Xi Jinping hat mit seiner ideellen Unterstützung für Russland durchaus etwas für sich erreicht. Der Westen wirbt intensiver um seine Gunst denn je. Im Lichte der Rückkehr Chinas zu alter Größe muss das wie ein Erfolg erscheinen. Die USA und die EU mischen inzwischen Bitten mit Drohungen: China möge auf Russland einwirken, seine Truppen zurückzuziehen. Wenn es diese aber materiell unterstütze, drohen Sanktionen. Auf dem Nato- und dem G7-Gipfel war das eines der Hauptthemen. Doch China lässt den Westen weiter zappeln und gewinnt dabei vorerst noch an Einfluss, analysieren Amelie Richter und Christiane Kühl.
Reich werden und ins Ausland gehen – das war lange das Ziel vieler Chinesen. Der jüngste Report der Beratungsfirma Hurun dreht das Thema nun jedoch um und beschäftigt sich mit den Gründen, nach China zurückzukommen. Das entspricht genau den Plänen der Regierung: Junge Leute sollten durchaus im Ausland studieren, das Gelernte aber zurück in die Heimat tragen. Was sich auf der aktuellen Hurun-Reichenliste sonst noch so getan hat, analysiert unser Team in Peking. Tech-Milliardäre sind demnach auf dem absteigenden Ast. Das ist eine Folge der harten Schläge gegen die übermächtigen Internetfirmen.
Die westlichen Bündnisse wollen um jeden Preis verhindern, dass Peking enger an Russland heranrückt oder Moskau gar Waffen liefert. Im Umfeld des Gipfelmarathons von Nato, G7 und der Europäischen Union am Donnerstag in Brüssel stellten Politiker immer wieder die Forderung an China: Distanziert euch von Russland! Doch aus Peking kommen bislang die erwartbaren Repliken. Kein Wort der Kritik an Russland, dafür umso mehr an den USA und der Nato.
US-Präsident Joe Biden zeigte sich zum Ende des langen Tages dennoch zuversichtlich, dass sich China wegen handelspolitischer Abhängigkeiten letztendlich gegen Russland wenden werde. “China versteht, dass seine wirtschaftliche Zukunft viel enger mit dem Westen verbunden ist als mit Russland“, sagte Biden nach einem Treffen mit seinen G7-Kollegen über sein Gespräch mit Chinas Staatschef Xi Jinping. Vertrauen ist gut, Kontrolle ist dann aber offenbar doch besser: Biden brachte ein neues Gremium für Nato und EU ins Gespräch. Dieses solle kontrollieren, ob und gegebenenfalls wie andere Staaten die Sanktionen gegen Russland umgehen. Gemeint war China.
Auch Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg wurde nach dem Sondergipfel des Verteidigungsbündnisses deutlich: “Peking sollte seinen erheblichen Einfluss auf Russland geltend machen und eine sofortige friedliche Lösung fördern”, sagte der Nato-Chef. Welche Schritte die Nato als Antwort auf chinesische Hilfe für Russland in Betracht ziehen würde, sagte er aber nicht. Auch die Gipfel-Erklärung der Nato-Staaten enthält diese Forderung. Die Mitgliedsstaaten hatten das Dokument einstimmig – inklusive des zuvor eher zurückhaltenden Ungarn – angenommen.
Stoltenberg hatte China bereits am Mittwoch vorgeworfen, Russland im Ukraine-Krieg mit “himmelschreienden Lügen” zu unterstützen. Die USA und Europa kritisieren, dass China russische Fake-Meldungen über angebliche Chemiewaffenlabore der USA in der Ukraine weiterverbreitet. “China vorzuwerfen, falsche Informationen über die Ukraine zu verbreiten, stellt selbst eine Verbreitung von Desinformation dar”, sagte dazu ein Sprecher des chinesischen Außenministeriums am Donnerstag in inzwischen gewohnter Manier.
Die Staats- und Regierungschefs der G7 zeigten sich in ihrem Abschluss-Statement weniger direkt als die Nato: Die Staaten-Gruppe werde ein Auge darauf haben, ob die Sanktionen umgangen oder untergraben werden, hieß es darin – ohne China zu nennen.
Der Rat der EU-Staats- und Regierungschefs tagte am Donnerstag noch bis in den späten Abend. US-Präsident Biden hatte dort ebenfalls einen Auftritt – auch um nach eigener Aussage über eine gemeinsame Position vor dem EU-China-Gipfel in der kommenden Woche zu beraten. “Ich denke, die Botschaften an China waren sehr deutlich. Bitte haltet Abstand”, sagte der belgische Premierminister Alexander De Croo am Donnerstag. Der Großteil der EU-Staatenlenker gab ähnliche Statements ab.
Der Pekinger Außenamtssprecher betonte derweil, Chinas Position sei im Einklang mit “den Wünschen der meisten Länder”. “Wir waren immer der Auffassung, dass die Ukraine eine Brücke zwischen Ost und West werden und nicht an der Front eines Spiels zwischen Supermächten stehen sollte.” Doch letztlich duldet China genau das: Dass Russland die Ukraine als Pufferstaat zum Westen und als eigene Einflusssphäre betrachtet, die selbst kein Mitspracherecht über ihre Rolle hat. Xi sprach seit Beginn des Krieges zwar mit einigen Staats- und Regierungschefs, nicht aber mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj.
China versucht unterdessen weiter, sich mit allen Mitteln um eine klare Aussage zu drücken: Je weniger die Ukraine bei multilateralen Veranstaltungen überhaupt Thema wird, desto besser ist das aus Sicht Pekings. Sowohl Außenminister Wang Yi als auch Xi selbst drängten in diesen Tagen die indonesische G20-Präsidentschaft, den Ukraine-Konflikt von der Tagesordnung des G20-Gipfels auf der Tropeninsel Bali Ende Oktober zu streichen. Indonesien habe sich offen gezeigt, hieß es. Auch ist China dafür, Wladimir Putin mit an den G20-Gipfeltisch zu laden – was für viele andere Staaten aber längst undenkbar geworden ist. US-Präsident Biden sprach sich am Donnerstag gar für einen kompletten Ausschluss Russlands von G20 aus. Sollte das von anderen Staaten nicht gestützt werden, sollte die Ukraine ebenso eingeladen werden, schlug Biden vor.
Dass die Kooperation mit Russland aber dennoch Grenzen haben könnte, deutete der chinesische Botschafter in den USA Qin Gang an. “Die Zusammenarbeit zwischen China und Russland hat keine verbotenen Bereiche, aber es gibt dafür Richtlinien (bottom line)”, sagte Qin am Mittwoch dem teilstaatlichen Fernsehsender Phoenix TV. Dazu gehörten auch die Grundsätze der Charta der Vereinten Nationen, die die Grundnorm des Völkerrechts und der internationalen Beziehungen darstellen, so Qin. “Das ist die Richtlinie, die wir in den bilateralen Beziehungen zwischen China und jedem anderen Land befolgen.”
Der Druck auf Peking wird so schnell nicht nachlassen – er wird auch den EU-China-Gipfel dominieren. Der Ukraine-Krieg werde bei dem virtuellen Treffen am Freitag kommender Woche im Mittelpunkt stehen, schrieb EU-Ratschef Charles Michel im Einladungsbrief an die anderen Staats- und Regierungschefs der EU.
