Table.Briefing: China

Emissionsgipfel früher möglich + Willkür in Xinjiang

  • Rasanter Ausbau der Erneuerbaren macht Klima-Hoffnung
  • Wahllose Haftgründe für Minderheiten in Xinjiang
  • Behörden erwägen längere E-Auto-Subventionen
  • Sigmar Gabriel mahnt vor zu großer Abhängigkeit
  • Kommunen zweigen Geld aus Armutsfonds für Covid-Tests ab
  • EU-Taiwan-Gespräche bald Chef:innen-Sache
  • Neue Energiespeicher-Art bald am Netz
  • Casino-Mogul Steve Wynn – chinesischer Lobbyist?
  • Im Portrait: Elisabeth Kaske kennt sich in Chinas Geschichte aus
Liebe Leserin, lieber Leser,

diese Woche gibt es gute Nachrichten aus China zum Thema Klimaschutz. Eine Gruppe namhafter Energie-Analysten ist auf Basis der ehrgeizigen Ausbauprogramme Pekings für erneuerbare Energien zu dem Schluss gekommen, dass China den Höhepunkt seiner CO2-Emissionen früher erreichen kann als in seinen eigenen Klimazielen angestrebt. Statt 2030 könnte dieser “Peak” sogar schon 2025 erreicht werden. Voraussetzung dafür ist aber, dass der Energieverbrauch nicht stärker ansteigt als bisher prognostiziert. Welche anderen Hürden es für China noch zu überwinden gilt, analysiert Nico Beckert. Da China der größte CO2-Emittent der Welt ist, wäre ein Erfolg der Klimamaßnahmen des Landes für uns alle wichtig.

Viele seiner gigantischen Wind- und Solarparks errichtet China in Xinjiang – einer Region, die ansonsten vor allem negative Schlagzeilen produziert. Seit Jahren gibt es seriöse Berichte, dass dort auf Geheiß Pekings bis zu einer Million Uiguren und Angehörige anderer Minderheiten in Lagern interniert sind, zur Umerziehung und Sinisierung. Nun wird deutlich: Oft liegen Sippenhaft oder schlichte Willkür den Inhaftierungen in den Lagern zugrunde. Marcel Grzanna hat eine geleakte Liste der Haftgründe einmal genauer unter die Lupe genommen.

“Bald” wird sich übrigens die UN-Menschenrechts-Hochkommissarin Michelle Bachelet in Xinjiang umsehen dürfen, heißt es. Ob sich die einstige chilenische Präsidentin dabei ein halbwegs authentisches Bild der Lage machen kann, wird sich erweisen.

Wir wünschen Ihnen eine informative Lektüre,

Ihre
Christiane Kühl
Bild von Christiane  Kühl

Analyse

Experten: Emissions-Peak schon 2025 erreichbar

China baut in rasantem Tempo Solar- und Windkraftwerke. Manchmal in Form eines Nationalsymbols, wie hier bei Datong - durch den massiven Ausbau könnte der Emissions-Peak Chinas bereits im Jahr 2025 erreicht sein.
China baut in rasantem Tempo Solar- und Windkraftwerke. Manchmal in Form eines Nationalsymbols, wie hier bei Datong.

Größter Kohle-Konsument und gleichzeitig größter Investor in erneuerbare Energien – Chinas Energiepolitik ist ambivalent. Die Volksrepublik verbraucht weltweit mit Abstand am meisten Kohle. Doch auch beim Ausbau der erneuerbaren Energien ist China schneller als jedes andere Land. Allein in den Jahren 2020 und 2021 hat China dreimal mehr Solar- und Windkraftwerke gebaut als die USA oder die EU.

Und es scheint, als könnte die Volksrepublik das Tempo aufrechterhalten. Wenn alle Projekte der Provinz- und Zentralregierung umgesetzt werden, wird China bis zum Jahr 2026 gut 1.200 Gigawatt erneuerbare Energie- Kapazität haben. Das zeigt eine neue Analyse des Centre for Research on Energy and Clean Air (CREA). Diese 1.200 Gigawatt würden gegenüber Ende 2020 mehr als eine Verdopplung bedeuten.

Chinas Ausbau-Ziele übertreffen die Kapazität anderer Staaten bei weitem - Emissions-Peak wird wohl schon 2025 erreicht sein.
Chinas Ausbau-Ziele übertreffen die Kapazität anderer Staaten bei weitem

Erneuerbare können zusätzliche Energienachfrage decken

Die Erneuerbaren sind ein wichtiger Eckpfeiler, damit China seine 30/60-Klimaziele erreichen kann: Bis 2030 sollen die Emissionen den Höchststand erreicht haben – und danach fallen. Bis 2060 will die Volksrepublik die CO2-Neutralität erreichen. Fossile Brennstoffe wie Kohle, Öl und Gas im Transport-, Industrie- und Heizsektor müssen durch erneuerbare Energiequellen ersetzt werden. Laut Lauri Myllyvirta, China-Experte beim CREA, könnte der Ausbau der Erneuerbaren so schnell gehen, dass die zusätzliche Energienachfrage der kommenden Jahre komplett durch saubere Energieträger gedeckt werden könne.

Die CREA-Analysten gehen dabei von einem Anstieg der Stromnachfrage von durchschnittlich vier Prozent pro Jahr aus. Läuft der Ausbau der Erneuerbaren nach Plan, bräuchte es keine Erhöhung der fossilen Stromerzeugung mehr. Neben Wind- und Solarenergie würden 30 Prozent des Zuwachses durch Kern- und Wasserkraft sowie Energie aus Biomasse gedeckt. Allerdings könnte die Stromnachfrage auch schneller steigen, falls die Regierung versuchen sollte, das Wachstum der derzeit coronabedingt dümpelnden Wirtschaft durch Investitionen in energieintensive Sektoren anzukurbeln – zumindest kurzfristig.

Generell gehe “die Periode des Bau- und Infrastrukturgestützten Wachstums in China unweigerlich zu Ende”, sagte Myllyvirta zu China.Table. In Zukunft stehe im Bau zudem mehr Stahl aus Schrott zur Verfügung, so der Energie-Experte. Die Zement-Produktion gehe schon seit 2013 zurück. “In einigen Sektoren werden die Emissionen natürlich noch steigen, aber wenn saubere Energien die fossilen Brennstoffe in anderen Sektoren verdrängen, können die Gesamtemissionen immer noch ihren Höchststand erreichen”, zeigt sich Myllyvirta optimistisch.

China: Für Erreichen der Pariser Klimaziele mehr Tempo nötig

So beeindruckend das Tempo des Ausbaus ist: Es reiche dennoch nicht, um die langfristigen Klimaziele bis 2060 zu erreichen, glauben die CREA-Autoren. Um bis 2060 klimaneutral zu werden, muss China pro Jahr Kraftwerks-Kapazitäten aus Erneuerbaren von jeweils 150 bis 200 Gigawatt errichten. Und auch das mögliche frühe Erreichen Emissionsgipfels ist kein Grund für übermäßigen Klima-Optimismus. Denn ein früherer Höchststand ist schlicht “erforderlich, um die Ziele des Pariser Klima-Abkommens zu erreichen.”

Einen großen Teil der neuen Solar- und Windkraftwerke will China in den Wüsten des Nordwestens und auf anderem unfruchtbaren Land errichten (China.Table berichtete). Auch in den kohlereichen Provinzen wie der Inneren Mongolei und Shaanxi sollen große Solar- und Windkraftwerke entstehen, so die CREA-Analysten. Für die Energiewende sei das wichtig. “Ohne eine neue Rolle im Bereich der sauberen Energie würde der Industriesektor dieser Provinzen bei der Energiewende in China wirtschaftlich ins Hintertreffen geraten.”

Allerdings beschäftigt der Kohlebergbau in solchen Regionen je nach Quelle zwischen 2,6 und fünf Millionen Chinesen. Ob diese Jobs durch Arbeitsplätze beim Aufbau der Erneuerbaren ersetzt werden können, ist fraglich. Laut wissenschaftlichen Prognosen wird die Solarindustrie in China bis zum Jahr 2035 circa 2,3 Millionen neue Jobs in der Fertigung, Montage und Wartung schaffen (China.Table berichtete).

Auch ein flexibles Stromnetz wichtig

Doch der Ausbau von Solar- und Windkraftwerken allein ist noch keine Energiewende. Um die Kraft der Erneuerbaren entfalten zu können, braucht es ein funktionierendes Energiesystem, in dem alle Räder ineinandergreifen. Dazu gehört mehr Flexibilität beim Betreiben der Kohlekraftwerke, sodass Kohlestrom in den Hochzeiten der Erneuerbaren nicht das Stromnetz blockiert. Aber auch die Stromnachfrage müsse flexibler sein, so die CREA-Autoren.

Beim Ausbau des Stromnetzes zeigen sie sich optimistisch. “Der Vorteil des chinesischen Top-down-Modells besteht darin, dass Übertragung und Erzeugung gemeinsam geplant werden. Die Fernübertragungsleitungen werden zusammen mit den Erzeugungskapazitäten gebaut“, sagt Lauri Myllyvirta. Er sieht in der Veränderung des Betriebs der Netze und Kraftwerke die größte Herausforderung. Der Betrieb von Kohlekraftwerken müsse wesentlich flexibler werden, sagt Myllyvirta. Kohlekraftwerke laufen derzeit zu starr und drücken deswegen ständig Kohlestrom ins Netz. Wenn Kohlekraftwerke und Netze flexibler wären, wäre mehr Platz für die Durchleitung erneuerbarer Energien. Das Problem besteht seit Jahren.

