Table.Briefing: China

Hyperschall im Luftverkehr + Wandel der 996-Kultur

  • Tech-Giganten wollen Arbeitszeit drosseln
  • Schneller als der Schall auf die andere Seite der Welt
  • Millionen Chinesen wieder im Lockdown
  • Stimmung in Chinas Wirtschaft verschlechtert sich
  • Massives Investitionspaket für Pekings Süden
  • Deutsches Kriegsschiff auf dem Weg in den Indopazifik
  • Hongkonger Sänger und Aktivist verhaftet
  • Mehr als 300 Tote nach Überschwemmungen
  • Portrait: Timo Balz forscht in Wuhan
Liebe Leserin, lieber Leser,

arbeiten von morgens 9 Uhr bis abends 9 Uhr, sechs Tage die Woche. Was vielen als wahrer Schreibtisch-Horror erscheinen mag, ist für Angestellte in Chinas Tech-Konzernen gelebter Alltag. Doch die als “996” bekannte Arbeitskultur steht inzwischen heftig in der Kritik. Unser Autorenteam in Peking zeigt, wie der Druck auf die Tech-Giganten wie Alibaba und Tencent immer weiter zunimmt – und wie die Konzernführer nun darauf reagieren.  

Schnell, schneller, hyperschnell – so lautet das Entwicklungsziel chinesischer Wissenschaftler. Schon 2030 sollen Hyperschallflugzeuge mit einer Geschwindigkeit von mehr als 7000 Kilometern pro Stunde Passagiere an jeden Ort der Welt befördern – in weniger als zwei Stunden. Doch die Hyperschall-Technologie ist auch militärisch relevant: Durch sie könnte sich die Machtbalance zu Ungunsten der USA verschieben, denn Washington scheint der Volksrepublik in diesem Bereich bislang technisch hinterherzulaufen.

Ziemlich schlecht ist derweil die Stimmung unter Chinas Wirtschaftsführern. Sowohl in kleineren und mittelgroßen Industriebetrieben wie auch bei den großen und staatlich dominierten Industrieunternehmen fiel der Einkaufsmanagerindex auf den tiefsten Stand seit Mai 2020. Als Gründe werden gestiegene Rohstoff- und Logistikkosten sowie Lieferengpässe im Welthandel angeführt. Aber auch die extremen Unwetter verhindern eine wirtschaftliche Erholung. Bei den Überschwemmungen in der zentralchinesischen Provinz Henan ist die Zahl der Opfer offiziellen Angaben zufolge von zuletzt 99 auf mehr als 300 angestiegen.

Viele neue Erkenntnisse bei der Lektüre wünscht

Ihr
Michael Radunski
Bild von Michael  Radunski

Analyse

Das Ende der “996”-Arbeitskultur?

Chinesische Internetfirmen sind bekannt für ihre außergewöhnlich langen Arbeitszeiten. Im Mittelpunkt der seit Jahren immer wieder aufkommenden Debatte über die hohe Belastung von Mitarbeitern steht die “996” genannte Arbeitszeitkultur: Von neun Uhr morgens bis neun Uhr abends – an sechs Tagen pro Woche.

Der Gründer von Alibaba, Jack Ma, goss vor zwei Jahren noch Öl ins Feuer, als er “996” einen “großen Segen” nannte. “Wer bei Alibaba anfängt, sollte bereit sein, zwölf Stunden am Tag zu arbeiten”, forderte der Milliardär vollen Einsatz. “Wir brauchen diejenigen nicht, die bequem acht Stunden arbeiten”. Sein Kollege Richard Liu vom Online-Händler JD.com blies ins gleiche Horn und kritisierte die “Faulenzer”.

Solche Töne sind von Chinas Tech-Gründern nicht mehr zu hören. Im Gegenteil haben eine ganze Reihe von Firmen in dem Sektor angekündigt, ihre Arbeitszeitmodelle überarbeiten zu wollen. Die Streaming-App Kuaishou kündigte an, dass Mitarbeiter künftig nicht mehr wie bislang üblich an jedem zweiten Wochenende ins Büro kommen müssten. Konkurrent TikTok zog mit einer ähnlichen Ankündigung nach.

Auch beim chinesischen Internet-Giganten Tencent machen sich – zumindest langsam – Änderungen bemerkbar. So führte die Tencent-Tochter Lightning & Quantum Studio Group, die Smartphone-Spiele entwickelt, den “Healthy Wednesday” ein. Laut der neuen Firmen-Politik sollen Arbeiter demnach jeden Mittwoch nur bis 18 Uhr im Büro bleiben. An allen anderen Wochentagen und auch am Wochenende sind jedoch weiterhin Überstunden vorgesehen.

Klare Regeln gegen “996” werden nicht umgesetzt

Dabei regelt auch in China der Staat gesetzlich die maximalen Arbeitszeiten. Pro Tag sind demnach acht Stunden Arbeit vorgesehen. Überstunden dürfen nicht mehr als drei Stunden pro Tag überschreiten und müssen zusätzlich mit dem doppelten Gehalt kompensiert werden. Angestellte, die an einem gesetzlichen Feiertag arbeiten müssen, sollen theoretisch sogar das dreifache Gehalt erhalten. Viele Tech-Firmen halten sich an die Vorgaben und zahlen die höheren Vergütungen. Doch ist dies nicht der Fall, schreckten in der Vergangenheit Angestellte oft davor zurück, ihre Rechte durchzusetzen. Zu groß war die Angst, sich Aufstiegschancen zu verbauen oder keine üppigen Bonus-Zahlungen zu erhalten.

Und seit der öffentliche Druck immer größer wird, findet auch bei den Firmen selbst ein Umdenken statt. Zuletzt hatte es im Januar eine Welle der Empörung im Land gegeben, als zwei Todesfälle beim chinesischen Online-Händler Pinduoduo Schlagzeilen machten. Zuerst war ein Mitarbeiter wegen Überarbeitung kollabiert und starb später im Krankenhaus. Kurze Zeit später stürzte sich ein anderer Mitarbeiter von einem Hausdach. Die Tragödien hätten die Aufmerksamkeit einmal mehr auf “eine abnormale Kultur der Überstunden” gelenkt, schrieb die staatliche Nachrichtenagentur Xinhua als Reaktion auf die zwei Todesfälle. Zwar sollten Tech-Arbeiter die Möglichkeit haben, ihren Träumen nachjagen zu können. Ihre Gesundheit dürfe dabei aber nicht aufs Spiel gesetzt werden. 

Firmen starten Einstellungsoffensive

Viele der großen Tech-Firmen, die zuletzt ohnehin immer stärker von Pekings Regulatoren unter Druck gesetzt wurden, wollen offenbar vermeiden, dass als nächstes die Arbeitsbelastung in ihren Unternehmen zu einem weiteren Streitpunkt mit der Regierung wird. Als Antwort auf die öffentliche Kritik an “996” haben viele Firmen zuletzt massive Einstellungskampagnen gestartet, wie die Hongkonger Zeitung South China Morning Post berichtet.

Alibaba sprach gar von der größten Rekrutierungsoffensive aller Zeiten. Allein die Fintech-Tochter Ant Group soll im kommenden Jahr 250 Prozent mehr Uni-Absolventen einstellen als 2021. Der Lieferdienst Meituan kündigte an, bis zu 10.000 Absolventen einstellen zu wollen – 7000 mehr als in diesem Jahr. Die Zahl der neuen Jobs bei JD.com soll laut dem Bericht immerhin um 30 Prozent höher ausfallen. Durch die Personalaufstockung soll die Arbeit auf mehrere Schultern verteilt und der einzelne Mitarbeiter entlastet werden.

