Table.Briefing: China

Google kooperiert mit Geely + Kräftiges BIP-Wachstum + Importabhängigkeit

  • Autonomes Fahren: Zeekr (Geely) hilft Waymo (Google)
  • Hohes Wachstum, aber große Sorgen
  • Abhängigkeit vom Ausland
  • E-Auto-Absatz steigt rasch an
  • E-Autos bleiben vorerst steuerfrei
  • VW schließt Fabrik wegen Corona-Ausbruch
  • Klimaziele: Autobauer müssen sich beeilen
  • Personalien: Sorrentino soll als neuer SEG Automotive-Chef China-Präsenz erhöhen
Liebe Leserin, lieber Leser,

vor elf Jahren verabschiedete sich Google aus China, weil das Unternehmen die Ergebnisse seiner Suchmaschine nicht nach Pekinger Vorgaben zensieren wollte. So ganz weg aus der Volksrepublik war der US-Riese aber nie. Seit 2017 betreibt Google ein Forschungszentrum für künstliche Intelligenz in Peking, zudem ist Google Großinvestor beim chinesischen Alibaba-Konkurrenten JD.com. Darüber hinaus bietet Google Apps für Sprachübersetzung und Datenmanagement an. Im Bereich des autonomen Fahrens sind die Chinesen inzwischen schon so weit, dass Google nun auch auf der Suche nach Expertise anklopft. Die Google-Schwester Waymo tut sich mit der Geely-Tochter Zeekr zusammen. Der unschlagbare Vorteil an China: Hersteller von selbstfahrenden Autos können hier besser als irgendwo anders Erfahrungen im Verkehrsalltag sammeln, analysiert Frank Sieren.

Ein Wirtschaftswachstum von Plus 8,1 Prozent für 2021 – das klingt beeindruckend. Das Statistikamt in Peking hat am Montag aktuelle Wirtschaftszahlen vorgelegt. Und sie übertreffen selbst die Vorgaben der Regierung in Peking. Finn Mayer-Kuckuk hat sich die Daten allerdings genauer angeschaut und zeigt: Ob im Immobiliensektor, bei der Infrastruktur oder auf dem Automobilmarkt – Chinas Wirtschaft steht gleich von mehreren Seiten gewaltig unter Druck.

Die Volksrepublik ist Exportweltmeister. Das ist vor allem in Deutschland bekannt, hat man den Titel doch einst an die Volksrepublik abgeben müssen. Weitaus weniger bekannt ist hingegen, dass China auch stark von Importen abhängig ist. Christiane Kühl analysiert, wie stark China vor allem auf den Import von technischen Vorprodukten und Rohstoffen angewiesen ist. Die Regierung sucht intensiv nach Auswegen aus dieser Abhängigkeit. Kommt Ihnen das auch bekannt vor?

Lesen Sie selbst! 

Ihr
Felix Lee
Bild von Felix  Lee

Analyse

Google will wieder nach China – auf vier Rädern

Das Konzept des gemeinsamen Autos von Google-Tochter Waymo und Geely Marke Zeekr sieht kein Lenkrad und frei gestaltbaren Innenraum vor.
Konzept des gemeinsamen Autos von Zeekr und Waymo

Die Geely-Marke Zeekr und das Google-Tochterunternehmen Waymo planen ein vollelektrisches, selbstfahrendes Fahrzeug auf den Markt zu bringenErste Bilder zeigen einen Minivan mit gegenläufig öffnenden Schiebetüren und einem großen Lidar-Radarsystem auf dem Dach. Auf ein Lenkrad sowie Außen- und Rückspiegel wurde zumindest im Entwurf verzichtet. Ein menschlicher Fahrer, der sie gebrauchen könnte, soll nicht mehr nötig sein.

Stattdessen gibt es einen zentralen Bildschirm, der via Sprachsteuerung mit den Insassen kommunizieren kann. Laut Angaben von Zeekr können Kunden die Kabine jedoch auch komplett nach eigenen Wünschen gestalten. Der geräumige E-Minivan soll vor allem in den USA als Ride-Hailing-Fahrzeug für Waymo zum Einsatz kommen.

Wo das noch namenlose Modell gefertigt werden soll, wurde noch nicht bekannt gegeben. Entworfen wird das Fahrzeug laut Angaben von Zeekr in seinem China Europe Vehicle Technology Centre im schwedischen Göteborg. In Schweden deshalb, weil dort auch die Designer der Schwestermarke Volvo sitzen. Die Technik soll auf einer neuen Geely Plattform basieren, die einen “Open-Source”-Ansatz verfolgt. 

Gegenseitige Hilfestellung

Zeekr-CEO Andy An sagt, die strategische Partnerschaft mit Waymo und die Lieferung von Fahrzeugen trage dazu bei, “Erfahrungen, Ideale und Know-How bei der Zusammenarbeit an einem vollelektrischen Fahrzeug zu teilen”. 

Zeekr, die neue E-Auto-Marke des Geely-Konzerns, hat erst im vergangenen Oktober mit der Produktion ihres Modells 001 begonnen. Die Fahrzeuge werden auf Basis von Geelys im September 2020 vorgestellter Elektro-Plattform SEA (Sustainable Experience Architecture) gebaut, die eigene Batterie- und Elektromotortechnologien entwickelt.

Geely-Gründer Li Shufu, der auch der größte Einzelaktionär bei Daimler ist, möchte Zeekr als hippe Lifestyle-Marke etablieren. Entworfen wurde der an schnittigen Porsche-Formen angelehnte 001 ebenfalls im Designzentrum in Göteborg. “Der chinesische Autobauer Geely plant, den amerikanischen Elektroauto-Hersteller Tesla frontal anzugreifen”, meint die Fachzeitung Auto, Motor, Sport

Im Google-Mutterkonzern Alphabet ist Waymo für die Entwicklung selbstfahrender Autos zuständig. Waymo testet seine fahrerlosen Fahrzeuge ohne Sicherheitsfahrer bislang hauptsächlich in Kalifornien und Arizona. Wie Tesla möchte das Unternehmen jedoch auch in China einen Fuß in die Tür bekommen. Die autonome Fahrzeugsparte von Waymo hat in Shanghai bereits ein Unternehmen namens Huimo Business Consulting registriert. “Huimo” ist nicht nur das Wort für Waymo, sondern heißt auf Mandarin übersetzt “Emblem”.

Wenn schon keine Internetsuche, dann zumindest Mobilität

Seine Suchmaschine durfte und wollte Google nicht in China etablieren. Bei den autonomen Fahrzeugen sieht das anders aus. Die Volksrepublik ist nicht nur der größte Automobilmarkt der Welt, sondern neben den USA auch das wichtigste Testfeld für autonome Fahrzeuge. Seit 2019 hat sich die Zahl der Testprojekte selbstfahrender Autos auf chinesischen Straßen mehr als verdoppelt. Nirgendwo werden so viele softwaregestützte Automobile entwickelt wie hier. Im teils chaotischen Verkehr Chinas werden riesige Datenpools generiert. Diese sind wiederum der Treibstoff für Fortschritte und Verbesserungen der gesamten autonomen Fahrzeugindustrie.

Lange war Waymo führend, was das autonome Fahren betrifft. Doch inzwischen wurden die Amerikaner von chinesischen Spezialisten für selbstfahrende Autos überholt. Zum Beispiel von Auto X aus Shenzhen. Bereits im vergangenen Dezember eröffnete die erste Produktion für autonom fahrenden Taxis des Level 4.

Die Autos sind bereits seit einem Jahr in dem 168 Quadratkilometer großen Stadtviertel Pingshan im dichten Alltagsverkehr unterwegs. Bei Waymo sitzen dagegen noch immer noch Fahrer in den Autos, zum Beispiel “bei schlechtem Wetter”, wie eine Sprecherin von Waymo einräumt. Allerdings bekommen Fahrgäste den Hinweis auf ihrer App auch, wenn die Sonne scheint. Bei Auto X ist man aus diesem Stadium längst heraus. Zudem ist der Straßenverkehr in Shenzhen viel dichter als in Phoenix. 

Der chinesische Staat fördert das autonome Fahren,  indem er etwa das öffentliche Straßennetz mit der nötigen Infrastruktur ausstattet. Der Ausbau des 5G-Netzes soll die Hochgeschwindigkeitsübertragung von Daten zwischen Autos und Verkehrssystemen beschleunigen. Auch bei diesem Thema hinken die USA hinter. 

Autonomes Fahren: Der Staat macht Druck

Langfristiges Ziel ist natürlich auch hier die Expansion ins Ausland: Wie bei der Elektromobilität will China auch beim autonomen Fahren von Anfang an als Marktführer globale Standards setzen. Laut der Entwicklungsstrategie für “intelligente Fahrzeuge”, die im Februar 2020 von der Nationalen Entwicklungs- und Reformkommission veröffentlicht wurde, strebt China bis 2025 die Massenproduktion autonomer Fahrzeuge der Stufe 3 an. Das autonome Fahren der Stufe 3 ermöglicht es, den Fahrzeugen unter bestimmten Bedingungen ganz das Steuer zu überlassen, etwa beim Einparken oder bei Spurwechseln. Auto X ist schon einen Schritt weiter. Waymo arbeitet auch mit Geely zusammen, um nunmehr seine Entwicklung mit chinesischem Knowhow zu beschleunigen. 

