nach fast zwei Jahren Pause haben Brüssel und Peking sich in einem gesonderten Dialog-Format wieder über Handelsthemen ausgetauscht. Dabei sprachen EU-Vizepräsident und Handelskommissar Valdis Dombrovskis und der chinesische Vizepremier Liu He unter anderem über Lieferengpässe aufgrund der Corona-Pandemie, die Abhängigkeit bei kritischen Rohstoffen sowie die Auswirkungen des russischen Einmarsches in der Ukraine. Die Menschenrechtsverletzungen in Xinjiang, die durch das europäische Lieferkettengesetz stärker geahndet werden sollen, wurden jedoch nicht angerissen, berichtet Amelie Richter. Nach dem desaströsen EU-China-Gipfel im April wollte die europäische Seite offenbar erreichen, dass der Handelsdialog konstruktiv verläuft und die beiden Seiten wieder Gemeinsamkeiten finden.
Mangels Alternativen waren Immobilien für Chinas Bürger lange Zeit eine sichere und lukrative Anlage. Dieses Vertrauen ist spätestens seit dem Niedergang des Immobilien-Riesen Evergrande zerbrochen. Der Markt befindet sich noch immer in einer äußerst bedrohlichen Lage, berichtet unser Team aus Peking. Vielerorts ist der Bau von Häusern und Wohnungen massiv in Verzug geraten. Wohnungskäufer im ganzen Land drohen nun, ihre Hypothekenzahlungen einzustellen, sollten ihre bestellten Immobilien nicht bald bezugsfertig sein. Andere Käufer fürchten, dass ihre Wohnungen nach der Fertigstellung im Wert gesunken sein könnten. Ein Schock für die Chinesen, die lange der festen Überzeugung waren, Immobilien könnten in ihrem Wert ausschließlich steigen. Der Staat will den Bauträgern jetzt helfen, leichter an Kredite zu kommen, um die Immobilien schneller fertigzustellen. Ein die soziale Stabilität gefährdendes Lauffeuer will Peking im Keim ersticken.
Die EU-Generaldirektorin für Handel, Sabine Weyand, hat es gestern gut zusammengefasst: “Seit dem letzten ranghohen Handelsdialog im Jahr 2020 haben sich viele Probleme angesammelt“, schrieb sie auf Twitter nach den ersten Handelsgesprächen zwischen Brüssel und Peking nach gut zwei Jahren. Das auf Eis gelegte Investitionsabkommen CAI und die Handelsblockade gegen EU-Staat Litauen sind nur zwei dieser Probleme – die Liste der Tagesordnungspunkte für das 9. Treffen des sogenannten EU-China High-Level Economic and Trade Dialogue (kurz HED) war lang.
EU-Vizepräsident und Handelskommissar Valdis Dombrovskis und der chinesische Vizepremier Liu He sprachen über Lieferengpässe aufgrund der Corona-Pandemie sowie die Auswirkungen des russischen Einmarsches in der Ukraine, wie die EU-Kommission nach dem Gespräch mitteilte. Die EU habe “die Bereitschaft Chinas zur Kenntnis genommen, bei der Gewährleistung der Stabilität der Weltmärkte und der Bekämpfung der weltweiten Ernährungsunsicherheit zusammenzuarbeiten, auch durch den Export von Düngemitteln”, hieß es in einer Erklärung aus Brüssel.
Außerdem habe man sich darauf verständigt, dass die Unterbrechung von Lieferketten verhindert werden müsse. Mehr Transparenz soll es bei Informationen über die Lieferungen bestimmter kritischer Rohstoffe (China.Table berichtete) geben. Fortschritte gab es im Bereich der Zusammenarbeit bei Finanzdienstleistungen. Aber auch das sich verschlechternde Geschäftsumfeld in China für europäische Unternehmen, marktverzerrende Subventionen und die Rolle von Staatsunternehmen seien angesprochen worden. Ebenso der auf Litauen ausgeübte wirtschaftliche Zwang und die nächsten Schritte für eine WTO-Reform.
Menschenrechtsverletzungen oder die Lage in Xinjiang – wo einige EU-Unternehmen Werke haben – waren der offiziellen Mitteilung zufolge bei dem Gespräch kein Thema. Es scheint ein wenig, als habe Brüssel nach dem desaströsen EU-China-Gipfel im April sichergehen wollen, dass der Handelsdialog konstruktiv verläuft. Nach der zweijährigen Pause ist der Dialog aber ein gutes Zeichen, auch wenn er erneut nur als Videocall stattfinden konnte. Einen zweiten HED wird es in diesem Jahr nicht mehr geben, der nächste wird erst im Jahr 2023 stattfinden. Vielleicht dann wieder persönlich.
Verwirrung gab es indes um eine Einladung europäischer Regierungschefs in die Volksrepublik: Die Tageszeitung South China Morning Post hatte über ein mutmaßliches Gesprächsangebot von Xi Jinping berichtet. Dieser habe Bundeskanzler Olaf Scholz, den französischen Staatschef Emmanuel Macron, Italiens Ministerpräsidenten Mario Draghi und den spanischen Premier Pedro Sánchez zu einem persönlichen Treffen im November in Peking eingeladen, schrieb die SCMP unter Berufung auf eine mit der Angelegenheit vertraute Person. Bestätigungen oder Stellungnahmen zu dem Bericht gab es aus den vier europäischen Hauptstädten nicht. Berlin wollte Reisepläne nicht kommentieren.
Peking antwortete am Dienstag dann jedoch mit einem klaren Dementi: “Ich weiß nicht, woher die Informationen stammen”, sagte der Sprecher des Außenministeriums, Zhao Lijian. Die Einladung an die europäischen Staats- und Regierungschefs hätten für Xi eine Rückkehr zur persönlichen Diplomatie mit europäischen Politikern bedeutet. Seit Beginn der Corona-Pandemie hat sich kein europäischer Politiker mit dem chinesischen Staatschef bilateral direkt getroffen. Der Austausch fand immer über Video statt.
Nach Veröffentlichung des Berichts hatte es Kritik an der mutmaßlichen Einladung an Scholz, Macron, Draghi und Sánchez gegeben. Zweifel kamen auch auf, da das Gesprächsangebot für einen Zeitpunkt ausgesprochen worden sein soll, der nach dem Parteitag der KPCh im Oktober liegt. Bei diesem will sich Xi allerdings erst im Amt bestätigen lassen. Vielleicht war Peking aufgefallen, dass es für die Außenwirkung einer echten Wahl nicht sonderlich vorteilhaft ist, wenn ein vermeintlich noch um seinen Posten “bangender” Staatspräsident bereits jetzt große Einladungen ausspricht – daher der öffentliche Rückzieher.
