Cosco ja – Elmos nein. Wo ist da die Logik? Der Einstieg eines Staatskonglomerats in konkrete Infrastruktur würde Deutschland schließlich eher schaden als die Übernahme einer kleinen Fabrik für Halbleiter-Vorprodukte durch ein schwedisch-chinesisches Unternehmen. Robert Habeck war auch konsequenterweise gleichermaßen gegen beide Deals, wie unsere Analyse zeigt. Es war Olaf Scholz, der den Ausschlag für den Cosco-Einstieg gegeben hat. Ein Schelm, wer da an seine Zeit als Regierungschef in Hamburg denkt.
Habeck wiederum hat sein Konzept am Mittwoch vor der Presse schlüssig erklärt. Europa soll nicht mehr naiv sein und Übernahmen einfach dem Markt überlassen, sondern mindestens ebenso schlau wie China werden. Wichtige Industrien sollten die Mitgliedsstaaten mit vereinten Kräften im EU-Inland halten. Das wird in der komplizierten europäischen Gemengelage allerdings kaum so schlagkräftig klappen wie in der chinesischen Kommandowirtschaft.
Auf der Klima-Konferenz COP27 in Ägypten ist China ebenfalls ein dominanter Spieler. Schließlich ist die Volksrepublik weiterhin der größte Emittent von Treibhausgasen. Doch die Hoffnung auf eine baldige Trendwende in den Emissionen wächst, wie Nico Beckert analysiert. Vielleicht, und mit etwas Glück, kommt der Höhepunkt des Kohlendioxidausstoßes schon 2025 – und nicht erst 2030, wie im offiziellen Klimaziel Chinas. Die Emissionen könnten also schon in wenigen Jahren langsam sinken. Das wäre einerseits ein sensationeller Erfolg, würde aber andererseits nicht reichen. Denn um das 1,5-Grad-Ziel von Paris noch einzuhalten, müsste der Ausstoß ab 2025 dramatisch abstürzen. Es ist nun Aufgabe der Konferenzteilnehmer, das Machbare mit dem Notwendigen zu verbinden.
Bao Tong ist tot. Der einstige Top-Kader und spätere Dissident, der die Katastrophe von 1989 noch verhindern wollte, wurde 90 Jahre alt. Michael Radunski hat seinen Nachruf geschrieben.
War die Sicherheit Deutschlands wirklich in Gefahr? Wirtschafts- und Klimaminister Robert Habeck hat geostrategische Risiken als Begründung für die Untersagung der Übernahme des Chiphersteller Elmos an einen schwedisch-chinesischen Wettbewerber angeführt. Mit Verweis auf die übergreifenden politischen Ziele konnte er die Übernahme untersagen. Dazu passt es, dass er am Mittwoch gleich noch eine weitere Übernahme auf die schwarze Liste gesetzt hat: Auch ERS Electronic aus Germering bei München darf nach dem Willen des Ministers nicht an einen chinesischen Käufer gehen.
Habeck sagte am Mittwoch auch sehr deutlich, worum es ihm wirklich geht. Er sieht Elmos Semiconductor mit seinen 320 Millionen Euro Umsatz nicht als Einzelfall, sondern als Teil einer globalen Gesamtlage. “Es ist geboten, das gesamte Bild zu sehen.” Habeck wittert im Handeln Chinas ein “sehr bewusstes, strategisches Vorgehen”, um weltweit Schlüsselbranchen zu besetzen. Deutschland soll zwar eine offene Marktwirtschaft sein, “aber nicht mehr länger eine naive Marktwirtschaft“, so Habeck am Mittwoch in Berlin bei einem Pressetermin nach der Kabinettssitzung. Die Abhängigkeit von Wirtschaftsakteuren außerhalb der EU sei mit Änderung der geopolitischen Lage “in den Mittelpunkt der Debatte gerückt”.
Tatsächlich haben die Ereignisse in der großen Politik den Halbleiterspezialisten Elmos Semiconductor aus Dortmund kalt erwischt. Die Übernahme einer Fabrik für Chip-Grundstoffe durch den schwedischen Konkurrenten Silex Microsystems aus Stockholm ist eigentlich bereits seit Dezember 2021 in trockenen Tüchern (China.Table berichtete). Die Beteiligten erwarteten keine Probleme mit der noch ausstehenden Genehmigung. Doch Silex gehört dem chinesischen Anbieter Cellwise Microelectronics.
Nach Russlands Invasion in der Ukraine nimmt Habeck seine Aufgabe sehr ernst, Deutschland vor einem Ausfall wichtiger Rohstoffe und Teile zu schützen, die unter der Kontrolle von potenziell unfreundlichen Mächten stehen. Er hat die Übernahme daher am Mittwoch in der Runde der Bundesministerinnen und Bundesminister untersagen lassen.
Politisch und mit Blick auf die globale Lage war das richtig – in der Sache des Einzelfalls wirkt es übertrieben. Das meint auch der Dortmunder Oberbürgermeister Thomas Westphal. “Mein Eindruck ist, dass diese Entscheidung nicht wirtschaftspolitisch begründet ist”, so Westphal. “Und die Entscheidung ärgert mich, weil damit 225 Arbeitsplätze in Dortmund auf der Kippe stehen.” Mit dem Verkauf wäre das nicht der Fall gewesen. “Jetzt muss Elmos überlegen, wie man weiter vorgeht.”
Habeck interpretiert seine Rolle als Wirtschaftsminister jedoch anders als seine Vorgänger – und widerspricht der Einschätzung Westphals direkt. “Die Zeit, in der es hieß, derjenige Minister sei der beste, der gar nichts tut, ist vorbei.” Er wolle steuernd eingreifen, wo er die deutschen Interessen in Gefahr sieht. Statt nur den Rahmen zu setzen und die Details dem Markt zu überlassen, will er genau auf die Einzelfälle schauen und Deutschlands Schlüsselbranchen stärken. Dafür nutze er das “scharfe Schwert” des Außenwirtschaftsgesetzes, das in vielen Fällen eine Prüfung der Investition erlaubt. Derzeit laufe eine mittlere zweistellige Zahl von Prüfverfahren, von denen aber nicht alle mit China zu tun haben.
Elmos braucht jedoch weiterhin einen Investor. Zwar verbreitet Elmos-Chef Arne Schneider Optimismus und versichert, die Nachfrage bleibe hoch und die Produkte seien innovativ. Gerade Halbleiter für Autos seien sehr gefragt. Doch es ist Schneiders Job als CEO, gerade in Zeiten einer potenziellen Übernahme gute Stimmung zu verbreiten. Die Nachfrage nach Chips ist zwar hoch, doch die eigenen Produktionslinien bringen eher rückständige Chips hervor. Diese erfüllen feste Funktionen, statt flexibel beliebige Programme abzuspielen. Moderne Halbleiter kauft Elmos stattdessen in Asien dazu, um sie an die Kunden weiterzugeben. Elmos braucht dringend Geld, um in neue Maschinen zu investieren, wenn es der von Habeck angedachten Rolle gerecht werden soll, Spitzen-Chips für die Fahrzeugindustrie herzustellen.
Oberbürgermeister Westphal sieht das Unternehmen sogar eher in der Liga eines DDR-Kombinats. “Wenn die Chinesen alle Trabi-Motoren in Deutschland kaufen würden, wäre das auch keine Gefahr für die deutsche Autoindustrie”, sagte er am Dienstag, um die geringe technologische Bedeutung von Elmos zu verdeutlichen. Daher sei es “ein schlechter Witz, zu sagen, dass die Chinesen Marktführer sind, wenn sie die Chip-Technologie” aus Dortmund in die Hände bekommen.