Das Gipfeltreffen zwischen Michel, EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, Xi Jinping sowie Premier Li Keqiang ist der erste Gipfel seit Juni 2020. Im vergangenen Jahr war ein Datum für ein bilaterales Treffen aufgrund der gegenseitigen Sanktionen im Zusammenhang mit den Menschenrechtsverletzungen in Xinjiang immer wieder verschoben worden. Doch wirklich gut ist die Stimmung auch jetzt nicht. Es wird keine gemeinsame Abschlusserklärung für den Gipfel erwartet – ein Anzeichen dafür, dass niemand mit großen Fortschritten rechnet. Amelie Richter/Christiane Kühl
Bis vor wenigen Jahren produzierte das Hurun Research Institute Schlagzeilen über auswanderungswillige chinesische Staatsbürger. Regelmäßig hatte sich das Unternehmen unter den Superreichen der Volksrepublik umgehört und zum Teil erstaunliche Resultate hervorgebracht. 2017 beispielsweise wollten laut Hurun rund die Hälfte der Befragten ihrem Heimatland den Rücken kehren und auswandern. Der Regierung war das ein Dorn im Auge: Es passt nicht zum Narrativ vom China, das sich anschickt, die USA in vielen Bereichen einzuholen.
Umso besser dürfte der chinesischen Regierung das jüngste Hurun-Weißbuch zu internationaler Erziehung in China gefallen haben. Der Trend unter den Millionären des Landes, die eigenen Kinder am liebsten im Ausland auszubilden, ist zwar ungebrochen. Doch der Bericht thematisiert im Gegensatz zur Vergangenheit die Gründe, weshalb die chinesischen Eltern ihre Kinder nach der Ausbildung zurück in der Heimat sehen wollen.
Bessere wirtschaftliche Rahmenbedingungen (59 Prozent Zustimmung), ein vorteilhaftes Ökosystem für Start-ups (56 Prozent), Familie und Freunde (52 Prozent) und eine “vorteilhafte Rückkehrpolitik” (51 Prozent), also staatliches Bemühen um das Wohlbefinden der Heimkehrer, wurden als Hauptgründe benannt. Während Hurun früher fragte, was den Wunsch nach einem Leben im Ausland begünstigte, steht heute die Suche nach den Gründen für die Rückkehr im Mittelpunkt.
Ein Grund für die Kehrtwende in der Fragestellung dürfte in der Partnerschaft Huruns mit der Beanstalk Education Group sein. Das Unternehmen bietet an 20 Standorten in der Volksrepublik kostspielige Bildungsprogramme vom Kindergarten bis zum Schulabschluss an. Auf ihrer Internetseite schreibt Beanstalk, man ermutige “die jungen zukünftigen Kräfte, Abenteuer zu erleben, sowohl ins Ausland zu gehen als auch in ihr Heimatland China zurückzukehren.”
Diese Botschaften dürften auch der Führung besser passen. Denn die Absetzungstendenzen der Elite blieben auch den Normalsterblichen in China nicht verborgen. Mit typisch chinesischem Sarkasmus definierten die einfachen Bürger (老百姓) den chinesischen Traum von Staatspräsident Xi Jinping auf ihre eigene Weise um: Reich werden im Land und schnellstmöglich rauskommen – bestenfalls mit einer ausländischen Staatsbürgerschaft.
Umfragen, die sich mit Auswanderungsgründen beschäftigen, sind seit 2018 jedoch nicht mehr veröffentlicht worden. Im Jahr 2018 griff Hurun das Thema Immigration unter reichen Chines:innen zwar erneut auf, kehrte die Leidenschaft der Reichen für ein Leben außerhalb der Heimat aber bereits ins Positive: Neun von zehn, die mit einem Leben im Ausland liebäugelten, zogen in Erwägung, ihren beruflichen Ruhestand in China zu verbringen.
In den Jahren zuvor hatten die Reichen immer wieder Bildungsmängel, Umweltverschmutzung, aber auch das politisch unsichere Umfeld als Beweggründe genannt, weshalb sie China verlassen wollten. Wer reich wird in China, kann sich des Reichtums eben nicht sicher sein. Zu schnell kann sich das Wohlwollen der Kommunistischen Partei gegen die Reichen wenden.
Der Reputation des Landes taten die Auswanderungsbegeisterung der Oberschicht nicht gut, schon gar nicht nach innen. Es ist schwierig, der breiten Masse ein Gefühl der Glückseligkeit zu vermitteln, wenn jene, die es sich leisten können, unbedingt wegwollen. Vor anderthalb Jahren sorgte der Fall von Yang Huiyan für Aufsehen. Die reichste Frau Asiens mit einem Vermögen von rund 20 Milliarden US-Dollar gehörte zu mehreren Hundert chinesischen Staatsbürgern, die sich in Zypern einen sogenannten Goldenen Pass verschafft hatten, also für hohe Investitionen in dem EU-Land mit einer Einbürgerung belohnt wurden.
Der Geist der Rückkehr schwebt nun auch über dem aktuellen Hurun-Report. Sicherheitsbedenken (71 Prozent) zählen demnach zu den größten Sorgen der Eltern, es folgen die Sorge, um die Fähigkeit sich im Ausland zu integrieren (52 Prozent) und der Verlust der kulturellen Identität (51 Prozent). Und dennoch verrät das Weißbuch, woran es laut den reichen Chinesen:innen im Land hapert. Viele wünschen sich, dass ihre Kinder “neuen Ideen ausgesetzt” werden (69 Prozent) und sehen in einem Auslandsaufenthalt eine “Bereicherung fürs Leben” (64 Prozent). Größere Unabhängigkeit (71 Prozent) und Verantwortung (67 Prozent) sowie die Fähigkeit “Probleme besser lösen zu können” (51 Prozent) sind weitere Pluspunkte, die fürs Ausland sprechen.
Wie fragil der Aufbau des eigenen Vermögens in China sein kann, erlebten in den vergangenen Monaten viele Superreiche am eigenen Leib. Zhang Yiming, Gründer der Tiktok-Mutter Bytedance, ist der einzige chinesische Tech-Milliardär von Rang und Namen, dessen Vermögen vor dem Hintergrund von Pekings Tech-Crackdown nicht dramatisch dahingeschmolzen ist.
Im aktuellen Milliardärs-Ranking des chinesischen Hurun-Reports wurde Zhangs Vermögen wie im Vorjahr auf 53 Milliarden US-Dollar geschätzt – was ihm den zweiten Platz unter den reichsten Chinesen einbrachte. Zhang blieb wohl verschont, weil sein Unternehmen bislang nicht an der Börse notiert ist. Denn dort sorgte die Regulierungsoffensive für einen Absturz der Tech-Werte.
Alibaba-Gründer Jack Ma zählte dagegen zu den größten Verlierern. Er büßte auf dem Papier etwa ein Drittel seines Vermögens ein, das noch auf rund 37 Milliarden Dollar geschätzt wird. Huang Zheng, Gründer des direkten Alibaba-Konkurrenten Pinduoduo, verlor sogar 72 Prozent seines Reichtums und war damit noch 19 Milliarden Dollar schwer. Laut Hurun kamen neun der zehn größten Verlierer unter den globalen Milliardären im vergangenen Jahr aus China. Sonst schaffte es nur noch Facebook-Chef Mark Zuckerberg auf diese Negativliste. Die Nummer Eins unter Chinas Superreichen war wie schon im Vorjahr Wasser-Mogul Zhong Shanshan, dessen Geschäft die Tech-Regulatoren nicht interessiert.