Auch die Auswahl der Europäer kam nicht sonderlich gut an: Mit Deutschland, Frankreich, Italien und Spanien hätte China die größten EU-Wirtschaftspartner eingeladen. Diese würden in Peking dann dem “Partei-Kaiser” direkt nach dem Parteitag ihren Respekt zollen, kritisierte der Grünen-Europapolitiker Reinhard Bütikofer. Er mahnte an, über die Antwort zu der Einladung gut nachzudenken. Außerdem gab es Kritik am Ausschluss anderer EU-Staaten. Die mittel- und osteuropäischen Staaten seien “jahrelang als Trojanische Pferde beschuldigt” worden, schrieb der slowakische China-Analyst Matej Šimalčík auf Twitter. Der einzig moralisch akzeptable Schritt für die vier EU-Staaten sei es deshalb “höflich abzulehnen und um ein vollständiges EU27+China-Treffen zu bitten”, so Šimalčík.
Bis es zu einem hochrangigen Besuch aus Europa in China kommt, wird es noch dauern. Nicht zuletzt deshalb erhielt nun die Reise der Vizepräsidentin des Europaparlaments und deutschen FDP-Europaabgeordneten, Nicola Beer, nach Taiwan besondere Aufmerksamkeit. Beer ist ab Dienstag zu einem dreitägigen offiziellen Besuch in Taipeh. Es handelt sich dabei um den ersten Besuch Beers als Vizepräsidentin des EU-Parlaments in Taiwan. Am Dienstag traf die FDP-Politikerin Taiwans Ministerpräsidenten Su Tseng-chang, am Mittwoch soll ein Gespräch mit Präsidentin Tsai Ing-wen folgen. Aus Peking kam zu Beers Besuch die bereits bekannte Kritik: Die EU-Politikerin missachte das “Ein-China-Prinzip”.
Beer rief zum Auftakt ihres Besuchs dazu auf, den Inselstaat gegen China zu unterstützen. “Taiwans Blüte ist auch Europas Blüte. Wir werden Chinas Drohungen gegen Taiwan nicht ignorieren”, so Beer laut Medienberichten. Sie stellte einen direkten Bezug ihres Besuchs zur russischen Invasion in der Ukraine her. Beer sagte laut der Nachrichtenagentur AFP: “Es gibt keinen Raum für chinesische Aggression im demokratischen Taiwan. Derzeit werden wir Zeugen eines Krieges in Europa. Wir wollen nicht Zeugen eines Krieges in Asien werden.”
Taipeh soll einem Bericht zufolge im August noch weiteren Besuch erhalten, der Peking bereits jetzt erzürnt. Wie die Financial Times unter Berufung auf mehrere Insider berichtete, plant Nancy Pelosi, die Vorsitzende des Repräsentantenhauses, noch im August einen Besuch in Taipeh. Die Visite ist demnach Teil einer Reise einer US-Delegation, die auch Japan, Malaysia, Singapur und dem indopazifischen Kommando der US-Streitkräfte auf Hawaii einen Besuch abstatten soll. Offiziell bestätigt wurde die Reise zunächst weder vom US-Außenministerium, noch von Taiwan. Ursprünglich war ein Besuch schon im April geplant. Er musste wegen einer Corona-Infektion Pelosis aber abgesagt werden. Schon im April hatte der chinesische Außenminister Wang Yi gesagt, ein Besuch von Pelosi auf Taiwan wäre eine “bösartige Provokation”.
Zuletzt war es ruhig geworden um die Verwerfungen auf dem chinesischen Immobilienmarkt. Doch ein Protest verärgerter Immobilienkäufer, der im Kleinen begann und sich zuletzt innerhalb weniger Wochen auf Städte im ganzen Land ausgeweitet hat, zeigt, dass sich der Markt tatsächlich noch immer in einer äußerst bedrohlichen Lage befindet.
Der große “Hypothekenstreik” begann im Juni in der ostchinesischen Stadt Jingdezhen. Dort taten sich 900 Käufer zusammen, die vergeblich auf die Fertigstellung ihrer Wohnungen warteten und deshalb schon zuvor mehrfach protestierten. Bestellt hatten sie beim in Schieflage geratenen Immobilienkonzern Evergrande, der seit vergangenem Jahr mit massiven Problemen kämpft (China.Table berichtete). Weil die Arbeiten einfach nicht vorangehen, kündigten die Käufer in Jingdezhen gegenüber der Lokalregierung an, dass sie ihre monatlichen Hypotheken-Zahlungen einstellen werden, falls die Wohnungen nicht innerhalb von drei Monaten fertig sind.
Die Bewegung verärgerter Wohnungs-Käufer hat sich seitdem wie ein Lauffeuer im ganzen Land verbreitet. Zehntausende Käufer von über 300 Immobilien-Projekten in mindestens 90 Städten haben sich der Bewegung laut jüngsten Schätzungen angeschlossen und damit gedroht, Zahlungen an Banken einzustellen. Häufig geht es um Projekte von Evergrande, aber auch andere Entwickler sind betroffen.
Die Menschen sind einerseits verärgert darüber, dass es beim Bau nicht vorangeht. Schließlich kämpfen die Immobilienfirmen selbst zum Teil mit gewaltigen Schwierigkeiten und können beauftragte Baufirmen nicht mehr bezahlen. Andere Käufer blicken mit Schrecken auf die zuletzt gesunkenen Immobilienpreise. Sie fürchten nun, dass sie viel Geld für eine Wohnung bezahlt haben, die nach der Fertigstellung im Wert gesunken sein könnte. Ein Novum in China, wo Immobilien den Ruf haben, ausschließlich im Wert steigen zu können.
Im Zentrum der Immobilienkrise stehen mit der jüngsten Entwicklung nun nicht mehr nur die zum Teil hoch verschuldeten Immobilienentwickler. Jetzt müssen auch die Banken mit Ausfällen rechnen, sollten sich tatsächlich Käufer dazu entscheiden, ihre Darlehen nicht mehr zu bedienen. In welchem Umfang das jedoch tatsächlich passieren wird, ist fraglich. Banken haben natürlich das Recht, nicht gezahlte Raten von ihren Kreditnehmern einzufordern. Zwar gibt es Berichte über Käufer, die tatsächlich bereits Zahlungen eingestellt haben. Viele der Protest-Teilnehmer belassen es vorerst noch bei Drohungen.
Die Mehrzahl der verärgerten Käufer hofft, mit der kollektiven Aktion die Aufmerksamkeit der Regierung auf sich zu lenken. Und das scheint tatsächlich gelungen zu sein. Die Behörden sind in höchster Alarmbereitschaft, weil sie fürchten, dass sich die Bewegung ausweiten und dann tatsächlich erheblichen Schaden anrichten könnte.
Schon werden die sozialen Netzwerke streng zensiert. Die zuständigen Regulierungsbehörden versprachen über das Wochenende aber auch, eng mit den Lokalregierungen zusammenzuarbeiten, um die rechtzeitige Lieferung unfertiger Wohnprojekte sicherzustellen. Auch Banken forderten sie auf, die Kreditvergabe an Bauherren zu erhöhen, um Projekte abzuschließen.