Hinzu kommen politische Fallstricke. Die Provinzen verfolgen derzeit häufig noch das Ziel, die eigene Stromproduktion zu maximieren. Daher bauen sie noch immer Kohlekraftwerke. In Zhejiang wurde beispielsweise gerade ein neues Kohlekraftwerk bewilligt, mit der Begründung: Die Provinz wolle “den Stromhandel zwischen den Provinzen verringern“. Das läuft laut CREA jedoch den Klimazielen und der Notwendigkeit eines nationalen Energiesystems zuwider. Es bleibt viel zu tun.

  • Energie
  • Erneuerbare Energien
  • Klima
  • Klimaziele

Haftgründe in Xinjiang offenbaren Willkür der Behörden

Die Trägerin des Nürnberger Menschenrechtspreises Sayragul Sauytbay aus Xinjiang erinnert sich an lange Listen willkürlicher Haftgründe.
Die Trägerin des Nürnberger Menschenrechtspreises Sayragul Sauytbay aus Xinjiang erinnert sich an lange Listen willkürlicher Haftgründe.

Die Haftgründe für Uiguren in Xinjiang basieren weniger auf klaren Gesetzesverstößen als vielmehr auf dem Misstrauen und der Willkür chinesischer Sicherheitskräfte. Das offenbart eine Liste der chinesischen Polizei mit mehr als 10.000 Namen von Inhaftierten, die uigurische Exilgruppen aus Xinjiang übermittelt bekommen haben. Die Nachrichtenagentur AFP bekam Einblick in die Liste und berichtet von vage formulierten Haftgründen. Dazu gehören etwa das “Versammeln einer Gruppe, um die soziale Ordnung zu stören”, eine “Förderung von Extremismus” oder “Streit anzetteln und Ärger provozieren”.

Die chinesische Regierung rechtfertigt ihr hartes Vorgehen gegen Uiguren in Xinjiang stets als Anti-Terrorkampf. Die Liste offenbart jedoch die Wahllosigkeit, mit der vermeintliche Terroristen herausgefiltert werden. “Das ist keine klar zielgerichtete Terrorismusbekämpfung“, sagte David Tobin, Ostasienexperte der Universität Sheffield, der AFP. Es sehe eher so aus, als gingen Beamte an jede Tür und nähmen eine Reihe von Menschen mit. “Tatsächlich zeigt das eine Willkür, die auf eine Gemeinschaft abzielt und die in der gesamten Region angewendet wird”, so Tobin.

AFP konnte die Echtheit der Liste nicht endgültig verifizieren. Dafür machte die Nachrichtenagentur außerhalb Chinas zahlreiche Verwandte von Menschen ausfindig, die auf der Liste vermerkt sind – und die die Angaben darauf bestätigen konnten. Andere Angehörige erfuhren durch die Liste zum ersten Mal vom Schicksal ihrer Verwandten, nachdem ihr Kontakt nach Xinjiang zum Teil bereits vor Jahren abgebrochen war.

Die chinesischen Behörden kontrollieren den Informationsfluss zwischen Uiguren in China und ihren Familienmitgliedern außerhalb des Landes. Exil-Uiguren klagen darüber, dass ihre Angehörigen in der Volksrepublik unter Druck gesetzt und bedroht werden. Oft komme es vor, dass die Betroffenen im Ausland Anrufe erhielten von Verwandten in Xinjiang und von diesen aufgefordert wurden, nach China zurückzukehren.

Uiguren mit Verwandten im Ausland droht eine Festnahme

Dazu zählt auch die frühere Lehrerin Sayragul Sauytbay, die am vergangenen Wochenende den Internationalen Nürnberger Menschenrechtspreis verliehen bekam (China.Table berichtete). In ihrem neuen Buch “China Protokolle”, das sie gemeinsam mit der deutschen Journalistin Alexandra Cavelius geschrieben hat, zählt Sauytbay mehrere Dutzend Gründe auf, weshalb Menschen in Xinjiang in den vergangenen Jahren ohne Anklage inhaftiert worden seien. Sie schreibt jedoch, dass die Liste nicht vollständig sei und die Gründe lediglich aus dem Gedächtnis heraus aufgezählt habe. Weitere Haftgründe sind also möglich.

Zu den von Sauytbay aufgezählten Gründen gehören das Herunterladen des Messenger-Dienstes Whatsapp oder der Anwendung Zapya, mit der größere Datenmengen übertragen werden können. Whatsapp ist in China gesperrt und funktioniert dort nur mithilfe eines VPN-Tunnels, der die Sperre umgeht.

Sauytbay erinnert sich an weitere Gründe, die zu einer Verhaftung ausgereicht hätten: Das Hören und Verbreiten ausländischer Lieder oder sich positiv über Kasachstan zu äußern – und damit Propaganda für ein anderes System machen. Selbst Verwandte im Ausland zu haben, reiche schon aus. Sauytbay selbst ist chinesische Staatsbürgerin mit kasachischen Wurzeln. 2017 hatten die Behörden die heute 45-Jährige als Ausbilderin für eines der Internierungslager zwangsrekrutiert, um den Insassen Chinesisch beizubringen. Als sie nach ein paar Monaten freikam, floh sie aus China.

Xinjiang: Mangelnde Linientreue und Religiosität als Haftgrund

Alles, was rein theoretisch darauf hinweisen könnte, dass jemand in Xinjiang nicht zu 100 Prozent auf Linie der Kommunistischen Partei liegt, kann zu einer Verhaftung führen. Besonders religiös assoziierte Merkmale würden den Menschen zum Verhängnis. Dazu zählten, einen Koran oder einen Gebetsteppich zu Hause zu haben oder andere im Ramadan zum Fasten zu ermutigen.

Die Liste der religiösen Merkmale umfasst 52 Punkte, allgemeine Vergehen noch einmal 20 Gründe. Dazu gehören etwa: Sich zu widersetzen, wenn die eigenen Kinder mit Han-Chinesen zwangsverheiratet werden sollten – oder Familienmitglieder zu haben, die als Sicherheitsrisiko eingestuft werden. Damit droht ganzen Familien die Sippenhaft.

Behörden reagierten auf Terrorakte mit einem Generalverdacht

China verweist im proklamierten Anti-Terrorkampf stets auf seine Gesetze. Allerdings verlangt auch das chinesische Recht zumindest in der Theorie Beweise für eine Anklage oder Verurteilung – und nicht nur fadenscheinige Indizien. Die mangelnde Rechtsstaatlichkeit wird immer dann besonders offenbar, wenn der Staat eine dringende Notwendigkeit für härtere Maßnahmen sieht. Das ist der Fall, wenn er Sorge vor politischen oder sozialen Unruhen hat. So wie in Xinjiang.

Nach den ethnischen Unruhen 2009 zwischen Uiguren und Han-Chinesen in der Provinzhauptstadt Urumqi mit mehr als 200 Toten hatten uigurische Extremisten mehrere Terrorattacken und Bombenanschläge im Land verübt. Darauf reagierten die Behörden mit einem Generalverdacht. Der Staat verschärfte die Überwachung und regulierte Traditionen und Bräuche der überwiegend muslimischen Uiguren.

Laut offizieller Statistiken kletterte die Gesamtzahl aller richterlichen Verurteilungen in Xinjiang zwischen 2014 und 2018 von 21.000 auf 133.000, ein Anstieg von rund 500 Prozent. Auch Uiguren, die keinen Anlass bieten, sie vor Gericht zu stellen, müssen damit rechnen, zumindest vorübergehend ihre Freiheit zu verlieren.

Dazu überzog die Regierung die Region mit einem Netz von Internierungslagern, deren Existenz sie lange Zeit leugnete. Darin befinden sich heute nach Schätzungen rund eine Million Uiguren und Mitglieder anderer ethnischer Minderheiten. Offiziell spricht Peking von “Ausbildungszentren”, in denen Uiguren für den Arbeitsmarkt der Zukunft fit werden sollen. Augenzeugenberichte und staatliche Dokumente belegen jedoch, dass es den Behörden um Umerziehung und Sinisierung geht.

  • Menschenrechte
  • Uiguren
  • Xinjiang
  • Zivilgesellschaft

News

Verlängerung der E-Auto-Subventionen möglich

China erwägt offenbar eine Verlängerung der auslaufenden Kaufsubventionen für Elektroautos. Die Behörden seien dazu in Gesprächen mit den Autobauern, berichtete Reuters am Mittwoch unter Berufung auf drei ungenannte Quellen. Mit dem Erhalt der teuren Zuschüsse zunächst bis 2023 solle das Wachstum des Segments trotz der allgemeinen wirtschaftlichen Flaute gestützt werden. Details sind laut Reuters noch nicht bekannt.

Wegen der Corona-Pandemie war das Subventionsprogramm bereits für zwei Jahre verlängert worden. Ursprünglich hatten die Zahlungen schon 2020 auslaufen sollen. Den großzügigen Subventionen wird die Schaffung des weltgrößten Marktes für Elektrofahrzeuge zugeschrieben. Seit dem Startschuss im Jahr 2009 wurden nach Schätzung von Shi Ji, einem Autoanalysten bei der China Merchants Bank, bis Ende 2021 rund 100 Milliarden Yuan (14,1 Milliarden Euro) an Käufer von Elektroautos, einschließlich kommerzieller Flottenbetreiber, ausgezahlt. Über die Jahre hatte die Regierung schrittweise das Niveau der Zahlungen pro Fahrzeug abgesenkt.