Denn so schnell wie die chinesische Führung Vermögen zerstören kann, so schnell kann sie es kreieren. Dank massiver staatlicher Hilfen sind in den vergangenen Jahren gewaltige neue Industrien herangewachsen. Und die haben einige Menschen sehr reich gemacht. So etwa Zeng Yuqun, den Gründer des E-Auto-Batterieherstellers CATL. Zengs Vermögen legte im vergangenen Jahr dank des stark gestiegenen Aktienkurses von CATL um 56 Prozent auf 53 Milliarden Dollar zu. Damit schaffte er es erstmals auf den dritten Platz unter den chinesischen Milliardären. Gleich sieben CATL-Mitgründer und Manager finden sich im diesjährigen Milliardärs-Ranking von Hurun.
Ähnlich profitierten auch andere Branchen, die Chinas Führung als strategisch wichtig ansieht. Einer der prozentual größten Vermögens-Gewinner heißt Gao Jifan, Gründer des Solar-Unternehmens Trina Solar. Er mehrte sein Vermögen innerhalb eines Jahres um 227 Prozent auf 8,5 Milliarden Dollar. Auch einige Chip- und Pharma-Unternehmer legten kräftig zu. Marcel Grzanna/Jörn Petring/Gregor Koppenburg
28.-31.03.2022, 12:30-9:00 PM (EST)
Harvard Law School, Symposium: Annual China Law: Charting a New Course through Uncertainties Mehr
29.03.2022, 11:00-12:30 Uhr (MESZ)
Burkardt & Partner, Webinar: Datenschutz in der Automobilindustrie in China und Deutschland: Rechtsvergleich und praktische Umsetzung Mehr
29.03.2022 12:00-13:00 Uhr (MEZ), 6-7 PM (Shanghai Time)
China Europe International Business School, Webinar: Understanding Effective Training for Older Workers: Nationally Representative Evidencee Mehr
30.03.2022, 10:00-11:00 Uhr (MEZ)
Rödl & Partner/ Deutsch-Chinesische Wirtschaftsvereinigung (DCW) e.V.: Datenschutz und Datensicherheit im deutschen China-Geschäft Mehr
30.03.2022, 12:00-2:00 PM (EST), 18:00-20:00 Uhr (MEZ)
Harvard Fairbank Center, Critical issues confronting China: The Performative State: Public Scrutiny and Environmental Governance in China Mehr
30.03.2022, 3:00 PM EST / 12:00 PM PST / 9:00 PM MEZ
Dezan Shira, Webinar: China’s 2022 Economic & Social Policies from the Two Sessions Mehr
30.03.2022, 7:00-8:30 PM (EST)
Harvard University Asia Center, Lecture: Philippine Presidential Election and the South China Sea: Navigating Maritime Dispute with China Mehr
30. und 31.03.2022, ganztägig
EU SME Centre, Webinar: EU-China agri-food trade relations | European agri-food products: exporting quality, safety and sustainability to Chinese consumers Anmeldung
Die Anrufung der Welthandelsorganisation WTO ist die richtige Reaktion der EU auf den Streit mit China um Litauen – doch zugleich sind die Chancen auf ein klares Urteil gering. Das ist das Fazit einer Gesprächsveranstaltung der Reihe Global China Conversations am Kiel Institut für Weltwirtschaft (IfW Kiel). Die Eröffnung eines WTO-Verfahrens “war aus unserer Sicht der richtige Schritt”, sagt Ökonom Jürgen Matthes vom IW Köln. Chinas Verhalten gegenüber Litauen (China.Table berichtete) werde damit vor den anderen Handelspartnern angeprangert. Die EU trage ihre Beschwerde damit “vor die Weltöffentlichkeit”.
Doch zugleich dämpfen die Forscher die Hoffnung auf einen Sieg der EU als Ergebnis des Verfahrens. Zudem warnen sie, dass ein schneller Ausgang praktisch ausgeschlossen ist – der Vorgang werden sich monate- oder jahrelang hinziehen. “Die konkreten Erfolgsaussichten sind wegen juristischer Unsicherheiten gering”, sagt Ökonom Christian Hederer von der Technischen Hochschule Wildau.
Das WTO-Verfahren verläuft mehrstufig. China kann einerseits darauf pochen, mit dem Handelsstopp gegen Litauen seine Sicherheitsinteressen gewahrt zu haben. Früher war es unüblich, diese Klausel so weitreichend zu verwenden. Doch Donald Trump hat sie für Angriffe gegen China missbraucht und die Praxis damit einreißen lassen.
Auf der anderen Seite kann China behaupten, es habe zu keinem Zeitpunkt einen Boykott litauischer Waren gegeben. Peking hat die Handelsmaßnahmen nämlich nie als Strafen bezeichnet, obwohl es die weitreichendste Blockade war, die es in Friedenszeiten je gab. Stattdessen hat China mal Computerfehler, mal mangelnde Verbrauchernachfrage nach den litauischen Waren vorgeschoben. Die Beweislast liege nun vermutlich bei der EU als Klägerin, sagen die Forscher. Die Argumentation bietet reichlich Stoff, um Juristen lange Zeit zu beschäftigen.
Trotz der Hürden sei es richtig, den Weg über die Welthandelsorganisation zu gehen, sagen die beiden Volkswirte. So zeige die EU, dass ihr an international festgelegten Mechanismen gelegen ist. Die WTO war eine Erfolgsgeschichte, bevor die Spannungen zwischen den Handelsblöcken ihr die Arbeitsgrundlage entzogen hat. Da sie aber zugleich heute wenig effektiv ist, brauche die EU eigene Abwehrmöglichkeiten wie das Anti Coercion Instrument (China.Table berichtete). Dessen Anwendung sei allerdings möglicherweise nicht WTO-konform, was neue Komplikationen schaffe. fin
Der nächste Teil der Global China Conversations findet am 28. April statt unter dem Titel: “Chinas Sozialkreditsystem: Welche Auswirkungen hat es auf deutsche Unternehmen?”
Hongkong droht der Exodus europäischer Unternehmen. Rund 25 Prozent der befragten Unternehmen gaben in einer neuen Umfrage der EU-Handelskammer an, der Stadt innerhalb der nächsten zwölft Monate komplett den Rücken kehren zu wollen. Weitere 24 Prozent der Unternehmen gaben an, einen teilweisen Rückzug aus Hongkong zu planen. Lediglich jedes sechste befragte Unternehmen antwortete, keine Pläne für einen Rückzug zu haben. Die Erhebung wurde zwischen Mitte Januar und Mitte Februar erstellt, wie Bloomberg berichtet. 260 Befragte nahmen demnach an der Umfrage teil.
“Wenn man sich die vergleichsweise überwältigende Beteiligung unserer Mitglieder ansieht, sollte das Ergebnis als deutliche Warnung dienen, dass die letzten Monate und Jahre die europäische Wirtschaft und ihr Vertrauen strapaziert haben”, sagte Frederik Gollob, der Vorsitzende der Europäischen Kammer laut Bloomberg. Mit Blick auf die aktuellen Maßnahmen zur Eindämmung der Coronavirus-Pandemie, sagte Gollob, es brauche “einen klaren Plan für die Rückkehr zur Normalität”. nib
Ein Wrackteil der Boeing 737, die am Montag abgestürzt ist, wurde zehn Kilometer von der Absturzstelle entfernt aufgefunden. Das deutet Experten zufolge darauf hin, dass der Flieger in der Luft auseinandergebrochen sein könnte. Das Trümmerstück sei 1,30 Meter lang und zehn Zentimeter breit, berichtet Bloomberg. Es könne entweder vor dem Absturz abgefallen sein oder es brach erst wegen der hohen Belastung während des Sturzflugs ab. Der China-Eastern-Flug MU5735 war aus 8900 Metern Höhe ohne Notruf fast senkrecht heruntergefallen (China.Table berichtete). Ermittler haben am Donnerstag begonnen, die Aufnahmen des Cockpit-Rekorders auszulesen, um der Ursache der Katastrophe auf die Spur zu kommen. fin
China will bis zum Jahr 2025 zwischen 100.000 und 200.000 Tonnen grünen Wasserstoff jährlich herstellen. Langfristig soll eine starke Wasserstoff-Industrie aufgebaut werden. Das geht aus einem neuen Plan der Nationalen Entwicklungs- und Reformkommission (NDRC) hervor, der am Mittwoch vorgestellt wurde. Zudem sollen 50.000 Wasserstoff-Fahrzeuge bis 2025 auf die Straße gebracht werden, wie Reuters berichtet. Dazu zählen auch Lkw.