Für Chinas Wirtschaft steht viel auf dem Spiel. Der Immobiliensektor ist schließlich traditionell eine der wichtigen Wachstumsstützen. Auf die Immobilienbranche, einschließlich Bau, Verkauf und damit verbundene Dienstleistungen, entfällt etwa ein Fünftel des chinesischen Bruttoinlandsprodukts. Schätzungsweise 70 Prozent des Vermögens der Mittelschicht sind in Immobilien gebunden.
Wie das Nationale Statistikamt am Samstag mitteilte, schrumpfte die Produktion in der Immobilienbranche im zweiten Quartal um sieben Prozent gegenüber dem Vorjahr. Sollte sich die Stimmung auf dem Häusermarkt weiter eintrüben, könnte sich das in Kombination mit den ebenfalls belastenden Corona-Maßnahmen zu einem perfekten Sturm entwickeln. Jörn Petring/Gregor Koppenburg
Sinolytics ist ein europäisches Beratungs- und Analyseunternehmen, das sich auf China spezialisiert hat. Es berät europäische Unternehmen bei der strategischen Ausrichtung und den konkreten Geschäftsaktivitäten in der Volksrepublik.
Chinesische Behörden bereiten Insidern zufolge eine Geldstrafe von mehr als einer Milliarde Euro gegen den Fahrdienstanbieter Didi vor. Es gehe um eine Zahlung von mehr als acht Milliarden Yuan (umgerechnet 1,25 Milliarden Euro), rund fünf Prozent von Didis Jahresumsatz, sagten mit der Angelegenheit vertraute Personen am Dienstag. Zuerst hatte das Wall Street Journal darüber berichtet. Die Strafzahlung könnte die Untersuchung über rechtswidrige Cybersicherheitspraktiken des Unternehmens beenden und den Weg zur Aufhebung von Restriktionen für das Geschäft ebnen.
Zuvor hatte die chinesische Internetaufsichtsbehörde eine Untersuchung der Datensicherheitspraktiken des Unternehmens eingeleitet und Didi aufgefordert, insgesamt 25 Apps zu entfernen (China.Table berichtete). Mit der Strafe könnte der Uber-Konkurrent seine Apps in den inländischen App-Stores wiederherstellen und neue Nutzer seiner Plattform gewinnen. Zudem könne Didi nach einer möglichen Strafzahlung einen Anlauf zu einem Börsengang in Hongkong starten. rtr/nib
Die US-Regierung ist optimistisch, dass auch verbündete Staaten und Handelspartner demnächst Gesetze zum Verbot von Importen aus Zwangsarbeit in Xinjiang verabschieden. Eine stellvertretende Staatssekretärin aus dem US-Arbeitsministerium habe mit ihren Amtskollegen aus der EU und Kanada gesprochen, wie die Länder eigene Regulierungen für Waren aus Zwangsarbeit umsetzen könnten, berichtet Reuters.
“Die Unternehmen zeichnet derzeit etwas aus, das ich als bewusste Ignoranz bezeichnen würde. Sie müssen es nicht wissen, also wissen sie es nicht”, sagte Thea Lee zu Kenntnissen über Zwangsarbeit in der Lieferkette. Der EU-Fokus auf die Entwicklung einer verbindlichen Sorgfaltspflicht von Unternehmen sei ein guter Ausgangspunkt. Auch Kanada und Mexiko arbeiten im Rahmen des trilateralen Handelsabkommens mit den USA auf einen “gemeinsamen nordamerikanischen Standard” zum Verbot von Waren aus Zwangsarbeit hin.
Der Uyghur Forced Labor Prevention Act (UFLPA) der Vereinigten Staaten trat letzten Monat in Kraft, um die Einfuhr von Produkten aus Xinjiang zu unterbinden. Washington wirft China vor, einen Völkermord an ethnischen Uiguren und anderen Muslimen zu begehen und sie in Lagern zur Zwangsarbeit zu zwingen.
Das Gesetz sieht vor, dass Importeure nachweisen müssen, dass Waren oder Bestandteile von Produkten aus der Region nicht mit Zwangsarbeit hergestellt wurden (China.Table berichtete). Bis das nicht belegt ist, werden die Güter von den US-Zollbehörden festgesetzt. Was das für Folgen für die US-Wirtschaft haben wird, ist noch unklar. Möglich wäre etwa, dass die Versorgung der USA mit Solarmodulen gefährdet wird. Ein Großteil der Module wird in China hergestellt – es gibt Berichte, dass dabei auch Zwangsarbeit zum Einsatz kommt. Das Ziel, den US-Energiesektor bis 2035 zu dekarbonisieren wäre durch einen Import-Stopp gefährdet. Einige US-Gesetzgeber hatten bereits darauf hingewiesen, dass drei große chinesische Solarenergieunternehmen nicht auf der Liste verbotener Importeure geführt werden, obwohl es Anzeichen für Zwangsarbeit in ihren Lieferketten gibt. nib/fpe
China hat für den Montag 776 neue Covid-Infektionen vermeldet. Das sind über 170 Fälle mehr als noch am Vortag, wie Reuters berichtet. Es sind die höchsten Fallzahlen seit mehreren Wochen. Die meisten Infektionen gab es in der Region Guangxi im Süden des Landes. Auch in der nordwestlichen Provinz Gansu gab es über 230 Neuansteckungen. Die Hauptstadt der Provinz, Lanzhou, befindet sich in einem Lockdown. In Shanghai sind die Zahlen geringer. Dort wurden 23 neue Fälle berichtet. Dennoch wurden Massentests in 13 der 16 Stadtteile durchgeführt. In Peking gab es am Montag nach sieben Tagen ohne positive Fälle das erste Mal eine Neuinfektion. nib
Ein chinesisches Start-Up hat als erstes Unternehmen weltweit die Massenproduktion großer biegbarer Perowskit-Solarzellen gestartet. Die biegbaren Zellen können in Fenster, Wände, Smartphones und andere Technikprodukte eingebaut werden. Die Zellen haben einen Wirkungsgrad von zehn Prozent, was der Hälfte der üblichen Siliziumzellen entspricht, wie Nikkei Asia berichtet. Kleinere biegbare Solarzellen wurden schon zuvor in großen Mengen produziert. Der Durchbruch durch das Unternehmen DaZheng könnte jedoch dazu führen, dass die Kosten weiter sinken. Der Markt für Perowskit-Solarzellen soll demnach in den kommenden fünf Jahren auf über zwei Milliarden US-Dollar anwachsen. Die Technik dahinter wurde maßgeblich von japanischen Forschern vorangetrieben. nib
Die meisten Beobachter sind sich einig, dass der brutale Krieg Russlands gegen die Ukraine einen Angriff auf die Demokratie, die Souveränität und die Menschenrechte darstellt. Von den USA und ihren NATO-Bündnispartnern verlangt die Aggression des Kremls eine entschiedene Reaktion, zu der auch beispiellose Wirtschaftssanktionen gegen Russland und die Lieferung einer enormen Menge von Militärgütern an die Ukraine gehören. Vor einer direkten Beteiligung, die Russland als Kriegserklärung auffassen könnte, scheut der Westen jedoch zurück.