Habeck ließ am Mittwoch offen, ob er eine staatliche Option für die Weiterentwicklung von Elmos anstrebt, er lehnte diesen Weg aber auch ausdrücklich nicht ab. Habeck mobilisiert derzeit Milliardensummen aus europäischen Fördertöpfen, um wieder mehr Halbleiterfirmen in Deutschland anzusiedeln. Bisher hat er jedoch Schwierigkeiten, die Mittel auch zielführend einzusetzen. Während der Pandemie litt die deutsche Fahrzeugindustrie unter einem Mangel an Chips, Bänder standen still. Die Halbleiterelemente kommen vor allem aus Asien. Je smarter die Autos werden, desto mehr Elektronik brauchen Volkswagen, Mercedes und BMW.
Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klima (BMWK) zieht sein Programm der staatlichen Schutzzäune für den Standort Deutschland nun folgerichtig durch. Das zeigt auch der Trend. Im April bereits hat Habeck eine bereits fix und fertige Übernahme rückabwickeln lassen: die des Medizintechnikherstellers Heyer Medical aus Rheinland-Pfalz (China.Table berichtete). Auch Heyer Medical war dringend auf die Kapitalspritze des chinesischen Partners angewiesen. So gesehen passt die Elmos-Ablehnung bestens in sein Konzept. Habeck war auch vehement gegen den Cosco-Einstieg.
Die Regierung Olaf Scholz zeigt sich dagegen im Gesamtbild wankelmütig. Scholz hat sein politisches Gewicht als Kanzler in die Waagschale geworfen, um den Teilverkauf des Terminals Tollerort möglich zu machen. Für Elmos in Nordrhein-Westfalen hat er sich offenbar nicht so vehement stark gemacht wie für den Hafen des Landes, in dem er Ministerpräsident war. Dabei ist Cosco ein zentralstaatlicher Konzern, praktisch eine Behörde, während Silex ein schwedisches Privatunternehmen ist.
China will den Emissionspeak “vor 2030” erreichen. Das gab Xi Jinping vor gut zwei Jahren bekannt. Doch es wurde weder ein genauer Zeitpunkt noch eine Zielmarke für die Höhe der CO2-Emissionen benannt. Bei den großen Wegmarken setzt sich die Volksrepublik seit jeher Ziele, die sie auf jeden Fall erreichen kann – und meist übererfüllt. Ein Verfehlen von Wachstumszielen würde das Ansehen der alles dominierenden Kommunistischen Partei viel stärker beschädigen als das Ansehen von Parteien und Regierungen in demokratischen Staaten. Vieles deutet auf einen früheren CO2-Peak hin.
Die Volksrepublik hat die Erneuerbaren Energien in den letzten Jahren massiv ausgebaut. Und die Provinzen wollen den Ausbau weiter beschleunigen:
Laut Berechnungen des Centre for Research on Energy and Clean Air (CREA) kann der zusätzliche Stromverbrauch Chinas zwischen 2020 und 2025 durch diesen schnellen Ausbau der Erneuerbaren gedeckt werden, wenn der Stromverbrauch nicht über vier Prozent steigt.
Es besteht allerdings auch die Gefahr, dass Erneuerbare und Kohlekraftwerke in Zukunft noch stärker konkurrieren. “Es wird definitiv einen Wettbewerb um Marktanteile zwischen Kohle und sauberer Energie geben”, sagt Myllyvirta. “Wenn die Betriebsstunden der Kohlekraftwerke sinken, werden die Eigentümer verstärkt versuchen, die Expansion erneuerbarer Energien zu bremsen”. Die Kohle macht noch immer 63 Prozent des Strommix und 60 Prozent des Energiemix aus.
Aktivisten von Greenpeace Ostasien sind deshalb auch nicht ganz so optimistisch. “Es ist klar, dass die CO2-Emissionen in Chinas Energiesektor in den kommenden Jahren noch steigen werden”, sagt die in Peking arbeitende Wu Jinghan. Aufgrund der Elektrifizierung weiterer Industriesektoren und des Wirtschaftswachstums werde die Stromnachfrage weiter wachsen. Und dennoch: “Wir gehen davon aus, dass der chinesische Energiesektor vor 2025 den Höhepunkt seiner Emissionen erreichen wird”, sagt Wu.
In der Vergangenheit hat China für sein Wachstum massiv auf den Bausektor gesetzt. Nie zuvor in der Weltgeschichte wurden in so kurzer Zeit so viele Straßen, Zugverbindungen und ganze Städte aus dem Boden gestampft. Doch die Industrie hat jüngst Klimapläne (China.Table berichtete) vorgelegt:
“Es ist durchaus möglich, dass die Emissionen für Zement und Baustoffe ihren Höhepunkt bereits erreicht haben”, sagt Xinyi Shen vom CREA. Denn der Sektor hat die Energie-Effizienz erhöht. Gleichzeitig stockt die Nachfrage nach Baumaterialien. Ein früher Emissions-Peak dieses Sektors wäre wichtig, da er am dritt meisten CO2 verursacht.
Doch auch hier ist Vorsicht geboten. Anfang November hat die Regierung einen Implementierungsplan für die CO2-Ziele der Baustoffindustrie herausgegeben. Darin heißt es:
Einige Analysten gehen davon aus, dass die Bauindustrie ihre eigenen Ziele trotzdem verfolgen wird. Doch die weniger ambitionierten Vorgaben von oben geben Spielraum und nehmen Druck. Und die Vergangenheit zeigt, dass die Emissionen des Bausektors auch schnell wieder steigen können: “2015 sanken die Emissionen Chinas. Damals waren hauptsächlich wirtschaftliche Faktoren ausschlaggebend”, sagt Byford Tsang vom Klima-Think-Tank E3G. “Ein schleppender Immobiliensektor und die angebotsseitige Reform der Schwerindustrie zur Reduktion von ineffizienten Überkapazitäten waren damals verantwortlich”.
Die Covid-Krise und der schwächelnde Immobilien-Sektor haben dazu beigetragen, dass Chinas Emissionen in den letzten vier Quartalen gesunken sind. Zentralregierung und die Provinzen haben große Konjunkturprogramme angekündigt, um das Wachstum anzukurbeln. In der Vergangenheit hatte das oft einen starken Emissionsanstieg zur Folge, weil die Programme sehr Bau-lastig waren. Das ist heute anders:
“Wenn der wirtschaftliche Übergang zu einem “hochwertigen Wachstum” gelingt, wird der massive Ausbau der sauberen Energien, einen baldigen Höhepunkt der Emissionen bedeuten”, sagt Lauri Myllyvirta vom CREA.
Doch selbst wenn es China als weltweit größtem CO2-Emittenten gelingt, die Emissionen schon in den nächsten Jahren auf einem Höchststand zu stabilisieren oder gar langsam zu senken, besteht wenig Grund für Klima-Optimismus. Denn Chinas Klimaziele sind nicht Paris-konform. Eine Verstärkung der Klima-Ambitionen ist also nötig. Wenn die Pariser Klimaziele erreicht werden sollten, müsste die Volksrepublik den Anteil des Kohlestroms bis zum Jahr 2030 auf 35 Prozent senken, wie Berechnungen des Climate Action Tracker zeigen. Noch vor dem Jahr 2040 dürfte China gar keine Kohle mehr für die Stromerzeugung verbrauchen, rechnen die Experten vor. Das heißt, der Ausbau der Erneuerbaren muss konstant hochgehalten werden. Jährlich ist ein Zubau von 150 bis 200 Gigawatt nötig.