Neben Waymo investiert auch General Motors in China in die Selbstfahrtechnologie. Der US-Autobauer hat dafür etwa 300 Millionen Dollar in das Pekinger E-Auto-Startup Momenta gesteckt. Momenta hat wiederum ein Joint Venture mit BYD gegründet, um autonome Fahrfunktionen in BYD-Autos einzusetzen. In China ist der Suchmaschinenanbieter Baidu auf dem Feld der autonomen Autos aber bislang führend. 

Seit Oktober testet Baidu seine Apollo-Go-Robotertaxis in Peking – ohne Fahrer hinter dem Lenkrad, aber wie Waymo mit Sicherheitspersonal an Bord für Notfälle. Derzeit sind 67 selbstfahrende Autos im Distrikt Yizhuang am Rande Pekings im Einsatz. Baidu-CEO Robin Li will seinen Apollo-Go-Robotertaxi-Dienst bis 2025 auf 65 Städte und bis 2030 auf 100 Städte ausweiten. Alle Hersteller haben bereits den Level 5 im Blick. Das ist der Level, bei dem das Auto unter allen denkbaren Bedingungen autonom fahren kann. Das US-Magazin Automotive World geht davon aus, dass sich dieser Level nur durchsetzen wird, wenn sich die großen Player zusammentun. Die Kooperation zwischen Waymo und Geely ist ein erster Schritt dafür.

Mehr zum Thema:

    • Autoindustrie

    Hohes Wachstum, aber große Sorgen

    Chinas WIrtschaftswachstum ist derzeit durch die Corona-Pandemie verzerrt.
    Ein Corona-Ausreißer nach unten und die anschließende Erholung verzerren derzeit die Statistik

    Chinas Wachstum hat die eigenen Planvorgaben abermals übertroffen. Die Wirtschaftsleistung ist 2021 um 8,1 Prozent gestiegen. Das teilte das Nationale Statistikamt in Peking am Montag mit. Premier Li Keqiang hatte im vergangenen März “über sechs Prozent” angekündigt. Angesichts der Immobilien-Schwäche und einer langgestreckten Pandemie erwarten Analysten für das laufende Jahr jedoch einen niedrigeren Wert. Die Chinese Academy of Social Sciences rechnet für 2022 mit 5,5 Prozent. Die chinesische Notenbank teilt diese Einschätzung.

    Ein weiterer Grund für niedrigere Wachstumserwartungen liegt in der Statistik selbst. Der hohe Wert des vergangenen Jahres war vom Corona-Durchhänger vor zwei Jahren beeinflusst. Die Verteilung im Jahresverlauf zeigte daher auch eine stark abnehmende Kurve. Zu Jahresbeginn gab es einen ersten Post-Corona-Effekt mit einem Wachstum von 18,3 Prozent. Das Jahresendquartal kam dann nur noch auf ein Plus von knapp vier Prozent.

    Die Wachstumszahlen der ersten Monate 2021 beziehen sich eben auf das Horror-Quartal des ersten Corona-Ausbruchs Anfang 2020. Die Wirtschaftsdaten gegen Jahresende mussten sich dagegen wieder mit einer gesunden Situation vergleichen lassen. Das gilt auch für das laufende erste Quartal des aktuellen Jahres. Die Märkte müssen sich also wieder an niedrige einstellige Zahlen gewöhnen.

    Zentralbank will das Wachstum auffangen und senkt den Zins

    Für die Analysten des Bankhauses Nomura stehen derzeit die Corona-Risiken im Vordergrund. Bis zum Ende der Olympischen Winterspiele in China (4. bis 20. Februar) werden selbst einzelne positive Testergebnisse zu großflächigen Lockdowns führen. Diese schlagen wiederum auf die Wirtschaftsaktivität. “Wie im vergangenen Jahr werden viele Menschen zudem nicht zum chinesischen Neujahrsfest in ihre Heimatorte zurückkehren können”, erwarten die Nomura-Ökonomen Lu Ting und Wang Jing. Das bremse den Konsum und die Reise-Umsätze.

    Die kurzfristig so ungünstigen Wirtschaftsaussichten sind auch der Grund für die Handlungen der Zentralbank vom Montag. Die People’s Bank of China (PBoC) hat zwei Leitzinsen gesenkt. Angesicht des gerade erst gemeldeten Turbo-Wachstums von über acht Prozent wirkt das zunächst paradox. Doch die PBoC will das Wachstum stützen, bevor es ganz in den Keller rauscht. Dazu führt sie der Wirtschaft mehr Geld zu.

    Experten erwarten im Jahresverlauf daher eine weiterhin lockere Geldpolitik. In der ersten Jahreshälfte könnte es weitere Zinssenkungen geben, so die Nomura-Analysten. Auch eine Senkung des Mindestreservesatzes sei möglich. Das gäbe den Banken mehr Spielraum, um Kredite zu vergeben.

    Parallel könnte die PBoC zudem Währungen wie Euro und Dollar am Devisenmarkt kaufen. So würde sie den Kurs des Yuan drücken. Die Rückkehr von Corona durch weltweite Omikron-Ausbrüche werden nach Auffassung von Analysten den Handel belasten. Ein niedrigerer Yuan-Kurs könnte da den Export stützen.

    Parallel ist mit einer Ausweitung der staatlichen Ausgaben für Infrastruktur zu rechnen. Wenn den privaten Immobilienfirmen das Geld ausgeht (China.Table berichtete), dann springt eben der Staat ein, um für neue Bauprojekte zu sorgen. Und derzeit sehen die Indikatoren im Immobiliensektor ziemlich düster aus. Die Investitionen sind im Dezember im Jahresvergleich um 13,9 Prozent gefallen. Der Verkauf neuer Wohnungen und Häuser fiel im November und Dezember um 17,8 und 15,6 Prozent. Der Indikator für neue Hausbauprojekte stürzte gar um 31,1 Prozent ab. Die Immobilienfirmen haben schlicht kein Geld mehr.

    Schlechte Kauflaune im Einzelhandel und am Automarkt

    Auch die anderen wichtigen Stützen der Konjunktur schwächeln. Der Einzelhandel verzeichnete im Dezember lediglich ein Wachstum von 1,7 Prozent. Da die Inflation zugleich 2,2 Prozent betrug, ist der Umsatz preisbereinigt sogar zurückgegangen. Auch der Automarkt sah nicht gut aus. Im Dezember sank der Verkauf um 7,4 Prozent, nachdem er im November bereits um neun Prozent zurückgegangen war. Anders als die Absatzzahlen nach Stück beziehen sich diese Werte auf den Wert der umgesetzten Ware.

    Es ergibt sich also das Gesamtbild einer Wirtschaft, die von zwei Seiten unter Druck steht. Die Pandemie zieht sich länger hin als erhofft. Zugleich wirken langfristige Effekte: Die Schwäche am Immobilienmarkt ist die Rechnung für einen kreditgetriebenen Boom. Eine Krise kommt eben selten allein. Außerdem befindet sich das chinesische Wachstum insgesamt im Sinkflug. Je größer eine Volkswirtschaft wird, desto weniger hohe prozentuale Zuwächse sind zu erwarten.

    Zugleich bleibt die Regierung wie gewohnt handlungsfähig. Zwar befindet sich das Land derzeit in einer Zero-Covid-Falle mit unzureichender Grundimmunität (China.Table berichtete). Umso befreiender und spektakulärer würde ein Ende der Lockdowns wirken. Auch eine Öffnung für internationale Geschäftsreisende hätte einen enorm belebenden Effekt. Derzeit deutet aber vieles darauf hin, dass es auch im Jahr 2022 dazu nicht kommen wird.

    Mehr zum Thema:

      • Autoindustrie
      • Leitzinsen

      Öl und Soja: “Schicksal der Nation”

      Beim Stichwort Importabhängigkeit drängt sich vor allem ein Rohstoff auf: Erdöl. Die Volksrepublik China ist seit 2017 der weltgrößte Ölimporteur. Und die Lücke zwischen einer stagnierenden Produktionsmenge zuhause und der noch immer wachsenden Nachfrage wird immer größer. Damit nicht genug: Öl ist nicht der einzige Rohstoff, von dem China zu wenig besitzt. Außer der fragilen Energiesicherheit gibt es weitere Schwachstellen.

      China müsse eine “strategische Basis” für die Selbstversorgung mit wichtigen Rohstoffen von Energie bis Sojabohnen schaffen, betonte Präsident Xi Jinping im Dezember auf der jährlichen Wirtschaftskonferenz der Kommunistischen Partei. “Für ein großes Land wie unseres ist es eine zentrale strategische Frage, dass wir die Versorgung mit Vorprodukten sicherstellen können”, beschwor Xi die Delegierten. “Sojabohnen, Eisenerz, Rohöl, Erdgas, Kupfer und Aluminiumerze sind alle verknüpft mit dem Schicksal unserer Nation.”

      2021 wuchsen Chinas Importe um 21,5 Prozent auf 17,37 Billionen Yuan (2,4 Billionen Euro). Der Zuwachs wurde zuletzt vor allem von der steigenden Nachfrage nach Rohstoffen für den Energiesektor sowie Metallen angetrieben. Konzepte wie die von Xi 2020 präsentierte “Duale Zirkulation” sollen daher die Rolle des Binnenmarktes stärken. Der 14. Fünfjahresplan peilt etwa eine technologische Unabhängigkeit des Landes bis 2025 an. Doch zumindest kurzfristig braucht China die Einfuhren.