Mit den neuen Jobs wollen die Konzerne die 996-Arbeitskultur begraben, sagte Li Chengdong, Gründer des Pekinger Technologie-Thing-Tank Dolphin, der Zeitung. Da sowohl der Druck von Regulatoren als auch der Öffentlichkeit zunehme, wollen die Unternehmen die Arbeitszeiten ihre Mitarbeiter reduzieren. “Was früher der Job einer Person war, soll künftig von zwei Personen erledigt werden”, meint Li. Ob das in der Praxis tatsächlich funktioniert, wird sich erst in Zukunft herausstellen. Gregor Koppenburg/Joern Petring 

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Wettlauf im Hyperschalltempo

China will beim Bau von Passagierflugzeugen neue Maßstäbe setzen und ab dem Jahr 2030 Fluggäste in weniger als zwei Stunden an jeden beliebigen Ort der Erde befördern können. Derzeit entwickelt das Land ein Hyperschallflugzeug, das mithilfe einer neuen Generation luftziehender Triebwerke auf die sechsfache Schallgeschwindigkeit (Mach 6) oder 7.344 km/h beschleunigen soll. Mit 45 Metern ist das Flugzeug fast ein Drittel länger als eine Boeing 737. Seine Deltaflügel ähneln der einer Concorde. Das berichtet das zweimonatlich erscheinende, chinesische Magazin “Physics of Gases”.

Hyperschallflugzeuge spielen in Pekings Plänen, bis zur Mitte des Jahrhunderts zur führenden High-Tech-Macht aufzusteigen, eine wichtige Rolle. Bis 2045 sollen die Hyperschallflugzeuge mehr als 100 Passagiere pro Flug und 10.000 pro Jahr befördern können. Zusätzlich sollen jährlich 10.000 Tonnen Cargo transportiert werden. Auch in den USA arbeiten private Unternehmen an der Entwicklung von Hyperschall-Passagiermaschinen. Mach 6 als Reisegeschwindigkeit ist jedoch ein ambitioniertes Ziel. Die schnellsten im Einsatz befindlichen Militärjets fliegen bis 2,5 Mach, allerdings wurden bei Testflügen auch schon deutlich höhere Geschwindigkeiten von über Mach 9 erreicht.

Den nächsten konkreten Schritt will China schon in wenigen Jahren erreichen. Bis 2025 soll ein neu entwickeltes Triebwerk gefertigt sein, das das Flugzeug auf Raketengeschwindigkeit bringen soll. Jedoch ziehen die Maschinen im Vergleich zu Raketen Sauerstoff aus der Außenluft an, um den Treibstoff verbrennen zu können. Herkömmliche Raketen dagegen müssen das nötige Gas an Bord haben, was die Kosten dramatisch nach oben treibt. Maßgeblich betreut werden die Forschungen vom Beijing Institute of Technology und dem Institute of Spacecraft System Engineering. Geleitet wird das Projekt von Liu Rui, einem der wichtigsten Forscher in Chinas Mars- und Mond-Missionen.

Das komplexe Design von Hyperschallflugzeugen bringt jedoch viele technische Herausforderungen mit sich, allen voran die geschwindigkeitsbedingten starken Turbulenzen sowie eine extreme Hitzeentwicklung. Die Forscher verwenden bei ihren Tests deshalb aerodynamische Modelle, die sich bei Chinas jüngsten Weltraummissionen als effektiv erwiesen haben. So können die Wissenschaftler Bereiche lokalisieren, die am ehesten plötzlichen Hitze- und Druckspitzen ausgesetzt sind.

China sieht sich um Dekaden voraus

Dazu haben die Wissenschaftler in Peking einen Windtunnel gebaut, in dem Geschwindigkeiten von Mach 25 simuliert werden können, also 25 Mal so schnell wie der Schall, was nach ihrer Absicht einen Vorsprung von Dekaden im Vergleich zum Westen bedeuten würde. Die Chinesen sehen sich im Vergleich zu anderen Nationen um 20 bis 30 Jahre voraus, berichtet die Asia Times. Bisher können Tunnel nur Geschwindigkeiten von Mach 9 simulieren.

Vorerst sollen die Flugzeuge jedoch nur vom Militär eingesetzt werden. Denn trotz ihrer enormen Größe bieten sie wenig Raum für Passagiere, da der Motor und die Lufteinlässe den größten Platz in der Karosserie einnehmen.

Doch China investiert nicht nur in Flugzeuge, sondern auch in Waffensysteme mit Hyperschallantrieben, die als größter Fortschritt innerhalb der Raketentechnologie der letzten zehn Jahre gelten. Denn Raketen, die mit Hyperschallgeschwindigkeit fliegen, können bislang von keinem Luftverteidigungssystem effizient gestoppt werden. Sie können ihre Höhe in der Atmosphäre verändern und sind dadurch deutlich präziser als etwa ballistische Raketen. 

Hyperschallflugkörper, die mehr als das Fünffache der Schallgeschwindigkeit erreichen, gibt es seit den 1960er-Jahren in Form ballistischer Raketen. Die neuartigen Systeme sind jedoch für eine deutlich geringere Reichweite optimiert, was sie für Präzisionsschläge, etwa auf Flugzeugträger, ideal macht. Bei der Militärparade zum Nationalfeiertag im Jahr 2019 enthüllte Chinas Militär erstmals einsatzfähige DF-17-Hyperschall-Raketen und DL-ZF-Hyperschallgleiter. Letztere werden von einer ballistischen Rakete aus gestartet und gleiten dann auf einer kaum vorherzusehenden Bahn auf ihr Ziel zu.

Hyperschallwaffen ändern die globale Machtbalance

Der DL-ZF-Gleiter kann atomar und konventionell bestückt werden und ist eine ernsthafte Gefahr für die Flugzeugträger der USA, da er zu schnell fliegt, um von einer Abfangrakete rechtzeitig eingeholt zu werden. Derzeit besitzen nur Russland und China einsatzfähige Waffen dieser Art. Laut Angaben des US-Militärs hat China 2019 mehr Hyperschallflüge durchgeführt als im gesamten Jahrzehnt zuvor.

Die USA werden ihre ersten Hyperschall-Langstreckenwaffen vermutlich erst 2023 in Betrieb nehmen. Die Air Force sagt, ihre X-51A Waverider Cruise Missile können schneller fliegen als Mach 6. Vereinbarungen zur Rüstungskontrolle von Hyperschallwaffen gibt es bislang nicht. Washington hat allerdings, anders als Moskau und Peking, bereits erklärt, die nukleare Bestückung von Hyperschallwaffen auszuschließen. 

Für alle Nationen gilt: Die technischen Anforderungen, etwa an die Steuersysteme und die Bau-Materialien, sind bis auf Weiteres sehr hoch. Vieles ist noch nicht ausgereift. Ob die Waffen im praktischen Einsatz tatsächlich so abwehrresistent sind wie auf dem Papier, ist nicht geklärt. Deshalb ist auch noch nicht klar, wie schlagkräftig die DF-ZF-Waffen der Chinesen wirklich sind. China führte jedoch im November 2017 zwei Tests mit DF-17-Hyperschallraketen in der Inneren Mongolei durch. Die Rakete war damals 1400 Kilometer unterwegs. Nach elf Minuten traf sie nach offiziellen Angaben fast punktgenau ihr Ziel. 

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News

Millionen Chinesen wieder im Lockdown

In China befinden sich seit Montag wieder Millionen Menschen im Lockdown – darunter auch die Menschen in den Metropolen Peking und Nanjing. Inzwischen sind mehr als 20 Städte in mehreren Provinzen von Neuinfektionen betroffen. Grund sind mehrere Corona-Ausbrüche mit der Delta-Variante im Land. Allein am Montag meldeten die staatlichen Behörden 55 neue Infektionen, alle seien lokal übertragen worden (China.Table berichtete).

Auch in der Stadt Wuhan in Zentralchina wurden zu Wochenbeginn sieben Neuinfektionen festgestellt – und daraufhin rigide Einschränkungen über die Stadt verhängt. Da die Ansteckungen in Wuhan erst nach der Veröffentlichung der täglichen Fallzahlen durch die staatliche Gesundheitsbehörde vermeldet wurden, müssen sie zu den 55 Neuinfektionen noch hinzugerechnet werden. Wie die staatliche Nachrichtenagentur Xinhua meldet, sei in Wuhan ein Bahnhof als Infektionsherd ausgemacht worden, bei den sieben Infizierten handele es sich demnach um Wanderarbeiter.

1,2 Millionen Einwohner im Lockdown

In Zhuzhou in der Provinz Hunan ordneten die Behörden am Montag an, dass die rund 1,2 Millionen Einwohner für drei Tage zu Hause bleiben müssen. In dieser Zeit sollen alle Bürger getestet und die städtische Impfkampagne beschleunigt werden. Auch auf der beliebten Urlaubsinsel Hainan sowie in der von Überschwemmungen verwüsteten Provinz Henan wurden am Montag ebenfalls neue Corona-Fälle gemeldet.