China wäre bereit, sich an einem Mechanismus zur Entschädigung ärmerer Länder für Verluste und Schäden durch den Klimawandel zu beteiligen. Das sagte der chinesische Klimabeauftragte Xie Zhenhua am Mittwoch auf dem Klimagipfel der Vereinten Nationen COP27 im ägyptischen Scharm El-Sheikh. “Es ist nicht die Pflicht Chinas, aber wir sind bereit, unseren Beitrag zu leisten und uns zu bemühen”, betonte Xie. Im vergangenen Monat hatte der US-Klimabeauftragte John Kerry allerdings eine solche Beteiligung Chinas an den Zahlungen gefordert. Das Thema Verluste und Schäden (Loss and Damage) hatte es erst am Sonntag fest auf die Tagesordnung der Konferenz geschafft, gilt aber schon jetzt als einer der Schwerpunkte des diesjährigen Ringens um mehr Klimaschutz. Die Industrieländer haben vor Jahren schon zugesagt, jährlich 100 Milliarden US-Dollar an arme Länder zu zahlen – für die letztlich von ihnen verursachten Zerstörungen etwa durch Extremwetter.
Das Schwellenland China ist aktuell der weltgrößte Emittent von Treibhausgasen; auch pro Kopf hat sich Chinas Ausstoß jenem der EU angenähert. Doch Xie präsentiert sein Land seit Beginn der Konferenz als Anwalt der Entwicklungsländer. Schon am Sonntag hatte Xie im chinesischen Pavillon der Konferenz die reichen Nationen aufgerufen, ärmere Länder stärker zu unterstützen – finanziell sowie bei Emissionsminderung, Klimawandel-Anpassung und Kapazitätsentwicklung (capacity building). Generell setzt Xie Zhenhua trotz geopolitischer Spannungen weiter auf Multilateralismus und Zusammenarbeit als Schlüssel zur Lösung der Klimakrise. Auch hat er laut Medienberichten bereits seinen US-Counterpart John Kerry getroffen. Dieser habe die Forderung nach chinesischen Zahlungen an arme Länder aber nicht erwähnt. so Xie.
Generell lähmt der Streit zwischen den USA und China die globale Klimapolitik. Der offizielle US-China-Dialog zu Klimafragen liegt seit dem Taiwan-Besuch von Nancy Pelosi auf Eis. Also reden beide mehr übereinander als miteinander. “China muss sich [beim Klimaschutz] schneller bewegen. Sie müssen mehr unternehmen”, sagte Kerry am Dienstag. Umgekehrt machte Xie indirekt die USA für den Stillstand verantwortlich, der ja durch die Pelosi-Reise ausgelöst worden sei. Doch Kerry und Xie seien beide an einer Wiederaufnahme der Gespräche interessiert – über die Eindämmung von Methan, den Kampf gegen die Entwaldung und die Beschleunigung des grünen Wandels, berichtete Bloomberg am Mittwoch unter Berufung auf informierte Quellen. China sei offen für gemeinsame Vorstöße, so Xie demnach.
Xie bestätigte am Dienstag bei einer Veranstaltung der Weltbank zudem, dass Chinas Plan zur Senkung der Methan-Emissionen nun fertig sei und ungenannte “vorläufige Ziele” enthalte. Der Plan werde drei Bereiche abdecken: Energie (einschließlich Öl und Gas), Landwirtschaft und Abfall. Zu den Prioritäten bei der Umsetzung des Plans gehörten der Aufbau von Kapazitäten sowie die Überwachung der Emissionen. Methan hat verglichen mit Kohlenstoffdioxid eine vielfach stärkere Treibhauswirkung und entweicht in China unter anderem aus Nassreisfeldern und Mülldeponien. John Podesta, Energie-Berater von US-Präsident Joe Biden hat Xie bei der Veranstaltung laut Beobachtenden dazu aufgefordert, Methan in Chinas offizielle, bei der Uno eingereichte Klimaziele aufzunehmen. ck/rtr
Chinas Superreiche haben im zurückliegenden Jahr so viel Vermögen verloren wie seit mehr als zwei Jahrzehnten nicht. Das geht aus der Hurun-Liste hervor, die alljährlich die reichsten Menschen der Volksrepublik aufführt. Es handele sich um “den stärksten Vermögensverlust der vergangenen 24 Jahre”, sagte Rupert Hoogewerf, Vorsitzender des Forschungsunternehmens, das die Liste erstellt.
Dem Report zufolge zählt China nur noch 1.305 Personen zu den Superreichen, elf Prozent weniger als 2021. Das Gesamtvermögen der reichsten Chinesen beläuft sich demnach auf umgerechnet etwa 3,5 Billionen Dollar, ein Minus von 18 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Die Zahl der Dollar-Milliardäre ging in diesem Jahr um 239 auf 946 zurück.
Zu den drei reichsten Menschen Chinas gehört Zhong Shanshan, Geschäftsführer von Nongfu Spring, einem Getränkehersteller. Zhongs Vermögen wird auf rund 65 Milliarden Dollar geschätzt. Ihm folgt TikTok-Gründer Zhang Yiming, der auf 35 Milliarden Dollar kommt. Sein Vermögen fiel um 28 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. CATL-Gründer Zeng Yuqun kommt mit einem Vermögen von 32,9 Milliarden auf den dritten Platz, ebenfalls mit einem Minus von rund 28 Prozent.
Der 2019 noch reichste Chinese Jack Ma, Gründer der Alibaba Group, fiel um vier Plätze zurück und wird mit 25,7 Milliarden Dollar nur noch auf dem neunten Rang geführt. Alibaba hatte 2021 die langsamste Wachstumsrate seiner Geschichte gemeldet. Den größten Verlust verzeichnete jedoch die Immobilienunternehmerin Yang Huiyan, sie verlor 15,7 Milliarden Dollar. Beide Sektoren – der Tech- und der Immobiliensektor – leiden derzeit besonders unter Chinas Wachstumsschwäche. flee
Die Stadt Duisburg hat einem Medienbericht zufolge seine Smart-Cities-Zusammenarbeit mit dem chinesischen Technologieriesen Huawei vorerst eingestellt. Die Kooperation mit Huawei sei ausgesetzt, bestätigte Pressesprecher Falko Firlus gegenüber China.Table. Die South China Morning Post hatte zuerst über den Vorgang berichtet. Hintergrund der Entscheidung sei eine mögliche Neuausrichtung Berlins gegenüber Huawei im Zuge der geplanten China-Strategie: “Derzeit wird die Einschätzung des Bundes/der EU abgewartet, ob an einem Austausch mit Huawei – auch vor dem Hintergrund der derzeitigen Beziehungen zwischen Russland und China – festgehalten werden kann”, so Firlus.
Duisburg hatte 2018 eine Absichtserklärung unterzeichnet, derzufolge Huawei die Stadt “von einer traditionellen Industriestadt in eine serviceorientierte Smart City” verwandeln und seine öffentliche Verwaltung, Hafenlogistik, Bildung- und Verkehrsinfrastruktur mit fortschrittlicher 5G-Technologie modernisieren solle. Diese Vereinbarung war im Oktober ausgelaufen, so Firlus. Der gemeinsame Auftritt war am Mittwoch auch bereits von der Website der Stadt entfernt worden.
Die Zusammenarbeit war dem Pressesprecher zufolge wegen der Corona-Pandemie ohnehin zuletzt nicht mehr intensiv vorangetrieben worden. “Sobald uns eine Einschätzung der Bundesregierung vorliegt, werden wir die weitere Zusammenarbeit mit Huawei unter Berücksichtigung aller Aspekte neu prüfen“, erklärte Firlus. Duisburg galt zuletzt als “China-City”, da dort ein Endpunkt der Seidenstraßen-Initiative liegt. ari
Der staatliche Flugzeughersteller Comac hat einen Verkaufs-Erfolg für den Mittelstreckenjet C919 vermeldet. Bei der Airshow China seien 300 neue Aufträge für die Passagiermaschine entgegengenommen worden, berichtete die staatliche Nachrichtenagentur Xinhua am Mittwoch. Ein genauerer Blick auf die Besteller legt jedoch offen, dass es sich bei diesen um staatliche Akteure handelt: Sieben chinesische Leasingfirmen, darunter China Development Bank Leasing, ICBC Leasing und CCB Financial Leasing hätten Maschinen bestellt, teilte Comac demnach mit.