      Das Thema gewinnt daher auf der langfristigen Agenda des Landes unter Xi immer größere Priorität. Bei Rohstoffen wie Sojabohnen, Eisenerz, Rohöl, Erdgas, Kupfer, Bauxit und Gold stammen bis zu 80 Prozent des chinesischen Verbrauchs aus dem Ausland. Im Technologiesektor sind es vor allem Halbleiter, die China einführen muss: Das Land ist seit 2005 der weltgrößte Chip-Importeur. Doch auch andere Technologien und Komponenten muss China weitgehend im Ausland beschaffen. Dazu gehören nach einer neuen Studie des Center for Security and Emerging Technology (CEST) der US-amerikanischen Georgetown University etwa Lidar-Systeme für selbstfahrende Autos, Motorgehäuse für Verkehrsflugzeuge oder Reagenzien für Gen-Editing-Kits.

      Chinas Importe im Mahlstrom der Geopolitik

      Die geopolitischen Spannungen zwischen China und dem Westen, allen voran mit den USA, haben längst Einfluss auf die Importe des Landes. 2018 gerieten die Lieferungen amerikanischer Sojabohnen nach China in den Mahlstrom des Handelskrieges. Der wachsende Fleischkonsum der Chinesen treibt die Nachfrage nach Mais und Sojabohnen als Futtermittel enorm nach oben. In den vergangenen 20 Jahren verzehnfachten sich die Sojabohnenimporte von 10,4 Millionen auf 100,3 Millionen Tonnen. Auch hier ist die Volksrepublik mit großem Abstand Spitzenreiter in der Welt.

      Durch den Handelskonflikt mit Washington halbierten sich die chinesischen Einfuhren von US-Sojabohnen von 32,9 Milliarden Tonnen im Jahr 2017 auf nur noch 16,6 Millionen Tonnen im Jahr 2018. China wandte sich an Brasilien, um die Lücke zu schließen. Heute liefert Brasilien 60 Prozent der Soja-Importe des Landes. 30 Prozent kommen nach wie vor aus den USA. Doch Brasiliens Produktion kommt der Nachfrage aus China nicht mehr hinterher. Peking versucht daher, sich weitere Kanäle in Russland und Südostasien aufzubauen. Zumal der Import-Bedarf noch weiter zunehmen wird, weil im eigenen Land die Anbaufläche schrumpft; 2021 um satte 14,8 Prozent. Nach Angaben des Nationalen Statistikamtes geben viele Bauern aufgrund der niedrigen Margen den Soja-Anbau auf.

      Auch schneidet die US-Politik der “schwarzen Listen” von Ex-Präsident Donald Trump seit Jahren viele chinesische Firmen von wichtigen Komponenten ab. Trump setzte ab 2018 hunderte chinesische Unternehmen auf die harmlos klingende “Entity List” des Handelsministeriums. Das kam einem Verbot für amerikanischen Unternehmen gleich, an diese chinesischen Unternehmen zu verkaufen. Die Biden-Regierung hat diese Liste beibehalten. Im Dezember fügte sie sogar weitere Firmen hinzu, darunter den KI-Spezialisten Sensetime und den führenden Drohnenhersteller DJI.

      China braucht Technologie-Vorprodukte aus dem Ausland

      China profitierte in früheren Jahren auch vom Technologietransfer des Auslands. Doch die Tech-Investitionen der USA brachen laut CEST seit 2016 um 96 Prozent ein: “Peking war gezwungen, nach neuen Wegen zur Beschaffung von Schlüsseltechnologien zu suchen – und sich an Briefkastenfirmen und Zwischenhändler zu wenden, um ausländische Komponenten, Reagenzien und andere relevante Geräte zu beschaffen.” Zwar seien weniger als zehn Prozent der Ausrüstungslieferanten des chinesischen Militärs auf den US-Exportkontroll- und Sanktionslisten aufgeführt, so die Experten. Aber: “Manche machen ihr Geschäft damit, Ausrüstungen mit US-Ursprung zu verpacken und an sanktionierte chinesische Militäreinheiten weiterzuverkaufen.” Diese Grauzone hilft China zwar kurzfristig. Die Abhängigkeit vom Ausland aber schmälert dieser Kniff nicht.

      China sei bei 35 Schlüsseltechnologien auf Importe angewiesen, die es im Inland nicht in ausreichender Qualität oder Quantität produzieren könne, schrieb CEST-Forscherin Emily Weinstein Anfang Januar unter Berufung auf Chinas Bildungsministerium. Zu diesen Technologien gehören Hochleistungs-Gasturbinen, Hochdruck-Kolbenpumpen, Stahl für hochwertige Lager, Fotolithografiemaschinen, industrielle Software und mehr. Also ein ganzes Arsenal an Hochtechnologie, das eine Wirtschaftsmacht benötigt, um langfristig eine Führungsrolle in der Welt beanspruchen zu können.

      Chinas Halbleiter-Importe größer als Öl-Einfuhren

      Heute, in Zeiten des globalen Chipmangels, ringt Peking zudem mit der EU und den USA um Halbleiter-Lieferungen des taiwanischen Weltmarktführers TSMC. 2020 importierte China Halbleiter im Wert von 350 Milliarden US-Dollar – mehr als sein Importvolumen für Erdöl. Laut dem Fachmagazin Technode verzeichnete China 2020 bei Halbleitern ein Handelsdefizit von 233,4 Milliarden US-Dollar. Bei Rohöl waren es “nur” 185,6 Milliarden US-Dollar. Trotz des Defizits verzeichnete die Volksrepublik 2020 über alle Warengruppen hinweg einen Handelsüberschuss von rund 590 Milliarden US-Dollar, 2021 kletterte der Überschuss sogar auf 676 Milliarden. 60 Prozent der importierten Halbleiter waren 2020 übrigens Komponenten für Chinas Exportprodukte wie Tablets und andere Elektronikwaren.

      Nachdem Washington Chinas Branchenprimus SMIC aus Shenzhen 2020 auf die “Entity List” gesetzt hatte, hatte das Unternehmen Mühe, moderne 7-Nanometer-Chips herzustellen. “SMIC fehlen die teuren Werkzeugmaschinen, um sie herzustellen”, schrieb Forscherin Weinstein. US-Exportkontrollen legten demnach die Chip-Tochter HiSilicon von Huawei lahm. Auch deshalb will China 70 Prozent der für seine Tech-Industrie und den Autosektor benötigten Chips ab 2025 selbst produzieren. Doch das Ziel ist vage formuliert; und selbst dann wird es weiterhin viele der unzähligen Vorprodukte aus dem Ausland beziehen müssen.

      Trotz aller Maßnahmen zur Stärkung von Chinas Position als Wissenschafts- und Technologiezentrum tue sich die Kommunistische Partei schwer, inländische Lieferketten für wichtige Rohstoffe wie Halbleiter und Gasturbinen aufzubauen, schreibt Weinstein. China werde wahrscheinlich bis weit in die 2020er Jahre auf ausländische Ausrüstung angewiesen bleiben. Darüber hinaus führe Chinas Weg zu ausländischer Technologie vor allem über US-Verbündete wie Australien, Japan, Südkorea und Großbritannien.

      Rohstoffe und die Geopolitik: Beispiel Eisenerz

      Auch Rohstoffe muss China von geopolitischen Rivalen beziehen – so etwa das Erdgas für den Winter (China.Table berichtete). 60 Prozent seiner Eisenerz-Importe bezieht China derweil aus Australien. Mit Canberra aber sind Pekings Beziehungen auf dem Tiefpunkt. China piesackt Australien mit Strafzöllen oder Einfuhrverboten etwa für Rindfleisch, Hummer, Gerste und Wein, seit Canberra eine unabhängige Untersuchung der Ursprünge von Covid-19 gefordert hat. Australien hat sich seither mehreren Sicherheitsbündnissen angeschlossen, die implizit gegen China gerichtet sind. Gerade erst besiegelte es eine Partnerschaft mit Japan (China.Table berichtete).

      An die Eisenerz-Importe aus Down Under wagte sich Peking bislang nicht heran. Doch missfällt China die Abhängigkeit von australischem Erz. Die Volksrepublik sucht deshalb nach Alternativen. Eine fand es 2020 in der Hügelkette Simandou im westafrikanischen Guinea. Dort soll die weltweit größte Reserve an unerschlossenem hochwertigen Eisenerz liegen. Neben der Erschließung der Mine müssen 650 Kilometer Eisenbahnstrecke und ein moderner Erzhafen gebaut werden. 2020 sicherte sich China als Teil eines Konsortiums mit Firmen aus Frankreich und Singapur zwei von vier Abschnitten der geplanten Mine.

      Doch Guinea ist politisch instabil. Erst im September 2021 stürzte ein Militärputsch den Präsidenten Alpha Conde. Seither regiert der Putschistenführer, Oberst Mamady Doumbouya. Peking kritisierte den Putsch – ungewöhnlicherweise. Denn niemand weiß, ob die Armee nun den Minen-Vertrag anerkennt. Doch China ist schon jetzt abhängig von Guinea: Das Land liefert den Chinesen 55 Prozent seines Bauxit-Bedarfs für die Aluminiumindustrie.