Grüner Wasserstoff soll dazu beitragen, die nationalen Klimaziele zu erreichen, sagte Wang Xiang, der stellvertretende Direktor der Abteilung für Hochtechnologie bei der NDRC. Wasserstoff ist “ein wichtiger Bestandteil” von Chinas zukünftigem Energiesystem, so der Plan. Kurzfristig wird grüner Wasserstoff allerdings kaum positive Klimaeffekte haben. China produziert derzeit pro Jahr 33 Millionen Tonnen Wasserstoff. Nach Angaben der Regierung werden etwa 80 Prozent davon mit Kohle und Erdgas erzeugt, der Rest ist hauptsächlich ein Nebenprodukt der Industrie. 200.000 Tonnen grüner Wasserstoff wären dementsprechend lediglich ein Tropfen auf den heißen Stein.
Wang sagte, dass der größte Teil des chinesischen Wasserstoffs zwar aus fossilen Brennstoffen hergestellt wird, das Potenzial von grünem Wasserstoff jedoch enorm ist, da das Land über die weltweit größte Kapazität an erneuerbaren Energien verfügt. Fast alle Provinzen und Regionen in China haben Wasserstoff in ihre Entwicklungspläne aufgenommen. Mehr als 120 grüne Wasserstoffprojekte sind in der Entwicklung.
Laut NDRC befindet sich Chinas Wasserstoff-Industrie noch in einer frühen Phase der Entwicklung. Die industrielle Innovationsfähigkeit ist noch nicht allzu stark. Bei wichtigen Komponenten und Grundstoffen sei die Industrie noch auf Importe angewiesen. Die Wettbewerbsfähigkeit der Industrie soll gestärkt werden. nib
Chinas Außenminister Wang Yi hat am Donnerstag seinen Kollegen Amir Khan Muttaqi in Kabul getroffen. Das Treffen ist der höchste Besuch eines chinesischen Beamten seit der Machtübernahme durch die Taliban im vergangenen Jahr. Wang und Muttaqi besprachen eine mögliche Rolle Afghanistans in der Belt-and-Road Initiative und die Aufnahme von Arbeiten im Bergbausektor, wie Reuters berichtet. China sei bereit, sich für die Ausweitung des chinesisch-pakistanischen Wirtschaftskorridors auf Afghanistan einzusetzen, heißt es in einer Erklärung des Außenministeriums. Der Korridor ist eines der wichtigsten Neuen Seidenstraßen-Projekte. Bisher hat Peking die Taliban-Regierung in Afghanistan noch nicht formell anerkannt.
Erst am Vortag von Wangs Besuch hatten die Taliban Mädchen den Besuch weiterführender Schulen verboten. Das stellt eine abrupte Kehrtwende dar, nachdem die Taliban vorher erklärt hatten, die Schule stehe allen Schülern offen. China wird nach Reuters-Informationen noch in diesem Monat Gastgeber eines Treffens der regionalen Außenminister sein, an dem auch Muttaqi teilnehmen wird. nib
Wer kennt es nicht – die Schulzeit ist endlich vorbei, doch was nun? Diese Lebenslage führte Stefanie Thiedig im Jahr 2000 zum ersten Mal ins Reich der Mitte. Über eine Anzeige im Zeit-Magazin bewarb sie sich dafür, in Peking ein Jahr Chinesisch zu lernen. Es sollte der erste von vielen Aufenthalten sein. Als Sinologin wagte sie Anfang 2009 den Schritt in die Selbstständigkeit, nachdem sie bei ersten Gehversuchen auf dem Arbeitsmarkt in Peking durch die hierarchischen Strukturen abgeschreckt wurde. “Wenigstens fünfzig Prozent dessen, was man den lieben langen Tag tut, muss irgendwie interessant sein”, so beschreibt sie seither munter ihr Lebensmotto.
Im Jahr 2011 entschied sie sich dazu, einen Masterstudiengang für Fotografie zu absolvieren. “Damit ich mich mit Fotografie als visuellem Medium auch ausdrücken kann”, erklärt Thiedig ihre Motivation. Ihre Kenntnisse der chinesischen Sprache und Kultur, sowie der Fotografie haben seither viele Früchte getragen. Für Auftraggeber wie das Goethe-Institut oder die deutsche Botschaft arbeitet sie an Kulturprojekten mit China-Bezug. 2010 veröffentlichte sie mit einer Freundin ihr erstes Buch: “Culturescapes” widmet sich Beijings Kunstszene von 2000 bis 2010. Des Weiteren betreibt Stefanie Thiedig die Plattform Kulturgut.blogger.de, auf der sie unter anderem Eindrücke über aktuelle Ausstellungen festhält.
Ein sehr persönliches Projekt war 2017 die Arbeit an ihrem dritten Buch “111 Orte in Peking, die man gesehen haben muss”. Mit dem Wissen, dass sie China bald verlassen würde, war es für sie eine Art Zusammenfassung ihrer zehn Jahre dort. “Mir rückte das Politische dann doch immer mehr in den Nacken”, erzählt Stefanie Thiedig von ihrem Entschluss, nach Deutschland zurückzukehren. Doch auch aufgrund des gegenwärtigen Zustands verstärkter Abschottung in China und der Skepsis im Umgang mit dieser Situation in Deutschland, bleibe ein Austausch unbedingt relevant, betont sie.
Ihrer Fähigkeit treu bleibend, Leidenschaften zum Beruf zu machen, geht Stefanie Thiedig auch in ihrer freien Zeit gerne mit einer Kamera raus in die Natur. Auch beim Anblick der deutschen Landschaft sind ihre Fotos mitunter durch die chinesische Landschaftsmalerei inspiriert, erzählt sie. Nach China zieht es sie zwar zurück, aber die politische Lage und Corona-Maßnahmen erschweren nun schon seit zwei Jahren die Rückkehr. Stefanie Thiedigs aktuelles Projekt mit dem Goethe-Institut nennt sich deutsch-chinesische Museumsgespräche und richtet sich an Kurator*innen aus Deutschland und China. Während einer Workshop-Reihe beschlich sie das Gefühl, dass sie aktuell einiges in China verpasst. Pia Wieners
Jia Hang wird Regionalleiter für den südostasiatischen Markt der Ant Group. Das zur Alibaba Group Holding gehörende Fintech-Unternehmen hat diesen Posten neu geschaffen.
Zhang Ke, bislang Hauptbuchprüfer der Nationalen Rechnungsprüfungsamts, wurde degradiert. Er ist jetzt Stellervertretender Hauptbuchprüfer.
Karawane der Neuzeit – Gütertransport auf dem Huangpu-Fluss durch Shanghai.