Neue Subventionen für ländlichen Raum

Das China Securities Journal hatte zudem am Dienstag berichtet, dass es ab Juni Subventionen für den Autokauf – einschließlich Elektroautos – im ländlichen Raum von bis zu 5.000 Yuan (gut 700 Euro) pro Fahrzeug geben soll. Einige Provinzen, darunter Guangdong und Chongqing, hatten im April ebenfalls Zahlungen für Kunden eingeführt, die im April ihre alten Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor gegen neue Elektroautos eintauschen.

Auf dem chinesischen NEV-Markt machen kleinere batteriebetriebene Stadtautos, von denen die meisten nicht für Subventionen in Frage kommen, laut Reuters 40 Prozent der Stromer-Verkäufe aus. Diese Vehikel kosten im Durchschnitt umgerechnet nur knapp 4.000 US-Dollar (China.Table berichtete). Subventionen werden derzeit für größere Modelle mit einer Reichweite von mehr als 300 Kilometern pro Batterieladung und einem Preis von bis zu 300.000 Yuan (42.340 Euro) vergeben.

Nach Daten des Auto-Verbandes CAAM stiegen die Elektroauto-Verkäufe in China im April um 45 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Das klingt gut; der Zuwachs war allerdings deutlich geringer als im März, als der Absatz mehr als doppelt so hoch lag wie ein Jahr zuvor. Der Grund dürften die Omikron-Welle mit ihren vielen Lockdowns sein. rtr/ck

  • Autoindustrie
  • CAAM

Gabriel: Abhängigkeit von China verringern

Der frühere Vizekanzler Sigmar Gabriel warnt davor, angesichts des Konfliktes mit Moskau auch die wirtschaftlichen Beziehungen zu China infrage zu stellen. Es sei zwar “misslungen”, das in Europa erfolgreiche Modell der Friedenssicherung durch wirtschaftliche Verflechtung auf Russland zu übertragen, sagte der Vorsitzende der Atlantik-Brücke auf der Konferenz Europe.Decisions. von Europe.Table. Das bedeute aber nicht, dass die Strategie des Wandels durch Handel per se gescheitert sei.

Die EU müsse aber versuchen, die Abhängigkeit auch von China zu verringern. “Wir werden versuchen müssen, uns breiter aufzustellen”, so Gabriel. “Aber das geht nicht über Nacht und vor allem nicht in einem Land, das wie Deutschland mehr als jedes andere Land auf der Welt in die internationalen Wertschöpfungsketten integriert ist.” Die Vorstellung, quasi autark zu werden und nur mit demokratischen Staaten zu handeln, werde daher nicht funktionieren. Zuletzt hatten sich auch Friedrich Merz und Lars Klingbeil für eine größere Unabhängigkeit von China ausgesprochen.

Liana Fix, Russland-Expertin der Körber-Stiftung, rechnet damit, dass der Ukraine-Krieg langfristig zu einer neuen Blockbildung führen wird, mit China als der Führungsmacht des östlichen Machtblocks. “Zurzeit sieht es so aus, als ob Russland langfristig kein eigener Pol mehr sein kann und wir deswegen eine Ost-West-Blockbildung sehen werden, in der Russland mehr oder weniger zum chinesischen Einflussbereich gehört“, sagte sie auf der Konferenz. Russland werde durch den Krieg und die Sanktionen wirtschaftlich und militärisch voraussichtlich dauerhaft geschwächt sein und keinen eigenen Pol in der internationalen Ordnung darstellen können.

Auch die Europäische Union werde langfristig kein eigener Pol sein, so Fix. “Europa ist trotz aller Bemühungen um strategische Autonomie langfristig zu schwach militärisch, um ohne die USA in der zunehmend militarisierten Geopolitik dieser Welt bestehen zu können.” Europa müsse sich daher als starker Partner innerhalb des westlichen und transatlantischen Bündnisses positionieren. tho   

  • Geopolitik
  • Handel
  • Russland
  • Ukraine

Massentests bringen einige Städte an finanzielle Grenzen

Um die teuren Covid-Maßnahmen zu finanzieren, greifen Lokalregierungen in China auf eigentlich für Armutsminderung und zum Ausbau der Infrastruktur angelegte Fonds zurück. Das berichtete am Mittwoch die Financial Times. Behörden in Jilin nutzen demnach einen “signifikanten” Betrag eines Armuts-Fonds, um die Corona-Massentests zu bezahlen. In Quanzhou sei auf einen Infrastruktur-Fonds zurückgegriffen worden. Laut Analysten könnten die Massentests China insgesamt bis zu 250 Milliarden US-Dollar kosten, wenn sie auf alle Städte der ersten und zweiten Ebene (“first and sceond tier cities”) ausgeweitet werden. Das entspräche gut neun Prozent der chinesischen Steuereinnahmen aus dem Jahr 2021.

Derweil gibt es neue Coronavirus-Cluster in und um Tianjin. Tausende Menschen aus dem Dorf Liu’anzhuang nahe der Hafenstadt wurden dazu aufgerufen, ihre Sachen zu packen, um in Quarantäne-Zentren umzuziehen, wie Bloomberg berichtet. In ihrem Distrikt waren ein paar Dutzend Corona-Fälle aufgetreten. Auch in der Stadt gibt es erneut Covid-Fälle, so dass es zu weiteren Störungen in den Logistikketten kommen könnte. nib

  • Coronavirus
  • Finanzen
  • Gesundheit
  • Logistik

EU-Taiwan-Gespräche bekommen personelles Upgrade

Der Handelsdialog zwischen der EU und Taiwan erfährt eine personelle Aufwertung: Die Gespräche zwischen Brüssel und Taipeh Anfang Juni sollen von der Chefin der EU-Handelsdirektion Sabine Weyand, und der taiwanischen Handelsministerin Wang Mei-hua geleitet werden. Das teilte EU-Handelskommissar Valdis Dombrovskis am Mittwoch vor dem für internationalen Handel zuständigen Ausschuss des Europaparlaments mit. Der Dialog zwischen den beiden Seiten, der am 2. Juni, stattfinden soll, werde “modernisiert”, sagte Dombrovskis.

“Im Einklang mit der Indopazifik-Strategie der EU wollen wir unsere Handels- und Investitionspartnerschaft mit Taiwan in Bereichen entwickeln, in denen sich unsere Interessen überschneiden“, so der EU-Kommissar. Im Fokus sollen dabei Tech-Bereiche wie der Handel mit Halbleitern stehen. Taiwans weltweit wichtige Rolle in diesem Bereich solle widergespiegelt werden, so Dombrovskis.

Weyand und Wang werden dem EU-Kommissar zufolge auch über Lieferketten und gegenseitige Investitionen sprechen. Brüssel will die wirtschaftlichen Verbindungen zu Taiwan ausbauen, ohne die politischen Beziehungen zu China weiter zu verschlechtern. ari

  • EU
  • Geopolitik
  • Handel
  • Taiwan
  • Technologie

Mit Druckluft zum Energiespeicher

China steht kurz davor, seine erste Druckluftspeicheranlage an das Stromnetz anzuschließen. Der neuartige Stromspeicher kann bei hohem Stromangebot Luft in eine unterirdische Salzkaverne pumpen, wie Bloomberg berichtet. Steigt die Stromnachfrage, wird die Luft freigelassen und erzeugt über eine Turbine Strom. Die 60-Megawatt-Anlage hat nach Angaben der Betreiber einige Tage erfolgreicher Tests durchlaufen und ist bereit für den kommerziellen Nutzen. Sie wäre die erste wirtschaftlich nutzbare Anlage in China und die größte, die weltweit seit 1991 gebaut wurde, so Bloomberg.

Laut dem Energie-Thinktank BloombergNEF gehören unterirdische Druckluft-Speicher zu den kostengünstigsten Formen der Energiespeicherung. In China befinden sich demnach solche Speicher mit einer Kapazität von fast vier Gigawatt in der Planung – doppelt so viel wie im Rest der Welt.

Energiespeicher sind ein wichtiger Bestandteil der Energiewende in China. Wind und Sonne liefern mal mehr Energie, als nachgefragt wird, mal herrscht Flaute. Die Folge sind Stromengpässe und ein instabiles Netz. Pumpkraftwerke und Batteriespeicher können die erneuerbaren Energien in Überschuss-Zeiten auffangen und in den sogenannten Dunkelflauten oder bei hoher Stromnachfrage wieder ins Netz speisen. Bis zum Jahr 2025 will die Volksrepublik über 62 Gigawatt an Pumpspeicher-Kraftwerken und über 30 Gigawatt an Batterie-Speicher-Anlagen verfügen (China.Table berichtete). nib

  • Energie
  • Erneuerbare Energien

Lobbyismus für China: USA verklagen Casino-Mogul

Das US-Justizministerium will den Casino-Mogul Steve Wynn zwingen, sich als Lobbyist der chinesischen Regierung zu registrieren. Wynn habe 2017 “auf Ersuchen” der chinesischen Behörden mit dem damaligen US-Präsidenten Donald Trump über eine mögliche Ausweisung des im Exil lebenden Geschäftsmanns Guo Wengui gesprochen, erklärte das Ministerium am Dienstag. Es reichte daher eine Klage gegen den 80-jährigen Wynn ein.