      Mehr zum Thema:

        • Chips
        • Halbleiter
        • Handel
        • Import
        • Technologie
        • USA

        News

        Markt für E-Autos wächst rasant

        Im vergangenen Jahr wurden in China 2,9 Millionen batterielektrische Fahrzeuge verkauft, darunter 2,73 Millionen Pkw. Das markiert einen Anstieg von 160 Prozent im Vergleich zum Vorjahr, wie aus neuen Daten des Chinesischen Verbands der Automobilhersteller hervorgeht. Die Verkäufe von Plug-In-Hybriden verdoppelten sich auf 600.000 Einheiten. Insgesamt wurden in der Volksrepublik im vergangenen Jahr 26,3 Millionen Kraftfahrzeuge verkauft (plus 3,8 Prozent), davon knapp 21,5 Millionen Pkw. Gemeinsam machten die in China als New Energy Vehicles (NEV) bezeichneten Autos mit alternativem Antrieb gut 15 Prozent aller verkauften Pkw aus. Es wird geschätzt, dass 60 Prozent aller weltweiten NEV-Verkäufe auf China entfallen, so Nikkei.Asia.

        Polestar erreicht Verkaufsziel

        Auch das chinesisch-schwedische Gemeinschaftsprojekt Polestar konnte positive Absatzzahlen vermelden. Das Unternehmen von Geely und Volvo hat im vergangenen Jahr weltweit 29.000 Fahrzeuge verkauft und ist mittlerweile in 19 Ländern aktiv, wie das Fachportal Electrive meldet. Das Unternehmen will in diesem Jahr in weitere Märkte expandieren. In Deutschland verkauft die Marke bisher allerdings nur einige hundert Autos pro Monat. nib

        Mehr zum Thema:

          • Autoindustrie

          Elektroautos bleiben vorerst steuerfrei

          China wird wohl weiterhin keine Kaufsteuer auf Elektroautos erheben. Die jährliche regierungsübergreifende Arbeitskonferenz zur Entwicklung der Elektromobilität wolle eine Verlängerung und Ausweitung der Steuervergünstigungspolitik prüfen, berichtet das Beratungsunternehmen Trivium China. Erklärtes Ziel sei es, “die Markterwartungen zu stabilisieren”.

          Käufer von Elektroautos, Plug-in Hybriden und Brenstoffzellenautos sind auch 2022 noch von der Kaufsteuer in Höhe von zehn Prozent befreit. Wie es danach weitergeht, ist unklar. Der Erhalt dieser Befreiung ist vor allem angesichts des seit langem geplanten Auslaufens der direkten Kaufsubventionen für Elektroautos wichtig. Diese Subventionen sollten ursprünglich bereits 2020 auslaufen. Doch angesichts der Coronavirus-Pandemie verlängerte Peking die Zahlungen. 2022 werden sie nach Angaben um 30 Prozent gegenüber 2021 gekürzt. ck

          Mehr zum Thema:

            • Autoindustrie

            Wegen Corona: VW schließt Werk in Tianjin vorübergehend

            Volkswagen (VW) hat wegen eines Covid-Ausbruchs in der Belegschaft sein Werk in Tianjin vorübergehend heruntergefahren. Die Autofabrik in Nordchina, die etwa 100 Kilometer von der Hauptstadt Peking entfernt liegt, habe bereits zu Wochenanfang den Betrieb eingestellt, nachdem sich Mitarbeiter mit dem Virus angesteckt hätten, sagte ein Sprecher am Donnerstag. Am Mittwoch wurden 41 Fälle von im Inland übertragenen Infektionen mit bestätigten Symptomen gemeldet nach 33 am Tag zuvor, wie aus Daten der nationalen Gesundheitskommission hervorging.

            An dem Standort betreibt VW zusammen mit seinem chinesischen Partner FAW ein Komponentenwerk und einen Betrieb für Automatikgetriebe. Beide Werke hätten alle Mitarbeiter in dieser Woche zwei Mal getestet und warteten nun auf die Ergebnisse. Man hoffe, die Produktion bald wieder aufnehmen und die Ausfälle nachholen zu können. Volkswagen hat seit Ausbruch der Pandemie vor gut zwei Jahren in China an mehreren Standorten die Produktion vorübergehend stoppen müssen.

            BDI rechnet durch Corona weiter mit Lieferketten-Problemen

            Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) rechnet für 2022 weiterhin mit Lieferkettenproblemen durch die Corona-Pandemie. Zwar seien die Auftragsbücher der Industrie-Unternehmen in Deutschland voll, aber fehlende oder zu spät gelieferte Rohstoffe und Vorprodukte könnten die Produktion unterbrechen. In der Auto-Industrie sei das Schlimmste vermutlich überstanden, in anderen Branchen sei dies erst Ende des Jahres zu erwarten. “Diese Engpässe bremsen die industrielle Wertschöpfung in den Jahren 2021 und 2022 um jeweils mehr als 50 Milliarden Euro aus”, sagte BDI-Präsident Siegfried Russwurm am Donnerstag in Berlin. Trotz dieser Einschränkungen rechnet der Verband mit einem Wirtschaftswachstum von 3,5 Prozent für das Jahr 2022. Die Exporte könnten gar um vier Prozent zunehmen.

            In China wurden derweil zwei Omikron-Fälle in der Hafen-Stadt Dalian gemeldet. Es handelt sich um Studenten, die von einem Besuch in Tianjin zurückkamen. Dalian ist nach Tianjin die zweite wichtige Hafenstadt in China mit bestätigten Omikron-Fällen. Ihre Häfen gehören zu den zwanzig größten der Welt, berichtet Bloomberg. Große Firmen wie Volkswagen, Toyota und Airbus haben in den Städten Fabriken. Auch Toyota musste die Bänder stillstehen lassen.

            Zudem gibt es Berichte darüber, dass Containerschiffe den Hafen in Ningbo meiden und stattdessen nach Shanghai ausweichen. In Ningbo war es aufgrund von Coronavirus-Infektionen zu Verzögerungen gekommen, weil der LKW-Verkehr zum Hafen beeinträchtigt wurde. Vor dem Hafen Shanghai kam es demnach zu Staus. Die Fahrpläne für Containerschiffe verschieben sich um circa eine Woche, berichten Spediteure Bloomberg. Die Verspätungen könnten sich wie schon im vergangenen Jahr bis in die USA und nach Europa ausbreiten. nib/rtr

            Mehr zum Thema:

              • Autoindustrie

              Greenpeace: Autobauer müssen sich schneller wandeln

              Die Autobranche in China könnte die staatliche Vorgabe verfehlen, bis 2060 Klimaneutralität zu erzielen. Vor dieser Entwicklung warnte am Dienstag die Umweltorganisation Greenpeace in einem Report. Zwar befinden sich die Hersteller mit ihrer derzeitigen Weichenstellung auf einem guten Weg, einen Höhepunkt der Emissionen im Jahr 2027 zu erreichen. Doch in den folgenden Jahrzehnten ist der Rückgang des Verkaufs von Benzinern dann zu langsam angesetzt. “Idealerweise müssten die Autohersteller in China den Verkauf von Ottomotoren schon 2030 vollständig auslaufen lassen”, sagt Bao Hang, der zuständige Projektleiter bei Greenpeace East Asia. Bisher sei das nicht realistisch. Die Regierung müsse daher härtere Quoten vorgeben.

              In dem Report geht es um den Treibhausgasausstoß der Produkte der Auto-Hersteller, nicht um deren eigene Emissionen in der Herstellung. Um die in China umherfahrenden Autos alle klimaneutral zu machen, müssen die Anbieter schon lange vor der Deadline ausschließlich emissionsfreie Wagen verkaufen. Es handelt sich schließlich um langlebige Waren. Bisher hat beispielsweise Volkswagen den Plan bekannt gegeben, den Anteil rein elektrischer Autos bis 2030 auf die Hälfte hochzutreiben. Nötig seien jedoch 63 Prozent, so Greenpeace.

              Die inländischen Anbieter haben hier einen Vorsprung. SAIC, Great Wall Motor, Dongfeng Motor, Geely und Changan Automobile haben die Umstellung auf rein elektrische Antriebe früher ins Auge gefasst als Volkswagen, Nissan, Toyota, Honda, Hyundai, Mercedes und BMW. Der Übergang zum emissionsfreien Fahren funktioniere nicht, indem die Branche noch lange Benziner verkaufe, warnte Bao. fin

              Mehr zum Thema:

                • Autoindustrie

                Personalien

                Ferdinando Sorrentino wird neuer Chef des Auto-Zulieferers SEG Automotive mit Sitz in Stuttgart. Sorrentino folgt auf Peter Sokol und Frank-Lorenz Dietz, die das Unternehmen verlassen haben. Er soll die Marktpräsenz in China erhöhen.

                Daniel Zhang Yong ist aus dem Aufsichtsrat von Weibo zurückgetreten. Der Vorstandsvorsitzende der Alibaba Group Holding hatte erst vor wenigen Tagen den Aufsichtsrat des Ride-Hailing-Unternehmens Didi Chuxing verlassen.

                Dirk Erlacher, Geschäftsführer und einer der Gründer des Robotik-Unternehmens Agilox, wird nach Shanghai übersiedeln, um dort den asiatischen Markt aufzubauen. Das österreichische Start-up hat sich auf intelligente fahrerlose Transportsysteme spezialisiert.