Xi Jinping hat mit seiner ideellen Unterstützung für Russland durchaus etwas für sich erreicht. Der Westen wirbt intensiver um seine Gunst denn je. Im Lichte der Rückkehr Chinas zu alter Größe muss das wie ein Erfolg erscheinen. Die USA und die EU mischen inzwischen Bitten mit Drohungen: China möge auf Russland einwirken, seine Truppen zurückzuziehen. Wenn es diese aber materiell unterstütze, drohen Sanktionen. Auf dem Nato- und dem G7-Gipfel war das eines der Hauptthemen. Doch China lässt den Westen weiter zappeln und gewinnt dabei vorerst noch an Einfluss, analysieren Amelie Richter und Christiane Kühl.
Reich werden und ins Ausland gehen – das war lange das Ziel vieler Chinesen. Der jüngste Report der Beratungsfirma Hurun dreht das Thema nun jedoch um und beschäftigt sich mit den Gründen, nach China zurückzukommen. Das entspricht genau den Plänen der Regierung: Junge Leute sollten durchaus im Ausland studieren, das Gelernte aber zurück in die Heimat tragen. Was sich auf der aktuellen Hurun-Reichenliste sonst noch so getan hat, analysiert unser Team in Peking. Tech-Milliardäre sind demnach auf dem absteigenden Ast. Das ist eine Folge der harten Schläge gegen die übermächtigen Internetfirmen.
Die westlichen Bündnisse wollen um jeden Preis verhindern, dass Peking enger an Russland heranrückt oder Moskau gar Waffen liefert. Im Umfeld des Gipfelmarathons von Nato, G7 und der Europäischen Union am Donnerstag in Brüssel stellten Politiker immer wieder die Forderung an China: Distanziert euch von Russland! Doch aus Peking kommen bislang die erwartbaren Repliken. Kein Wort der Kritik an Russland, dafür umso mehr an den USA und der Nato.
US-Präsident Joe Biden zeigte sich zum Ende des langen Tages dennoch zuversichtlich, dass sich China wegen handelspolitischer Abhängigkeiten letztendlich gegen Russland wenden werde. “China versteht, dass seine wirtschaftliche Zukunft viel enger mit dem Westen verbunden ist als mit Russland“, sagte Biden nach einem Treffen mit seinen G7-Kollegen über sein Gespräch mit Chinas Staatschef Xi Jinping. Vertrauen ist gut, Kontrolle ist dann aber offenbar doch besser: Biden brachte ein neues Gremium für Nato und EU ins Gespräch. Dieses solle kontrollieren, ob und gegebenenfalls wie andere Staaten die Sanktionen gegen Russland umgehen. Gemeint war China.
Auch Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg wurde nach dem Sondergipfel des Verteidigungsbündnisses deutlich: “Peking sollte seinen erheblichen Einfluss auf Russland geltend machen und eine sofortige friedliche Lösung fördern”, sagte der Nato-Chef. Welche Schritte die Nato als Antwort auf chinesische Hilfe für Russland in Betracht ziehen würde, sagte er aber nicht. Auch die Gipfel-Erklärung der Nato-Staaten enthält diese Forderung. Die Mitgliedsstaaten hatten das Dokument einstimmig – inklusive des zuvor eher zurückhaltenden Ungarn – angenommen.
Stoltenberg hatte China bereits am Mittwoch vorgeworfen, Russland im Ukraine-Krieg mit “himmelschreienden Lügen” zu unterstützen. Die USA und Europa kritisieren, dass China russische Fake-Meldungen über angebliche Chemiewaffenlabore der USA in der Ukraine weiterverbreitet. “China vorzuwerfen, falsche Informationen über die Ukraine zu verbreiten, stellt selbst eine Verbreitung von Desinformation dar”, sagte dazu ein Sprecher des chinesischen Außenministeriums am Donnerstag in inzwischen gewohnter Manier.
Die Staats- und Regierungschefs der G7 zeigten sich in ihrem Abschluss-Statement weniger direkt als die Nato: Die Staaten-Gruppe werde ein Auge darauf haben, ob die Sanktionen umgangen oder untergraben werden, hieß es darin – ohne China zu nennen.
Der Rat der EU-Staats- und Regierungschefs tagte am Donnerstag noch bis in den späten Abend. US-Präsident Biden hatte dort ebenfalls einen Auftritt – auch um nach eigener Aussage über eine gemeinsame Position vor dem EU-China-Gipfel in der kommenden Woche zu beraten. “Ich denke, die Botschaften an China waren sehr deutlich. Bitte haltet Abstand”, sagte der belgische Premierminister Alexander De Croo am Donnerstag. Der Großteil der EU-Staatenlenker gab ähnliche Statements ab.
Der Pekinger Außenamtssprecher betonte derweil, Chinas Position sei im Einklang mit “den Wünschen der meisten Länder”. “Wir waren immer der Auffassung, dass die Ukraine eine Brücke zwischen Ost und West werden und nicht an der Front eines Spiels zwischen Supermächten stehen sollte.” Doch letztlich duldet China genau das: Dass Russland die Ukraine als Pufferstaat zum Westen und als eigene Einflusssphäre betrachtet, die selbst kein Mitspracherecht über ihre Rolle hat. Xi sprach seit Beginn des Krieges zwar mit einigen Staats- und Regierungschefs, nicht aber mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj.
China versucht unterdessen weiter, sich mit allen Mitteln um eine klare Aussage zu drücken: Je weniger die Ukraine bei multilateralen Veranstaltungen überhaupt Thema wird, desto besser ist das aus Sicht Pekings. Sowohl Außenminister Wang Yi als auch Xi selbst drängten in diesen Tagen die indonesische G20-Präsidentschaft, den Ukraine-Konflikt von der Tagesordnung des G20-Gipfels auf der Tropeninsel Bali Ende Oktober zu streichen. Indonesien habe sich offen gezeigt, hieß es. Auch ist China dafür, Wladimir Putin mit an den G20-Gipfeltisch zu laden – was für viele andere Staaten aber längst undenkbar geworden ist. US-Präsident Biden sprach sich am Donnerstag gar für einen kompletten Ausschluss Russlands von G20 aus. Sollte das von anderen Staaten nicht gestützt werden, sollte die Ukraine ebenso eingeladen werden, schlug Biden vor.
Dass die Kooperation mit Russland aber dennoch Grenzen haben könnte, deutete der chinesische Botschafter in den USA Qin Gang an. “Die Zusammenarbeit zwischen China und Russland hat keine verbotenen Bereiche, aber es gibt dafür Richtlinien (bottom line)”, sagte Qin am Mittwoch dem teilstaatlichen Fernsehsender Phoenix TV. Dazu gehörten auch die Grundsätze der Charta der Vereinten Nationen, die die Grundnorm des Völkerrechts und der internationalen Beziehungen darstellen, so Qin. “Das ist die Richtlinie, die wir in den bilateralen Beziehungen zwischen China und jedem anderen Land befolgen.”
Der Druck auf Peking wird so schnell nicht nachlassen – er wird auch den EU-China-Gipfel dominieren. Der Ukraine-Krieg werde bei dem virtuellen Treffen am Freitag kommender Woche im Mittelpunkt stehen, schrieb EU-Ratschef Charles Michel im Einladungsbrief an die anderen Staats- und Regierungschefs der EU.
