 25 Prozent der Sitze freibleiben. Die Verschärfung soll dem Bericht zufolge kommenden Montag in Kraft treten.

    Die Kommunistische Partei verstärkt derweil ihre Propagandaanstrengungen, um sich als unermüdliche Kämpferin gegen das Virus zu präsentieren. In einem Brief an Mitglieder schwor die KP in Shanghai, das “Schwert gegen all diejenigen zu schwingen, die den Bemühungen gegen die Pandemie entgegenstehen”. Die Staatsmedien vermeldeten eine Disziplinarstrafe gegen einen mittelhohen Kader aus der Provinz Hebei. Dieser hatte online geprahlt, die Grenzen gesperrter Zonen mit seinem Dienstausweis mühelos überschreiten zu können. Das war legal, aber ungeschickt. Man sei nicht für die Bequemlichkeit Teil der Partei, lautete der Kommentar. Wer ihrem Image schade, müsse bestraft werden. fin

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    Peking warnt vor Pelosi-Reise nach Taiwan

    China droht den USA mit Konsequenzen, sollte die Sprecherin des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, nach Taiwan reisen. Dies würde die bilateralen Beziehungen schwer beschädigen, erklärte am Donnerstag ein Sprecher des Außenministeriums in Peking. “Wenn die Vereinigten Staaten darauf bestehen, ihren eigenen Weg zu gehen, wird China starke Maßnahmen ergreifen, um seine nationale Souveränität und territoriale Integrität zu verteidigen. Alle möglichen Konsequenzen, die sich daraus ergeben, werden vollständig von der US-Seite getragen.”

    Tatsächlich soll ein Besuch Pelosis in Taiwan für den Anfang der kommenden Woche geplant gewesen sein. Die Demokratin wollte im Anschluss an einen vorgesehen Stippvisite nach Japan direkt weiterfliegen nach Taipeh. Allerdings hatten weder Pelosis Büro noch Taipeh den Stopp in Taiwan offiziell bestätigt. Jedoch wurden Pelosis Reisepläne am Donnerstag ohnehin von einem positiven Corona-Test durchkreuzt, weswegen der Besuch bei den beiden US-Verbündeten zur Disposition stand.

    Pelosis Besuch käme zu einem geschichtlich bedeutsamen Datum: Am kommenden Sonntag jährt sich zum 43. Mal die Unterzeichnung des Taiwan Relations Act, einem US-Gesetz, das die Beziehungen zwischen der Insel und Washington regelt. Darin ist auch festgeschrieben, dass die USA Taiwan Mittel zur Selbstverteidigung zur Verfügung zu stellen. Das letzte Mal, dass ein Sprecher des US-Repräsentantenhauses Taiwan besuchte, war 1997. Damals traf Newt Gingrich den damaligen Präsidenten Lee Teng-hui. rtr/ari

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    Erneute Selbstverbrennung in Tibet

    Der 81-jährige Taphun in der Provinz Sichuan in Brand gesteckt- Selbstverbrennungen in Tibet sind eine extreme Protestform gegen die chinesische Besatzung.
    Tod nach Selbstanzündung: Taphun

    In Tibet ist es binnen weniger Wochen erneut zu einer Selbstanzündung mit Todesfolge gekommen. Ein 81-Jähriger namens Taphun hatte sich nach Angaben der International Campaign for Tibet (ICT) am 27. März vor einer Polizeistation im osttibetischen Landkreis Aba in der Provinz Sichuan in Brand gesteckt und war später seinen Verletzungen erlegen. Bereits Ende Februar hatte sich der 25-jährige tibetische Sänger Tsewang Norbu vor dem Potala-Palast in Lhasa selbst angezündet. (China.Table berichtete.) Auch er war einige Tage später verstorben.

    Selbstanzündungen sind eine extreme Form des Protestes der Tibeter gegen die chinesische Besatzung. Seit 2009 haben sich knapp 160 Tibeter selbst in Brand gesteckt, um gegen chinesische Repressionen zu protestieren. Ein Drittel der Selbstverbrennungen unternahmen Bewohner der Region Aba. Seit 2015 aber hatte die Zahl solcher Vorfälle drastisch abgenommen.

    Die chinesischen Behörden machen die Selbstverbrennungen nicht publik, sondern vermeiden eine öffentliche Wahrnehmung. Durch die hermetische Informationspolitik schaffen es Nachrichten über solche Tragödien erst Tage oder Wochen über die chinesische Staatsgrenze hinaus. grz

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    Presseschau

    Ukraine-Krieg in Chinas Medien: Die Toten von Butscha kommen nicht vor ZEIT
    Russia and China align on war disinformation, EU service says EURACTIV
    China warns of strong measures if U.S. Speaker Pelosi visits Taiwan CNBC
    US delegation to Asia postponed after Nancy Pelosi tests positive for coronavirus SCMP
    Chinas neues Sicherheitsabkommen mit Südsee-Nation schürt Ängste in Australien und Neuseeland MERKUR
    “Müssen lernen mit Corona zu leben” – Taiwan beendet Null-Covid-Strategie NTV
    Chinas rigide Lockdown-Politik: “Zügeln Sie Ihre Sehnsucht nach Freiheit!” FAZ
    China’s lockdowns put working class, poor provinces at risk of ‘falling back into poverty’ SCMP
    Manufacturers Grind to a Halt in China as Covid Lockdowns Expand WSJ
    Stopped trucks, foldable beds for workers: What European businesses face with China’s Covid surge CNBC
    UN inaction on China abuses ‘huge disappointment’: Uyghur campaigner FRANCE24
    Jetzt aus China: 4,20 Meter lang, 1,8 Tonnen schwer – die seltsame Wiedergeburt des Smart WELT
    Chinese tests show nuclear bunkers are not what they used to be, with earth-penetrating weapons on the rise SCMP