                China.Table Redaktion

                CHINA.TABLE REDAKTION

                Licenses:
                  • Autonomes Fahren: Zeekr (Geely) hilft Waymo (Google)
                  • Hohes Wachstum, aber große Sorgen
                  • Abhängigkeit vom Ausland
                  • E-Auto-Absatz steigt rasch an
                  • E-Autos bleiben vorerst steuerfrei
                  • VW schließt Fabrik wegen Corona-Ausbruch
                  • Klimaziele: Autobauer müssen sich beeilen
                  • Personalien: Sorrentino soll als neuer SEG Automotive-Chef China-Präsenz erhöhen
                  Liebe Leserin, lieber Leser,

                  vor elf Jahren verabschiedete sich Google aus China, weil das Unternehmen die Ergebnisse seiner Suchmaschine nicht nach Pekinger Vorgaben zensieren wollte. So ganz weg aus der Volksrepublik war der US-Riese aber nie. Seit 2017 betreibt Google ein Forschungszentrum für künstliche Intelligenz in Peking, zudem ist Google Großinvestor beim chinesischen Alibaba-Konkurrenten JD.com. Darüber hinaus bietet Google Apps für Sprachübersetzung und Datenmanagement an. Im Bereich des autonomen Fahrens sind die Chinesen inzwischen schon so weit, dass Google nun auch auf der Suche nach Expertise anklopft. Die Google-Schwester Waymo tut sich mit der Geely-Tochter Zeekr zusammen. Der unschlagbare Vorteil an China: Hersteller von selbstfahrenden Autos können hier besser als irgendwo anders Erfahrungen im Verkehrsalltag sammeln, analysiert Frank Sieren.

                  Ein Wirtschaftswachstum von Plus 8,1 Prozent für 2021 – das klingt beeindruckend. Das Statistikamt in Peking hat am Montag aktuelle Wirtschaftszahlen vorgelegt. Und sie übertreffen selbst die Vorgaben der Regierung in Peking. Finn Mayer-Kuckuk hat sich die Daten allerdings genauer angeschaut und zeigt: Ob im Immobiliensektor, bei der Infrastruktur oder auf dem Automobilmarkt – Chinas Wirtschaft steht gleich von mehreren Seiten gewaltig unter Druck.

                  Die Volksrepublik ist Exportweltmeister. Das ist vor allem in Deutschland bekannt, hat man den Titel doch einst an die Volksrepublik abgeben müssen. Weitaus weniger bekannt ist hingegen, dass China auch stark von Importen abhängig ist. Christiane Kühl analysiert, wie stark China vor allem auf den Import von technischen Vorprodukten und Rohstoffen angewiesen ist. Die Regierung sucht intensiv nach Auswegen aus dieser Abhängigkeit. Kommt Ihnen das auch bekannt vor?

                  Lesen Sie selbst! 

                  Ihr
                  Felix Lee
                  Bild von Felix  Lee

                  Analyse

                  Google will wieder nach China – auf vier Rädern

                  Das Konzept des gemeinsamen Autos von Google-Tochter Waymo und Geely Marke Zeekr sieht kein Lenkrad und frei gestaltbaren Innenraum vor.
                  Konzept des gemeinsamen Autos von Zeekr und Waymo

                  Die Geely-Marke Zeekr und das Google-Tochterunternehmen Waymo planen ein vollelektrisches, selbstfahrendes Fahrzeug auf den Markt zu bringenErste Bilder zeigen einen Minivan mit gegenläufig öffnenden Schiebetüren und einem großen Lidar-Radarsystem auf dem Dach. Auf ein Lenkrad sowie Außen- und Rückspiegel wurde zumindest im Entwurf verzichtet. Ein menschlicher Fahrer, der sie gebrauchen könnte, soll nicht mehr nötig sein.

                  Stattdessen gibt es einen zentralen Bildschirm, der via Sprachsteuerung mit den Insassen kommunizieren kann. Laut Angaben von Zeekr können Kunden die Kabine jedoch auch komplett nach eigenen Wünschen gestalten. Der geräumige E-Minivan soll vor allem in den USA als Ride-Hailing-Fahrzeug für Waymo zum Einsatz kommen.

                  Wo das noch namenlose Modell gefertigt werden soll, wurde noch nicht bekannt gegeben. Entworfen wird das Fahrzeug laut Angaben von Zeekr in seinem China Europe Vehicle Technology Centre im schwedischen Göteborg. In Schweden deshalb, weil dort auch die Designer der Schwestermarke Volvo sitzen. Die Technik soll auf einer neuen Geely Plattform basieren, die einen “Open-Source”-Ansatz verfolgt. 

                  Gegenseitige Hilfestellung

                  Zeekr-CEO Andy An sagt, die strategische Partnerschaft mit Waymo und die Lieferung von Fahrzeugen trage dazu bei, “Erfahrungen, Ideale und Know-How bei der Zusammenarbeit an einem vollelektrischen Fahrzeug zu teilen”. 

                  Zeekr, die neue E-Auto-Marke des Geely-Konzerns, hat erst im vergangenen Oktober mit der Produktion ihres Modells 001 begonnen. Die Fahrzeuge werden auf Basis von Geelys im September 2020 vorgestellter Elektro-Plattform SEA (Sustainable Experience Architecture) gebaut, die eigene Batterie- und Elektromotortechnologien entwickelt.

                  Geely-Gründer Li Shufu, der auch der größte Einzelaktionär bei Daimler ist, möchte Zeekr als hippe Lifestyle-Marke etablieren. Entworfen wurde der an schnittigen Porsche-Formen angelehnte 001 ebenfalls im Designzentrum in Göteborg. “Der chinesische Autobauer Geely plant, den amerikanischen Elektroauto-Hersteller Tesla frontal anzugreifen”, meint die Fachzeitung Auto, Motor, Sport

                  Im Google-Mutterkonzern Alphabet ist Waymo für die Entwicklung selbstfahrender Autos zuständig. Waymo testet seine fahrerlosen Fahrzeuge ohne Sicherheitsfahrer bislang hauptsächlich in Kalifornien und Arizona. Wie Tesla möchte das Unternehmen jedoch auch in China einen Fuß in die Tür bekommen. Die autonome Fahrzeugsparte von Waymo hat in Shanghai bereits ein Unternehmen namens Huimo Business Consulting registriert. “Huimo” ist nicht nur das Wort für Waymo, sondern heißt auf Mandarin übersetzt “Emblem”.

                  Wenn schon keine Internetsuche, dann zumindest Mobilität

                  Seine Suchmaschine durfte und wollte Google nicht in China etablieren. Bei den autonomen Fahrzeugen sieht das anders aus. Die Volksrepublik ist nicht nur der größte Automobilmarkt der Welt, sondern neben den USA auch das wichtigste Testfeld für autonome Fahrzeuge. Seit 2019 hat sich die Zahl der Testprojekte selbstfahrender Autos auf chinesischen Straßen mehr als verdoppelt. Nirgendwo werden so viele softwaregestützte Automobile entwickelt wie hier. Im teils chaotischen Verkehr Chinas werden riesige Datenpools generiert. Diese sind wiederum der Treibstoff für Fortschritte und Verbesserungen der gesamten autonomen Fahrzeugindustrie.

                  Lange war Waymo führend, was das autonome Fahren betrifft. Doch inzwischen wurden die Amerikaner von chinesischen Spezialisten für selbstfahrende Autos überholt. Zum Beispiel von Auto X aus Shenzhen. Bereits im vergangenen Dezember eröffnete die erste Produktion für autonom fahrenden Taxis des Level 4.

                  Die Autos sind bereits seit einem Jahr in dem 168 Quadratkilometer großen Stadtviertel Pingshan im dichten Alltagsverkehr unterwegs. Bei Waymo sitzen dagegen noch immer noch Fahrer in den Autos, zum Beispiel “bei schlechtem Wetter”, wie eine Sprecherin von Waymo einräumt. Allerdings bekommen Fahrgäste den Hinweis auf ihrer App auch, wenn die Sonne scheint. Bei Auto X ist man aus diesem Stadium längst heraus. Zudem ist der Straßenverkehr in Shenzhen viel dichter als in Phoenix. 

                  Der chinesische Staat fördert das autonome Fahren,  indem er etwa das öffentliche Straßennetz mit der nötigen Infrastruktur ausstattet. Der Ausbau des 5G-Netzes soll die Hochgeschwindigkeitsübertragung von Daten zwischen Autos und Verkehrssystemen beschleunigen. Auch bei diesem Thema hinken die USA hinter. 

                  Autonomes Fahren: Der Staat macht Druck

                  Langfristiges Ziel ist natürlich auch hier die Expansion ins Ausland: Wie bei der Elektromobilität will China auch beim autonomen Fahren von Anfang an als Marktführer globale Standards setzen. Laut der Entwicklungsstrategie für “intelligente Fahrzeuge”, die im Februar 2020 von der Nationalen Entwicklungs- und Reformkommission veröffentlicht wurde, strebt China bis 2025 die Massenproduktion autonomer Fahrzeuge der Stufe 3 an. Das autonome Fahren der Stufe 3 ermöglicht es, den Fahrzeugen unter bestimmten Bedingungen ganz das Steuer zu überlassen, etwa beim Einparken oder bei Spurwechseln. Auto X ist schon einen Schritt weiter. Waymo arbeitet auch mit Geely zusammen, um nunmehr seine Entwicklung mit chinesischem Knowhow zu beschleunigen. 

                  Neben Waymo investiert auch General Motors in China in die Selbstfahrtechnologie. Der US-Autobauer hat dafür etwa 300 Millionen Dollar in das Pekinger E-Auto-Startup Momenta gesteckt. Momenta hat wiederum ein Joint Venture mit BYD gegründet, um autonome Fahrfunktionen in BYD-Autos einzusetzen. In China ist der Suchmaschinenanbieter Baidu auf dem Feld der autonomen Autos aber bislang führend. 