Der C919 hatte Ende September die Musterzulassung von Chinas Ziviler Luftfahrtbehörde (CAAC) erhalten und gilt als Prestige-Objekt der Pekinger Führung. Da die C919-Produktion teilweise auf westliche Technik angewiesen ist, droht die Herstellung des Passagierflugzeugs jedoch auch Spielball der Handelskonkurrenz zwischen den USA und China zu werden (China.Table berichtete). ari
Christoffer Meyer ist seit diesem Monat Manager für Produktionsplanung im Bereich Fahrzeugelektronik bei der Volkswagen Group China.
Richard Surrency ist neuer Asien-Pazifik-Chef bei dem britischen Finanzhaus Aviva Investors. Er bezieht sein neues Büro in Singapur.
Ändert sich etwas in Ihrer Organisation? Schicken Sie doch einen Hinweis für unsere Personal-Rubrik an heads@table.media!
Es waren nur zwei knappe Zeilen, mit denen Bao Pu am Mittwoch die traurige Nachricht in die Welt setzte: “Mein Vater Bao Tong ist am 9. November 2022 um 7:08 Uhr friedlich verstorben. Er wurde am 5. November 1932 geboren und wurde 90 Jahre alt.”
Es waren 90 dramatische Jahre. Das Leben von Bao Tong 鮑彤 spiegelt exemplarisch die rasanten Jahre Chinas wider – vom Aufstieg der KP über die Verwerfungen der Kulturrevolution und den Hoffnungen der Reform- und Öffnungszeit bis hin zur blutigen Niederschlagung der Proteste rund um den Tian’anmen Platz und der nie erfolgten Aufarbeitung. Bao Tong schaffte es bis in den innersten Machtzirkel der KP – und war anschließend der ranghöchste Beamte, der je im Zusammenhang mit den Geschehnissen von 1989 verurteilt wurde.
Bao Tong wurde 1932 in Haining (Zhejiang) geboren. Er wuchs in Shanghai auf und studierte an der dortigen Nanyang High-School, wo er auch seine eigene linksliberale Prägung entwickelte. Beeinflusst wurde er dabei vor allem von zwei Personen, die ihm nahe standen: Zum einen von seinem Onkel Wu Shichang, einem Experten für Qing-zeitliche Literatur und regelmäßigem Autor des damaligen Intellektuellen-Magazins Guancha; zum anderen von seiner späteren Ehefrau Jiang Zongcao, die er an der Nanyang kennenlernte und die maßgeblichen Anteil daran gehabt haben soll, dass Bao überhaupt in die Kommunistische Partei eintrat. In der KP machte Bao eine Karriere, die eng mit den Hochs und Tiefs der chinesischen Politik verbunden sein sollte.
Nach seinem Parteieintritt arbeitete er zunächst im lokalen Organisationskomitee der Shanghaier KP, ehe er 1954 ins wichtige Zentralkomitee wechselte, wo er unter anderem eng mit An Ziwen zusammenarbeitete. Doch auf jenen rasanten Aufstieg folgten die Wirren der Kulturrevolution, in denen viele überzeugte KPler unversehens in Ungnade fielen. So auch Baos Vorgesetzter An Ziwen. Doch schon damals zeigte Bao einen Charakterzug, der ihm erst schaden, dann helfen und zu guter Letzt doch zum Verhängnis werden sollte: Er blieb seinen Überzeugungen treu und weigerte sich, An öffentlich zu denunzieren. Als Konsequenz wurde Bao selbst als Abweichler gebrandmarkt.
Als jene katastrophale Zeit ein Ende fand, wurde An Ziwen rehabilitiert. Und auch für Bao Tong sollte es eine Rückkehr in die KP geben. Mehr noch: An Ziwen führte Bao in den engen Zirkel um Deng Xiaoping ein, und Bao konnte in den folgenden Jahren seine politischen Überzeugungen ganz oben im Staat platzieren – wirtschaftlich wie auch politisch.
Als stellvertretender Direktor der Staatskommission für Wirtschaftsreform und anschließend als Direktor des Amtes für politische Reform des KP-Zentralkomitees prägte Bao maßgeblich die Reform- und Öffnungspolitik von Deng Xiaoping. Zugleich wurde Bao zum wohl engsten Berater des damaligen Ministerpräsidenten Zhao Ziyang.
Im Oktober 1987 folgte der 13. Parteitag der KP China, Zhao Ziyang hielt einen von Bao Tong ausgearbeiteten Vortrag über die Notwendigkeit politischer Reformen. Der Titel: Voranschreiten auf dem Weg des Sozialismus mit chinesischen Merkmalen 沿着有中国特色的社会主义道路前进. Zhao wurde schließlich KP-Generalsekretär, und Bao übernahm den Posten als dessen politischer Sekretär. Als solcher verfasste er Zhaos Reden und prägte dessen politischen Ansichten.
Es war die Zeit der Reformen – in der Sowjetunion unter Michail Gorbatschow, in Polen und Ungarn. In China war 改革开放 (Gǎigé kāifàng) in aller Munde. Auch bei den Protestierenden rund um den Tian’anmen Platz im Sommer 1989. Doch so wie die Reformhoffnungen sollte auch Bao Tong ein schlimmes Ende drohen.
Zhao Ziyang wie auch Bao Tong hegten beide Verständnis für die Proteste und unterstützen ihre friedliche Beendigung – damit standen sie im Gegensatz zu Deng Xiaoping, der für ein hartes Vorgehen plädierte. Wieder blieb Bao seinen Überzeugungen treu. Es kam schließlich zum offenen Machtkampf: Deng setzte sich mit seiner harten Linie durch, Zhao Ziyang wurde unter Hausarrest gestellt, Bao Tong wegen der vermeintlichen Weitergabe von Staatsgeheimnissen zu sieben Jahren Haft verurteilt. Im Gefängnis Qincheng musste Bao die volle Haftstrafe in Isolation verbüßen.
Seit seiner Entlassung lebte Bao Tong dann wieder in Peking, doch wirklich frei sollte er bis zu seinem Tod nie mehr werden. Sein Wohnsitz wurde be-, seine Telefongespräche überwacht und seine persönlichen Aktivitäten massiv eingeschränkt, wie beispielsweise am Todestag seines Weggefährten Zhao Ziyang: “Am Tag seines Todes wollten meine Frau und ich noch einmal zu ihm, aber wir wurden beim Verlassen unserer Wohnung von der Sicherheitspolizei daran gehindert. Meine Frau wurde sogar von den Bewachern zu Boden gestoßen”, erzählte Bao später.
Und dennoch hat Bao nie seine Bindung an Zhao Ziyang oder den Machtkampf mit den Hardlinern bereut. Im Gegenteil: Bao ließ sich auch nach seiner Haft nie den Mund verbieten, aus seinen Überzeugungen machte bis zuletzt keinen Hehl. So unterschrieb er beispielsweise die bekannte Charta 08, ein Manifest, die 2008 zu politischen Reformen und Demokratisierung in China aufrief.