Die Politik Amerikas in Bezug auf Taiwan ist weit weniger klar umrissen. Und eben das ist der Trick: indem sie sich nicht festlegen, ob sie Taiwan gegen eine chinesische Invasion verteidigen würden, konnte die USA China bisher wirksam abschrecken, das keinen Krieg mit der führenden Militärmacht der Welt riskieren möchte – ohne Versprechungen zu machen, die sie vielleicht gar nicht halten wollen. Bleibt die Frage, ob diese Politik der “strategischen Mehrdeutigkeit” Taiwan den Schutz bieten kann, den die Ukraine offensichtlich nicht hatte.
Für den ehemaligen Premierminister Japans Shinzō Abe war die Antwort auf diese Frage “Nein”. Bleibt abzuwarten, ob andere führende Politiker in Japan diese Haltung nach seiner Ermordung aufrechterhalten. Noch im April hatte Abe argumentiert, die strategische Mehrdeutigkeit habe zwar früher funktioniert, hinge aber immer von zwei Faktoren ab: dass die USA stark genug sind, um diese Politik fortzusetzen, und China den USA militärisch “weit unterlegen” ist. Beide Voraussetzungen sind heute nicht mehr gegeben. Nach Abes Ansicht ist diese Politik damit “unhaltbar” geworden und müsste dringend durch das eindeutige Versprechen der USA ersetzt werden, Taiwan im Fall eines chinesischen Angriffs zu Hilfe zu kommen.
Angesichts der Tatsache, dass es Amerika nicht gelungen ist, Russland von einem Überfall der Ukraine abzuhalten, ist der Ruf nach mehr Klarheit verständlich. Und einen Monat später schien US-Präsident Joe Biden ihm beinahe zu folgen: Bei einem Japanbesuch erklärte Biden gerade heraus, die USA würden Taiwan, wenn nötig, militärisch verteidigen. Allerdings beeilte sich das Weiße Haus, Bidens Versprechen wieder einzufangen und zu versichern, Amerikas Politik gegenüber Taiwan habe sich nicht geändert.
Das heißt natürlich nicht, dass Bidens Erklärung nicht stimmt. Vielleicht planen die USA wirklich, Taiwan im Fall einer chinesischen Invasion zu verteidigen. Die Tatsache, dass Biden selbst seine Erklärung mit dem Hinweis einleitete, die amerikanische Politik habe sich nicht geändert, könnte darauf hindeuten, dass schon die ganze Zeit die Verteidigung Taiwans geplant ist. Aber selbst wenn das der Fall ist, will die Führung des Landes dies nicht direkt sagen.
Vielleicht müssen erst chinesische Truppen auf der Insel landen, bevor die Welt herausfindet, wo die USA stehen. Wie wahrscheinlich aber ist eine chinesische Invasion? Um diese Frage zu beantworten, lohnt es sich, die Dynamik zwischen Russland und der Ukraine mit der zwischen China und Taiwan vergleichen.
Der offensichtlichste Unterschied ist vielleicht, dass die Ukraine allgemein als unabhängiger Staat anerkannt ist, Taiwan dagegen offiziell als Teil Chinas gilt. Im Fall einer Invasion würde dies aus humanitärer Perspektive zwar kaum einen Unterschied machen, aber es verändert die Einstufung des Konflikts nach internationalem Recht.
Taiwan ist kleiner und reicher als die Ukraine. Die Bevölkerung der Ukraine ist nicht einmal ein Drittel so groß wie die Russlands, die Bevölkerung Taiwans macht nur zwei Prozent der Festlandchinas aus. Trotz der beachtlichen landwirtschaftlichen Ressourcen der Ukraine beträgt ihr BIP pro Kopf nur rund ein Drittel des Russlands, wogegen das Taiwans fast zweieinhalb Mal so hoch ist wie das Chinas.
Taiwan verdankt seinen Wohlstand zu einem großen Teil der Taiwan Semiconductor Manufacturing Company – einem Weltmarktführer in seiner Branche und Vorzeigekind der Industriepolitik seines Landes. Tatsächlich liegt die Börsenkapitalisierung von TSMC nicht viel unter dem isländischen BIP. Vor allem dank seines starken Wachstumsmotors wird Taiwans BIP pro Kopf Prognosen des Japan Center for Economic Research zufolge bis 2028 das Japans übersteigen.
Obwohl sich der russische Präsident Wladimir Putin und der chinesische Präsident Xi Jinping in der Geringschätzung von Menschenleben und anderen humanitären Fragen ähneln, unterscheidet sich ihre geopolitische Lage. In der Ukraine ist der Angreifer nicht nur größer, sondern auch sehr viel reicher. In Taiwan wäre es anders. Und selbst wenn es China gelingen sollte, die Insel militärisch zu bezwingen, könnte es am Ende die Gans, die goldenen Eier legt, töten. Zu einer Zeit, in der China unter großem wirtschaftlichen Druck steht und sich sein Wachstum stark abkühlt, ist dies das Letzte, was das Land braucht. Meine einzige Sorge ist, dass Xis Wunsch nach geopolitischer Dominanz ihn für wirtschaftliche – und menschliche – Opfer blind macht.
Daher haben sowohl China als auch Taiwan ein Interesse daran, einen Konflikt zu vermeiden. Auf dieser Grundlage ist womöglich ein Kompromiss möglich – mit oder ohne eine ausdrückliche Verpflichtung der USA, Taiwan militärisch zu verteidigen. Vielleicht sind gemeinsame Interessen doch die wirksamste Abschreckung.
Koichi Hamada ist emeritierter Professor der Yale University und war Sonderberater des ehemaligen japanischen Premierministers Shinzō Abe.
Copyright: Project Syndicate, 2022.
www.project-syndicate.org
Michael Hagedorn ist seit Juni bei der Theo Förch GmbH & Co. KG für den Einkauf und das Global Sourcing in China zuständig. Das Unternehmen aus Baden-Württemberg hat sich auf den Direktvertrieb von Werkstattbedarf, Montage- und Befestigungsartikeln spezialisiert. In China ist Förch seit 2019 als Foerch (Foshan) Trading Co., Ltd. aktiv. Der Hauptsitz befindet sich in Foshan in der Provinz Guangdong.
Hu Changchun wurde von Staatspräsident Xi Jinping zu Chinas neuem Botschafter bei der Afrikanischen Union ernannt. Hu löst Liu Yuxi ab, der den Posten seit 2018 innehatte und zuvor als Botschafter in Togo tätig war.
Ändert sich etwas in Ihrer Organisation? Schicken Sie doch einen Hinweis für unsere Personal-Rubrik an heads@table.media!