Das Gipfeltreffen zwischen Michel, EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, Xi Jinping sowie Premier Li Keqiang ist der erste Gipfel seit Juni 2020. Im vergangenen Jahr war ein Datum für ein bilaterales Treffen aufgrund der gegenseitigen Sanktionen im Zusammenhang mit den Menschenrechtsverletzungen in Xinjiang immer wieder verschoben worden. Doch wirklich gut ist die Stimmung auch jetzt nicht. Es wird keine gemeinsame Abschlusserklärung für den Gipfel erwartet – ein Anzeichen dafür, dass niemand mit großen Fortschritten rechnet. Amelie Richter/Christiane Kühl
Bis vor wenigen Jahren produzierte das Hurun Research Institute Schlagzeilen über auswanderungswillige chinesische Staatsbürger. Regelmäßig hatte sich das Unternehmen unter den Superreichen der Volksrepublik umgehört und zum Teil erstaunliche Resultate hervorgebracht. 2017 beispielsweise wollten laut Hurun rund die Hälfte der Befragten ihrem Heimatland den Rücken kehren und auswandern. Der Regierung war das ein Dorn im Auge: Es passt nicht zum Narrativ vom China, das sich anschickt, die USA in vielen Bereichen einzuholen.
Umso besser dürfte der chinesischen Regierung das jüngste Hurun-Weißbuch zu internationaler Erziehung in China gefallen haben. Der Trend unter den Millionären des Landes, die eigenen Kinder am liebsten im Ausland auszubilden, ist zwar ungebrochen. Doch der Bericht thematisiert im Gegensatz zur Vergangenheit die Gründe, weshalb die chinesischen Eltern ihre Kinder nach der Ausbildung zurück in der Heimat sehen wollen.
Bessere wirtschaftliche Rahmenbedingungen (59 Prozent Zustimmung), ein vorteilhaftes Ökosystem für Start-ups (56 Prozent), Familie und Freunde (52 Prozent) und eine “vorteilhafte Rückkehrpolitik” (51 Prozent), also staatliches Bemühen um das Wohlbefinden der Heimkehrer, wurden als Hauptgründe benannt. Während Hurun früher fragte, was den Wunsch nach einem Leben im Ausland begünstigte, steht heute die Suche nach den Gründen für die Rückkehr im Mittelpunkt.
Ein Grund für die Kehrtwende in der Fragestellung dürfte in der Partnerschaft Huruns mit der Beanstalk Education Group sein. Das Unternehmen bietet an 20 Standorten in der Volksrepublik kostspielige Bildungsprogramme vom Kindergarten bis zum Schulabschluss an. Auf ihrer Internetseite schreibt Beanstalk, man ermutige “die jungen zukünftigen Kräfte, Abenteuer zu erleben, sowohl ins Ausland zu gehen als auch in ihr Heimatland China zurückzukehren.”
Diese Botschaften dürften auch der Führung besser passen. Denn die Absetzungstendenzen der Elite blieben auch den Normalsterblichen in China nicht verborgen. Mit typisch chinesischem Sarkasmus definierten die einfachen Bürger (老百姓) den chinesischen Traum von Staatspräsident Xi Jinping auf ihre eigene Weise um: Reich werden im Land und schnellstmöglich rauskommen – bestenfalls mit einer ausländischen Staatsbürgerschaft.
Umfragen, die sich mit Auswanderungsgründen beschäftigen, sind seit 2018 jedoch nicht mehr veröffentlicht worden. Im Jahr 2018 griff Hurun das Thema Immigration unter reichen Chines:innen zwar erneut auf, kehrte die Leidenschaft der Reichen für ein Leben außerhalb der Heimat aber bereits ins Positive: Neun von zehn, die mit einem Leben im Ausland liebäugelten, zogen in Erwägung, ihren beruflichen Ruhestand in China zu verbringen.
In den Jahren zuvor hatten die Reichen immer wieder Bildungsmängel, Umweltverschmutzung, aber auch das politisch unsichere Umfeld als Beweggründe genannt, weshalb sie China verlassen wollten. Wer reich wird in China, kann sich des Reichtums eben nicht sicher sein. Zu schnell kann sich das Wohlwollen der Kommunistischen Partei gegen die Reichen wenden.
Der Reputation des Landes taten die Auswanderungsbegeisterung der Oberschicht nicht gut, schon gar nicht nach innen. Es ist schwierig, der breiten Masse ein Gefühl der Glückseligkeit zu vermitteln, wenn jene, die es sich leisten können, unbedingt wegwollen. Vor anderthalb Jahren sorgte der Fall von Yang Huiyan für Aufsehen. Die reichste Frau Asiens mit einem Vermögen von rund 20 Milliarden US-Dollar gehörte zu mehreren Hundert chinesischen Staatsbürgern, die sich in Zypern einen sogenannten Goldenen Pass verschafft hatten, also für hohe Investitionen in dem EU-Land mit einer Einbürgerung belohnt wurden.
Der Geist der Rückkehr schwebt nun auch über dem aktuellen Hurun-Report. Sicherheitsbedenken (71 Prozent) zählen demnach zu den größten Sorgen der Eltern, es folgen die Sorge, um die Fähigkeit sich im Ausland zu integrieren (52 Prozent) und der Verlust der kulturellen Identität (51 Prozent). Und dennoch verrät das Weißbuch, woran es laut den reichen Chinesen:innen im Land hapert. Viele wünschen sich, dass ihre Kinder “neuen Ideen ausgesetzt” werden (69 Prozent) und sehen in einem Auslandsaufenthalt eine “Bereicherung fürs Leben” (64 Prozent). Größere Unabhängigkeit (71 Prozent) und Verantwortung (67 Prozent) sowie die Fähigkeit “Probleme besser lösen zu können” (51 Prozent) sind weitere Pluspunkte, die fürs Ausland sprechen.
Wie fragil der Aufbau des eigenen Vermögens in China sein kann, erlebten in den vergangenen Monaten viele Superreiche am eigenen Leib. Zhang Yiming, Gründer der Tiktok-Mutter Bytedance, ist der einzige chinesische Tech-Milliardär von Rang und Namen, dessen Vermögen vor dem Hintergrund von Pekings Tech-Crackdown nicht dramatisch dahingeschmolzen ist.
Im aktuellen Milliardärs-Ranking des chinesischen Hurun-Reports wurde Zhangs Vermögen wie im Vorjahr auf 53 Milliarden US-Dollar geschätzt – was ihm den zweiten Platz unter den reichsten Chinesen einbrachte. Zhang blieb wohl verschont, weil sein Unternehmen bislang nicht an der Börse notiert ist. Denn dort sorgte die Regulierungsoffensive für einen Absturz der Tech-Werte.
Alibaba-Gründer Jack Ma zählte dagegen zu den größten Verlierern. Er büßte auf dem Papier etwa ein Drittel seines Vermögens ein, das noch auf rund 37 Milliarden Dollar geschätzt wird. Huang Zheng, Gründer des direkten Alibaba-Konkurrenten Pinduoduo, verlor sogar 72 Prozent seines Reichtums und war damit noch 19 Milliarden Dollar schwer. Laut Hurun kamen neun der zehn größten Verlierer unter den globalen Milliardären im vergangenen Jahr aus China. Sonst schaffte es nur noch Facebook-Chef Mark Zuckerberg auf diese Negativliste. Die Nummer Eins unter Chinas Superreichen war wie schon im Vorjahr Wasser-Mogul Zhong Shanshan, dessen Geschäft die Tech-Regulatoren nicht interessiert.