Zudem war Bao entscheidend an der Veröffentlichung der verbotenen Memoiren von Zhao Ziyang beteiligt. Dem geschassten KP-Generalsekretär gelang es, seine heimlich niedergeschriebenen Gedanken über Bao Tong ins Ausland zu schmuggeln. Seither eröffnet das Buch “Prisoner of the State – The Secret Journal of Chinese Premier Zhao Ziyang” tiefe Einblicke in die KP-Machtkämpfe des Jahres 1989 – zumindest den Interessierten im Ausland, denn in China ist das Buch verboten. Bao sagte dazu später, es sei darum gegangen, die wahre Natur der KP Chinas zu zeigen.
Und auch über Chinas Zukunft hatte Bao bis zuletzt klare Vorstellungen: “Zuerst einmal müssen die Rechte jedes Bürgers wiederhergestellt werden. Wenn jeder Politiker wie ein wahrer Beamter handelt, respektiert er auch die Menschenrechte – das ist die grundlegende Qualifikation für politische Führer. Mit diesen beiden Veränderungen können alle Probleme gelöst werden, auch das Thema 4. Juni 89. Jeder Chinese muss zudem ein Wahlrecht haben. Ein Wahlzettel mit nur einem Kandidaten ist Müll, gehört in den Papierkorb. Wenn Bürger- und Menschenrechte respektiert werden, kann China jedes Problem lösen“, sagte Bao 2009 im Interview mit dem Handelsblatt.
Bao Tong blieb sein Leben lang seinen Überzeugungen treu. So wurde er einer der wichtigsten politischen Beamten innerhalb der chinesischen Führung – und später zu einem der größten Dissidenten Chinas. Michael Radunski
Als Statement für mehr Diversität und Frieden dürften die Veranstalter der Luft- und Raumfahrtmesse im südchinesischen Zhuhai diese Flugshow nicht verstanden haben – trotz der Farben. Im Gegenteil: Mit zahlreichen neuen Kampfjets wollen die chinesischen Hersteller zeigen, wie sie in der Militärtechnologie aufgeholt haben. Zu sehen: Das “Luftballet” des August First Air Demonstration Team.
Cosco ja – Elmos nein. Wo ist da die Logik? Der Einstieg eines Staatskonglomerats in konkrete Infrastruktur würde Deutschland schließlich eher schaden als die Übernahme einer kleinen Fabrik für Halbleiter-Vorprodukte durch ein schwedisch-chinesisches Unternehmen. Robert Habeck war auch konsequenterweise gleichermaßen gegen beide Deals, wie unsere Analyse zeigt. Es war Olaf Scholz, der den Ausschlag für den Cosco-Einstieg gegeben hat. Ein Schelm, wer da an seine Zeit als Regierungschef in Hamburg denkt.
Habeck wiederum hat sein Konzept am Mittwoch vor der Presse schlüssig erklärt. Europa soll nicht mehr naiv sein und Übernahmen einfach dem Markt überlassen, sondern mindestens ebenso schlau wie China werden. Wichtige Industrien sollten die Mitgliedsstaaten mit vereinten Kräften im EU-Inland halten. Das wird in der komplizierten europäischen Gemengelage allerdings kaum so schlagkräftig klappen wie in der chinesischen Kommandowirtschaft.
Auf der Klima-Konferenz COP27 in Ägypten ist China ebenfalls ein dominanter Spieler. Schließlich ist die Volksrepublik weiterhin der größte Emittent von Treibhausgasen. Doch die Hoffnung auf eine baldige Trendwende in den Emissionen wächst, wie Nico Beckert analysiert. Vielleicht, und mit etwas Glück, kommt der Höhepunkt des Kohlendioxidausstoßes schon 2025 – und nicht erst 2030, wie im offiziellen Klimaziel Chinas. Die Emissionen könnten also schon in wenigen Jahren langsam sinken. Das wäre einerseits ein sensationeller Erfolg, würde aber andererseits nicht reichen. Denn um das 1,5-Grad-Ziel von Paris noch einzuhalten, müsste der Ausstoß ab 2025 dramatisch abstürzen. Es ist nun Aufgabe der Konferenzteilnehmer, das Machbare mit dem Notwendigen zu verbinden.
Bao Tong ist tot. Der einstige Top-Kader und spätere Dissident, der die Katastrophe von 1989 noch verhindern wollte, wurde 90 Jahre alt. Michael Radunski hat seinen Nachruf geschrieben.
War die Sicherheit Deutschlands wirklich in Gefahr? Wirtschafts- und Klimaminister Robert Habeck hat geostrategische Risiken als Begründung für die Untersagung der Übernahme des Chiphersteller Elmos an einen schwedisch-chinesischen Wettbewerber angeführt. Mit Verweis auf die übergreifenden politischen Ziele konnte er die Übernahme untersagen. Dazu passt es, dass er am Mittwoch gleich noch eine weitere Übernahme auf die schwarze Liste gesetzt hat: Auch ERS Electronic aus Germering bei München darf nach dem Willen des Ministers nicht an einen chinesischen Käufer gehen.
Habeck sagte am Mittwoch auch sehr deutlich, worum es ihm wirklich geht. Er sieht Elmos Semiconductor mit seinen 320 Millionen Euro Umsatz nicht als Einzelfall, sondern als Teil einer globalen Gesamtlage. “Es ist geboten, das gesamte Bild zu sehen.” Habeck wittert im Handeln Chinas ein “sehr bewusstes, strategisches Vorgehen”, um weltweit Schlüsselbranchen zu besetzen. Deutschland soll zwar eine offene Marktwirtschaft sein, “aber nicht mehr länger eine naive Marktwirtschaft“, so Habeck am Mittwoch in Berlin bei einem Pressetermin nach der Kabinettssitzung. Die Abhängigkeit von Wirtschaftsakteuren außerhalb der EU sei mit Änderung der geopolitischen Lage “in den Mittelpunkt der Debatte gerückt”.
Tatsächlich haben die Ereignisse in der großen Politik den Halbleiterspezialisten Elmos Semiconductor aus Dortmund kalt erwischt. Die Übernahme einer Fabrik für Chip-Grundstoffe durch den schwedischen Konkurrenten Silex Microsystems aus Stockholm ist eigentlich bereits seit Dezember 2021 in trockenen Tüchern (China.Table berichtete). Die Beteiligten erwarteten keine Probleme mit der noch ausstehenden Genehmigung. Doch Silex gehört dem chinesischen Anbieter Cellwise Microelectronics.
Nach Russlands Invasion in der Ukraine nimmt Habeck seine Aufgabe sehr ernst, Deutschland vor einem Ausfall wichtiger Rohstoffe und Teile zu schützen, die unter der Kontrolle von potenziell unfreundlichen Mächten stehen. Er hat die Übernahme daher am Mittwoch in der Runde der Bundesministerinnen und Bundesminister untersagen lassen.
Politisch und mit Blick auf die globale Lage war das richtig – in der Sache des Einzelfalls wirkt es übertrieben. Das meint auch der Dortmunder Oberbürgermeister Thomas Westphal. “Mein Eindruck ist, dass diese Entscheidung nicht wirtschaftspolitisch begründet ist”, so Westphal. “Und die Entscheidung ärgert mich, weil damit 225 Arbeitsplätze in Dortmund auf der Kippe stehen.” Mit dem Verkauf wäre das nicht der Fall gewesen. “Jetzt muss Elmos überlegen, wie man weiter vorgeht.”
Habeck interpretiert seine Rolle als Wirtschaftsminister jedoch anders als seine Vorgänger – und widerspricht der Einschätzung Westphals direkt. “Die Zeit, in der es hieß, derjenige Minister sei der beste, der gar nichts tut, ist vorbei.” Er wolle steuernd eingreifen, wo er die deutschen Interessen in Gefahr sieht. Statt nur den Rahmen zu setzen und die Details dem Markt zu überlassen, will er genau auf die Einzelfälle schauen und Deutschlands Schlüsselbranchen stärken. Dafür nutze er das “scharfe Schwert” des Außenwirtschaftsgesetzes, das in vielen Fällen eine Prüfung der Investition erlaubt. Derzeit laufe eine mittlere zweistellige Zahl von Prüfverfahren, von denen aber nicht alle mit China zu tun haben.