Einfach mal abschalten und – wenn die heißen Stunden vorbei sind – im Weizenfeld tanzen. Das dachten sich offenbar diese Touristen im malerischen Dorf Caijiapo in der Provinz Xi’an.
nach fast zwei Jahren Pause haben Brüssel und Peking sich in einem gesonderten Dialog-Format wieder über Handelsthemen ausgetauscht. Dabei sprachen EU-Vizepräsident und Handelskommissar Valdis Dombrovskis und der chinesische Vizepremier Liu He unter anderem über Lieferengpässe aufgrund der Corona-Pandemie, die Abhängigkeit bei kritischen Rohstoffen sowie die Auswirkungen des russischen Einmarsches in der Ukraine. Die Menschenrechtsverletzungen in Xinjiang, die durch das europäische Lieferkettengesetz stärker geahndet werden sollen, wurden jedoch nicht angerissen, berichtet Amelie Richter. Nach dem desaströsen EU-China-Gipfel im April wollte die europäische Seite offenbar erreichen, dass der Handelsdialog konstruktiv verläuft und die beiden Seiten wieder Gemeinsamkeiten finden.
Mangels Alternativen waren Immobilien für Chinas Bürger lange Zeit eine sichere und lukrative Anlage. Dieses Vertrauen ist spätestens seit dem Niedergang des Immobilien-Riesen Evergrande zerbrochen. Der Markt befindet sich noch immer in einer äußerst bedrohlichen Lage, berichtet unser Team aus Peking. Vielerorts ist der Bau von Häusern und Wohnungen massiv in Verzug geraten. Wohnungskäufer im ganzen Land drohen nun, ihre Hypothekenzahlungen einzustellen, sollten ihre bestellten Immobilien nicht bald bezugsfertig sein. Andere Käufer fürchten, dass ihre Wohnungen nach der Fertigstellung im Wert gesunken sein könnten. Ein Schock für die Chinesen, die lange der festen Überzeugung waren, Immobilien könnten in ihrem Wert ausschließlich steigen. Der Staat will den Bauträgern jetzt helfen, leichter an Kredite zu kommen, um die Immobilien schneller fertigzustellen. Ein die soziale Stabilität gefährdendes Lauffeuer will Peking im Keim ersticken.
Die EU-Generaldirektorin für Handel, Sabine Weyand, hat es gestern gut zusammengefasst: “Seit dem letzten ranghohen Handelsdialog im Jahr 2020 haben sich viele Probleme angesammelt“, schrieb sie auf Twitter nach den ersten Handelsgesprächen zwischen Brüssel und Peking nach gut zwei Jahren. Das auf Eis gelegte Investitionsabkommen CAI und die Handelsblockade gegen EU-Staat Litauen sind nur zwei dieser Probleme – die Liste der Tagesordnungspunkte für das 9. Treffen des sogenannten EU-China High-Level Economic and Trade Dialogue (kurz HED) war lang.
EU-Vizepräsident und Handelskommissar Valdis Dombrovskis und der chinesische Vizepremier Liu He sprachen über Lieferengpässe aufgrund der Corona-Pandemie sowie die Auswirkungen des russischen Einmarsches in der Ukraine, wie die EU-Kommission nach dem Gespräch mitteilte. Die EU habe “die Bereitschaft Chinas zur Kenntnis genommen, bei der Gewährleistung der Stabilität der Weltmärkte und der Bekämpfung der weltweiten Ernährungsunsicherheit zusammenzuarbeiten, auch durch den Export von Düngemitteln”, hieß es in einer Erklärung aus Brüssel.
Außerdem habe man sich darauf verständigt, dass die Unterbrechung von Lieferketten verhindert werden müsse. Mehr Transparenz soll es bei Informationen über die Lieferungen bestimmter kritischer Rohstoffe (China.Table berichtete) geben. Fortschritte gab es im Bereich der Zusammenarbeit bei Finanzdienstleistungen. Aber auch das sich verschlechternde Geschäftsumfeld in China für europäische Unternehmen, marktverzerrende Subventionen und die Rolle von Staatsunternehmen seien angesprochen worden. Ebenso der auf Litauen ausgeübte wirtschaftliche Zwang und die nächsten Schritte für eine WTO-Reform.
Menschenrechtsverletzungen oder die Lage in Xinjiang – wo einige EU-Unternehmen Werke haben – waren der offiziellen Mitteilung zufolge bei dem Gespräch kein Thema. Es scheint ein wenig, als habe Brüssel nach dem desaströsen EU-China-Gipfel im April sichergehen wollen, dass der Handelsdialog konstruktiv verläuft. Nach der zweijährigen Pause ist der Dialog aber ein gutes Zeichen, auch wenn er erneut nur als Videocall stattfinden konnte. Einen zweiten HED wird es in diesem Jahr nicht mehr geben, der nächste wird erst im Jahr 2023 stattfinden. Vielleicht dann wieder persönlich.
Verwirrung gab es indes um eine Einladung europäischer Regierungschefs in die Volksrepublik: Die Tageszeitung South China Morning Post hatte über ein mutmaßliches Gesprächsangebot von Xi Jinping berichtet. Dieser habe Bundeskanzler Olaf Scholz, den französischen Staatschef Emmanuel Macron, Italiens Ministerpräsidenten Mario Draghi und den spanischen Premier Pedro Sánchez zu einem persönlichen Treffen im November in Peking eingeladen, schrieb die SCMP unter Berufung auf eine mit der Angelegenheit vertraute Person. Bestätigungen oder Stellungnahmen zu dem Bericht gab es aus den vier europäischen Hauptstädten nicht. Berlin wollte Reisepläne nicht kommentieren.
Peking antwortete am Dienstag dann jedoch mit einem klaren Dementi: “Ich weiß nicht, woher die Informationen stammen”, sagte der Sprecher des Außenministeriums, Zhao Lijian. Die Einladung an die europäischen Staats- und Regierungschefs hätten für Xi eine Rückkehr zur persönlichen Diplomatie mit europäischen Politikern bedeutet. Seit Beginn der Corona-Pandemie hat sich kein europäischer Politiker mit dem chinesischen Staatschef bilateral direkt getroffen. Der Austausch fand immer über Video statt.
Nach Veröffentlichung des Berichts hatte es Kritik an der mutmaßlichen Einladung an Scholz, Macron, Draghi und Sánchez gegeben. Zweifel kamen auch auf, da das Gesprächsangebot für einen Zeitpunkt ausgesprochen worden sein soll, der nach dem Parteitag der KPCh im Oktober liegt. Bei diesem will sich Xi allerdings erst im Amt bestätigen lassen. Vielleicht war Peking aufgefallen, dass es für die Außenwirkung einer echten Wahl nicht sonderlich vorteilhaft ist, wenn ein vermeintlich noch um seinen Posten “bangender” Staatspräsident bereits jetzt große Einladungen ausspricht – daher der öffentliche Rückzieher.