In den vergangenen zwei Wochen wurden im ganzen Land unterm Strich mehr als 360 Fälle entdeckt. Die Gesundheitsbehörden führen den Anstieg der Infektionsfälle auf die Ausbreitung der hochansteckenden Delta-Variante des Coronavirus zurück. In Großstädten wie Peking wurden inzwischen Millionen von Einwohnern getestet, ganze Wohngebiete abgeriegelt und die Menschen einer engmaschigen Kontaktnachverfolgung unterworfen. Peking verhängte zudem ein Einreiseverbot für Touristen – mitten in der Hauptreisezeit im Sommer. Nur wer einen wichtigen Grund zur Einreise hat und einen Negativ-Test vorlegen kann, darf in die Stadt.

Chinas Regierung verfolgt eine sogenannte Null-Covid-Strategie, das bedeutet: Treten in einer Stadt oder in einer Provinz kleine Cluster auf, werden die betroffenen Gebiete umgehend abgeriegelt und sämtliche Einwohner auf das Virus getestet. rad

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Einkaufsmanagerindex fällt

Die Stimmung unter Chinas Wirtschaftsführern verschlechtert sich. Nach einer starken Erholung von der Corona-Krise hat sich die Stimmung in kleineren und mittelgroßen Industriebetrieben im Juli wieder deutlich eingetrübt. Der vom angesehenen Wirtschaftsmagazin Caixin ermittelte Einkaufsmanagerindex (EMI) fiel im Juli überraschend stark und befindet sich nun auf den tiefsten Stand seit Mai 2020. Im Vergleich zum Vormonat rutsche der Index um einen Punkt auf 50,3, wie das Magazin am Montag mitteilte.

Durch den zweiten Rückgang in Folge steht der Indikator inzwischen nur noch knapp über der sogenannten Expansionsschwelle von 50 Punkten: Werte über dieser Marke deuten auf ein Wachstum der wirtschaftlichen Aktivitäten hin. Werte unter der Marke signalisieren eine Schrumpfung.

Klimawandel für Rückgang des EMI verantwortlich

Am Samstag hatte die chinesische Statistikbehörde in Peking den Stimmungsindikator für die großen und staatlich dominierten Industrieunternehmen veröffentlicht. Auch hier fiel der Index auf das niedrigste Niveau seit dem Beginn der Corona-Pandemie. Der EMI sank der Statistikbehörde zufolge im Juli auf 50,4. Im Vormonat hatte er noch bei 50,9 gelegen. Die Behörde machte unter anderem Wetterextreme für den Rückgang verantwortlich.

Zhao Qinghe von der Statistikbehörde erklärte, insgesamt verzeichne die chinesische Wirtschaft nach wie vor ein Wachstum; es verlangsame sich aber. Als Gründe nannte er gestiegene Rohstoff- und Logistikkosten sowie Lieferengpässe im Welthandel. Aber auch die “Auswirkungen extremer Unwetter wie örtlich hohe Temperaturen, Überschwemmungen und Naturkatastrophen” hätten zu einer “relativen Schwächung” des Wachstums im produzierenden Gewerbe geführt. In der zentralchinesischen Provinz Henan war es zuletzt zu verheerenden Überschwemmungen durch Starkregen gekommen. Mehr als 300 Menschen kamen dabei ums Leben, der Sachschaden soll mehrere Milliarden Yuan betragen.

Ökonomen zufolge deuten die aktuellen Daten darauf hin, dass die chinesische Konjunktur weiter an Fahrt verlieren dürfte. Sie rechnen für die kommenden Monate mit weiteren Abwärtsrisiken. rad

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Programm für Investitionen in Pekings Süden

Pekings Stadtregierung hat die Pläne für sein Investitionspaket im Süden der Hauptstadt konkretisiert. Dort sollen in den kommenden fünf Jahren insgesamt 260 Großprojekte verwirklicht werden, die zusammen ein Volumen von 590 Milliarden Yuan, mehr als 80 Milliarden Euro, umfassen. Die Entwicklungskommission erwartet davon einen deutlichen Schub für Pekings Konjunktur. Mehr als zwei Drittel des Geldes sollen zum Bau von vier neuen Industriegebieten verwendet werden.

Finanziert werden aber auch Umwelt- und Kulturprojekte, heißt es seitens der Behörden. Neue Schulen und Krankenhäuser sollen Arbeitnehmern den Zuzug in die entsprechenden Bezirke schmackhaft machen. 10.000 Hektar Land sollen als Naherholungsgebiete zu Parks und Grünflächen entwickelt werden.

Auch ausländische Unternehmen dürfen sich Hoffnung machen, im Rahmen der Investitionen Aufträge zu erhalten. Allerdings klagen nicht-chinesische Firmen – vornehmlich aus Europa und den USA – seit Jahrzehnten über mangelnde Gleichbehandlung bei öffentlichen Ausschreibungen. grz

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Marineschiff im Indopazifik

Die Fregatte “Bayern” ist am Montag von Wilhelmshaven aus zu ihrer Indopazifik-Mission aufgebrochen. Bundesverteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) nannte am Montag die Fahrt ein “Zeichen für Stabilität, Wohlstand und eine regelbasierte, multilaterale Ordnung”, wie sie auf Twitter schrieb. “Es ist gut, über unsere Werte zu reden, noch besser ist es, konkret etwas dafür zu tun.” Anschließend legte das Kriegsschiff mit 243 Soldaten an Bord am Marine-Stützpunkt in Wilhelmshaven ab.

Rund ein halbes Jahr lang wird die Fregatte unterwegs sein, ihre Route verläuft um das Horn von Afrika nach Singapur, Japan und Südkorea. Vor der koreanischen Halbinsel nimmt die Fregatte an der Überwachung von Sanktionen der Vereinten Nationen gegen Nordkorea teil, ehe es weiter geht bis nach Australien. In dieser Region “fallen wichtige Entscheidungen zu Frieden, Sicherheit und Wohlstand”, erklärte die CDU-Politikerin weiter. “Die Sicherheit im Indopazifik ist auch unsere Sicherheit.”

Bei der Durchfahrt durch das Südchinesische Meer werde man sich an internationale Handelsrouten halten. Die Marine rechnet dabei sowohl mit chinesischen Begleitschiffen als auch mit Überflügen durch die chinesische Luftwaffe, nicht aber mit Konfrontationen. Um diplomatischen Verstimmungen oder gar Zwischenfällen vorzubeugen, wurde die chinesische Seite vorab sowohl durch die Verteidigungsministerin als auch Außenminister Heiko Maas (SPD) über die Route der deutschen Fregatte informiert.

Mehr deutsches Engagement im Indopazifik

Die “Bayern” ist das erste deutsche Kriegsschiff, das seit knapp zwei Jahrzehnten in die Region des Indopazifiks entsandt wird. So will die Bundesregierung gegenüber den Verbündeten mehr deutsches Engagement zeigen. Im Indopazifik herrschen derzeit große geopolitische und wirtschaftliche Spannungen. China erhebt territoriale Ansprüche, insbesondere im Südchinesischen Meer. Diesen Ansprüchen treten vor allem die USA entgegen – und fordern dies zunehmend auch von ihren westlichen Partnern.

Im vergangenen Jahr veröffentlichte die Bundesregierung erstmals eigene Leitlinien für ihre Politik im Indopazifik. Man strebe damit eine verstärkte sicherheitspolitische Zusammenarbeit in der Region an und trete dort für die “Verteidigung einer regelbasierten internationalen Ordnung” ein, heißt es. Mit der Entsendung der Fregatte scheint die Regierung ihre Leitlinien nun auch militärisch bekräftigen zu wollen. Jemanden gegen sich aufbringen wolle Berlin jedoch nicht. rad

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Hongkonger Popstar verhaftet

Dem beliebten Hongkonger Sänger Anthony Wong droht, ein Auftritt bei einer Wahlkampfveranstaltung vor drei Jahren nachträglich zum Verhängnis zu werden. Der Künstler ist am Montag von der Antikorruptionsaufsicht verhaftet worden, weil er 2018 bei einer Veranstaltung des pro-demokratischen Kandidaten Au Nok Hin aufgetreten war. Die Unabhängige Kommission gegen Korruption (ICAC) erkannte darin “ein korruptes Verhalten und ein ernstes Vergehen”, weil Wong damit gegen Wahlauflagen verstoßen habe. Auch der Politiker wurde wegen des gleichen Vorwurfs inhaftiert. Am Donnerstag sollen beide vor Gericht erscheinen.