Guo Wengui wird in China unter anderem wegen Finanzbetrugs gesucht. China ersucht seit Jahren die Auslieferung des Geschäftsmannes. Dem US-Justizministerium zufolge gab Wynn 2017 nach einem Bericht von AFP den chinesischen Bitten um einen Einsatz für das Auslieferungsgesuch nach, um “seine Geschäftsinteressen in Macau zu schützen”. Wynn sei darauf hingewiesen worden, dass er sich als Lobbyist für China registrieren lassen müsse, habe sich aber geweigert, dies zu tun, so das Ministerium.

Damals betrieb Wynns Unternehmen drei Casinos in der früheren portugiesischen Kolonie und heutigen Sonderverwaltungszone Macau. Macau ist der einzige Ort Chinas, in dem das Glücksspiel erlaubt ist. Wynn ist bestens vernetzt in der Republikanischen Partei von Trump und engagierte sich dort unter anderem als einer der Finanzchefs. Er trat 2018 nach Vorwürfen sexuellen Fehlverhaltens als Chef seiner Unternehmensgruppe zurück.

Guo Wengui war aufgrund der Vorwürfe gegen ihn aus China in die USA geflohen. Er stand dem Ex-Trump-Berater Steve Bannon nahe und unterstützte dessen Medienunternehmen. Im vergangenen September zahlte er in einem Vergleich mit dem US-Justizministerium 539 Millionen Dollar wegen fragwürdiger Finanzgeschäfte. ck

  • Geopolitik

Presseschau

Ampel-Parteien und Union fordern Rückkehr von Taiwan zur WHO FAZ
Aufruf an Scholz: Bundestag geht auf Konfrontationskurs zu China WELT
EU to upgrade trade ties with Taiwan YAHOO
Taiwans Außenminister Joseph Wu: “Es gibt immer mehr Gespräche zwischen Taiwan und der Nato” FAZ
Biden, on a First Trip to Asia, Tries to Refocus on China Amid Ukraine War WSJ
Some tariffs on China are harming families and businesses, Janet Yellen says CNN
China in talks with automakers on EV subsidy extension -sources REUTERS
Chinese university is scene of rare coronavirus lockdown protest WASHINGTON POST
Hong Kong: Why Catholics are worried over free speech DW
Rare Chinese vase kept in kitchen sells at auction for almost £1.5m THE GUARDIAN

Portrait

Elisabeth Kaske – Professorin und Beobachterin chinesischer Geschichte

Elisabeth Kaske ist Professorin für Gesellschaft und Kultur des modernen China an der Universität Leipzig.
Elisabeth Kaske

“Als Mensch hat Geschichte für mich zwei Attraktionen”, sagt Elisabeth Kaske, Professorin für Gesellschaft und Kultur des modernen China an der Universität Leipzig. Zum einen liege sie in der Vergangenheit und man könne als Außenstehender draufschauen. Auch kenne man den Ausgang und könne trotzdem mit möglichen anderen Ausgängen spielen. “Das gibt einem eine große Freiheit, die man in der Gegenwart nicht hat, da man immer den Ereignissen hinterherläuft.”

Die zweite Attraktion besteht für die Historikerin darin, dass man die Geschichte wie ein kaputtes Haus ansehen könne. “Von den einst drei Millionen Steinen sind noch 100.000 da, und daraus muss man das Haus wieder bauen. Man baut aber nicht die ganze Geschichte, sondern immer nur einen Teil. Und um dieses Haus zu bauen, muss man gut fundierte Annahmen machen. Analogien von anderen Häusern, Vergleiche ziehen. Und dann baut man sich eine Hypothese, wie dieses Haus ausgesehen haben kann.” So fasst Kaske ihre Auffassung von Geschichte als Wissenschaftlerin, aber auch als geschichtsinteressierter Mensch zusammen.

Doppelte Entfremdung in der Forschung

Schwerpunkt der Forschung Kaskes ist die Geschichte Chinas. Der Umgang mit der Vergangenheit eines fremden Landes übt für sie einen großen Reiz aus. Der große Unterschied zwischen jemandem, der sich mit der Geschichte des Heimatlandes befasse und jemandem, die sich – wie sie selbst – als Ausländerin der chinesischen Historie widme, bestehe vor allem in einem Punkt: der Entfremdung. Gemeinhin gelte aber der Leitsatz “the past is another country”, also man erforscht jede Geschichte wie ein anderes Land. Erforscht man dazu noch ein gänzlich fremdes Land, ist es eine Art “doppelte Entfremdung”, wie Kaske es nennt. “Das finde ich intellektuell sehr attraktiv, auch wenn es schwierig ist.”

So müsse sich eine Historikerin etwa der fremden Sprache ermächtigen und im Falle Chinas auch noch klassisches Chinesisch lernen. Kaske war schon als Schülerin an allem Fremden interessiert und nutzte ihr Sprachtalent, um sich das klassische Chinesisch als junge Erwachsene anzueignen. Dieses besteht zum Beispiel aus viel mehr einsilbigen Worten, die auch nur aus einem einzigen Zeichen bestehen, das die Bedeutung des Wortes darstellt. So begann die Reise Kaskes als Studentin und später Wissenschaftlerin durch die Historie Chinas. Ihren ersten längeren Studienaufenthalt absolvierte sie zu Beginn der Neunzigerjahre – zunächst noch mit einem Stipendium der DDR, nach 1990 über Bafög finanziert.

Fokus auf dem 19. Jahrhundert

Es sind meist eher kürzere Aufenthalte, die Kaske im Laufe der Jahre in die Volksrepublik bringen. Globetrotterin ist sie seit 2005, als ihre wissenschaftliche Karriere Fahrt aufnahm, trotzdem. So arbeitete sie in den vergangenen eineinhalb Jahrzehnten unter anderem in Boston, Pittsburgh, Princeton und Taipeh. Als Forscherin konzentriert sie sich vornehmlich auf das 19. Jahrhundert.

Doch ein neues Projekt von Kaske dreht sich auch um das 20. Jahrhundert. Darin widmet sie sich der Frage, wie neue professionelle Eliten, insbesondere Ingenieure, im zwanzigsten Jahrhundert die chinesische Nation visualisierten. “Wir denken immer, dass China einfach China ist. Wir haben diese Karte im Blick. Aber diese Karte ist eine moderne Projektion, das ist die Volksrepublik”, erklärt sie. China sei traditionell schlecht in der Kartografie gewesen. So habe es noch im 19. Jahrhundert Karten gegeben, die jenen aus dem Römischen Reich ähnelten. “Sie sehen aus wie Kinderzeichnungen. Und auch die interne Vorstellung des Landes war eigentlich eher eine von Routen. Um von A nach B zu kommen, muss man diese Stationen durchschreiten, und das sind so und so viele Tage”, so Kaske.

Neue Form der Territorialisierung

Mit dem 20. Jahrhundert änderte sich dies aufgrund von moderner Technologie, der Eisenbahn, den Straßen und Telegrafenverbindungen. Für die Planungen der Wege brauchte es eine genaue Erschließung des Landes. “Dann kommen diese modernen Ideen, dass der Staat das Territorium durchdringen muss. Man muss bis ins letzte Dorf”, sagt die Professorin. Diese Form der Territorialisierung trug auch dazu bei, dass sich China zunehmend als zusammenhängende Nation konstituierte.

Auf heute übertragen, lässt sich ein anderer Trend der Territorialisierung beobachten. China muss nicht mehr jeden Berg und jedes Tal genau ausmessen, um Wege zu bauen. Sondern es möchte nun transnational oder sogar transkontinental Gebiete überbrücken. Das ist zumindest ein Gedanke hinter dem Projekt der Neuen Seidenstraße. “Man hat dann plötzlich eine Weltherrschaftsvision”, sagt Kaske. Aber sie geht davon aus, dass dieses Projekt erst einmal einen Rückschlag erleben werde. “Ich vermute, dass es sich China relativ gründlich mit Osteuropa verdorben hat, aber am Ende weiß man es nicht”, sagt Kaske. Und diese Unsicherheit beziehungsweise das Nachlaufen hinter den aktuellen Ereignissen ist gerade das, was die Historikerin nicht mag. Sie schaut auf die Ereignisse, wenn sie bereits in der Vergangenheit liegen. Constantin Eckner

  • Forschung
  • Gesellschaft
  • Universitäten
  • Wissenschaft

Personalien

Julian Konrad ist seit kurzem Head of Evalution Electronics bei SAIC Volkswagen in Shanghai. Zuvor arbeitete mehr als dreieinhalb Jahre in Peking bei Audi China.

Richard Ketzscher ist seit Anfang Mai als Vehicle Project Leader für das Qualitätsmanagement zum X3 bei BMW China aktiv. Zuvor war er schon fast vier Jahre Qualitätsmanager bei dem bayerischen Autobauer in Peking.

Dessert

Weltgeschichte nah erleben: Am 18. Mai war der internationale Tag der Museen. Im Nanjing-Museum in der Provinz Jiangsu gab es Dinosaurier-Skelette zu bestaunen.