Denn so schnell wie die chinesische Führung Vermögen zerstören kann, so schnell kann sie es kreieren. Dank massiver staatlicher Hilfen sind in den vergangenen Jahren gewaltige neue Industrien herangewachsen. Und die haben einige Menschen sehr reich gemacht. So etwa Zeng Yuqun, den Gründer des E-Auto-Batterieherstellers CATL. Zengs Vermögen legte im vergangenen Jahr dank des stark gestiegenen Aktienkurses von CATL um 56 Prozent auf 53 Milliarden Dollar zu. Damit schaffte er es erstmals auf den dritten Platz unter den chinesischen Milliardären. Gleich sieben CATL-Mitgründer und Manager finden sich im diesjährigen Milliardärs-Ranking von Hurun.
Ähnlich profitierten auch andere Branchen, die Chinas Führung als strategisch wichtig ansieht. Einer der prozentual größten Vermögens-Gewinner heißt Gao Jifan, Gründer des Solar-Unternehmens Trina Solar. Er mehrte sein Vermögen innerhalb eines Jahres um 227 Prozent auf 8,5 Milliarden Dollar. Auch einige Chip- und Pharma-Unternehmer legten kräftig zu. Marcel Grzanna/Jörn Petring/Gregor Koppenburg
28.-31.03.2022, 12:30-9:00 PM (EST)
Harvard Law School, Symposium: Annual China Law: Charting a New Course through Uncertainties Mehr
29.03.2022, 11:00-12:30 Uhr (MESZ)
Burkardt & Partner, Webinar: Datenschutz in der Automobilindustrie in China und Deutschland: Rechtsvergleich und praktische Umsetzung Mehr
29.03.2022 12:00-13:00 Uhr (MEZ), 6-7 PM (Shanghai Time)
China Europe International Business School, Webinar: Understanding Effective Training for Older Workers: Nationally Representative Evidencee Mehr
30.03.2022, 10:00-11:00 Uhr (MEZ)
Rödl & Partner/ Deutsch-Chinesische Wirtschaftsvereinigung (DCW) e.V.: Datenschutz und Datensicherheit im deutschen China-Geschäft Mehr
30.03.2022, 12:00-2:00 PM (EST), 18:00-20:00 Uhr (MEZ)
Harvard Fairbank Center, Critical issues confronting China: The Performative State: Public Scrutiny and Environmental Governance in China Mehr
30.03.2022, 3:00 PM EST / 12:00 PM PST / 9:00 PM MEZ
Dezan Shira, Webinar: China’s 2022 Economic & Social Policies from the Two Sessions Mehr
30.03.2022, 7:00-8:30 PM (EST)
Harvard University Asia Center, Lecture: Philippine Presidential Election and the South China Sea: Navigating Maritime Dispute with China Mehr
30. und 31.03.2022, ganztägig
EU SME Centre, Webinar: EU-China agri-food trade relations | European agri-food products: exporting quality, safety and sustainability to Chinese consumers Anmeldung
Die Anrufung der Welthandelsorganisation WTO ist die richtige Reaktion der EU auf den Streit mit China um Litauen – doch zugleich sind die Chancen auf ein klares Urteil gering. Das ist das Fazit einer Gesprächsveranstaltung der Reihe Global China Conversations am Kiel Institut für Weltwirtschaft (IfW Kiel). Die Eröffnung eines WTO-Verfahrens “war aus unserer Sicht der richtige Schritt”, sagt Ökonom Jürgen Matthes vom IW Köln. Chinas Verhalten gegenüber Litauen (China.Table berichtete) werde damit vor den anderen Handelspartnern angeprangert. Die EU trage ihre Beschwerde damit “vor die Weltöffentlichkeit”.
Doch zugleich dämpfen die Forscher die Hoffnung auf einen Sieg der EU als Ergebnis des Verfahrens. Zudem warnen sie, dass ein schneller Ausgang praktisch ausgeschlossen ist – der Vorgang werden sich monate- oder jahrelang hinziehen. “Die konkreten Erfolgsaussichten sind wegen juristischer Unsicherheiten gering”, sagt Ökonom Christian Hederer von der Technischen Hochschule Wildau.
Das WTO-Verfahren verläuft mehrstufig. China kann einerseits darauf pochen, mit dem Handelsstopp gegen Litauen seine Sicherheitsinteressen gewahrt zu haben. Früher war es unüblich, diese Klausel so weitreichend zu verwenden. Doch Donald Trump hat sie für Angriffe gegen China missbraucht und die Praxis damit einreißen lassen.
Auf der anderen Seite kann China behaupten, es habe zu keinem Zeitpunkt einen Boykott litauischer Waren gegeben. Peking hat die Handelsmaßnahmen nämlich nie als Strafen bezeichnet, obwohl es die weitreichendste Blockade war, die es in Friedenszeiten je gab. Stattdessen hat China mal Computerfehler, mal mangelnde Verbrauchernachfrage nach den litauischen Waren vorgeschoben. Die Beweislast liege nun vermutlich bei der EU als Klägerin, sagen die Forscher. Die Argumentation bietet reichlich Stoff, um Juristen lange Zeit zu beschäftigen.
Trotz der Hürden sei es richtig, den Weg über die Welthandelsorganisation zu gehen, sagen die beiden Volkswirte. So zeige die EU, dass ihr an international festgelegten Mechanismen gelegen ist. Die WTO war eine Erfolgsgeschichte, bevor die Spannungen zwischen den Handelsblöcken ihr die Arbeitsgrundlage entzogen hat. Da sie aber zugleich heute wenig effektiv ist, brauche die EU eigene Abwehrmöglichkeiten wie das Anti Coercion Instrument (China.Table berichtete). Dessen Anwendung sei allerdings möglicherweise nicht WTO-konform, was neue Komplikationen schaffe. fin
Der nächste Teil der Global China Conversations findet am 28. April statt unter dem Titel: “Chinas Sozialkreditsystem: Welche Auswirkungen hat es auf deutsche Unternehmen?”
Hongkong droht der Exodus europäischer Unternehmen. Rund 25 Prozent der befragten Unternehmen gaben in einer neuen Umfrage der EU-Handelskammer an, der Stadt innerhalb der nächsten zwölft Monate komplett den Rücken kehren zu wollen. Weitere 24 Prozent der Unternehmen gaben an, einen teilweisen Rückzug aus Hongkong zu planen. Lediglich jedes sechste befragte Unternehmen antwortete, keine Pläne für einen Rückzug zu haben. Die Erhebung wurde zwischen Mitte Januar und Mitte Februar erstellt, wie Bloomberg berichtet. 260 Befragte nahmen demnach an der Umfrage teil.
“Wenn man sich die vergleichsweise überwältigende Beteiligung unserer Mitglieder ansieht, sollte das Ergebnis als deutliche Warnung dienen, dass die letzten Monate und Jahre die europäische Wirtschaft und ihr Vertrauen strapaziert haben”, sagte Frederik Gollob, der Vorsitzende der Europäischen Kammer laut Bloomberg. Mit Blick auf die aktuellen Maßnahmen zur Eindämmung der Coronavirus-Pandemie, sagte Gollob, es brauche “einen klaren Plan für die Rückkehr zur Normalität”. nib
Ein Wrackteil der Boeing 737, die am Montag abgestürzt ist, wurde zehn Kilometer von der Absturzstelle entfernt aufgefunden. Das deutet Experten zufolge darauf hin, dass der Flieger in der Luft auseinandergebrochen sein könnte. Das Trümmerstück sei 1,30 Meter lang und zehn Zentimeter breit, berichtet Bloomberg. Es könne entweder vor dem Absturz abgefallen sein oder es brach erst wegen der hohen Belastung während des Sturzflugs ab. Der China-Eastern-Flug MU5735 war aus 8900 Metern Höhe ohne Notruf fast senkrecht heruntergefallen (China.Table berichtete). Ermittler haben am Donnerstag begonnen, die Aufnahmen des Cockpit-Rekorders auszulesen, um der Ursache der Katastrophe auf die Spur zu kommen. fin
China will bis zum Jahr 2025 zwischen 100.000 und 200.000 Tonnen grünen Wasserstoff jährlich herstellen. Langfristig soll eine starke Wasserstoff-Industrie aufgebaut werden. Das geht aus einem neuen Plan der Nationalen Entwicklungs- und Reformkommission (NDRC) hervor, der am Mittwoch vorgestellt wurde. Zudem sollen 50.000 Wasserstoff-Fahrzeuge bis 2025 auf die Straße gebracht werden, wie Reuters berichtet. Dazu zählen auch Lkw.