Elmos braucht jedoch weiterhin einen Investor. Zwar verbreitet Elmos-Chef Arne Schneider Optimismus und versichert, die Nachfrage bleibe hoch und die Produkte seien innovativ. Gerade Halbleiter für Autos seien sehr gefragt. Doch es ist Schneiders Job als CEO, gerade in Zeiten einer potenziellen Übernahme gute Stimmung zu verbreiten. Die Nachfrage nach Chips ist zwar hoch, doch die eigenen Produktionslinien bringen eher rückständige Chips hervor. Diese erfüllen feste Funktionen, statt flexibel beliebige Programme abzuspielen. Moderne Halbleiter kauft Elmos stattdessen in Asien dazu, um sie an die Kunden weiterzugeben. Elmos braucht dringend Geld, um in neue Maschinen zu investieren, wenn es der von Habeck angedachten Rolle gerecht werden soll, Spitzen-Chips für die Fahrzeugindustrie herzustellen.
Oberbürgermeister Westphal sieht das Unternehmen sogar eher in der Liga eines DDR-Kombinats. “Wenn die Chinesen alle Trabi-Motoren in Deutschland kaufen würden, wäre das auch keine Gefahr für die deutsche Autoindustrie”, sagte er am Dienstag, um die geringe technologische Bedeutung von Elmos zu verdeutlichen. Daher sei es “ein schlechter Witz, zu sagen, dass die Chinesen Marktführer sind, wenn sie die Chip-Technologie” aus Dortmund in die Hände bekommen.
Habeck ließ am Mittwoch offen, ob er eine staatliche Option für die Weiterentwicklung von Elmos anstrebt, er lehnte diesen Weg aber auch ausdrücklich nicht ab. Habeck mobilisiert derzeit Milliardensummen aus europäischen Fördertöpfen, um wieder mehr Halbleiterfirmen in Deutschland anzusiedeln. Bisher hat er jedoch Schwierigkeiten, die Mittel auch zielführend einzusetzen. Während der Pandemie litt die deutsche Fahrzeugindustrie unter einem Mangel an Chips, Bänder standen still. Die Halbleiterelemente kommen vor allem aus Asien. Je smarter die Autos werden, desto mehr Elektronik brauchen Volkswagen, Mercedes und BMW.
Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klima (BMWK) zieht sein Programm der staatlichen Schutzzäune für den Standort Deutschland nun folgerichtig durch. Das zeigt auch der Trend. Im April bereits hat Habeck eine bereits fix und fertige Übernahme rückabwickeln lassen: die des Medizintechnikherstellers Heyer Medical aus Rheinland-Pfalz (China.Table berichtete). Auch Heyer Medical war dringend auf die Kapitalspritze des chinesischen Partners angewiesen. So gesehen passt die Elmos-Ablehnung bestens in sein Konzept. Habeck war auch vehement gegen den Cosco-Einstieg.
Die Regierung Olaf Scholz zeigt sich dagegen im Gesamtbild wankelmütig. Scholz hat sein politisches Gewicht als Kanzler in die Waagschale geworfen, um den Teilverkauf des Terminals Tollerort möglich zu machen. Für Elmos in Nordrhein-Westfalen hat er sich offenbar nicht so vehement stark gemacht wie für den Hafen des Landes, in dem er Ministerpräsident war. Dabei ist Cosco ein zentralstaatlicher Konzern, praktisch eine Behörde, während Silex ein schwedisches Privatunternehmen ist.
China will den Emissionspeak “vor 2030” erreichen. Das gab Xi Jinping vor gut zwei Jahren bekannt. Doch es wurde weder ein genauer Zeitpunkt noch eine Zielmarke für die Höhe der CO2-Emissionen benannt. Bei den großen Wegmarken setzt sich die Volksrepublik seit jeher Ziele, die sie auf jeden Fall erreichen kann – und meist übererfüllt. Ein Verfehlen von Wachstumszielen würde das Ansehen der alles dominierenden Kommunistischen Partei viel stärker beschädigen als das Ansehen von Parteien und Regierungen in demokratischen Staaten. Vieles deutet auf einen früheren CO2-Peak hin.
Die Volksrepublik hat die Erneuerbaren Energien in den letzten Jahren massiv ausgebaut. Und die Provinzen wollen den Ausbau weiter beschleunigen:
Laut Berechnungen des Centre for Research on Energy and Clean Air (CREA) kann der zusätzliche Stromverbrauch Chinas zwischen 2020 und 2025 durch diesen schnellen Ausbau der Erneuerbaren gedeckt werden, wenn der Stromverbrauch nicht über vier Prozent steigt.
Es besteht allerdings auch die Gefahr, dass Erneuerbare und Kohlekraftwerke in Zukunft noch stärker konkurrieren. “Es wird definitiv einen Wettbewerb um Marktanteile zwischen Kohle und sauberer Energie geben”, sagt Myllyvirta. “Wenn die Betriebsstunden der Kohlekraftwerke sinken, werden die Eigentümer verstärkt versuchen, die Expansion erneuerbarer Energien zu bremsen”. Die Kohle macht noch immer 63 Prozent des Strommix und 60 Prozent des Energiemix aus.
Aktivisten von Greenpeace Ostasien sind deshalb auch nicht ganz so optimistisch. “Es ist klar, dass die CO2-Emissionen in Chinas Energiesektor in den kommenden Jahren noch steigen werden”, sagt die in Peking arbeitende Wu Jinghan. Aufgrund der Elektrifizierung weiterer Industriesektoren und des Wirtschaftswachstums werde die Stromnachfrage weiter wachsen. Und dennoch: “Wir gehen davon aus, dass der chinesische Energiesektor vor 2025 den Höhepunkt seiner Emissionen erreichen wird”, sagt Wu.
In der Vergangenheit hat China für sein Wachstum massiv auf den Bausektor gesetzt. Nie zuvor in der Weltgeschichte wurden in so kurzer Zeit so viele Straßen, Zugverbindungen und ganze Städte aus dem Boden gestampft. Doch die Industrie hat jüngst Klimapläne (China.Table berichtete) vorgelegt:
“Es ist durchaus möglich, dass die Emissionen für Zement und Baustoffe ihren Höhepunkt bereits erreicht haben”, sagt Xinyi Shen vom CREA. Denn der Sektor hat die Energie-Effizienz erhöht. Gleichzeitig stockt die Nachfrage nach Baumaterialien. Ein früher Emissions-Peak dieses Sektors wäre wichtig, da er am dritt meisten CO2 verursacht.
Doch auch hier ist Vorsicht geboten. Anfang November hat die Regierung einen Implementierungsplan für die CO2-Ziele der Baustoffindustrie herausgegeben. Darin heißt es:
Einige Analysten gehen davon aus, dass die Bauindustrie ihre eigenen Ziele trotzdem verfolgen wird. Doch die weniger ambitionierten Vorgaben von oben geben Spielraum und nehmen Druck. Und die Vergangenheit zeigt, dass die Emissionen des Bausektors auch schnell wieder steigen können: “2015 sanken die Emissionen Chinas. Damals waren hauptsächlich wirtschaftliche Faktoren ausschlaggebend”, sagt Byford Tsang vom Klima-Think-Tank E3G. “Ein schleppender Immobiliensektor und die angebotsseitige Reform der Schwerindustrie zur Reduktion von ineffizienten Überkapazitäten waren damals verantwortlich”.