                  Seit Oktober testet Baidu seine Apollo-Go-Robotertaxis in Peking – ohne Fahrer hinter dem Lenkrad, aber wie Waymo mit Sicherheitspersonal an Bord für Notfälle. Derzeit sind 67 selbstfahrende Autos im Distrikt Yizhuang am Rande Pekings im Einsatz. Baidu-CEO Robin Li will seinen Apollo-Go-Robotertaxi-Dienst bis 2025 auf 65 Städte und bis 2030 auf 100 Städte ausweiten. Alle Hersteller haben bereits den Level 5 im Blick. Das ist der Level, bei dem das Auto unter allen denkbaren Bedingungen autonom fahren kann. Das US-Magazin Automotive World geht davon aus, dass sich dieser Level nur durchsetzen wird, wenn sich die großen Player zusammentun. Die Kooperation zwischen Waymo und Geely ist ein erster Schritt dafür.

                  Mehr zum Thema:

                    • Autoindustrie

                    Hohes Wachstum, aber große Sorgen

                    Chinas WIrtschaftswachstum ist derzeit durch die Corona-Pandemie verzerrt.
                    Ein Corona-Ausreißer nach unten und die anschließende Erholung verzerren derzeit die Statistik

                    Chinas Wachstum hat die eigenen Planvorgaben abermals übertroffen. Die Wirtschaftsleistung ist 2021 um 8,1 Prozent gestiegen. Das teilte das Nationale Statistikamt in Peking am Montag mit. Premier Li Keqiang hatte im vergangenen März “über sechs Prozent” angekündigt. Angesichts der Immobilien-Schwäche und einer langgestreckten Pandemie erwarten Analysten für das laufende Jahr jedoch einen niedrigeren Wert. Die Chinese Academy of Social Sciences rechnet für 2022 mit 5,5 Prozent. Die chinesische Notenbank teilt diese Einschätzung.

                    Ein weiterer Grund für niedrigere Wachstumserwartungen liegt in der Statistik selbst. Der hohe Wert des vergangenen Jahres war vom Corona-Durchhänger vor zwei Jahren beeinflusst. Die Verteilung im Jahresverlauf zeigte daher auch eine stark abnehmende Kurve. Zu Jahresbeginn gab es einen ersten Post-Corona-Effekt mit einem Wachstum von 18,3 Prozent. Das Jahresendquartal kam dann nur noch auf ein Plus von knapp vier Prozent.

                    Die Wachstumszahlen der ersten Monate 2021 beziehen sich eben auf das Horror-Quartal des ersten Corona-Ausbruchs Anfang 2020. Die Wirtschaftsdaten gegen Jahresende mussten sich dagegen wieder mit einer gesunden Situation vergleichen lassen. Das gilt auch für das laufende erste Quartal des aktuellen Jahres. Die Märkte müssen sich also wieder an niedrige einstellige Zahlen gewöhnen.

                    Zentralbank will das Wachstum auffangen und senkt den Zins

                    Für die Analysten des Bankhauses Nomura stehen derzeit die Corona-Risiken im Vordergrund. Bis zum Ende der Olympischen Winterspiele in China (4. bis 20. Februar) werden selbst einzelne positive Testergebnisse zu großflächigen Lockdowns führen. Diese schlagen wiederum auf die Wirtschaftsaktivität. “Wie im vergangenen Jahr werden viele Menschen zudem nicht zum chinesischen Neujahrsfest in ihre Heimatorte zurückkehren können”, erwarten die Nomura-Ökonomen Lu Ting und Wang Jing. Das bremse den Konsum und die Reise-Umsätze.

                    Die kurzfristig so ungünstigen Wirtschaftsaussichten sind auch der Grund für die Handlungen der Zentralbank vom Montag. Die People’s Bank of China (PBoC) hat zwei Leitzinsen gesenkt. Angesicht des gerade erst gemeldeten Turbo-Wachstums von über acht Prozent wirkt das zunächst paradox. Doch die PBoC will das Wachstum stützen, bevor es ganz in den Keller rauscht. Dazu führt sie der Wirtschaft mehr Geld zu.

                    Experten erwarten im Jahresverlauf daher eine weiterhin lockere Geldpolitik. In der ersten Jahreshälfte könnte es weitere Zinssenkungen geben, so die Nomura-Analysten. Auch eine Senkung des Mindestreservesatzes sei möglich. Das gäbe den Banken mehr Spielraum, um Kredite zu vergeben.

                    Parallel könnte die PBoC zudem Währungen wie Euro und Dollar am Devisenmarkt kaufen. So würde sie den Kurs des Yuan drücken. Die Rückkehr von Corona durch weltweite Omikron-Ausbrüche werden nach Auffassung von Analysten den Handel belasten. Ein niedrigerer Yuan-Kurs könnte da den Export stützen.

                    Parallel ist mit einer Ausweitung der staatlichen Ausgaben für Infrastruktur zu rechnen. Wenn den privaten Immobilienfirmen das Geld ausgeht (China.Table berichtete), dann springt eben der Staat ein, um für neue Bauprojekte zu sorgen. Und derzeit sehen die Indikatoren im Immobiliensektor ziemlich düster aus. Die Investitionen sind im Dezember im Jahresvergleich um 13,9 Prozent gefallen. Der Verkauf neuer Wohnungen und Häuser fiel im November und Dezember um 17,8 und 15,6 Prozent. Der Indikator für neue Hausbauprojekte stürzte gar um 31,1 Prozent ab. Die Immobilienfirmen haben schlicht kein Geld mehr.

                    Schlechte Kauflaune im Einzelhandel und am Automarkt

                    Auch die anderen wichtigen Stützen der Konjunktur schwächeln. Der Einzelhandel verzeichnete im Dezember lediglich ein Wachstum von 1,7 Prozent. Da die Inflation zugleich 2,2 Prozent betrug, ist der Umsatz preisbereinigt sogar zurückgegangen. Auch der Automarkt sah nicht gut aus. Im Dezember sank der Verkauf um 7,4 Prozent, nachdem er im November bereits um neun Prozent zurückgegangen war. Anders als die Absatzzahlen nach Stück beziehen sich diese Werte auf den Wert der umgesetzten Ware.

                    Es ergibt sich also das Gesamtbild einer Wirtschaft, die von zwei Seiten unter Druck steht. Die Pandemie zieht sich länger hin als erhofft. Zugleich wirken langfristige Effekte: Die Schwäche am Immobilienmarkt ist die Rechnung für einen kreditgetriebenen Boom. Eine Krise kommt eben selten allein. Außerdem befindet sich das chinesische Wachstum insgesamt im Sinkflug. Je größer eine Volkswirtschaft wird, desto weniger hohe prozentuale Zuwächse sind zu erwarten.

                    Zugleich bleibt die Regierung wie gewohnt handlungsfähig. Zwar befindet sich das Land derzeit in einer Zero-Covid-Falle mit unzureichender Grundimmunität (China.Table berichtete). Umso befreiender und spektakulärer würde ein Ende der Lockdowns wirken. Auch eine Öffnung für internationale Geschäftsreisende hätte einen enorm belebenden Effekt. Derzeit deutet aber vieles darauf hin, dass es auch im Jahr 2022 dazu nicht kommen wird.

                    Mehr zum Thema:

                      • Autoindustrie
                      • Leitzinsen

                      Öl und Soja: “Schicksal der Nation”

                      Beim Stichwort Importabhängigkeit drängt sich vor allem ein Rohstoff auf: Erdöl. Die Volksrepublik China ist seit 2017 der weltgrößte Ölimporteur. Und die Lücke zwischen einer stagnierenden Produktionsmenge zuhause und der noch immer wachsenden Nachfrage wird immer größer. Damit nicht genug: Öl ist nicht der einzige Rohstoff, von dem China zu wenig besitzt. Außer der fragilen Energiesicherheit gibt es weitere Schwachstellen.

                      China müsse eine “strategische Basis” für die Selbstversorgung mit wichtigen Rohstoffen von Energie bis Sojabohnen schaffen, betonte Präsident Xi Jinping im Dezember auf der jährlichen Wirtschaftskonferenz der Kommunistischen Partei. “Für ein großes Land wie unseres ist es eine zentrale strategische Frage, dass wir die Versorgung mit Vorprodukten sicherstellen können”, beschwor Xi die Delegierten. “Sojabohnen, Eisenerz, Rohöl, Erdgas, Kupfer und Aluminiumerze sind alle verknüpft mit dem Schicksal unserer Nation.”

                      2021 wuchsen Chinas Importe um 21,5 Prozent auf 17,37 Billionen Yuan (2,4 Billionen Euro). Der Zuwachs wurde zuletzt vor allem von der steigenden Nachfrage nach Rohstoffen für den Energiesektor sowie Metallen angetrieben. Konzepte wie die von Xi 2020 präsentierte “Duale Zirkulation” sollen daher die Rolle des Binnenmarktes stärken. Der 14. Fünfjahresplan peilt etwa eine technologische Unabhängigkeit des Landes bis 2025 an. Doch zumindest kurzfristig braucht China die Einfuhren.