Auch die Auswahl der Europäer kam nicht sonderlich gut an: Mit Deutschland, Frankreich, Italien und Spanien hätte China die größten EU-Wirtschaftspartner eingeladen. Diese würden in Peking dann dem “Partei-Kaiser” direkt nach dem Parteitag ihren Respekt zollen, kritisierte der Grünen-Europapolitiker Reinhard Bütikofer. Er mahnte an, über die Antwort zu der Einladung gut nachzudenken. Außerdem gab es Kritik am Ausschluss anderer EU-Staaten. Die mittel- und osteuropäischen Staaten seien “jahrelang als Trojanische Pferde beschuldigt” worden, schrieb der slowakische China-Analyst Matej Šimalčík auf Twitter. Der einzig moralisch akzeptable Schritt für die vier EU-Staaten sei es deshalb “höflich abzulehnen und um ein vollständiges EU27+China-Treffen zu bitten”, so Šimalčík.
Bis es zu einem hochrangigen Besuch aus Europa in China kommt, wird es noch dauern. Nicht zuletzt deshalb erhielt nun die Reise der Vizepräsidentin des Europaparlaments und deutschen FDP-Europaabgeordneten, Nicola Beer, nach Taiwan besondere Aufmerksamkeit. Beer ist ab Dienstag zu einem dreitägigen offiziellen Besuch in Taipeh. Es handelt sich dabei um den ersten Besuch Beers als Vizepräsidentin des EU-Parlaments in Taiwan. Am Dienstag traf die FDP-Politikerin Taiwans Ministerpräsidenten Su Tseng-chang, am Mittwoch soll ein Gespräch mit Präsidentin Tsai Ing-wen folgen. Aus Peking kam zu Beers Besuch die bereits bekannte Kritik: Die EU-Politikerin missachte das “Ein-China-Prinzip”.
Beer rief zum Auftakt ihres Besuchs dazu auf, den Inselstaat gegen China zu unterstützen. “Taiwans Blüte ist auch Europas Blüte. Wir werden Chinas Drohungen gegen Taiwan nicht ignorieren”, so Beer laut Medienberichten. Sie stellte einen direkten Bezug ihres Besuchs zur russischen Invasion in der Ukraine her. Beer sagte laut der Nachrichtenagentur AFP: “Es gibt keinen Raum für chinesische Aggression im demokratischen Taiwan. Derzeit werden wir Zeugen eines Krieges in Europa. Wir wollen nicht Zeugen eines Krieges in Asien werden.”
Taipeh soll einem Bericht zufolge im August noch weiteren Besuch erhalten, der Peking bereits jetzt erzürnt. Wie die Financial Times unter Berufung auf mehrere Insider berichtete, plant Nancy Pelosi, die Vorsitzende des Repräsentantenhauses, noch im August einen Besuch in Taipeh. Die Visite ist demnach Teil einer Reise einer US-Delegation, die auch Japan, Malaysia, Singapur und dem indopazifischen Kommando der US-Streitkräfte auf Hawaii einen Besuch abstatten soll. Offiziell bestätigt wurde die Reise zunächst weder vom US-Außenministerium, noch von Taiwan. Ursprünglich war ein Besuch schon im April geplant. Er musste wegen einer Corona-Infektion Pelosis aber abgesagt werden. Schon im April hatte der chinesische Außenminister Wang Yi gesagt, ein Besuch von Pelosi auf Taiwan wäre eine “bösartige Provokation”.
Zuletzt war es ruhig geworden um die Verwerfungen auf dem chinesischen Immobilienmarkt. Doch ein Protest verärgerter Immobilienkäufer, der im Kleinen begann und sich zuletzt innerhalb weniger Wochen auf Städte im ganzen Land ausgeweitet hat, zeigt, dass sich der Markt tatsächlich noch immer in einer äußerst bedrohlichen Lage befindet.
Der große “Hypothekenstreik” begann im Juni in der ostchinesischen Stadt Jingdezhen. Dort taten sich 900 Käufer zusammen, die vergeblich auf die Fertigstellung ihrer Wohnungen warteten und deshalb schon zuvor mehrfach protestierten. Bestellt hatten sie beim in Schieflage geratenen Immobilienkonzern Evergrande, der seit vergangenem Jahr mit massiven Problemen kämpft (China.Table berichtete). Weil die Arbeiten einfach nicht vorangehen, kündigten die Käufer in Jingdezhen gegenüber der Lokalregierung an, dass sie ihre monatlichen Hypotheken-Zahlungen einstellen werden, falls die Wohnungen nicht innerhalb von drei Monaten fertig sind.
Die Bewegung verärgerter Wohnungs-Käufer hat sich seitdem wie ein Lauffeuer im ganzen Land verbreitet. Zehntausende Käufer von über 300 Immobilien-Projekten in mindestens 90 Städten haben sich der Bewegung laut jüngsten Schätzungen angeschlossen und damit gedroht, Zahlungen an Banken einzustellen. Häufig geht es um Projekte von Evergrande, aber auch andere Entwickler sind betroffen.
Die Menschen sind einerseits verärgert darüber, dass es beim Bau nicht vorangeht. Schließlich kämpfen die Immobilienfirmen selbst zum Teil mit gewaltigen Schwierigkeiten und können beauftragte Baufirmen nicht mehr bezahlen. Andere Käufer blicken mit Schrecken auf die zuletzt gesunkenen Immobilienpreise. Sie fürchten nun, dass sie viel Geld für eine Wohnung bezahlt haben, die nach der Fertigstellung im Wert gesunken sein könnte. Ein Novum in China, wo Immobilien den Ruf haben, ausschließlich im Wert steigen zu können.
Im Zentrum der Immobilienkrise stehen mit der jüngsten Entwicklung nun nicht mehr nur die zum Teil hoch verschuldeten Immobilienentwickler. Jetzt müssen auch die Banken mit Ausfällen rechnen, sollten sich tatsächlich Käufer dazu entscheiden, ihre Darlehen nicht mehr zu bedienen. In welchem Umfang das jedoch tatsächlich passieren wird, ist fraglich. Banken haben natürlich das Recht, nicht gezahlte Raten von ihren Kreditnehmern einzufordern. Zwar gibt es Berichte über Käufer, die tatsächlich bereits Zahlungen eingestellt haben. Viele der Protest-Teilnehmer belassen es vorerst noch bei Drohungen.
Die Mehrzahl der verärgerten Käufer hofft, mit der kollektiven Aktion die Aufmerksamkeit der Regierung auf sich zu lenken. Und das scheint tatsächlich gelungen zu sein. Die Behörden sind in höchster Alarmbereitschaft, weil sie fürchten, dass sich die Bewegung ausweiten und dann tatsächlich erheblichen Schaden anrichten könnte.
Schon werden die sozialen Netzwerke streng zensiert. Die zuständigen Regulierungsbehörden versprachen über das Wochenende aber auch, eng mit den Lokalregierungen zusammenzuarbeiten, um die rechtzeitige Lieferung unfertiger Wohnprojekte sicherzustellen. Auch Banken forderten sie auf, die Kreditvergabe an Bauherren zu erhöhen, um Projekte abzuschließen.