Das Antikorruptionsgesetz bestraft die Bezahlung von Kosten Dritter für Getränke, Mahlzeiten oder jede Form der Unterhaltung im Gegenzug für Wählerstimmen. Der beschuldigte Politiker Au verteidigte Wongs Auftritt mit dem Hinweis, dass die Wahlkommission damals den Auftritt des Sängers vorab selbst öffentlich angekündigt und damit offenbar nichts einzuwenden hatte.

Wong, der als Mitglied des kantonesischen Pop-Duos Tat Ming Pair, große Popularität in Hongkong genießt, ist seit vielen Jahren als Aktivist bekannt, der sich unter anderem für die Rechte sexueller Minderheiten einsetzt. Seit 2014 darf der 59-Jährige nicht mehr in der Volksrepublik China auftreten. Er ist einer von 47 pro-demokratischen Politikern und Aktivisten, die seit Monaten auf den Beginn ihres Prozesses wegen Verstößen gegen das Nationale Sicherheitsgesetz warten. Viele von ihnen wurden inhaftiert. Wong hingegen befindet sich Medienberichten zufolge nach Zahlung einer Kaution zurzeit wieder auf freiem Fuß. grz

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  • Nationales Sicherheitsgesetz

Opferzahl nach Henan-Flut verdreifacht

Die offizielle Todeszahl bei den Überschwemmungen in der zentralchinesischen Provinz Henan hat sich verdreifacht. Die Provinzregierung bezifferte die Zahl der Opfer am Montag auf 302 Menschen, 50 weitere werden noch vermisst. Die Großzahl der Toten beklagt die Millionenmetropole Zhengzhou, wo unter anderem U-Bahnschächte mit Flutwasser nach heftigen Regenfällen vollgelaufen waren. Die meisten Menschen starben jedoch in Folge von Erdrutschen oder in Häusern, die in sich zusammenbrachen. Zehn Tote werden in anderen Städten der Provinz Henan beklagt.

Die verheerenden Regenfälle am 20. Juli zerstörten zudem 250.000 Hektar landwirtschaftlicher Flächen. Rund 1,5 Millionen Menschen mussten evakuiert werden. Den entstandenen Schaden schätzen die Behörden auf rund 90 Milliarden Yuan, knapp zwölf Milliarden Euro. grz

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  • Umwelt
  • Zhengzhou

Presseschau

China floods death toll rises to 302 with 50 people still missing THE GUARDIAN
Hong Kong Pop Singer Anthony Wong Yiu-ming Arrested for Singing at a 2018 Election Rally WSJ (PAY)
China and India miss UN deadline to update emissions targets INDEPENDENT
China Evergrande boosts asset sales in bid to stave off cash crunch FT (PAY)
Team China claims 29 golds halfway through Olympic Games GLOBALTIMES (STAATSMEDIUM)
Ölpreise geben nach – Konjunkturdaten aus China belasten FAZ
Chinas Industriewachstum schwächt sich im Juli weiter ab HANDELSBLATT (PAY)
Anklage der Bundesanwaltschaft: Ehepaar soll gemeinsam für China spioniert haben SPIEGEL
Kurs auf China: Fregatte «Bayern» läuft in den Indopazifik aus NZZ (PAY)
China verhängt erneut Corona-Lockdown für über Millionen Menschen STERN

Portrait

Timo Balz – Von Wuhan die Ferne erkunden

Timo Balz Professor für Fernerkundung in Wuhan

Eigentlich hätte es Timo Balz besser wissen müssen. Denn als Professor für Fernerkundung ist der gebürtige Schwabe ein genauer Beobachter minimaler Schwankungen und winziger Veränderungen. Mit Hilfe von Satellitenradaren erforscht er Bewegungen auf der Erde. Balz sammelt Daten über Vulkane, Erdplatten oder die Absenkung von Städten. Dabei geht es um wenige Zentimeter pro Jahr – wenn überhaupt. Doch die Abschottung seiner Wahlheimat Wuhan im Januar vergangenen Jahres hingegen hatte Balz nicht vorhergesehen, obwohl es genügend Hinweise gab. “Ich war da sicherlich etwas naiv”, erzählt er eineinhalb Jahre nach Beginn der Pandemie. Denn Gerüchte um eine bevorstehende Abriegelung der Stadt kursierten längst.

Timo Balz: “Wuhan ist meine Heimat.”

Als klar war, dass niemand mehr die Stadt verlassen durfte und bald darauf auch nicht mehr das Haus, fuhr der 46-Jährige noch einmal einkaufen und deckte sich mit Konserven ein. Er setzte sich über deutsche Medien dafür ein, dass die Bundesregierung ihre Landsleute aus Wuhan ausfliegen möge. Aber eigentlich war damals schon klar, dass eine Rückkehr nach Deutschland für Timo Balz und seine Familie nicht in Frage kommt: “Wir haben in Deutschland gar keine Wohnung. Das war also auch eine ganz praktische Überlegung. Und außerdem ist Wuhan meine Heimat.” Doch er kannte viele Kollegen, die zurückwollten, daher habe er den Druck auf die Regierung unterstützt, so Balz.

In China gilt Wuhan als die “Stadt der Helden”, die den harten Lockdown mit all seinen drastischen und teils brutalen Maßnahmen in Kauf genommen haben, um den Rest des Landes vor dem Virus zu schützen. “Ich glaube, dass das eine spontane Reaktion der Bevölkerung war. Später hat die Regierung das natürlich gerne aufgenommen”, sagt Balz.

In Wuhan lebt Timo Balz mittlerweile schon seit dreizehn Jahren. Doch bereits zu Beginn seiner Promotion an der Universität Stuttgart knüpfte er erste Bande nach China. Ein wissenschaftliches Projekt war geplant, scheiterte jedoch vorerst. Seine Begeisterung für die Sprache war allerdings geweckt, und Balz ging mit einem Sprachstipendium 2004 für ein Jahr nach Wuhan. Schon damals galt die dortige Universität als guter Forschungsstandort für Fernerkundung. Mittlerweile belegt die Uni Wuhan in diesem Fachbereich regelmäßig den Spitzenplatz des Shanghai Rankings. Während seines Stipendiums knüpfte Balz Kontakte zu Kollegen vor Ort und arbeitete an Projekten mit. Auch das trug dazu bei, dass er nach seiner Promotion in Wuhan Fuß fassen konnte.

In all den Jahren hat er auch die Veränderungen im chinesischen Wissenschaftssystem wahrgenommen. “In Deutschland ist es kaum zu verstehen, wie schnell sich in China Dinge entwickeln. Das gilt auch für Universitäten”, meint Timo Balz. China habe viel von Deutschland und Europa gelernt, langsam übernehme China aber die Führungsrolle. “Es wird viel in die Wissenschaft investiert. Unsere Universität zum Beispiel hat mittlerweile ihren eigenen Satelliten in den Weltraum geschossen.”

Die universitäre Ausbildung in China sei längst keine Elitenveranstaltung mehr. Allerdings gebe es immer noch große Unterschiede zwischen dem Niveau der einzelnen Universitäten. “Mir ist daher schon bewusst, dass ich einen gewissen Einblick in eine Elitenwelt habe”, sagt Timo Balz. Dieses Qualitätsgefälle sei vielleicht das einzige Detail, bei dem die chinesischen Universitäten den deutschen noch etwas hinterherhinkten. David Renke

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  • Wissenschaft
  • Wuhan

Personalien

Kristina Mohr ist seit 1. August bei DB Schenker in Nanjing die General Managerin des Global Technology Solution Centers. Mohr hatte davor bei Daimler China eine Führungsposition im IT-Bereich.

Ralf Selig ist innerhalb der Volkswagen Group China zum Head of Integrity Office in Beijing geworden. Zuvor war der Personalmanager dort der Project Manager des Together4Integrity-Programms.