    Portrait

    Stefan Sielaff – Geelys Fels in der Design-Brandung

    Stefan Sielaff ist neuer Vice President for Global Design bei Geely.
    Designer Stefan Sielaff

    Der Sprung ins kalte Wasser musste ausfallen. Eher behutsam stieg Stefan Sielaff in sein neues Amt als Vice President of Global Design beim chinesischen Autokonzern Geely ein. Zwar füllt der gebürtige Münchner diese Rolle seit gut einem halben Jahr aus, wegen strenger Quarantäne-Regeln schaffte er es in den ersten Monaten seines neuen Jobs allerdings nicht in die Volksrepublik. 

    Die Probleme halten sich Grenzen. Das globale Design-Headquarter ist ohnehin in Göteborg. Dort hat Sielaff jetzt auch sein Büro. Hier arbeiten 500 Mitarbeiter im Design, 500 weitere sitzen in Shanghai und jeweils 15 in Barcelona und Kalifornien. Geely hat enorme Summen in die Digitalisierung investiert, um dieses globale Team zu vereinen. Die Pandemie mag diesen Prozess beschleunigt haben, sie war aber nicht der Auslöser. Geely versteht sich als globaler und moderner Konzern und möchte entsprechend arbeiten. Präsentiert Sielaff dem Vorstand ein Auto, passiert das in der virtuellen Realität. Dort spazieren Avatare um das Fahrzeug und tauschen ihre Meinungen aus. 

    Ruhe ist eine Qualität

    Warum Geely unbedingt Sielaff haben wollte, wird schnell klar. Er war vorher Chefdesigner bei Bentley und für das globale Interieurdesign des gesamten VW-Konzerns zuständig. Das Ergebnis spricht für sich. Bentley strahlt monolithische Ruhe aus, und die Innenräume der Wolfsburger Marken gelten als durchkomponierte Benchmarks. Sielaff: “Man muss versuchen, das Design zu beruhigen und eine klare Formensprache einzuführen. Chinesische Kunden erkennen, wenn die Qualität passt. Und diese Wirkung erzielt man mit einer ruhigen Handschrift, organischen Flächen und klaren Linien im Exterieur und dem Zusammenspiel der Materialien im Interieur.”

    Sielaff gilt als gut organisiert und arbeitet strukturiert. Eigenschaften, die von chinesischen Topmanagern geschätzt werden, die gerade in kreativen Beruf wie dem Design aber eher selten sind. Auch die Arbeitsweise in China kommt ihm entgegen. “Das Erste, was einem auffällt, ist die Geschwindigkeit – wie schnell Dinge entschieden werden. Ich bin ein fordernder Mensch, will schnell Ergebnisse sehen und kann es nicht ertragen, wenn sich Entscheidungen über Monate hinziehen. Deswegen bin ich auch ein Verfechter der digitalen Arbeitsweise.”

    Zeitgeist spielt ihm in die Karten

    In seinen 35 Berufsjahren bei beinahe allen Marken des VW Konzerns – inklusive eines Intermezzos bei Daimler – hat Sielaff gelernt, Autos nicht einfach nur zu designen. Er denkt sie ganzheitlich. Verarbeitungsqualität beginnt seiner Meinung nach bei den ersten Skizzen. Sielaff weiß, wann ein Design zu verspielt ist und zu Verarbeitungsproblemen führen kann. “Über Design lässt sich immer streiten. Aber nicht darüber, ob es Top-Qualität ist. Die spürt jeder sofort, auch wenn vielleicht nicht jedem bewusst ist, woher die Wirkung kommt. Mein Job ist es, diese Botschaft rüberzubringen.” 

    Der Zeitgeist arbeite außerdem für ihn, glaubt er: “Chinesen mögen Luxus, der nicht übertrieben wirkt, sondern diskret ist. Und das wird in den nächsten Jahren kommen. Deswegen bin ich zur rechten Zeit am rechten Ort.” Christian Domke-Seidel

    • Autoindustrie

    Personalien

    Dominik Schedl ist zurück nach Deutschland gewechselt und neuer Head of Logistics Control CS & BS bei der Dräxlmaier Group im bayerischen Vilsbiburg. Schedl war zuvor als Logistics Auditor/Supply Chain Manager bei Audi China tätig.

    Hans Niemann ist bei Inhabit, einer Beratungsfirma für nachhaltiges Bauen, von Xuhui nach Shenzhen gewechselt. Er ist dort als Sustainability Engineer tätig.

    Dessert

    Gaofen 3-03 auf dem Weg ins All: Eine Long March-4C-Rakete bringt den Satelliten vom Kosmodrom Jiuquan im Nordwesten Chinas aus in den Weltraum. Der neue hochauflösende Erdbeobachtungssatellit sei erfolgreich in die geplante Umlaufbahn eingetreten, meldeten staatliche Stellen. Zusammen mit dem im August 2016 gestarteten Gaofen 3 und dem im November 2021 gestarteten Gaofen 3-02 bildet Gaofen 3-03 eine Konstellation, mit der jeder Punkt der Erde einmal pro Tag beobachtet werden kann.

    China.Table Redaktion

    CHINA.TABLE REDAKTION

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