Für Chinas Wirtschaft steht viel auf dem Spiel. Der Immobiliensektor ist schließlich traditionell eine der wichtigen Wachstumsstützen. Auf die Immobilienbranche, einschließlich Bau, Verkauf und damit verbundene Dienstleistungen, entfällt etwa ein Fünftel des chinesischen Bruttoinlandsprodukts. Schätzungsweise 70 Prozent des Vermögens der Mittelschicht sind in Immobilien gebunden.
Wie das Nationale Statistikamt am Samstag mitteilte, schrumpfte die Produktion in der Immobilienbranche im zweiten Quartal um sieben Prozent gegenüber dem Vorjahr. Sollte sich die Stimmung auf dem Häusermarkt weiter eintrüben, könnte sich das in Kombination mit den ebenfalls belastenden Corona-Maßnahmen zu einem perfekten Sturm entwickeln. Jörn Petring/Gregor Koppenburg
Sinolytics ist ein europäisches Beratungs- und Analyseunternehmen, das sich auf China spezialisiert hat. Es berät europäische Unternehmen bei der strategischen Ausrichtung und den konkreten Geschäftsaktivitäten in der Volksrepublik.
Chinesische Behörden bereiten Insidern zufolge eine Geldstrafe von mehr als einer Milliarde Euro gegen den Fahrdienstanbieter Didi vor. Es gehe um eine Zahlung von mehr als acht Milliarden Yuan (umgerechnet 1,25 Milliarden Euro), rund fünf Prozent von Didis Jahresumsatz, sagten mit der Angelegenheit vertraute Personen am Dienstag. Zuerst hatte das Wall Street Journal darüber berichtet. Die Strafzahlung könnte die Untersuchung über rechtswidrige Cybersicherheitspraktiken des Unternehmens beenden und den Weg zur Aufhebung von Restriktionen für das Geschäft ebnen.
Zuvor hatte die chinesische Internetaufsichtsbehörde eine Untersuchung der Datensicherheitspraktiken des Unternehmens eingeleitet und Didi aufgefordert, insgesamt 25 Apps zu entfernen (China.Table berichtete). Mit der Strafe könnte der Uber-Konkurrent seine Apps in den inländischen App-Stores wiederherstellen und neue Nutzer seiner Plattform gewinnen. Zudem könne Didi nach einer möglichen Strafzahlung einen Anlauf zu einem Börsengang in Hongkong starten. rtr/nib
Die US-Regierung ist optimistisch, dass auch verbündete Staaten und Handelspartner demnächst Gesetze zum Verbot von Importen aus Zwangsarbeit in Xinjiang verabschieden. Eine stellvertretende Staatssekretärin aus dem US-Arbeitsministerium habe mit ihren Amtskollegen aus der EU und Kanada gesprochen, wie die Länder eigene Regulierungen für Waren aus Zwangsarbeit umsetzen könnten, berichtet Reuters.
“Die Unternehmen zeichnet derzeit etwas aus, das ich als bewusste Ignoranz bezeichnen würde. Sie müssen es nicht wissen, also wissen sie es nicht”, sagte Thea Lee zu Kenntnissen über Zwangsarbeit in der Lieferkette. Der EU-Fokus auf die Entwicklung einer verbindlichen Sorgfaltspflicht von Unternehmen sei ein guter Ausgangspunkt. Auch Kanada und Mexiko arbeiten im Rahmen des trilateralen Handelsabkommens mit den USA auf einen “gemeinsamen nordamerikanischen Standard” zum Verbot von Waren aus Zwangsarbeit hin.
Der Uyghur Forced Labor Prevention Act (UFLPA) der Vereinigten Staaten trat letzten Monat in Kraft, um die Einfuhr von Produkten aus Xinjiang zu unterbinden. Washington wirft China vor, einen Völkermord an ethnischen Uiguren und anderen Muslimen zu begehen und sie in Lagern zur Zwangsarbeit zu zwingen.
Das Gesetz sieht vor, dass Importeure nachweisen müssen, dass Waren oder Bestandteile von Produkten aus der Region nicht mit Zwangsarbeit hergestellt wurden (China.Table berichtete). Bis das nicht belegt ist, werden die Güter von den US-Zollbehörden festgesetzt. Was das für Folgen für die US-Wirtschaft haben wird, ist noch unklar. Möglich wäre etwa, dass die Versorgung der USA mit Solarmodulen gefährdet wird. Ein Großteil der Module wird in China hergestellt – es gibt Berichte, dass dabei auch Zwangsarbeit zum Einsatz kommt. Das Ziel, den US-Energiesektor bis 2035 zu dekarbonisieren wäre durch einen Import-Stopp gefährdet. Einige US-Gesetzgeber hatten bereits darauf hingewiesen, dass drei große chinesische Solarenergieunternehmen nicht auf der Liste verbotener Importeure geführt werden, obwohl es Anzeichen für Zwangsarbeit in ihren Lieferketten gibt. nib/fpe
China hat für den Montag 776 neue Covid-Infektionen vermeldet. Das sind über 170 Fälle mehr als noch am Vortag, wie Reuters berichtet. Es sind die höchsten Fallzahlen seit mehreren Wochen. Die meisten Infektionen gab es in der Region Guangxi im Süden des Landes. Auch in der nordwestlichen Provinz Gansu gab es über 230 Neuansteckungen. Die Hauptstadt der Provinz, Lanzhou, befindet sich in einem Lockdown. In Shanghai sind die Zahlen geringer. Dort wurden 23 neue Fälle berichtet. Dennoch wurden Massentests in 13 der 16 Stadtteile durchgeführt. In Peking gab es am Montag nach sieben Tagen ohne positive Fälle das erste Mal eine Neuinfektion. nib
Ein chinesisches Start-Up hat als erstes Unternehmen weltweit die Massenproduktion großer biegbarer Perowskit-Solarzellen gestartet. Die biegbaren Zellen können in Fenster, Wände, Smartphones und andere Technikprodukte eingebaut werden. Die Zellen haben einen Wirkungsgrad von zehn Prozent, was der Hälfte der üblichen Siliziumzellen entspricht, wie Nikkei Asia berichtet. Kleinere biegbare Solarzellen wurden schon zuvor in großen Mengen produziert. Der Durchbruch durch das Unternehmen DaZheng könnte jedoch dazu führen, dass die Kosten weiter sinken. Der Markt für Perowskit-Solarzellen soll demnach in den kommenden fünf Jahren auf über zwei Milliarden US-Dollar anwachsen. Die Technik dahinter wurde maßgeblich von japanischen Forschern vorangetrieben. nib
Die meisten Beobachter sind sich einig, dass der brutale Krieg Russlands gegen die Ukraine einen Angriff auf die Demokratie, die Souveränität und die Menschenrechte darstellt. Von den USA und ihren NATO-Bündnispartnern verlangt die Aggression des Kremls eine entschiedene Reaktion, zu der auch beispiellose Wirtschaftssanktionen gegen Russland und die Lieferung einer enormen Menge von Militärgütern an die Ukraine gehören. Vor einer direkten Beteiligung, die Russland als Kriegserklärung auffassen könnte, scheut der Westen jedoch zurück.