Dessert

Zwei Stühle, ein Eimer, ein Spielbrett: Zwei Herren vertreiben sich in klassischer chinesischer Manier den Nachmittag in der zentralchinesischen Stadt Pingyao, Shanxi.

China.Table Redaktion

CHINA.TABLE REDAKTION

Licenses:
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    • Deutsches Kriegsschiff auf dem Weg in den Indopazifik
    • Hongkonger Sänger und Aktivist verhaftet
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    arbeiten von morgens 9 Uhr bis abends 9 Uhr, sechs Tage die Woche. Was vielen als wahrer Schreibtisch-Horror erscheinen mag, ist für Angestellte in Chinas Tech-Konzernen gelebter Alltag. Doch die als “996” bekannte Arbeitskultur steht inzwischen heftig in der Kritik. Unser Autorenteam in Peking zeigt, wie der Druck auf die Tech-Giganten wie Alibaba und Tencent immer weiter zunimmt – und wie die Konzernführer nun darauf reagieren.  

    Schnell, schneller, hyperschnell – so lautet das Entwicklungsziel chinesischer Wissenschaftler. Schon 2030 sollen Hyperschallflugzeuge mit einer Geschwindigkeit von mehr als 7000 Kilometern pro Stunde Passagiere an jeden Ort der Welt befördern – in weniger als zwei Stunden. Doch die Hyperschall-Technologie ist auch militärisch relevant: Durch sie könnte sich die Machtbalance zu Ungunsten der USA verschieben, denn Washington scheint der Volksrepublik in diesem Bereich bislang technisch hinterherzulaufen.

    Ziemlich schlecht ist derweil die Stimmung unter Chinas Wirtschaftsführern. Sowohl in kleineren und mittelgroßen Industriebetrieben wie auch bei den großen und staatlich dominierten Industrieunternehmen fiel der Einkaufsmanagerindex auf den tiefsten Stand seit Mai 2020. Als Gründe werden gestiegene Rohstoff- und Logistikkosten sowie Lieferengpässe im Welthandel angeführt. Aber auch die extremen Unwetter verhindern eine wirtschaftliche Erholung. Bei den Überschwemmungen in der zentralchinesischen Provinz Henan ist die Zahl der Opfer offiziellen Angaben zufolge von zuletzt 99 auf mehr als 300 angestiegen.

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    Michael Radunski
    Bild von Michael  Radunski

    Analyse

    Das Ende der “996”-Arbeitskultur?

    Chinesische Internetfirmen sind bekannt für ihre außergewöhnlich langen Arbeitszeiten. Im Mittelpunkt der seit Jahren immer wieder aufkommenden Debatte über die hohe Belastung von Mitarbeitern steht die “996” genannte Arbeitszeitkultur: Von neun Uhr morgens bis neun Uhr abends – an sechs Tagen pro Woche.

    Der Gründer von Alibaba, Jack Ma, goss vor zwei Jahren noch Öl ins Feuer, als er “996” einen “großen Segen” nannte. “Wer bei Alibaba anfängt, sollte bereit sein, zwölf Stunden am Tag zu arbeiten”, forderte der Milliardär vollen Einsatz. “Wir brauchen diejenigen nicht, die bequem acht Stunden arbeiten”. Sein Kollege Richard Liu vom Online-Händler JD.com blies ins gleiche Horn und kritisierte die “Faulenzer”.

    Solche Töne sind von Chinas Tech-Gründern nicht mehr zu hören. Im Gegenteil haben eine ganze Reihe von Firmen in dem Sektor angekündigt, ihre Arbeitszeitmodelle überarbeiten zu wollen. Die Streaming-App Kuaishou kündigte an, dass Mitarbeiter künftig nicht mehr wie bislang üblich an jedem zweiten Wochenende ins Büro kommen müssten. Konkurrent TikTok zog mit einer ähnlichen Ankündigung nach.

    Auch beim chinesischen Internet-Giganten Tencent machen sich – zumindest langsam – Änderungen bemerkbar. So führte die Tencent-Tochter Lightning & Quantum Studio Group, die Smartphone-Spiele entwickelt, den “Healthy Wednesday” ein. Laut der neuen Firmen-Politik sollen Arbeiter demnach jeden Mittwoch nur bis 18 Uhr im Büro bleiben. An allen anderen Wochentagen und auch am Wochenende sind jedoch weiterhin Überstunden vorgesehen.

    Klare Regeln gegen “996” werden nicht umgesetzt

    Dabei regelt auch in China der Staat gesetzlich die maximalen Arbeitszeiten. Pro Tag sind demnach acht Stunden Arbeit vorgesehen. Überstunden dürfen nicht mehr als drei Stunden pro Tag überschreiten und müssen zusätzlich mit dem doppelten Gehalt kompensiert werden. Angestellte, die an einem gesetzlichen Feiertag arbeiten müssen, sollen theoretisch sogar das dreifache Gehalt erhalten. Viele Tech-Firmen halten sich an die Vorgaben und zahlen die höheren Vergütungen. Doch ist dies nicht der Fall, schreckten in der Vergangenheit Angestellte oft davor zurück, ihre Rechte durchzusetzen. Zu groß war die Angst, sich Aufstiegschancen zu verbauen oder keine üppigen Bonus-Zahlungen zu erhalten.

    Und seit der öffentliche Druck immer größer wird, findet auch bei den Firmen selbst ein Umdenken statt. Zuletzt hatte es im Januar eine Welle der Empörung im Land gegeben, als zwei Todesfälle beim chinesischen Online-Händler Pinduoduo Schlagzeilen machten. Zuerst war ein Mitarbeiter wegen Überarbeitung kollabiert und starb später im Krankenhaus. Kurze Zeit später stürzte sich ein anderer Mitarbeiter von einem Hausdach. Die Tragödien hätten die Aufmerksamkeit einmal mehr auf “eine abnormale Kultur der Überstunden” gelenkt, schrieb die staatliche Nachrichtenagentur Xinhua als Reaktion auf die zwei Todesfälle. Zwar sollten Tech-Arbeiter die Möglichkeit haben, ihren Träumen nachjagen zu können. Ihre Gesundheit dürfe dabei aber nicht aufs Spiel gesetzt werden. 

    Firmen starten Einstellungsoffensive

    Viele der großen Tech-Firmen, die zuletzt ohnehin immer stärker von Pekings Regulatoren unter Druck gesetzt wurden, wollen offenbar vermeiden, dass als nächstes die Arbeitsbelastung in ihren Unternehmen zu einem weiteren Streitpunkt mit der Regierung wird. Als Antwort auf die öffentliche Kritik an “996” haben viele Firmen zuletzt massive Einstellungskampagnen gestartet, wie die Hongkonger Zeitung South China Morning Post berichtet.

    Alibaba sprach gar von der größten Rekrutierungsoffensive aller Zeiten. Allein die Fintech-Tochter Ant Group soll im kommenden Jahr 250 Prozent mehr Uni-Absolventen einstellen als 2021. Der Lieferdienst Meituan kündigte an, bis zu 10.000 Absolventen einstellen zu wollen – 7000 mehr als in diesem Jahr. Die Zahl der neuen Jobs bei JD.com soll laut dem Bericht immerhin um 30 Prozent höher ausfallen. Durch die Personalaufstockung soll die Arbeit auf mehrere Schultern verteilt und der einzelne Mitarbeiter entlastet werden.

    Mit den neuen Jobs wollen die Konzerne die 996-Arbeitskultur begraben, sagte Li Chengdong, Gründer des Pekinger Technologie-Thing-Tank Dolphin, der Zeitung. Da sowohl der Druck von Regulatoren als auch der Öffentlichkeit zunehme, wollen die Unternehmen die Arbeitszeiten ihre Mitarbeiter reduzieren. “Was früher der Job einer Person war, soll künftig von zwei Personen erledigt werden”, meint Li. Ob das in der Praxis tatsächlich funktioniert, wird sich erst in Zukunft herausstellen. Gregor Koppenburg/Joern Petring 

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    Wettlauf im Hyperschalltempo

    China will beim Bau von Passagierflugzeugen neue Maßstäbe setzen und ab dem Jahr 2030 Fluggäste in weniger als zwei Stunden an jeden beliebigen Ort der Erde befördern können. Derzeit entwickelt das Land ein Hyperschallflugzeug, das mithilfe einer neuen Generation luftziehender Triebwerke auf die sechsfache Schallgeschwindigkeit (Mach 6) oder 7.344 km/h beschleunigen soll. Mit 45 Metern ist das Flugzeug fast ein Drittel länger als eine Boeing 737. Seine Deltaflügel ähneln der einer Concorde. Das berichtet das zweimonatlich erscheinende, chinesische Magazin “Physics of Gases”.