Die Covid-Krise und der schwächelnde Immobilien-Sektor haben dazu beigetragen, dass Chinas Emissionen in den letzten vier Quartalen gesunken sind. Zentralregierung und die Provinzen haben große Konjunkturprogramme angekündigt, um das Wachstum anzukurbeln. In der Vergangenheit hatte das oft einen starken Emissionsanstieg zur Folge, weil die Programme sehr Bau-lastig waren. Das ist heute anders:
“Wenn der wirtschaftliche Übergang zu einem “hochwertigen Wachstum” gelingt, wird der massive Ausbau der sauberen Energien, einen baldigen Höhepunkt der Emissionen bedeuten”, sagt Lauri Myllyvirta vom CREA.
Doch selbst wenn es China als weltweit größtem CO2-Emittenten gelingt, die Emissionen schon in den nächsten Jahren auf einem Höchststand zu stabilisieren oder gar langsam zu senken, besteht wenig Grund für Klima-Optimismus. Denn Chinas Klimaziele sind nicht Paris-konform. Eine Verstärkung der Klima-Ambitionen ist also nötig. Wenn die Pariser Klimaziele erreicht werden sollten, müsste die Volksrepublik den Anteil des Kohlestroms bis zum Jahr 2030 auf 35 Prozent senken, wie Berechnungen des Climate Action Tracker zeigen. Noch vor dem Jahr 2040 dürfte China gar keine Kohle mehr für die Stromerzeugung verbrauchen, rechnen die Experten vor. Das heißt, der Ausbau der Erneuerbaren muss konstant hochgehalten werden. Jährlich ist ein Zubau von 150 bis 200 Gigawatt nötig.
China wäre bereit, sich an einem Mechanismus zur Entschädigung ärmerer Länder für Verluste und Schäden durch den Klimawandel zu beteiligen. Das sagte der chinesische Klimabeauftragte Xie Zhenhua am Mittwoch auf dem Klimagipfel der Vereinten Nationen COP27 im ägyptischen Scharm El-Sheikh. “Es ist nicht die Pflicht Chinas, aber wir sind bereit, unseren Beitrag zu leisten und uns zu bemühen”, betonte Xie. Im vergangenen Monat hatte der US-Klimabeauftragte John Kerry allerdings eine solche Beteiligung Chinas an den Zahlungen gefordert. Das Thema Verluste und Schäden (Loss and Damage) hatte es erst am Sonntag fest auf die Tagesordnung der Konferenz geschafft, gilt aber schon jetzt als einer der Schwerpunkte des diesjährigen Ringens um mehr Klimaschutz. Die Industrieländer haben vor Jahren schon zugesagt, jährlich 100 Milliarden US-Dollar an arme Länder zu zahlen – für die letztlich von ihnen verursachten Zerstörungen etwa durch Extremwetter.
Das Schwellenland China ist aktuell der weltgrößte Emittent von Treibhausgasen; auch pro Kopf hat sich Chinas Ausstoß jenem der EU angenähert. Doch Xie präsentiert sein Land seit Beginn der Konferenz als Anwalt der Entwicklungsländer. Schon am Sonntag hatte Xie im chinesischen Pavillon der Konferenz die reichen Nationen aufgerufen, ärmere Länder stärker zu unterstützen – finanziell sowie bei Emissionsminderung, Klimawandel-Anpassung und Kapazitätsentwicklung (capacity building). Generell setzt Xie Zhenhua trotz geopolitischer Spannungen weiter auf Multilateralismus und Zusammenarbeit als Schlüssel zur Lösung der Klimakrise. Auch hat er laut Medienberichten bereits seinen US-Counterpart John Kerry getroffen. Dieser habe die Forderung nach chinesischen Zahlungen an arme Länder aber nicht erwähnt. so Xie.
Generell lähmt der Streit zwischen den USA und China die globale Klimapolitik. Der offizielle US-China-Dialog zu Klimafragen liegt seit dem Taiwan-Besuch von Nancy Pelosi auf Eis. Also reden beide mehr übereinander als miteinander. “China muss sich [beim Klimaschutz] schneller bewegen. Sie müssen mehr unternehmen”, sagte Kerry am Dienstag. Umgekehrt machte Xie indirekt die USA für den Stillstand verantwortlich, der ja durch die Pelosi-Reise ausgelöst worden sei. Doch Kerry und Xie seien beide an einer Wiederaufnahme der Gespräche interessiert – über die Eindämmung von Methan, den Kampf gegen die Entwaldung und die Beschleunigung des grünen Wandels, berichtete Bloomberg am Mittwoch unter Berufung auf informierte Quellen. China sei offen für gemeinsame Vorstöße, so Xie demnach.
Xie bestätigte am Dienstag bei einer Veranstaltung der Weltbank zudem, dass Chinas Plan zur Senkung der Methan-Emissionen nun fertig sei und ungenannte “vorläufige Ziele” enthalte. Der Plan werde drei Bereiche abdecken: Energie (einschließlich Öl und Gas), Landwirtschaft und Abfall. Zu den Prioritäten bei der Umsetzung des Plans gehörten der Aufbau von Kapazitäten sowie die Überwachung der Emissionen. Methan hat verglichen mit Kohlenstoffdioxid eine vielfach stärkere Treibhauswirkung und entweicht in China unter anderem aus Nassreisfeldern und Mülldeponien. John Podesta, Energie-Berater von US-Präsident Joe Biden hat Xie bei der Veranstaltung laut Beobachtenden dazu aufgefordert, Methan in Chinas offizielle, bei der Uno eingereichte Klimaziele aufzunehmen. ck/rtr
Chinas Superreiche haben im zurückliegenden Jahr so viel Vermögen verloren wie seit mehr als zwei Jahrzehnten nicht. Das geht aus der Hurun-Liste hervor, die alljährlich die reichsten Menschen der Volksrepublik aufführt. Es handele sich um “den stärksten Vermögensverlust der vergangenen 24 Jahre”, sagte Rupert Hoogewerf, Vorsitzender des Forschungsunternehmens, das die Liste erstellt.
Dem Report zufolge zählt China nur noch 1.305 Personen zu den Superreichen, elf Prozent weniger als 2021. Das Gesamtvermögen der reichsten Chinesen beläuft sich demnach auf umgerechnet etwa 3,5 Billionen Dollar, ein Minus von 18 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Die Zahl der Dollar-Milliardäre ging in diesem Jahr um 239 auf 946 zurück.
Zu den drei reichsten Menschen Chinas gehört Zhong Shanshan, Geschäftsführer von Nongfu Spring, einem Getränkehersteller. Zhongs Vermögen wird auf rund 65 Milliarden Dollar geschätzt. Ihm folgt TikTok-Gründer Zhang Yiming, der auf 35 Milliarden Dollar kommt. Sein Vermögen fiel um 28 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. CATL-Gründer Zeng Yuqun kommt mit einem Vermögen von 32,9 Milliarden auf den dritten Platz, ebenfalls mit einem Minus von rund 28 Prozent.
Der 2019 noch reichste Chinese Jack Ma, Gründer der Alibaba Group, fiel um vier Plätze zurück und wird mit 25,7 Milliarden Dollar nur noch auf dem neunten Rang geführt. Alibaba hatte 2021 die langsamste Wachstumsrate seiner Geschichte gemeldet. Den größten Verlust verzeichnete jedoch die Immobilienunternehmerin Yang Huiyan, sie verlor 15,7 Milliarden Dollar. Beide Sektoren – der Tech- und der Immobiliensektor – leiden derzeit besonders unter Chinas Wachstumsschwäche. flee
Die Stadt Duisburg hat einem Medienbericht zufolge seine Smart-Cities-Zusammenarbeit mit dem chinesischen Technologieriesen Huawei vorerst eingestellt. Die Kooperation mit Huawei sei ausgesetzt, bestätigte Pressesprecher Falko Firlus gegenüber China.Table. Die South China Morning Post hatte zuerst über den Vorgang berichtet. Hintergrund der Entscheidung sei eine mögliche Neuausrichtung Berlins gegenüber Huawei im Zuge der geplanten China-Strategie: “Derzeit wird die Einschätzung des Bundes/der EU abgewartet, ob an einem Austausch mit Huawei – auch vor dem Hintergrund der derzeitigen Beziehungen zwischen Russland und China – festgehalten werden kann”, so Firlus.