Die Politik Amerikas in Bezug auf Taiwan ist weit weniger klar umrissen. Und eben das ist der Trick: indem sie sich nicht festlegen, ob sie Taiwan gegen eine chinesische Invasion verteidigen würden, konnte die USA China bisher wirksam abschrecken, das keinen Krieg mit der führenden Militärmacht der Welt riskieren möchte – ohne Versprechungen zu machen, die sie vielleicht gar nicht halten wollen. Bleibt die Frage, ob diese Politik der “strategischen Mehrdeutigkeit” Taiwan den Schutz bieten kann, den die Ukraine offensichtlich nicht hatte.
Für den ehemaligen Premierminister Japans Shinzō Abe war die Antwort auf diese Frage “Nein”. Bleibt abzuwarten, ob andere führende Politiker in Japan diese Haltung nach seiner Ermordung aufrechterhalten. Noch im April hatte Abe argumentiert, die strategische Mehrdeutigkeit habe zwar früher funktioniert, hinge aber immer von zwei Faktoren ab: dass die USA stark genug sind, um diese Politik fortzusetzen, und China den USA militärisch “weit unterlegen” ist. Beide Voraussetzungen sind heute nicht mehr gegeben. Nach Abes Ansicht ist diese Politik damit “unhaltbar” geworden und müsste dringend durch das eindeutige Versprechen der USA ersetzt werden, Taiwan im Fall eines chinesischen Angriffs zu Hilfe zu kommen.
Angesichts der Tatsache, dass es Amerika nicht gelungen ist, Russland von einem Überfall der Ukraine abzuhalten, ist der Ruf nach mehr Klarheit verständlich. Und einen Monat später schien US-Präsident Joe Biden ihm beinahe zu folgen: Bei einem Japanbesuch erklärte Biden gerade heraus, die USA würden Taiwan, wenn nötig, militärisch verteidigen. Allerdings beeilte sich das Weiße Haus, Bidens Versprechen wieder einzufangen und zu versichern, Amerikas Politik gegenüber Taiwan habe sich nicht geändert.
Das heißt natürlich nicht, dass Bidens Erklärung nicht stimmt. Vielleicht planen die USA wirklich, Taiwan im Fall einer chinesischen Invasion zu verteidigen. Die Tatsache, dass Biden selbst seine Erklärung mit dem Hinweis einleitete, die amerikanische Politik habe sich nicht geändert, könnte darauf hindeuten, dass schon die ganze Zeit die Verteidigung Taiwans geplant ist. Aber selbst wenn das der Fall ist, will die Führung des Landes dies nicht direkt sagen.
Vielleicht müssen erst chinesische Truppen auf der Insel landen, bevor die Welt herausfindet, wo die USA stehen. Wie wahrscheinlich aber ist eine chinesische Invasion? Um diese Frage zu beantworten, lohnt es sich, die Dynamik zwischen Russland und der Ukraine mit der zwischen China und Taiwan vergleichen.
Der offensichtlichste Unterschied ist vielleicht, dass die Ukraine allgemein als unabhängiger Staat anerkannt ist, Taiwan dagegen offiziell als Teil Chinas gilt. Im Fall einer Invasion würde dies aus humanitärer Perspektive zwar kaum einen Unterschied machen, aber es verändert die Einstufung des Konflikts nach internationalem Recht.
Taiwan ist kleiner und reicher als die Ukraine. Die Bevölkerung der Ukraine ist nicht einmal ein Drittel so groß wie die Russlands, die Bevölkerung Taiwans macht nur zwei Prozent der Festlandchinas aus. Trotz der beachtlichen landwirtschaftlichen Ressourcen der Ukraine beträgt ihr BIP pro Kopf nur rund ein Drittel des Russlands, wogegen das Taiwans fast zweieinhalb Mal so hoch ist wie das Chinas.
Taiwan verdankt seinen Wohlstand zu einem großen Teil der Taiwan Semiconductor Manufacturing Company – einem Weltmarktführer in seiner Branche und Vorzeigekind der Industriepolitik seines Landes. Tatsächlich liegt die Börsenkapitalisierung von TSMC nicht viel unter dem isländischen BIP. Vor allem dank seines starken Wachstumsmotors wird Taiwans BIP pro Kopf Prognosen des Japan Center for Economic Research zufolge bis 2028 das Japans übersteigen.
Obwohl sich der russische Präsident Wladimir Putin und der chinesische Präsident Xi Jinping in der Geringschätzung von Menschenleben und anderen humanitären Fragen ähneln, unterscheidet sich ihre geopolitische Lage. In der Ukraine ist der Angreifer nicht nur größer, sondern auch sehr viel reicher. In Taiwan wäre es anders. Und selbst wenn es China gelingen sollte, die Insel militärisch zu bezwingen, könnte es am Ende die Gans, die goldenen Eier legt, töten. Zu einer Zeit, in der China unter großem wirtschaftlichen Druck steht und sich sein Wachstum stark abkühlt, ist dies das Letzte, was das Land braucht. Meine einzige Sorge ist, dass Xis Wunsch nach geopolitischer Dominanz ihn für wirtschaftliche – und menschliche – Opfer blind macht.
Daher haben sowohl China als auch Taiwan ein Interesse daran, einen Konflikt zu vermeiden. Auf dieser Grundlage ist womöglich ein Kompromiss möglich – mit oder ohne eine ausdrückliche Verpflichtung der USA, Taiwan militärisch zu verteidigen. Vielleicht sind gemeinsame Interessen doch die wirksamste Abschreckung.
Koichi Hamada ist emeritierter Professor der Yale University und war Sonderberater des ehemaligen japanischen Premierministers Shinzō Abe.
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Michael Hagedorn ist seit Juni bei der Theo Förch GmbH & Co. KG für den Einkauf und das Global Sourcing in China zuständig. Das Unternehmen aus Baden-Württemberg hat sich auf den Direktvertrieb von Werkstattbedarf, Montage- und Befestigungsartikeln spezialisiert. In China ist Förch seit 2019 als Foerch (Foshan) Trading Co., Ltd. aktiv. Der Hauptsitz befindet sich in Foshan in der Provinz Guangdong.
Hu Changchun wurde von Staatspräsident Xi Jinping zu Chinas neuem Botschafter bei der Afrikanischen Union ernannt. Hu löst Liu Yuxi ab, der den Posten seit 2018 innehatte und zuvor als Botschafter in Togo tätig war.
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Einfach mal abschalten und – wenn die heißen Stunden vorbei sind – im Weizenfeld tanzen. Das dachten sich offenbar diese Touristen im malerischen Dorf Caijiapo in der Provinz Xi’an.