    Hyperschallflugzeuge spielen in Pekings Plänen, bis zur Mitte des Jahrhunderts zur führenden High-Tech-Macht aufzusteigen, eine wichtige Rolle. Bis 2045 sollen die Hyperschallflugzeuge mehr als 100 Passagiere pro Flug und 10.000 pro Jahr befördern können. Zusätzlich sollen jährlich 10.000 Tonnen Cargo transportiert werden. Auch in den USA arbeiten private Unternehmen an der Entwicklung von Hyperschall-Passagiermaschinen. Mach 6 als Reisegeschwindigkeit ist jedoch ein ambitioniertes Ziel. Die schnellsten im Einsatz befindlichen Militärjets fliegen bis 2,5 Mach, allerdings wurden bei Testflügen auch schon deutlich höhere Geschwindigkeiten von über Mach 9 erreicht.

    Den nächsten konkreten Schritt will China schon in wenigen Jahren erreichen. Bis 2025 soll ein neu entwickeltes Triebwerk gefertigt sein, das das Flugzeug auf Raketengeschwindigkeit bringen soll. Jedoch ziehen die Maschinen im Vergleich zu Raketen Sauerstoff aus der Außenluft an, um den Treibstoff verbrennen zu können. Herkömmliche Raketen dagegen müssen das nötige Gas an Bord haben, was die Kosten dramatisch nach oben treibt. Maßgeblich betreut werden die Forschungen vom Beijing Institute of Technology und dem Institute of Spacecraft System Engineering. Geleitet wird das Projekt von Liu Rui, einem der wichtigsten Forscher in Chinas Mars- und Mond-Missionen.

    Das komplexe Design von Hyperschallflugzeugen bringt jedoch viele technische Herausforderungen mit sich, allen voran die geschwindigkeitsbedingten starken Turbulenzen sowie eine extreme Hitzeentwicklung. Die Forscher verwenden bei ihren Tests deshalb aerodynamische Modelle, die sich bei Chinas jüngsten Weltraummissionen als effektiv erwiesen haben. So können die Wissenschaftler Bereiche lokalisieren, die am ehesten plötzlichen Hitze- und Druckspitzen ausgesetzt sind.

    China sieht sich um Dekaden voraus

    Dazu haben die Wissenschaftler in Peking einen Windtunnel gebaut, in dem Geschwindigkeiten von Mach 25 simuliert werden können, also 25 Mal so schnell wie der Schall, was nach ihrer Absicht einen Vorsprung von Dekaden im Vergleich zum Westen bedeuten würde. Die Chinesen sehen sich im Vergleich zu anderen Nationen um 20 bis 30 Jahre voraus, berichtet die Asia Times. Bisher können Tunnel nur Geschwindigkeiten von Mach 9 simulieren.

    Vorerst sollen die Flugzeuge jedoch nur vom Militär eingesetzt werden. Denn trotz ihrer enormen Größe bieten sie wenig Raum für Passagiere, da der Motor und die Lufteinlässe den größten Platz in der Karosserie einnehmen.

    Doch China investiert nicht nur in Flugzeuge, sondern auch in Waffensysteme mit Hyperschallantrieben, die als größter Fortschritt innerhalb der Raketentechnologie der letzten zehn Jahre gelten. Denn Raketen, die mit Hyperschallgeschwindigkeit fliegen, können bislang von keinem Luftverteidigungssystem effizient gestoppt werden. Sie können ihre Höhe in der Atmosphäre verändern und sind dadurch deutlich präziser als etwa ballistische Raketen. 

    Hyperschallflugkörper, die mehr als das Fünffache der Schallgeschwindigkeit erreichen, gibt es seit den 1960er-Jahren in Form ballistischer Raketen. Die neuartigen Systeme sind jedoch für eine deutlich geringere Reichweite optimiert, was sie für Präzisionsschläge, etwa auf Flugzeugträger, ideal macht. Bei der Militärparade zum Nationalfeiertag im Jahr 2019 enthüllte Chinas Militär erstmals einsatzfähige DF-17-Hyperschall-Raketen und DL-ZF-Hyperschallgleiter. Letztere werden von einer ballistischen Rakete aus gestartet und gleiten dann auf einer kaum vorherzusehenden Bahn auf ihr Ziel zu.

    Hyperschallwaffen ändern die globale Machtbalance

    Der DL-ZF-Gleiter kann atomar und konventionell bestückt werden und ist eine ernsthafte Gefahr für die Flugzeugträger der USA, da er zu schnell fliegt, um von einer Abfangrakete rechtzeitig eingeholt zu werden. Derzeit besitzen nur Russland und China einsatzfähige Waffen dieser Art. Laut Angaben des US-Militärs hat China 2019 mehr Hyperschallflüge durchgeführt als im gesamten Jahrzehnt zuvor.

    Die USA werden ihre ersten Hyperschall-Langstreckenwaffen vermutlich erst 2023 in Betrieb nehmen. Die Air Force sagt, ihre X-51A Waverider Cruise Missile können schneller fliegen als Mach 6. Vereinbarungen zur Rüstungskontrolle von Hyperschallwaffen gibt es bislang nicht. Washington hat allerdings, anders als Moskau und Peking, bereits erklärt, die nukleare Bestückung von Hyperschallwaffen auszuschließen. 

    Für alle Nationen gilt: Die technischen Anforderungen, etwa an die Steuersysteme und die Bau-Materialien, sind bis auf Weiteres sehr hoch. Vieles ist noch nicht ausgereift. Ob die Waffen im praktischen Einsatz tatsächlich so abwehrresistent sind wie auf dem Papier, ist nicht geklärt. Deshalb ist auch noch nicht klar, wie schlagkräftig die DF-ZF-Waffen der Chinesen wirklich sind. China führte jedoch im November 2017 zwei Tests mit DF-17-Hyperschallraketen in der Inneren Mongolei durch. Die Rakete war damals 1400 Kilometer unterwegs. Nach elf Minuten traf sie nach offiziellen Angaben fast punktgenau ihr Ziel. 

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    Millionen Chinesen wieder im Lockdown

    In China befinden sich seit Montag wieder Millionen Menschen im Lockdown – darunter auch die Menschen in den Metropolen Peking und Nanjing. Inzwischen sind mehr als 20 Städte in mehreren Provinzen von Neuinfektionen betroffen. Grund sind mehrere Corona-Ausbrüche mit der Delta-Variante im Land. Allein am Montag meldeten die staatlichen Behörden 55 neue Infektionen, alle seien lokal übertragen worden (China.Table berichtete).

    Auch in der Stadt Wuhan in Zentralchina wurden zu Wochenbeginn sieben Neuinfektionen festgestellt – und daraufhin rigide Einschränkungen über die Stadt verhängt. Da die Ansteckungen in Wuhan erst nach der Veröffentlichung der täglichen Fallzahlen durch die staatliche Gesundheitsbehörde vermeldet wurden, müssen sie zu den 55 Neuinfektionen noch hinzugerechnet werden. Wie die staatliche Nachrichtenagentur Xinhua meldet, sei in Wuhan ein Bahnhof als Infektionsherd ausgemacht worden, bei den sieben Infizierten handele es sich demnach um Wanderarbeiter.

    1,2 Millionen Einwohner im Lockdown

    In Zhuzhou in der Provinz Hunan ordneten die Behörden am Montag an, dass die rund 1,2 Millionen Einwohner für drei Tage zu Hause bleiben müssen. In dieser Zeit sollen alle Bürger getestet und die städtische Impfkampagne beschleunigt werden. Auch auf der beliebten Urlaubsinsel Hainan sowie in der von Überschwemmungen verwüsteten Provinz Henan wurden am Montag ebenfalls neue Corona-Fälle gemeldet.