                      Das Thema gewinnt daher auf der langfristigen Agenda des Landes unter Xi immer größere Priorität. Bei Rohstoffen wie Sojabohnen, Eisenerz, Rohöl, Erdgas, Kupfer, Bauxit und Gold stammen bis zu 80 Prozent des chinesischen Verbrauchs aus dem Ausland. Im Technologiesektor sind es vor allem Halbleiter, die China einführen muss: Das Land ist seit 2005 der weltgrößte Chip-Importeur. Doch auch andere Technologien und Komponenten muss China weitgehend im Ausland beschaffen. Dazu gehören nach einer neuen Studie des Center for Security and Emerging Technology (CEST) der US-amerikanischen Georgetown University etwa Lidar-Systeme für selbstfahrende Autos, Motorgehäuse für Verkehrsflugzeuge oder Reagenzien für Gen-Editing-Kits.

                      Chinas Importe im Mahlstrom der Geopolitik

                      Die geopolitischen Spannungen zwischen China und dem Westen, allen voran mit den USA, haben längst Einfluss auf die Importe des Landes. 2018 gerieten die Lieferungen amerikanischer Sojabohnen nach China in den Mahlstrom des Handelskrieges. Der wachsende Fleischkonsum der Chinesen treibt die Nachfrage nach Mais und Sojabohnen als Futtermittel enorm nach oben. In den vergangenen 20 Jahren verzehnfachten sich die Sojabohnenimporte von 10,4 Millionen auf 100,3 Millionen Tonnen. Auch hier ist die Volksrepublik mit großem Abstand Spitzenreiter in der Welt.

                      Durch den Handelskonflikt mit Washington halbierten sich die chinesischen Einfuhren von US-Sojabohnen von 32,9 Milliarden Tonnen im Jahr 2017 auf nur noch 16,6 Millionen Tonnen im Jahr 2018. China wandte sich an Brasilien, um die Lücke zu schließen. Heute liefert Brasilien 60 Prozent der Soja-Importe des Landes. 30 Prozent kommen nach wie vor aus den USA. Doch Brasiliens Produktion kommt der Nachfrage aus China nicht mehr hinterher. Peking versucht daher, sich weitere Kanäle in Russland und Südostasien aufzubauen. Zumal der Import-Bedarf noch weiter zunehmen wird, weil im eigenen Land die Anbaufläche schrumpft; 2021 um satte 14,8 Prozent. Nach Angaben des Nationalen Statistikamtes geben viele Bauern aufgrund der niedrigen Margen den Soja-Anbau auf.

                      Auch schneidet die US-Politik der “schwarzen Listen” von Ex-Präsident Donald Trump seit Jahren viele chinesische Firmen von wichtigen Komponenten ab. Trump setzte ab 2018 hunderte chinesische Unternehmen auf die harmlos klingende “Entity List” des Handelsministeriums. Das kam einem Verbot für amerikanischen Unternehmen gleich, an diese chinesischen Unternehmen zu verkaufen. Die Biden-Regierung hat diese Liste beibehalten. Im Dezember fügte sie sogar weitere Firmen hinzu, darunter den KI-Spezialisten Sensetime und den führenden Drohnenhersteller DJI.

                      China braucht Technologie-Vorprodukte aus dem Ausland

                      China profitierte in früheren Jahren auch vom Technologietransfer des Auslands. Doch die Tech-Investitionen der USA brachen laut CEST seit 2016 um 96 Prozent ein: “Peking war gezwungen, nach neuen Wegen zur Beschaffung von Schlüsseltechnologien zu suchen – und sich an Briefkastenfirmen und Zwischenhändler zu wenden, um ausländische Komponenten, Reagenzien und andere relevante Geräte zu beschaffen.” Zwar seien weniger als zehn Prozent der Ausrüstungslieferanten des chinesischen Militärs auf den US-Exportkontroll- und Sanktionslisten aufgeführt, so die Experten. Aber: “Manche machen ihr Geschäft damit, Ausrüstungen mit US-Ursprung zu verpacken und an sanktionierte chinesische Militäreinheiten weiterzuverkaufen.” Diese Grauzone hilft China zwar kurzfristig. Die Abhängigkeit vom Ausland aber schmälert dieser Kniff nicht.

                      China sei bei 35 Schlüsseltechnologien auf Importe angewiesen, die es im Inland nicht in ausreichender Qualität oder Quantität produzieren könne, schrieb CEST-Forscherin Emily Weinstein Anfang Januar unter Berufung auf Chinas Bildungsministerium. Zu diesen Technologien gehören Hochleistungs-Gasturbinen, Hochdruck-Kolbenpumpen, Stahl für hochwertige Lager, Fotolithografiemaschinen, industrielle Software und mehr. Also ein ganzes Arsenal an Hochtechnologie, das eine Wirtschaftsmacht benötigt, um langfristig eine Führungsrolle in der Welt beanspruchen zu können.

                      Chinas Halbleiter-Importe größer als Öl-Einfuhren

                      Heute, in Zeiten des globalen Chipmangels, ringt Peking zudem mit der EU und den USA um Halbleiter-Lieferungen des taiwanischen Weltmarktführers TSMC. 2020 importierte China Halbleiter im Wert von 350 Milliarden US-Dollar – mehr als sein Importvolumen für Erdöl. Laut dem Fachmagazin Technode verzeichnete China 2020 bei Halbleitern ein Handelsdefizit von 233,4 Milliarden US-Dollar. Bei Rohöl waren es “nur” 185,6 Milliarden US-Dollar. Trotz des Defizits verzeichnete die Volksrepublik 2020 über alle Warengruppen hinweg einen Handelsüberschuss von rund 590 Milliarden US-Dollar, 2021 kletterte der Überschuss sogar auf 676 Milliarden. 60 Prozent der importierten Halbleiter waren 2020 übrigens Komponenten für Chinas Exportprodukte wie Tablets und andere Elektronikwaren.

                      Nachdem Washington Chinas Branchenprimus SMIC aus Shenzhen 2020 auf die “Entity List” gesetzt hatte, hatte das Unternehmen Mühe, moderne 7-Nanometer-Chips herzustellen. “SMIC fehlen die teuren Werkzeugmaschinen, um sie herzustellen”, schrieb Forscherin Weinstein. US-Exportkontrollen legten demnach die Chip-Tochter HiSilicon von Huawei lahm. Auch deshalb will China 70 Prozent der für seine Tech-Industrie und den Autosektor benötigten Chips ab 2025 selbst produzieren. Doch das Ziel ist vage formuliert; und selbst dann wird es weiterhin viele der unzähligen Vorprodukte aus dem Ausland beziehen müssen.

                      Trotz aller Maßnahmen zur Stärkung von Chinas Position als Wissenschafts- und Technologiezentrum tue sich die Kommunistische Partei schwer, inländische Lieferketten für wichtige Rohstoffe wie Halbleiter und Gasturbinen aufzubauen, schreibt Weinstein. China werde wahrscheinlich bis weit in die 2020er Jahre auf ausländische Ausrüstung angewiesen bleiben. Darüber hinaus führe Chinas Weg zu ausländischer Technologie vor allem über US-Verbündete wie Australien, Japan, Südkorea und Großbritannien.

                      Rohstoffe und die Geopolitik: Beispiel Eisenerz

                      Auch Rohstoffe muss China von geopolitischen Rivalen beziehen – so etwa das Erdgas für den Winter (China.Table berichtete). 60 Prozent seiner Eisenerz-Importe bezieht China derweil aus Australien. Mit Canberra aber sind Pekings Beziehungen auf dem Tiefpunkt. China piesackt Australien mit Strafzöllen oder Einfuhrverboten etwa für Rindfleisch, Hummer, Gerste und Wein, seit Canberra eine unabhängige Untersuchung der Ursprünge von Covid-19 gefordert hat. Australien hat sich seither mehreren Sicherheitsbündnissen angeschlossen, die implizit gegen China gerichtet sind. Gerade erst besiegelte es eine Partnerschaft mit Japan (China.Table berichtete).

                      An die Eisenerz-Importe aus Down Under wagte sich Peking bislang nicht heran. Doch missfällt China die Abhängigkeit von australischem Erz. Die Volksrepublik sucht deshalb nach Alternativen. Eine fand es 2020 in der Hügelkette Simandou im westafrikanischen Guinea. Dort soll die weltweit größte Reserve an unerschlossenem hochwertigen Eisenerz liegen. Neben der Erschließung der Mine müssen 650 Kilometer Eisenbahnstrecke und ein moderner Erzhafen gebaut werden. 2020 sicherte sich China als Teil eines Konsortiums mit Firmen aus Frankreich und Singapur zwei von vier Abschnitten der geplanten Mine.

                      Doch Guinea ist politisch instabil. Erst im September 2021 stürzte ein Militärputsch den Präsidenten Alpha Conde. Seither regiert der Putschistenführer, Oberst Mamady Doumbouya. Peking kritisierte den Putsch – ungewöhnlicherweise. Denn niemand weiß, ob die Armee nun den Minen-Vertrag anerkennt. Doch China ist schon jetzt abhängig von Guinea: Das Land liefert den Chinesen 55 Prozent seines Bauxit-Bedarfs für die Aluminiumindustrie.