China.Table Redaktion

CHINA.TABLE REDAKTION

Licenses:
    • Rasanter Ausbau der Erneuerbaren macht Klima-Hoffnung
    • Wahllose Haftgründe für Minderheiten in Xinjiang
    • Behörden erwägen längere E-Auto-Subventionen
    • Sigmar Gabriel mahnt vor zu großer Abhängigkeit
    • Kommunen zweigen Geld aus Armutsfonds für Covid-Tests ab
    • EU-Taiwan-Gespräche bald Chef:innen-Sache
    • Neue Energiespeicher-Art bald am Netz
    • Casino-Mogul Steve Wynn – chinesischer Lobbyist?
    • Im Portrait: Elisabeth Kaske kennt sich in Chinas Geschichte aus
    Liebe Leserin, lieber Leser,

    diese Woche gibt es gute Nachrichten aus China zum Thema Klimaschutz. Eine Gruppe namhafter Energie-Analysten ist auf Basis der ehrgeizigen Ausbauprogramme Pekings für erneuerbare Energien zu dem Schluss gekommen, dass China den Höhepunkt seiner CO2-Emissionen früher erreichen kann als in seinen eigenen Klimazielen angestrebt. Statt 2030 könnte dieser “Peak” sogar schon 2025 erreicht werden. Voraussetzung dafür ist aber, dass der Energieverbrauch nicht stärker ansteigt als bisher prognostiziert. Welche anderen Hürden es für China noch zu überwinden gilt, analysiert Nico Beckert. Da China der größte CO2-Emittent der Welt ist, wäre ein Erfolg der Klimamaßnahmen des Landes für uns alle wichtig.

    Viele seiner gigantischen Wind- und Solarparks errichtet China in Xinjiang – einer Region, die ansonsten vor allem negative Schlagzeilen produziert. Seit Jahren gibt es seriöse Berichte, dass dort auf Geheiß Pekings bis zu einer Million Uiguren und Angehörige anderer Minderheiten in Lagern interniert sind, zur Umerziehung und Sinisierung. Nun wird deutlich: Oft liegen Sippenhaft oder schlichte Willkür den Inhaftierungen in den Lagern zugrunde. Marcel Grzanna hat eine geleakte Liste der Haftgründe einmal genauer unter die Lupe genommen.

    “Bald” wird sich übrigens die UN-Menschenrechts-Hochkommissarin Michelle Bachelet in Xinjiang umsehen dürfen, heißt es. Ob sich die einstige chilenische Präsidentin dabei ein halbwegs authentisches Bild der Lage machen kann, wird sich erweisen.

    Wir wünschen Ihnen eine informative Lektüre,

    Ihre
    Christiane Kühl
    Bild von Christiane  Kühl

    Analyse

    Experten: Emissions-Peak schon 2025 erreichbar

    China baut in rasantem Tempo Solar- und Windkraftwerke. Manchmal in Form eines Nationalsymbols, wie hier bei Datong - durch den massiven Ausbau könnte der Emissions-Peak Chinas bereits im Jahr 2025 erreicht sein.
    China baut in rasantem Tempo Solar- und Windkraftwerke. Manchmal in Form eines Nationalsymbols, wie hier bei Datong.

    Größter Kohle-Konsument und gleichzeitig größter Investor in erneuerbare Energien – Chinas Energiepolitik ist ambivalent. Die Volksrepublik verbraucht weltweit mit Abstand am meisten Kohle. Doch auch beim Ausbau der erneuerbaren Energien ist China schneller als jedes andere Land. Allein in den Jahren 2020 und 2021 hat China dreimal mehr Solar- und Windkraftwerke gebaut als die USA oder die EU.

    Und es scheint, als könnte die Volksrepublik das Tempo aufrechterhalten. Wenn alle Projekte der Provinz- und Zentralregierung umgesetzt werden, wird China bis zum Jahr 2026 gut 1.200 Gigawatt erneuerbare Energie- Kapazität haben. Das zeigt eine neue Analyse des Centre for Research on Energy and Clean Air (CREA). Diese 1.200 Gigawatt würden gegenüber Ende 2020 mehr als eine Verdopplung bedeuten.

    Chinas Ausbau-Ziele übertreffen die Kapazität anderer Staaten bei weitem - Emissions-Peak wird wohl schon 2025 erreicht sein.
    Chinas Ausbau-Ziele übertreffen die Kapazität anderer Staaten bei weitem

    Erneuerbare können zusätzliche Energienachfrage decken

    Die Erneuerbaren sind ein wichtiger Eckpfeiler, damit China seine 30/60-Klimaziele erreichen kann: Bis 2030 sollen die Emissionen den Höchststand erreicht haben – und danach fallen. Bis 2060 will die Volksrepublik die CO2-Neutralität erreichen. Fossile Brennstoffe wie Kohle, Öl und Gas im Transport-, Industrie- und Heizsektor müssen durch erneuerbare Energiequellen ersetzt werden. Laut Lauri Myllyvirta, China-Experte beim CREA, könnte der Ausbau der Erneuerbaren so schnell gehen, dass die zusätzliche Energienachfrage der kommenden Jahre komplett durch saubere Energieträger gedeckt werden könne.

    Die CREA-Analysten gehen dabei von einem Anstieg der Stromnachfrage von durchschnittlich vier Prozent pro Jahr aus. Läuft der Ausbau der Erneuerbaren nach Plan, bräuchte es keine Erhöhung der fossilen Stromerzeugung mehr. Neben Wind- und Solarenergie würden 30 Prozent des Zuwachses durch Kern- und Wasserkraft sowie Energie aus Biomasse gedeckt. Allerdings könnte die Stromnachfrage auch schneller steigen, falls die Regierung versuchen sollte, das Wachstum der derzeit coronabedingt dümpelnden Wirtschaft durch Investitionen in energieintensive Sektoren anzukurbeln – zumindest kurzfristig.

    Generell gehe “die Periode des Bau- und Infrastrukturgestützten Wachstums in China unweigerlich zu Ende”, sagte Myllyvirta zu China.Table. In Zukunft stehe im Bau zudem mehr Stahl aus Schrott zur Verfügung, so der Energie-Experte. Die Zement-Produktion gehe schon seit 2013 zurück. “In einigen Sektoren werden die Emissionen natürlich noch steigen, aber wenn saubere Energien die fossilen Brennstoffe in anderen Sektoren verdrängen, können die Gesamtemissionen immer noch ihren Höchststand erreichen”, zeigt sich Myllyvirta optimistisch.

    China: Für Erreichen der Pariser Klimaziele mehr Tempo nötig

    So beeindruckend das Tempo des Ausbaus ist: Es reiche dennoch nicht, um die langfristigen Klimaziele bis 2060 zu erreichen, glauben die CREA-Autoren. Um bis 2060 klimaneutral zu werden, muss China pro Jahr Kraftwerks-Kapazitäten aus Erneuerbaren von jeweils 150 bis 200 Gigawatt errichten. Und auch das mögliche frühe Erreichen Emissionsgipfels ist kein Grund für übermäßigen Klima-Optimismus. Denn ein früherer Höchststand ist schlicht “erforderlich, um die Ziele des Pariser Klima-Abkommens zu erreichen.”

    Einen großen Teil der neuen Solar- und Windkraftwerke will China in den Wüsten des Nordwestens und auf anderem unfruchtbaren Land errichten (China.Table berichtete). Auch in den kohlereichen Provinzen wie der Inneren Mongolei und Shaanxi sollen große Solar- und Windkraftwerke entstehen, so die CREA-Analysten. Für die Energiewende sei das wichtig. “Ohne eine neue Rolle im Bereich der sauberen Energie würde der Industriesektor dieser Provinzen bei der Energiewende in China wirtschaftlich ins Hintertreffen geraten.”

    Allerdings beschäftigt der Kohlebergbau in solchen Regionen je nach Quelle zwischen 2,6 und fünf Millionen Chinesen. Ob diese Jobs durch Arbeitsplätze beim Aufbau der Erneuerbaren ersetzt werden können, ist fraglich. Laut wissenschaftlichen Prognosen wird die Solarindustrie in China bis zum Jahr 2035 circa 2,3 Millionen neue Jobs in der Fertigung, Montage und Wartung schaffen (China.Table berichtete).

    Auch ein flexibles Stromnetz wichtig

    Doch der Ausbau von Solar- und Windkraftwerken allein ist noch keine Energiewende. Um die Kraft der Erneuerbaren entfalten zu können, braucht es ein funktionierendes Energiesystem, in dem alle Räder ineinandergreifen. Dazu gehört mehr Flexibilität beim Betreiben der Kohlekraftwerke, sodass Kohlestrom in den Hochzeiten der Erneuerbaren nicht das Stromnetz blockiert. Aber auch die Stromnachfrage müsse flexibler sein, so die CREA-Autoren.

    Beim Ausbau des Stromnetzes zeigen sie sich optimistisch. “Der Vorteil des chinesischen Top-down-Modells besteht darin, dass Übertragung und Erzeugung gemeinsam geplant werden. Die Fernübertragungsleitungen werden zusammen mit den Erzeugungskapazitäten gebaut“, sagt Lauri Myllyvirta. Er sieht in der Veränderung des Betriebs der Netze und Kraftwerke die größte Herausforderung. Der Betrieb von Kohlekraftwerken müsse wesentlich flexibler werden, sagt Myllyvirta. Kohlekraftwerke laufen derzeit zu starr und drücken deswegen ständig Kohlestrom ins Netz. Wenn Kohlekraftwerke und Netze flexibler wären, wäre mehr Platz für die Durchleitung erneuerbarer Energien. Das Problem besteht seit Jahren.