Grüner Wasserstoff soll dazu beitragen, die nationalen Klimaziele zu erreichen, sagte Wang Xiang, der stellvertretende Direktor der Abteilung für Hochtechnologie bei der NDRC. Wasserstoff ist “ein wichtiger Bestandteil” von Chinas zukünftigem Energiesystem, so der Plan. Kurzfristig wird grüner Wasserstoff allerdings kaum positive Klimaeffekte haben. China produziert derzeit pro Jahr 33 Millionen Tonnen Wasserstoff. Nach Angaben der Regierung werden etwa 80 Prozent davon mit Kohle und Erdgas erzeugt, der Rest ist hauptsächlich ein Nebenprodukt der Industrie. 200.000 Tonnen grüner Wasserstoff wären dementsprechend lediglich ein Tropfen auf den heißen Stein.
Wang sagte, dass der größte Teil des chinesischen Wasserstoffs zwar aus fossilen Brennstoffen hergestellt wird, das Potenzial von grünem Wasserstoff jedoch enorm ist, da das Land über die weltweit größte Kapazität an erneuerbaren Energien verfügt. Fast alle Provinzen und Regionen in China haben Wasserstoff in ihre Entwicklungspläne aufgenommen. Mehr als 120 grüne Wasserstoffprojekte sind in der Entwicklung.
Laut NDRC befindet sich Chinas Wasserstoff-Industrie noch in einer frühen Phase der Entwicklung. Die industrielle Innovationsfähigkeit ist noch nicht allzu stark. Bei wichtigen Komponenten und Grundstoffen sei die Industrie noch auf Importe angewiesen. Die Wettbewerbsfähigkeit der Industrie soll gestärkt werden. nib
Chinas Außenminister Wang Yi hat am Donnerstag seinen Kollegen Amir Khan Muttaqi in Kabul getroffen. Das Treffen ist der höchste Besuch eines chinesischen Beamten seit der Machtübernahme durch die Taliban im vergangenen Jahr. Wang und Muttaqi besprachen eine mögliche Rolle Afghanistans in der Belt-and-Road Initiative und die Aufnahme von Arbeiten im Bergbausektor, wie Reuters berichtet. China sei bereit, sich für die Ausweitung des chinesisch-pakistanischen Wirtschaftskorridors auf Afghanistan einzusetzen, heißt es in einer Erklärung des Außenministeriums. Der Korridor ist eines der wichtigsten Neuen Seidenstraßen-Projekte. Bisher hat Peking die Taliban-Regierung in Afghanistan noch nicht formell anerkannt.
Erst am Vortag von Wangs Besuch hatten die Taliban Mädchen den Besuch weiterführender Schulen verboten. Das stellt eine abrupte Kehrtwende dar, nachdem die Taliban vorher erklärt hatten, die Schule stehe allen Schülern offen. China wird nach Reuters-Informationen noch in diesem Monat Gastgeber eines Treffens der regionalen Außenminister sein, an dem auch Muttaqi teilnehmen wird. nib
Wer kennt es nicht – die Schulzeit ist endlich vorbei, doch was nun? Diese Lebenslage führte Stefanie Thiedig im Jahr 2000 zum ersten Mal ins Reich der Mitte. Über eine Anzeige im Zeit-Magazin bewarb sie sich dafür, in Peking ein Jahr Chinesisch zu lernen. Es sollte der erste von vielen Aufenthalten sein. Als Sinologin wagte sie Anfang 2009 den Schritt in die Selbstständigkeit, nachdem sie bei ersten Gehversuchen auf dem Arbeitsmarkt in Peking durch die hierarchischen Strukturen abgeschreckt wurde. “Wenigstens fünfzig Prozent dessen, was man den lieben langen Tag tut, muss irgendwie interessant sein”, so beschreibt sie seither munter ihr Lebensmotto.
Im Jahr 2011 entschied sie sich dazu, einen Masterstudiengang für Fotografie zu absolvieren. “Damit ich mich mit Fotografie als visuellem Medium auch ausdrücken kann”, erklärt Thiedig ihre Motivation. Ihre Kenntnisse der chinesischen Sprache und Kultur, sowie der Fotografie haben seither viele Früchte getragen. Für Auftraggeber wie das Goethe-Institut oder die deutsche Botschaft arbeitet sie an Kulturprojekten mit China-Bezug. 2010 veröffentlichte sie mit einer Freundin ihr erstes Buch: “Culturescapes” widmet sich Beijings Kunstszene von 2000 bis 2010. Des Weiteren betreibt Stefanie Thiedig die Plattform Kulturgut.blogger.de, auf der sie unter anderem Eindrücke über aktuelle Ausstellungen festhält.
Ein sehr persönliches Projekt war 2017 die Arbeit an ihrem dritten Buch “111 Orte in Peking, die man gesehen haben muss”. Mit dem Wissen, dass sie China bald verlassen würde, war es für sie eine Art Zusammenfassung ihrer zehn Jahre dort. “Mir rückte das Politische dann doch immer mehr in den Nacken”, erzählt Stefanie Thiedig von ihrem Entschluss, nach Deutschland zurückzukehren. Doch auch aufgrund des gegenwärtigen Zustands verstärkter Abschottung in China und der Skepsis im Umgang mit dieser Situation in Deutschland, bleibe ein Austausch unbedingt relevant, betont sie.
Ihrer Fähigkeit treu bleibend, Leidenschaften zum Beruf zu machen, geht Stefanie Thiedig auch in ihrer freien Zeit gerne mit einer Kamera raus in die Natur. Auch beim Anblick der deutschen Landschaft sind ihre Fotos mitunter durch die chinesische Landschaftsmalerei inspiriert, erzählt sie. Nach China zieht es sie zwar zurück, aber die politische Lage und Corona-Maßnahmen erschweren nun schon seit zwei Jahren die Rückkehr. Stefanie Thiedigs aktuelles Projekt mit dem Goethe-Institut nennt sich deutsch-chinesische Museumsgespräche und richtet sich an Kurator*innen aus Deutschland und China. Während einer Workshop-Reihe beschlich sie das Gefühl, dass sie aktuell einiges in China verpasst. Pia Wieners
Jia Hang wird Regionalleiter für den südostasiatischen Markt der Ant Group. Das zur Alibaba Group Holding gehörende Fintech-Unternehmen hat diesen Posten neu geschaffen.
Zhang Ke, bislang Hauptbuchprüfer der Nationalen Rechnungsprüfungsamts, wurde degradiert. Er ist jetzt Stellervertretender Hauptbuchprüfer.
Karawane der Neuzeit – Gütertransport auf dem Huangpu-Fluss durch Shanghai.