                      Mehr zum Thema:

                        • Chips
                        • Halbleiter
                        • Handel
                        • Import
                        • Technologie
                        • USA

                        News

                        Markt für E-Autos wächst rasant

                        Im vergangenen Jahr wurden in China 2,9 Millionen batterielektrische Fahrzeuge verkauft, darunter 2,73 Millionen Pkw. Das markiert einen Anstieg von 160 Prozent im Vergleich zum Vorjahr, wie aus neuen Daten des Chinesischen Verbands der Automobilhersteller hervorgeht. Die Verkäufe von Plug-In-Hybriden verdoppelten sich auf 600.000 Einheiten. Insgesamt wurden in der Volksrepublik im vergangenen Jahr 26,3 Millionen Kraftfahrzeuge verkauft (plus 3,8 Prozent), davon knapp 21,5 Millionen Pkw. Gemeinsam machten die in China als New Energy Vehicles (NEV) bezeichneten Autos mit alternativem Antrieb gut 15 Prozent aller verkauften Pkw aus. Es wird geschätzt, dass 60 Prozent aller weltweiten NEV-Verkäufe auf China entfallen, so Nikkei.Asia.

                        Polestar erreicht Verkaufsziel

                        Auch das chinesisch-schwedische Gemeinschaftsprojekt Polestar konnte positive Absatzzahlen vermelden. Das Unternehmen von Geely und Volvo hat im vergangenen Jahr weltweit 29.000 Fahrzeuge verkauft und ist mittlerweile in 19 Ländern aktiv, wie das Fachportal Electrive meldet. Das Unternehmen will in diesem Jahr in weitere Märkte expandieren. In Deutschland verkauft die Marke bisher allerdings nur einige hundert Autos pro Monat. nib

                        Mehr zum Thema:

                          • Autoindustrie

                          Elektroautos bleiben vorerst steuerfrei

                          China wird wohl weiterhin keine Kaufsteuer auf Elektroautos erheben. Die jährliche regierungsübergreifende Arbeitskonferenz zur Entwicklung der Elektromobilität wolle eine Verlängerung und Ausweitung der Steuervergünstigungspolitik prüfen, berichtet das Beratungsunternehmen Trivium China. Erklärtes Ziel sei es, “die Markterwartungen zu stabilisieren”.

                          Käufer von Elektroautos, Plug-in Hybriden und Brenstoffzellenautos sind auch 2022 noch von der Kaufsteuer in Höhe von zehn Prozent befreit. Wie es danach weitergeht, ist unklar. Der Erhalt dieser Befreiung ist vor allem angesichts des seit langem geplanten Auslaufens der direkten Kaufsubventionen für Elektroautos wichtig. Diese Subventionen sollten ursprünglich bereits 2020 auslaufen. Doch angesichts der Coronavirus-Pandemie verlängerte Peking die Zahlungen. 2022 werden sie nach Angaben um 30 Prozent gegenüber 2021 gekürzt. ck

                          Mehr zum Thema:

                            • Autoindustrie

                            Wegen Corona: VW schließt Werk in Tianjin vorübergehend

                            Volkswagen (VW) hat wegen eines Covid-Ausbruchs in der Belegschaft sein Werk in Tianjin vorübergehend heruntergefahren. Die Autofabrik in Nordchina, die etwa 100 Kilometer von der Hauptstadt Peking entfernt liegt, habe bereits zu Wochenanfang den Betrieb eingestellt, nachdem sich Mitarbeiter mit dem Virus angesteckt hätten, sagte ein Sprecher am Donnerstag. Am Mittwoch wurden 41 Fälle von im Inland übertragenen Infektionen mit bestätigten Symptomen gemeldet nach 33 am Tag zuvor, wie aus Daten der nationalen Gesundheitskommission hervorging.

                            An dem Standort betreibt VW zusammen mit seinem chinesischen Partner FAW ein Komponentenwerk und einen Betrieb für Automatikgetriebe. Beide Werke hätten alle Mitarbeiter in dieser Woche zwei Mal getestet und warteten nun auf die Ergebnisse. Man hoffe, die Produktion bald wieder aufnehmen und die Ausfälle nachholen zu können. Volkswagen hat seit Ausbruch der Pandemie vor gut zwei Jahren in China an mehreren Standorten die Produktion vorübergehend stoppen müssen.

                            BDI rechnet durch Corona weiter mit Lieferketten-Problemen

                            Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) rechnet für 2022 weiterhin mit Lieferkettenproblemen durch die Corona-Pandemie. Zwar seien die Auftragsbücher der Industrie-Unternehmen in Deutschland voll, aber fehlende oder zu spät gelieferte Rohstoffe und Vorprodukte könnten die Produktion unterbrechen. In der Auto-Industrie sei das Schlimmste vermutlich überstanden, in anderen Branchen sei dies erst Ende des Jahres zu erwarten. “Diese Engpässe bremsen die industrielle Wertschöpfung in den Jahren 2021 und 2022 um jeweils mehr als 50 Milliarden Euro aus”, sagte BDI-Präsident Siegfried Russwurm am Donnerstag in Berlin. Trotz dieser Einschränkungen rechnet der Verband mit einem Wirtschaftswachstum von 3,5 Prozent für das Jahr 2022. Die Exporte könnten gar um vier Prozent zunehmen.

                            In China wurden derweil zwei Omikron-Fälle in der Hafen-Stadt Dalian gemeldet. Es handelt sich um Studenten, die von einem Besuch in Tianjin zurückkamen. Dalian ist nach Tianjin die zweite wichtige Hafenstadt in China mit bestätigten Omikron-Fällen. Ihre Häfen gehören zu den zwanzig größten der Welt, berichtet Bloomberg. Große Firmen wie Volkswagen, Toyota und Airbus haben in den Städten Fabriken. Auch Toyota musste die Bänder stillstehen lassen.

                            Zudem gibt es Berichte darüber, dass Containerschiffe den Hafen in Ningbo meiden und stattdessen nach Shanghai ausweichen. In Ningbo war es aufgrund von Coronavirus-Infektionen zu Verzögerungen gekommen, weil der LKW-Verkehr zum Hafen beeinträchtigt wurde. Vor dem Hafen Shanghai kam es demnach zu Staus. Die Fahrpläne für Containerschiffe verschieben sich um circa eine Woche, berichten Spediteure Bloomberg. Die Verspätungen könnten sich wie schon im vergangenen Jahr bis in die USA und nach Europa ausbreiten. nib/rtr

                            Mehr zum Thema:

                              • Autoindustrie

                              Greenpeace: Autobauer müssen sich schneller wandeln

                              Die Autobranche in China könnte die staatliche Vorgabe verfehlen, bis 2060 Klimaneutralität zu erzielen. Vor dieser Entwicklung warnte am Dienstag die Umweltorganisation Greenpeace in einem Report. Zwar befinden sich die Hersteller mit ihrer derzeitigen Weichenstellung auf einem guten Weg, einen Höhepunkt der Emissionen im Jahr 2027 zu erreichen. Doch in den folgenden Jahrzehnten ist der Rückgang des Verkaufs von Benzinern dann zu langsam angesetzt. “Idealerweise müssten die Autohersteller in China den Verkauf von Ottomotoren schon 2030 vollständig auslaufen lassen”, sagt Bao Hang, der zuständige Projektleiter bei Greenpeace East Asia. Bisher sei das nicht realistisch. Die Regierung müsse daher härtere Quoten vorgeben.

                              In dem Report geht es um den Treibhausgasausstoß der Produkte der Auto-Hersteller, nicht um deren eigene Emissionen in der Herstellung. Um die in China umherfahrenden Autos alle klimaneutral zu machen, müssen die Anbieter schon lange vor der Deadline ausschließlich emissionsfreie Wagen verkaufen. Es handelt sich schließlich um langlebige Waren. Bisher hat beispielsweise Volkswagen den Plan bekannt gegeben, den Anteil rein elektrischer Autos bis 2030 auf die Hälfte hochzutreiben. Nötig seien jedoch 63 Prozent, so Greenpeace.

                              Die inländischen Anbieter haben hier einen Vorsprung. SAIC, Great Wall Motor, Dongfeng Motor, Geely und Changan Automobile haben die Umstellung auf rein elektrische Antriebe früher ins Auge gefasst als Volkswagen, Nissan, Toyota, Honda, Hyundai, Mercedes und BMW. Der Übergang zum emissionsfreien Fahren funktioniere nicht, indem die Branche noch lange Benziner verkaufe, warnte Bao. fin

                              Mehr zum Thema:

                                • Autoindustrie

                                Personalien

                                Ferdinando Sorrentino wird neuer Chef des Auto-Zulieferers SEG Automotive mit Sitz in Stuttgart. Sorrentino folgt auf Peter Sokol und Frank-Lorenz Dietz, die das Unternehmen verlassen haben. Er soll die Marktpräsenz in China erhöhen.

                                Daniel Zhang Yong ist aus dem Aufsichtsrat von Weibo zurückgetreten. Der Vorstandsvorsitzende der Alibaba Group Holding hatte erst vor wenigen Tagen den Aufsichtsrat des Ride-Hailing-Unternehmens Didi Chuxing verlassen.

                                Dirk Erlacher, Geschäftsführer und einer der Gründer des Robotik-Unternehmens Agilox, wird nach Shanghai übersiedeln, um dort den asiatischen Markt aufzubauen. Das österreichische Start-up hat sich auf intelligente fahrerlose Transportsysteme spezialisiert.

                                China.Table Redaktion

                                CHINA.TABLE REDAKTION

                                Licenses:

                                  Jetzt kostenlos anmelden und sofort weiterlesen

                                  Keine Bankdaten. Keine automatische Verlängerung.

                                  Sie haben bereits das Table.Briefing Abonnement?

                                  Anmelden und weiterlesen