    Hinzu kommen politische Fallstricke. Die Provinzen verfolgen derzeit häufig noch das Ziel, die eigene Stromproduktion zu maximieren. Daher bauen sie noch immer Kohlekraftwerke. In Zhejiang wurde beispielsweise gerade ein neues Kohlekraftwerk bewilligt, mit der Begründung: Die Provinz wolle “den Stromhandel zwischen den Provinzen verringern“. Das läuft laut CREA jedoch den Klimazielen und der Notwendigkeit eines nationalen Energiesystems zuwider. Es bleibt viel zu tun.

    • Energie
    • Erneuerbare Energien
    • Klima
    • Klimaziele

    Haftgründe in Xinjiang offenbaren Willkür der Behörden

    Die Trägerin des Nürnberger Menschenrechtspreises Sayragul Sauytbay aus Xinjiang erinnert sich an lange Listen willkürlicher Haftgründe.
    Die Trägerin des Nürnberger Menschenrechtspreises Sayragul Sauytbay aus Xinjiang erinnert sich an lange Listen willkürlicher Haftgründe.

    Die Haftgründe für Uiguren in Xinjiang basieren weniger auf klaren Gesetzesverstößen als vielmehr auf dem Misstrauen und der Willkür chinesischer Sicherheitskräfte. Das offenbart eine Liste der chinesischen Polizei mit mehr als 10.000 Namen von Inhaftierten, die uigurische Exilgruppen aus Xinjiang übermittelt bekommen haben. Die Nachrichtenagentur AFP bekam Einblick in die Liste und berichtet von vage formulierten Haftgründen. Dazu gehören etwa das “Versammeln einer Gruppe, um die soziale Ordnung zu stören”, eine “Förderung von Extremismus” oder “Streit anzetteln und Ärger provozieren”.

    Die chinesische Regierung rechtfertigt ihr hartes Vorgehen gegen Uiguren in Xinjiang stets als Anti-Terrorkampf. Die Liste offenbart jedoch die Wahllosigkeit, mit der vermeintliche Terroristen herausgefiltert werden. “Das ist keine klar zielgerichtete Terrorismusbekämpfung“, sagte David Tobin, Ostasienexperte der Universität Sheffield, der AFP. Es sehe eher so aus, als gingen Beamte an jede Tür und nähmen eine Reihe von Menschen mit. “Tatsächlich zeigt das eine Willkür, die auf eine Gemeinschaft abzielt und die in der gesamten Region angewendet wird”, so Tobin.

    AFP konnte die Echtheit der Liste nicht endgültig verifizieren. Dafür machte die Nachrichtenagentur außerhalb Chinas zahlreiche Verwandte von Menschen ausfindig, die auf der Liste vermerkt sind – und die die Angaben darauf bestätigen konnten. Andere Angehörige erfuhren durch die Liste zum ersten Mal vom Schicksal ihrer Verwandten, nachdem ihr Kontakt nach Xinjiang zum Teil bereits vor Jahren abgebrochen war.

    Die chinesischen Behörden kontrollieren den Informationsfluss zwischen Uiguren in China und ihren Familienmitgliedern außerhalb des Landes. Exil-Uiguren klagen darüber, dass ihre Angehörigen in der Volksrepublik unter Druck gesetzt und bedroht werden. Oft komme es vor, dass die Betroffenen im Ausland Anrufe erhielten von Verwandten in Xinjiang und von diesen aufgefordert wurden, nach China zurückzukehren.

    Uiguren mit Verwandten im Ausland droht eine Festnahme

    Dazu zählt auch die frühere Lehrerin Sayragul Sauytbay, die am vergangenen Wochenende den Internationalen Nürnberger Menschenrechtspreis verliehen bekam (China.Table berichtete). In ihrem neuen Buch “China Protokolle”, das sie gemeinsam mit der deutschen Journalistin Alexandra Cavelius geschrieben hat, zählt Sauytbay mehrere Dutzend Gründe auf, weshalb Menschen in Xinjiang in den vergangenen Jahren ohne Anklage inhaftiert worden seien. Sie schreibt jedoch, dass die Liste nicht vollständig sei und die Gründe lediglich aus dem Gedächtnis heraus aufgezählt habe. Weitere Haftgründe sind also möglich.

    Zu den von Sauytbay aufgezählten Gründen gehören das Herunterladen des Messenger-Dienstes Whatsapp oder der Anwendung Zapya, mit der größere Datenmengen übertragen werden können. Whatsapp ist in China gesperrt und funktioniert dort nur mithilfe eines VPN-Tunnels, der die Sperre umgeht.

    Sauytbay erinnert sich an weitere Gründe, die zu einer Verhaftung ausgereicht hätten: Das Hören und Verbreiten ausländischer Lieder oder sich positiv über Kasachstan zu äußern – und damit Propaganda für ein anderes System machen. Selbst Verwandte im Ausland zu haben, reiche schon aus. Sauytbay selbst ist chinesische Staatsbürgerin mit kasachischen Wurzeln. 2017 hatten die Behörden die heute 45-Jährige als Ausbilderin für eines der Internierungslager zwangsrekrutiert, um den Insassen Chinesisch beizubringen. Als sie nach ein paar Monaten freikam, floh sie aus China.

    Xinjiang: Mangelnde Linientreue und Religiosität als Haftgrund

    Alles, was rein theoretisch darauf hinweisen könnte, dass jemand in Xinjiang nicht zu 100 Prozent auf Linie der Kommunistischen Partei liegt, kann zu einer Verhaftung führen. Besonders religiös assoziierte Merkmale würden den Menschen zum Verhängnis. Dazu zählten, einen Koran oder einen Gebetsteppich zu Hause zu haben oder andere im Ramadan zum Fasten zu ermutigen.

    Die Liste der religiösen Merkmale umfasst 52 Punkte, allgemeine Vergehen noch einmal 20 Gründe. Dazu gehören etwa: Sich zu widersetzen, wenn die eigenen Kinder mit Han-Chinesen zwangsverheiratet werden sollten – oder Familienmitglieder zu haben, die als Sicherheitsrisiko eingestuft werden. Damit droht ganzen Familien die Sippenhaft.

    Behörden reagierten auf Terrorakte mit einem Generalverdacht

    China verweist im proklamierten Anti-Terrorkampf stets auf seine Gesetze. Allerdings verlangt auch das chinesische Recht zumindest in der Theorie Beweise für eine Anklage oder Verurteilung – und nicht nur fadenscheinige Indizien. Die mangelnde Rechtsstaatlichkeit wird immer dann besonders offenbar, wenn der Staat eine dringende Notwendigkeit für härtere Maßnahmen sieht. Das ist der Fall, wenn er Sorge vor politischen oder sozialen Unruhen hat. So wie in Xinjiang.

    Nach den ethnischen Unruhen 2009 zwischen Uiguren und Han-Chinesen in der Provinzhauptstadt Urumqi mit mehr als 200 Toten hatten uigurische Extremisten mehrere Terrorattacken und Bombenanschläge im Land verübt. Darauf reagierten die Behörden mit einem Generalverdacht. Der Staat verschärfte die Überwachung und regulierte Traditionen und Bräuche der überwiegend muslimischen Uiguren.

    Laut offizieller Statistiken kletterte die Gesamtzahl aller richterlichen Verurteilungen in Xinjiang zwischen 2014 und 2018 von 21.000 auf 133.000, ein Anstieg von rund 500 Prozent. Auch Uiguren, die keinen Anlass bieten, sie vor Gericht zu stellen, müssen damit rechnen, zumindest vorübergehend ihre Freiheit zu verlieren.

    Dazu überzog die Regierung die Region mit einem Netz von Internierungslagern, deren Existenz sie lange Zeit leugnete. Darin befinden sich heute nach Schätzungen rund eine Million Uiguren und Mitglieder anderer ethnischer Minderheiten. Offiziell spricht Peking von “Ausbildungszentren”, in denen Uiguren für den Arbeitsmarkt der Zukunft fit werden sollen. Augenzeugenberichte und staatliche Dokumente belegen jedoch, dass es den Behörden um Umerziehung und Sinisierung geht.

    • Menschenrechte
    • Uiguren
    • Xinjiang
    • Zivilgesellschaft

    News

    Verlängerung der E-Auto-Subventionen möglich

    China erwägt offenbar eine Verlängerung der auslaufenden Kaufsubventionen für Elektroautos. Die Behörden seien dazu in Gesprächen mit den Autobauern, berichtete Reuters am Mittwoch unter Berufung auf drei ungenannte Quellen. Mit dem Erhalt der teuren Zuschüsse zunächst bis 2023 solle das Wachstum des Segments trotz der allgemeinen wirtschaftlichen Flaute gestützt werden. Details sind laut Reuters noch nicht bekannt.

    Wegen der Corona-Pandemie war das Subventionsprogramm bereits für zwei Jahre verlängert worden. Ursprünglich hatten die Zahlungen schon 2020 auslaufen sollen. Den großzügigen Subventionen wird die Schaffung des weltgrößten Marktes für Elektrofahrzeuge zugeschrieben. Seit dem Startschuss im Jahr 2009 wurden nach Schätzung von Shi Ji, einem Autoanalysten bei der China Merchants Bank, bis Ende 2021 rund 100 Milliarden Yuan (14,1 Milliarden Euro) an Käufer von Elektroautos, einschließlich kommerzieller Flottenbetreiber, ausgezahlt. Über die Jahre hatte die Regierung schrittweise das Niveau der Zahlungen pro Fahrzeug abgesenkt.