    In den vergangenen zwei Wochen wurden im ganzen Land unterm Strich mehr als 360 Fälle entdeckt. Die Gesundheitsbehörden führen den Anstieg der Infektionsfälle auf die Ausbreitung der hochansteckenden Delta-Variante des Coronavirus zurück. In Großstädten wie Peking wurden inzwischen Millionen von Einwohnern getestet, ganze Wohngebiete abgeriegelt und die Menschen einer engmaschigen Kontaktnachverfolgung unterworfen. Peking verhängte zudem ein Einreiseverbot für Touristen – mitten in der Hauptreisezeit im Sommer. Nur wer einen wichtigen Grund zur Einreise hat und einen Negativ-Test vorlegen kann, darf in die Stadt.

    Chinas Regierung verfolgt eine sogenannte Null-Covid-Strategie, das bedeutet: Treten in einer Stadt oder in einer Provinz kleine Cluster auf, werden die betroffenen Gebiete umgehend abgeriegelt und sämtliche Einwohner auf das Virus getestet. rad

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    Einkaufsmanagerindex fällt

    Die Stimmung unter Chinas Wirtschaftsführern verschlechtert sich. Nach einer starken Erholung von der Corona-Krise hat sich die Stimmung in kleineren und mittelgroßen Industriebetrieben im Juli wieder deutlich eingetrübt. Der vom angesehenen Wirtschaftsmagazin Caixin ermittelte Einkaufsmanagerindex (EMI) fiel im Juli überraschend stark und befindet sich nun auf den tiefsten Stand seit Mai 2020. Im Vergleich zum Vormonat rutsche der Index um einen Punkt auf 50,3, wie das Magazin am Montag mitteilte.

    Durch den zweiten Rückgang in Folge steht der Indikator inzwischen nur noch knapp über der sogenannten Expansionsschwelle von 50 Punkten: Werte über dieser Marke deuten auf ein Wachstum der wirtschaftlichen Aktivitäten hin. Werte unter der Marke signalisieren eine Schrumpfung.

    Klimawandel für Rückgang des EMI verantwortlich

    Am Samstag hatte die chinesische Statistikbehörde in Peking den Stimmungsindikator für die großen und staatlich dominierten Industrieunternehmen veröffentlicht. Auch hier fiel der Index auf das niedrigste Niveau seit dem Beginn der Corona-Pandemie. Der EMI sank der Statistikbehörde zufolge im Juli auf 50,4. Im Vormonat hatte er noch bei 50,9 gelegen. Die Behörde machte unter anderem Wetterextreme für den Rückgang verantwortlich.

    Zhao Qinghe von der Statistikbehörde erklärte, insgesamt verzeichne die chinesische Wirtschaft nach wie vor ein Wachstum; es verlangsame sich aber. Als Gründe nannte er gestiegene Rohstoff- und Logistikkosten sowie Lieferengpässe im Welthandel. Aber auch die “Auswirkungen extremer Unwetter wie örtlich hohe Temperaturen, Überschwemmungen und Naturkatastrophen” hätten zu einer “relativen Schwächung” des Wachstums im produzierenden Gewerbe geführt. In der zentralchinesischen Provinz Henan war es zuletzt zu verheerenden Überschwemmungen durch Starkregen gekommen. Mehr als 300 Menschen kamen dabei ums Leben, der Sachschaden soll mehrere Milliarden Yuan betragen.

    Ökonomen zufolge deuten die aktuellen Daten darauf hin, dass die chinesische Konjunktur weiter an Fahrt verlieren dürfte. Sie rechnen für die kommenden Monate mit weiteren Abwärtsrisiken. rad

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    Programm für Investitionen in Pekings Süden

    Pekings Stadtregierung hat die Pläne für sein Investitionspaket im Süden der Hauptstadt konkretisiert. Dort sollen in den kommenden fünf Jahren insgesamt 260 Großprojekte verwirklicht werden, die zusammen ein Volumen von 590 Milliarden Yuan, mehr als 80 Milliarden Euro, umfassen. Die Entwicklungskommission erwartet davon einen deutlichen Schub für Pekings Konjunktur. Mehr als zwei Drittel des Geldes sollen zum Bau von vier neuen Industriegebieten verwendet werden.

    Finanziert werden aber auch Umwelt- und Kulturprojekte, heißt es seitens der Behörden. Neue Schulen und Krankenhäuser sollen Arbeitnehmern den Zuzug in die entsprechenden Bezirke schmackhaft machen. 10.000 Hektar Land sollen als Naherholungsgebiete zu Parks und Grünflächen entwickelt werden.

    Auch ausländische Unternehmen dürfen sich Hoffnung machen, im Rahmen der Investitionen Aufträge zu erhalten. Allerdings klagen nicht-chinesische Firmen – vornehmlich aus Europa und den USA – seit Jahrzehnten über mangelnde Gleichbehandlung bei öffentlichen Ausschreibungen. grz

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    Marineschiff im Indopazifik

    Die Fregatte “Bayern” ist am Montag von Wilhelmshaven aus zu ihrer Indopazifik-Mission aufgebrochen. Bundesverteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) nannte am Montag die Fahrt ein “Zeichen für Stabilität, Wohlstand und eine regelbasierte, multilaterale Ordnung”, wie sie auf Twitter schrieb. “Es ist gut, über unsere Werte zu reden, noch besser ist es, konkret etwas dafür zu tun.” Anschließend legte das Kriegsschiff mit 243 Soldaten an Bord am Marine-Stützpunkt in Wilhelmshaven ab.

    Rund ein halbes Jahr lang wird die Fregatte unterwegs sein, ihre Route verläuft um das Horn von Afrika nach Singapur, Japan und Südkorea. Vor der koreanischen Halbinsel nimmt die Fregatte an der Überwachung von Sanktionen der Vereinten Nationen gegen Nordkorea teil, ehe es weiter geht bis nach Australien. In dieser Region “fallen wichtige Entscheidungen zu Frieden, Sicherheit und Wohlstand”, erklärte die CDU-Politikerin weiter. “Die Sicherheit im Indopazifik ist auch unsere Sicherheit.”

    Bei der Durchfahrt durch das Südchinesische Meer werde man sich an internationale Handelsrouten halten. Die Marine rechnet dabei sowohl mit chinesischen Begleitschiffen als auch mit Überflügen durch die chinesische Luftwaffe, nicht aber mit Konfrontationen. Um diplomatischen Verstimmungen oder gar Zwischenfällen vorzubeugen, wurde die chinesische Seite vorab sowohl durch die Verteidigungsministerin als auch Außenminister Heiko Maas (SPD) über die Route der deutschen Fregatte informiert.

    Mehr deutsches Engagement im Indopazifik

    Die “Bayern” ist das erste deutsche Kriegsschiff, das seit knapp zwei Jahrzehnten in die Region des Indopazifiks entsandt wird. So will die Bundesregierung gegenüber den Verbündeten mehr deutsches Engagement zeigen. Im Indopazifik herrschen derzeit große geopolitische und wirtschaftliche Spannungen. China erhebt territoriale Ansprüche, insbesondere im Südchinesischen Meer. Diesen Ansprüchen treten vor allem die USA entgegen – und fordern dies zunehmend auch von ihren westlichen Partnern.

    Im vergangenen Jahr veröffentlichte die Bundesregierung erstmals eigene Leitlinien für ihre Politik im Indopazifik. Man strebe damit eine verstärkte sicherheitspolitische Zusammenarbeit in der Region an und trete dort für die “Verteidigung einer regelbasierten internationalen Ordnung” ein, heißt es. Mit der Entsendung der Fregatte scheint die Regierung ihre Leitlinien nun auch militärisch bekräftigen zu wollen. Jemanden gegen sich aufbringen wolle Berlin jedoch nicht. rad

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    Hongkonger Popstar verhaftet

    Dem beliebten Hongkonger Sänger Anthony Wong droht, ein Auftritt bei einer Wahlkampfveranstaltung vor drei Jahren nachträglich zum Verhängnis zu werden. Der Künstler ist am Montag von der Antikorruptionsaufsicht verhaftet worden, weil er 2018 bei einer Veranstaltung des pro-demokratischen Kandidaten Au Nok Hin aufgetreten war. Die Unabhängige Kommission gegen Korruption (ICAC) erkannte darin “ein korruptes Verhalten und ein ernstes Vergehen”, weil Wong damit gegen Wahlauflagen verstoßen habe. Auch der Politiker wurde wegen des gleichen Vorwurfs inhaftiert. Am Donnerstag sollen beide vor Gericht erscheinen.