    Neue Subventionen für ländlichen Raum

    Das China Securities Journal hatte zudem am Dienstag berichtet, dass es ab Juni Subventionen für den Autokauf – einschließlich Elektroautos – im ländlichen Raum von bis zu 5.000 Yuan (gut 700 Euro) pro Fahrzeug geben soll. Einige Provinzen, darunter Guangdong und Chongqing, hatten im April ebenfalls Zahlungen für Kunden eingeführt, die im April ihre alten Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor gegen neue Elektroautos eintauschen.

    Auf dem chinesischen NEV-Markt machen kleinere batteriebetriebene Stadtautos, von denen die meisten nicht für Subventionen in Frage kommen, laut Reuters 40 Prozent der Stromer-Verkäufe aus. Diese Vehikel kosten im Durchschnitt umgerechnet nur knapp 4.000 US-Dollar (China.Table berichtete). Subventionen werden derzeit für größere Modelle mit einer Reichweite von mehr als 300 Kilometern pro Batterieladung und einem Preis von bis zu 300.000 Yuan (42.340 Euro) vergeben.

    Nach Daten des Auto-Verbandes CAAM stiegen die Elektroauto-Verkäufe in China im April um 45 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Das klingt gut; der Zuwachs war allerdings deutlich geringer als im März, als der Absatz mehr als doppelt so hoch lag wie ein Jahr zuvor. Der Grund dürften die Omikron-Welle mit ihren vielen Lockdowns sein. rtr/ck

    • Autoindustrie
    • CAAM

    Gabriel: Abhängigkeit von China verringern

    Der frühere Vizekanzler Sigmar Gabriel warnt davor, angesichts des Konfliktes mit Moskau auch die wirtschaftlichen Beziehungen zu China infrage zu stellen. Es sei zwar “misslungen”, das in Europa erfolgreiche Modell der Friedenssicherung durch wirtschaftliche Verflechtung auf Russland zu übertragen, sagte der Vorsitzende der Atlantik-Brücke auf der Konferenz Europe.Decisions. von Europe.Table. Das bedeute aber nicht, dass die Strategie des Wandels durch Handel per se gescheitert sei.

    Die EU müsse aber versuchen, die Abhängigkeit auch von China zu verringern. “Wir werden versuchen müssen, uns breiter aufzustellen”, so Gabriel. “Aber das geht nicht über Nacht und vor allem nicht in einem Land, das wie Deutschland mehr als jedes andere Land auf der Welt in die internationalen Wertschöpfungsketten integriert ist.” Die Vorstellung, quasi autark zu werden und nur mit demokratischen Staaten zu handeln, werde daher nicht funktionieren. Zuletzt hatten sich auch Friedrich Merz und Lars Klingbeil für eine größere Unabhängigkeit von China ausgesprochen.

    Liana Fix, Russland-Expertin der Körber-Stiftung, rechnet damit, dass der Ukraine-Krieg langfristig zu einer neuen Blockbildung führen wird, mit China als der Führungsmacht des östlichen Machtblocks. “Zurzeit sieht es so aus, als ob Russland langfristig kein eigener Pol mehr sein kann und wir deswegen eine Ost-West-Blockbildung sehen werden, in der Russland mehr oder weniger zum chinesischen Einflussbereich gehört“, sagte sie auf der Konferenz. Russland werde durch den Krieg und die Sanktionen wirtschaftlich und militärisch voraussichtlich dauerhaft geschwächt sein und keinen eigenen Pol in der internationalen Ordnung darstellen können.

    Auch die Europäische Union werde langfristig kein eigener Pol sein, so Fix. “Europa ist trotz aller Bemühungen um strategische Autonomie langfristig zu schwach militärisch, um ohne die USA in der zunehmend militarisierten Geopolitik dieser Welt bestehen zu können.” Europa müsse sich daher als starker Partner innerhalb des westlichen und transatlantischen Bündnisses positionieren. tho   

    • Geopolitik
    • Handel
    • Russland
    • Ukraine

    Massentests bringen einige Städte an finanzielle Grenzen

    Um die teuren Covid-Maßnahmen zu finanzieren, greifen Lokalregierungen in China auf eigentlich für Armutsminderung und zum Ausbau der Infrastruktur angelegte Fonds zurück. Das berichtete am Mittwoch die Financial Times. Behörden in Jilin nutzen demnach einen “signifikanten” Betrag eines Armuts-Fonds, um die Corona-Massentests zu bezahlen. In Quanzhou sei auf einen Infrastruktur-Fonds zurückgegriffen worden. Laut Analysten könnten die Massentests China insgesamt bis zu 250 Milliarden US-Dollar kosten, wenn sie auf alle Städte der ersten und zweiten Ebene (“first and sceond tier cities”) ausgeweitet werden. Das entspräche gut neun Prozent der chinesischen Steuereinnahmen aus dem Jahr 2021.

    Derweil gibt es neue Coronavirus-Cluster in und um Tianjin. Tausende Menschen aus dem Dorf Liu’anzhuang nahe der Hafenstadt wurden dazu aufgerufen, ihre Sachen zu packen, um in Quarantäne-Zentren umzuziehen, wie Bloomberg berichtet. In ihrem Distrikt waren ein paar Dutzend Corona-Fälle aufgetreten. Auch in der Stadt gibt es erneut Covid-Fälle, so dass es zu weiteren Störungen in den Logistikketten kommen könnte. nib

    • Coronavirus
    • Finanzen
    • Gesundheit
    • Logistik

    EU-Taiwan-Gespräche bekommen personelles Upgrade

    Der Handelsdialog zwischen der EU und Taiwan erfährt eine personelle Aufwertung: Die Gespräche zwischen Brüssel und Taipeh Anfang Juni sollen von der Chefin der EU-Handelsdirektion Sabine Weyand, und der taiwanischen Handelsministerin Wang Mei-hua geleitet werden. Das teilte EU-Handelskommissar Valdis Dombrovskis am Mittwoch vor dem für internationalen Handel zuständigen Ausschuss des Europaparlaments mit. Der Dialog zwischen den beiden Seiten, der am 2. Juni, stattfinden soll, werde “modernisiert”, sagte Dombrovskis.

    “Im Einklang mit der Indopazifik-Strategie der EU wollen wir unsere Handels- und Investitionspartnerschaft mit Taiwan in Bereichen entwickeln, in denen sich unsere Interessen überschneiden“, so der EU-Kommissar. Im Fokus sollen dabei Tech-Bereiche wie der Handel mit Halbleitern stehen. Taiwans weltweit wichtige Rolle in diesem Bereich solle widergespiegelt werden, so Dombrovskis.

    Weyand und Wang werden dem EU-Kommissar zufolge auch über Lieferketten und gegenseitige Investitionen sprechen. Brüssel will die wirtschaftlichen Verbindungen zu Taiwan ausbauen, ohne die politischen Beziehungen zu China weiter zu verschlechtern. ari

    • EU
    • Geopolitik
    • Handel
    • Taiwan
    • Technologie

    Mit Druckluft zum Energiespeicher

    China steht kurz davor, seine erste Druckluftspeicheranlage an das Stromnetz anzuschließen. Der neuartige Stromspeicher kann bei hohem Stromangebot Luft in eine unterirdische Salzkaverne pumpen, wie Bloomberg berichtet. Steigt die Stromnachfrage, wird die Luft freigelassen und erzeugt über eine Turbine Strom. Die 60-Megawatt-Anlage hat nach Angaben der Betreiber einige Tage erfolgreicher Tests durchlaufen und ist bereit für den kommerziellen Nutzen. Sie wäre die erste wirtschaftlich nutzbare Anlage in China und die größte, die weltweit seit 1991 gebaut wurde, so Bloomberg.

    Laut dem Energie-Thinktank BloombergNEF gehören unterirdische Druckluft-Speicher zu den kostengünstigsten Formen der Energiespeicherung. In China befinden sich demnach solche Speicher mit einer Kapazität von fast vier Gigawatt in der Planung – doppelt so viel wie im Rest der Welt.

    Energiespeicher sind ein wichtiger Bestandteil der Energiewende in China. Wind und Sonne liefern mal mehr Energie, als nachgefragt wird, mal herrscht Flaute. Die Folge sind Stromengpässe und ein instabiles Netz. Pumpkraftwerke und Batteriespeicher können die erneuerbaren Energien in Überschuss-Zeiten auffangen und in den sogenannten Dunkelflauten oder bei hoher Stromnachfrage wieder ins Netz speisen. Bis zum Jahr 2025 will die Volksrepublik über 62 Gigawatt an Pumpspeicher-Kraftwerken und über 30 Gigawatt an Batterie-Speicher-Anlagen verfügen (China.Table berichtete). nib

    • Energie
    • Erneuerbare Energien

    Lobbyismus für China: USA verklagen Casino-Mogul

    Das US-Justizministerium will den Casino-Mogul Steve Wynn zwingen, sich als Lobbyist der chinesischen Regierung zu registrieren. Wynn habe 2017 “auf Ersuchen” der chinesischen Behörden mit dem damaligen US-Präsidenten Donald Trump über eine mögliche Ausweisung des im Exil lebenden Geschäftsmanns Guo Wengui gesprochen, erklärte das Ministerium am Dienstag. Es reichte daher eine Klage gegen den 80-jährigen Wynn ein.

    Guo Wengui wird in China unter anderem wegen Finanzbetrugs gesucht. China ersucht seit Jahren die Auslieferung des Geschäftsmannes. Dem US-Justizministerium zufolge gab Wynn 2017 nach einem Bericht von AFP den chinesischen Bitten um einen Einsatz für das Auslieferungsgesuch nach, um “seine Geschäftsinteressen in Macau zu schützen”. Wynn sei darauf hingewiesen worden, dass er sich als Lobbyist für China registrieren lassen müsse, habe sich aber geweigert, dies zu tun, so das Ministerium.

    Damals betrieb Wynns Unternehmen drei Casinos in der früheren portugiesischen Kolonie und heutigen Sonderverwaltungszone Macau. Macau ist der einzige Ort Chinas, in dem das Glücksspiel erlaubt ist. Wynn ist bestens vernetzt in der Republikanischen Partei von Trump und engagierte sich dort unter anderem als einer der Finanzchefs. Er trat 2018 nach Vorwürfen sexuellen Fehlverhaltens als Chef seiner Unternehmensgruppe zurück.

    Guo Wengui war aufgrund der Vorwürfe gegen ihn aus China in die USA geflohen. Er stand dem Ex-Trump-Berater Steve Bannon nahe und unterstützte dessen Medienunternehmen. Im vergangenen September zahlte er in einem Vergleich mit dem US-Justizministerium 539 Millionen Dollar wegen fragwürdiger Finanzgeschäfte. ck

    • Geopolitik

    Presseschau

    Ampel-Parteien und Union fordern Rückkehr von Taiwan zur WHO FAZ
    Aufruf an Scholz: Bundestag geht auf Konfrontationskurs zu China WELT
    EU to upgrade trade ties with Taiwan YAHOO
    Taiwans Außenminister Joseph Wu: “Es gibt immer mehr Gespräche zwischen Taiwan und der Nato” FAZ
    Biden, on a First Trip to Asia, Tries to Refocus on China Amid Ukraine War WSJ
    Some tariffs on China are harming families and businesses, Janet Yellen says CNN
    China in talks with automakers on EV subsidy extension -sources REUTERS
    Chinese university is scene of rare coronavirus lockdown protest WASHINGTON POST
    Hong Kong: Why Catholics are worried over free speech DW
    Rare Chinese vase kept in kitchen sells at auction for almost £1.5m THE GUARDIAN

    Portrait

    Elisabeth Kaske – Professorin und Beobachterin chinesischer Geschichte

    Elisabeth Kaske ist Professorin für Gesellschaft und Kultur des modernen China an der Universität Leipzig.
    Elisabeth Kaske

    “Als Mensch hat Geschichte für mich zwei Attraktionen”, sagt Elisabeth Kaske, Professorin für Gesellschaft und Kultur des modernen China an der Universität Leipzig. Zum einen liege sie in der Vergangenheit und man könne als Außenstehender draufschauen. Auch kenne man den Ausgang und könne trotzdem mit möglichen anderen Ausgängen spielen. “Das gibt einem eine große Freiheit, die man in der Gegenwart nicht hat, da man immer den Ereignissen hinterherläuft.”

    Die zweite Attraktion besteht für die Historikerin darin, dass man die Geschichte wie ein kaputtes Haus ansehen könne. “Von den einst drei Millionen Steinen sind noch 100.000 da, und daraus muss man das Haus wieder bauen. Man baut aber nicht die ganze Geschichte, sondern immer nur einen Teil. Und um dieses Haus zu bauen, muss man gut fundierte Annahmen machen. Analogien von anderen Häusern, Vergleiche ziehen. Und dann baut man sich eine Hypothese, wie dieses Haus ausgesehen haben kann.” So fasst Kaske ihre Auffassung von Geschichte als Wissenschaftlerin, aber auch als geschichtsinteressierter Mensch zusammen.

    Doppelte Entfremdung in der Forschung

    Schwerpunkt der Forschung Kaskes ist die Geschichte Chinas. Der Umgang mit der Vergangenheit eines fremden Landes übt für sie einen großen Reiz aus. Der große Unterschied zwischen jemandem, der sich mit der Geschichte des Heimatlandes befasse und jemandem, die sich – wie sie selbst – als Ausländerin der chinesischen Historie widme, bestehe vor allem in einem Punkt: der Entfremdung. Gemeinhin gelte aber der Leitsatz “the past is another country”, also man erforscht jede Geschichte wie ein anderes Land. Erforscht man dazu noch ein gänzlich fremdes Land, ist es eine Art “doppelte Entfremdung”, wie Kaske es nennt. “Das finde ich intellektuell sehr attraktiv, auch wenn es schwierig ist.”

    So müsse sich eine Historikerin etwa der fremden Sprache ermächtigen und im Falle Chinas auch noch klassisches Chinesisch lernen. Kaske war schon als Schülerin an allem Fremden interessiert und nutzte ihr Sprachtalent, um sich das klassische Chinesisch als junge Erwachsene anzueignen. Dieses besteht zum Beispiel aus viel mehr einsilbigen Worten, die auch nur aus einem einzigen Zeichen bestehen, das die Bedeutung des Wortes darstellt. So begann die Reise Kaskes als Studentin und später Wissenschaftlerin durch die Historie Chinas. Ihren ersten längeren Studienaufenthalt absolvierte sie zu Beginn der Neunzigerjahre – zunächst noch mit einem Stipendium der DDR, nach 1990 über Bafög finanziert.

    Fokus auf dem 19. Jahrhundert

    Es sind meist eher kürzere Aufenthalte, die Kaske im Laufe der Jahre in die Volksrepublik bringen. Globetrotterin ist sie seit 2005, als ihre wissenschaftliche Karriere Fahrt aufnahm, trotzdem. So arbeitete sie in den vergangenen eineinhalb Jahrzehnten unter anderem in Boston, Pittsburgh, Princeton und Taipeh. Als Forscherin konzentriert sie sich vornehmlich auf das 19. Jahrhundert.

    Doch ein neues Projekt von Kaske dreht sich auch um das 20. Jahrhundert. Darin widmet sie sich der Frage, wie neue professionelle Eliten, insbesondere Ingenieure, im zwanzigsten Jahrhundert die chinesische Nation visualisierten. “Wir denken immer, dass China einfach China ist. Wir haben diese Karte im Blick. Aber diese Karte ist eine moderne Projektion, das ist die Volksrepublik”, erklärt sie. China sei traditionell schlecht in der Kartografie gewesen. So habe es noch im 19. Jahrhundert Karten gegeben, die jenen aus dem Römischen Reich ähnelten. “Sie sehen aus wie Kinderzeichnungen. Und auch die interne Vorstellung des Landes war eigentlich eher eine von Routen. Um von A nach B zu kommen, muss man diese Stationen durchschreiten, und das sind so und so viele Tage”, so Kaske.

    Neue Form der Territorialisierung

    Mit dem 20. Jahrhundert änderte sich dies aufgrund von moderner Technologie, der Eisenbahn, den Straßen und Telegrafenverbindungen. Für die Planungen der Wege brauchte es eine genaue Erschließung des Landes. “Dann kommen diese modernen Ideen, dass der Staat das Territorium durchdringen muss. Man muss bis ins letzte Dorf”, sagt die Professorin. Diese Form der Territorialisierung trug auch dazu bei, dass sich China zunehmend als zusammenhängende Nation konstituierte.

    Auf heute übertragen, lässt sich ein anderer Trend der Territorialisierung beobachten. China muss nicht mehr jeden Berg und jedes Tal genau ausmessen, um Wege zu bauen. Sondern es möchte nun transnational oder sogar transkontinental Gebiete überbrücken. Das ist zumindest ein Gedanke hinter dem Projekt der Neuen Seidenstraße. “Man hat dann plötzlich eine Weltherrschaftsvision”, sagt Kaske. Aber sie geht davon aus, dass dieses Projekt erst einmal einen Rückschlag erleben werde. “Ich vermute, dass es sich China relativ gründlich mit Osteuropa verdorben hat, aber am Ende weiß man es nicht”, sagt Kaske. Und diese Unsicherheit beziehungsweise das Nachlaufen hinter den aktuellen Ereignissen ist gerade das, was die Historikerin nicht mag. Sie schaut auf die Ereignisse, wenn sie bereits in der Vergangenheit liegen. Constantin Eckner

    • Forschung
    • Gesellschaft
    • Universitäten
    • Wissenschaft

    Personalien

    Julian Konrad ist seit kurzem Head of Evalution Electronics bei SAIC Volkswagen in Shanghai. Zuvor arbeitete mehr als dreieinhalb Jahre in Peking bei Audi China.

    Richard Ketzscher ist seit Anfang Mai als Vehicle Project Leader für das Qualitätsmanagement zum X3 bei BMW China aktiv. Zuvor war er schon fast vier Jahre Qualitätsmanager bei dem bayerischen Autobauer in Peking.

    Dessert

    Weltgeschichte nah erleben: Am 18. Mai war der internationale Tag der Museen. Im Nanjing-Museum in der Provinz Jiangsu gab es Dinosaurier-Skelette zu bestaunen.

    China.Table Redaktion

    CHINA.TABLE REDAKTION

    Licenses:

      Jetzt kostenlos anmelden und sofort weiterlesen

      Keine Bankdaten. Keine automatische Verlängerung.

      Sie haben bereits das Table.Briefing Abonnement?

      Anmelden und weiterlesen