    Das Antikorruptionsgesetz bestraft die Bezahlung von Kosten Dritter für Getränke, Mahlzeiten oder jede Form der Unterhaltung im Gegenzug für Wählerstimmen. Der beschuldigte Politiker Au verteidigte Wongs Auftritt mit dem Hinweis, dass die Wahlkommission damals den Auftritt des Sängers vorab selbst öffentlich angekündigt und damit offenbar nichts einzuwenden hatte.

    Wong, der als Mitglied des kantonesischen Pop-Duos Tat Ming Pair, große Popularität in Hongkong genießt, ist seit vielen Jahren als Aktivist bekannt, der sich unter anderem für die Rechte sexueller Minderheiten einsetzt. Seit 2014 darf der 59-Jährige nicht mehr in der Volksrepublik China auftreten. Er ist einer von 47 pro-demokratischen Politikern und Aktivisten, die seit Monaten auf den Beginn ihres Prozesses wegen Verstößen gegen das Nationale Sicherheitsgesetz warten. Viele von ihnen wurden inhaftiert. Wong hingegen befindet sich Medienberichten zufolge nach Zahlung einer Kaution zurzeit wieder auf freiem Fuß. grz

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    Opferzahl nach Henan-Flut verdreifacht

    Die offizielle Todeszahl bei den Überschwemmungen in der zentralchinesischen Provinz Henan hat sich verdreifacht. Die Provinzregierung bezifferte die Zahl der Opfer am Montag auf 302 Menschen, 50 weitere werden noch vermisst. Die Großzahl der Toten beklagt die Millionenmetropole Zhengzhou, wo unter anderem U-Bahnschächte mit Flutwasser nach heftigen Regenfällen vollgelaufen waren. Die meisten Menschen starben jedoch in Folge von Erdrutschen oder in Häusern, die in sich zusammenbrachen. Zehn Tote werden in anderen Städten der Provinz Henan beklagt.

    Die verheerenden Regenfälle am 20. Juli zerstörten zudem 250.000 Hektar landwirtschaftlicher Flächen. Rund 1,5 Millionen Menschen mussten evakuiert werden. Den entstandenen Schaden schätzen die Behörden auf rund 90 Milliarden Yuan, knapp zwölf Milliarden Euro. grz

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    Presseschau

    China floods death toll rises to 302 with 50 people still missing THE GUARDIAN
    Hong Kong Pop Singer Anthony Wong Yiu-ming Arrested for Singing at a 2018 Election Rally WSJ (PAY)
    China and India miss UN deadline to update emissions targets INDEPENDENT
    China Evergrande boosts asset sales in bid to stave off cash crunch FT (PAY)
    Team China claims 29 golds halfway through Olympic Games GLOBALTIMES (STAATSMEDIUM)
    Ölpreise geben nach – Konjunkturdaten aus China belasten FAZ
    Chinas Industriewachstum schwächt sich im Juli weiter ab HANDELSBLATT (PAY)
    Anklage der Bundesanwaltschaft: Ehepaar soll gemeinsam für China spioniert haben SPIEGEL
    Kurs auf China: Fregatte «Bayern» läuft in den Indopazifik aus NZZ (PAY)
    China verhängt erneut Corona-Lockdown für über Millionen Menschen STERN

    Portrait

    Timo Balz – Von Wuhan die Ferne erkunden

    Timo Balz Professor für Fernerkundung in Wuhan

    Eigentlich hätte es Timo Balz besser wissen müssen. Denn als Professor für Fernerkundung ist der gebürtige Schwabe ein genauer Beobachter minimaler Schwankungen und winziger Veränderungen. Mit Hilfe von Satellitenradaren erforscht er Bewegungen auf der Erde. Balz sammelt Daten über Vulkane, Erdplatten oder die Absenkung von Städten. Dabei geht es um wenige Zentimeter pro Jahr – wenn überhaupt. Doch die Abschottung seiner Wahlheimat Wuhan im Januar vergangenen Jahres hingegen hatte Balz nicht vorhergesehen, obwohl es genügend Hinweise gab. “Ich war da sicherlich etwas naiv”, erzählt er eineinhalb Jahre nach Beginn der Pandemie. Denn Gerüchte um eine bevorstehende Abriegelung der Stadt kursierten längst.

    Timo Balz: “Wuhan ist meine Heimat.”

    Als klar war, dass niemand mehr die Stadt verlassen durfte und bald darauf auch nicht mehr das Haus, fuhr der 46-Jährige noch einmal einkaufen und deckte sich mit Konserven ein. Er setzte sich über deutsche Medien dafür ein, dass die Bundesregierung ihre Landsleute aus Wuhan ausfliegen möge. Aber eigentlich war damals schon klar, dass eine Rückkehr nach Deutschland für Timo Balz und seine Familie nicht in Frage kommt: “Wir haben in Deutschland gar keine Wohnung. Das war also auch eine ganz praktische Überlegung. Und außerdem ist Wuhan meine Heimat.” Doch er kannte viele Kollegen, die zurückwollten, daher habe er den Druck auf die Regierung unterstützt, so Balz.

    In China gilt Wuhan als die “Stadt der Helden”, die den harten Lockdown mit all seinen drastischen und teils brutalen Maßnahmen in Kauf genommen haben, um den Rest des Landes vor dem Virus zu schützen. “Ich glaube, dass das eine spontane Reaktion der Bevölkerung war. Später hat die Regierung das natürlich gerne aufgenommen”, sagt Balz.

    In Wuhan lebt Timo Balz mittlerweile schon seit dreizehn Jahren. Doch bereits zu Beginn seiner Promotion an der Universität Stuttgart knüpfte er erste Bande nach China. Ein wissenschaftliches Projekt war geplant, scheiterte jedoch vorerst. Seine Begeisterung für die Sprache war allerdings geweckt, und Balz ging mit einem Sprachstipendium 2004 für ein Jahr nach Wuhan. Schon damals galt die dortige Universität als guter Forschungsstandort für Fernerkundung. Mittlerweile belegt die Uni Wuhan in diesem Fachbereich regelmäßig den Spitzenplatz des Shanghai Rankings. Während seines Stipendiums knüpfte Balz Kontakte zu Kollegen vor Ort und arbeitete an Projekten mit. Auch das trug dazu bei, dass er nach seiner Promotion in Wuhan Fuß fassen konnte.

    In all den Jahren hat er auch die Veränderungen im chinesischen Wissenschaftssystem wahrgenommen. “In Deutschland ist es kaum zu verstehen, wie schnell sich in China Dinge entwickeln. Das gilt auch für Universitäten”, meint Timo Balz. China habe viel von Deutschland und Europa gelernt, langsam übernehme China aber die Führungsrolle. “Es wird viel in die Wissenschaft investiert. Unsere Universität zum Beispiel hat mittlerweile ihren eigenen Satelliten in den Weltraum geschossen.”

    Die universitäre Ausbildung in China sei längst keine Elitenveranstaltung mehr. Allerdings gebe es immer noch große Unterschiede zwischen dem Niveau der einzelnen Universitäten. “Mir ist daher schon bewusst, dass ich einen gewissen Einblick in eine Elitenwelt habe”, sagt Timo Balz. Dieses Qualitätsgefälle sei vielleicht das einzige Detail, bei dem die chinesischen Universitäten den deutschen noch etwas hinterherhinkten. David Renke

    • Forschung
    • Wissenschaft
    • Wuhan

    Personalien

    Kristina Mohr ist seit 1. August bei DB Schenker in Nanjing die General Managerin des Global Technology Solution Centers. Mohr hatte davor bei Daimler China eine Führungsposition im IT-Bereich.

    Ralf Selig ist innerhalb der Volkswagen Group China zum Head of Integrity Office in Beijing geworden. Zuvor war der Personalmanager dort der Project Manager des Together4Integrity-Programms.

    Dessert

    Zwei Stühle, ein Eimer, ein Spielbrett: Zwei Herren vertreiben sich in klassischer chinesischer Manier den Nachmittag in der zentralchinesischen Stadt Pingyao, Shanxi.

    China.Table Redaktion

    CHINA.TABLE REDAKTION

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