Duisburg hatte 2018 eine Absichtserklärung unterzeichnet, derzufolge Huawei die Stadt “von einer traditionellen Industriestadt in eine serviceorientierte Smart City” verwandeln und seine öffentliche Verwaltung, Hafenlogistik, Bildung- und Verkehrsinfrastruktur mit fortschrittlicher 5G-Technologie modernisieren solle. Diese Vereinbarung war im Oktober ausgelaufen, so Firlus. Der gemeinsame Auftritt war am Mittwoch auch bereits von der Website der Stadt entfernt worden.
Die Zusammenarbeit war dem Pressesprecher zufolge wegen der Corona-Pandemie ohnehin zuletzt nicht mehr intensiv vorangetrieben worden. “Sobald uns eine Einschätzung der Bundesregierung vorliegt, werden wir die weitere Zusammenarbeit mit Huawei unter Berücksichtigung aller Aspekte neu prüfen“, erklärte Firlus. Duisburg galt zuletzt als “China-City”, da dort ein Endpunkt der Seidenstraßen-Initiative liegt. ari
Der staatliche Flugzeughersteller Comac hat einen Verkaufs-Erfolg für den Mittelstreckenjet C919 vermeldet. Bei der Airshow China seien 300 neue Aufträge für die Passagiermaschine entgegengenommen worden, berichtete die staatliche Nachrichtenagentur Xinhua am Mittwoch. Ein genauerer Blick auf die Besteller legt jedoch offen, dass es sich bei diesen um staatliche Akteure handelt: Sieben chinesische Leasingfirmen, darunter China Development Bank Leasing, ICBC Leasing und CCB Financial Leasing hätten Maschinen bestellt, teilte Comac demnach mit.
Der C919 hatte Ende September die Musterzulassung von Chinas Ziviler Luftfahrtbehörde (CAAC) erhalten und gilt als Prestige-Objekt der Pekinger Führung. Da die C919-Produktion teilweise auf westliche Technik angewiesen ist, droht die Herstellung des Passagierflugzeugs jedoch auch Spielball der Handelskonkurrenz zwischen den USA und China zu werden (China.Table berichtete). ari
Christoffer Meyer ist seit diesem Monat Manager für Produktionsplanung im Bereich Fahrzeugelektronik bei der Volkswagen Group China.
Richard Surrency ist neuer Asien-Pazifik-Chef bei dem britischen Finanzhaus Aviva Investors. Er bezieht sein neues Büro in Singapur.
Ändert sich etwas in Ihrer Organisation? Schicken Sie doch einen Hinweis für unsere Personal-Rubrik an heads@table.media!
Es waren nur zwei knappe Zeilen, mit denen Bao Pu am Mittwoch die traurige Nachricht in die Welt setzte: “Mein Vater Bao Tong ist am 9. November 2022 um 7:08 Uhr friedlich verstorben. Er wurde am 5. November 1932 geboren und wurde 90 Jahre alt.”
Es waren 90 dramatische Jahre. Das Leben von Bao Tong 鮑彤 spiegelt exemplarisch die rasanten Jahre Chinas wider – vom Aufstieg der KP über die Verwerfungen der Kulturrevolution und den Hoffnungen der Reform- und Öffnungszeit bis hin zur blutigen Niederschlagung der Proteste rund um den Tian’anmen Platz und der nie erfolgten Aufarbeitung. Bao Tong schaffte es bis in den innersten Machtzirkel der KP – und war anschließend der ranghöchste Beamte, der je im Zusammenhang mit den Geschehnissen von 1989 verurteilt wurde.
Bao Tong wurde 1932 in Haining (Zhejiang) geboren. Er wuchs in Shanghai auf und studierte an der dortigen Nanyang High-School, wo er auch seine eigene linksliberale Prägung entwickelte. Beeinflusst wurde er dabei vor allem von zwei Personen, die ihm nahe standen: Zum einen von seinem Onkel Wu Shichang, einem Experten für Qing-zeitliche Literatur und regelmäßigem Autor des damaligen Intellektuellen-Magazins Guancha; zum anderen von seiner späteren Ehefrau Jiang Zongcao, die er an der Nanyang kennenlernte und die maßgeblichen Anteil daran gehabt haben soll, dass Bao überhaupt in die Kommunistische Partei eintrat. In der KP machte Bao eine Karriere, die eng mit den Hochs und Tiefs der chinesischen Politik verbunden sein sollte.
Nach seinem Parteieintritt arbeitete er zunächst im lokalen Organisationskomitee der Shanghaier KP, ehe er 1954 ins wichtige Zentralkomitee wechselte, wo er unter anderem eng mit An Ziwen zusammenarbeitete. Doch auf jenen rasanten Aufstieg folgten die Wirren der Kulturrevolution, in denen viele überzeugte KPler unversehens in Ungnade fielen. So auch Baos Vorgesetzter An Ziwen. Doch schon damals zeigte Bao einen Charakterzug, der ihm erst schaden, dann helfen und zu guter Letzt doch zum Verhängnis werden sollte: Er blieb seinen Überzeugungen treu und weigerte sich, An öffentlich zu denunzieren. Als Konsequenz wurde Bao selbst als Abweichler gebrandmarkt.
Als jene katastrophale Zeit ein Ende fand, wurde An Ziwen rehabilitiert. Und auch für Bao Tong sollte es eine Rückkehr in die KP geben. Mehr noch: An Ziwen führte Bao in den engen Zirkel um Deng Xiaoping ein, und Bao konnte in den folgenden Jahren seine politischen Überzeugungen ganz oben im Staat platzieren – wirtschaftlich wie auch politisch.
Als stellvertretender Direktor der Staatskommission für Wirtschaftsreform und anschließend als Direktor des Amtes für politische Reform des KP-Zentralkomitees prägte Bao maßgeblich die Reform- und Öffnungspolitik von Deng Xiaoping. Zugleich wurde Bao zum wohl engsten Berater des damaligen Ministerpräsidenten Zhao Ziyang.
Im Oktober 1987 folgte der 13. Parteitag der KP China, Zhao Ziyang hielt einen von Bao Tong ausgearbeiteten Vortrag über die Notwendigkeit politischer Reformen. Der Titel: Voranschreiten auf dem Weg des Sozialismus mit chinesischen Merkmalen 沿着有中国特色的社会主义道路前进. Zhao wurde schließlich KP-Generalsekretär, und Bao übernahm den Posten als dessen politischer Sekretär. Als solcher verfasste er Zhaos Reden und prägte dessen politischen Ansichten.
Es war die Zeit der Reformen – in der Sowjetunion unter Michail Gorbatschow, in Polen und Ungarn. In China war 改革开放 (Gǎigé kāifàng) in aller Munde. Auch bei den Protestierenden rund um den Tian’anmen Platz im Sommer 1989. Doch so wie die Reformhoffnungen sollte auch Bao Tong ein schlimmes Ende drohen.
Zhao Ziyang wie auch Bao Tong hegten beide Verständnis für die Proteste und unterstützen ihre friedliche Beendigung – damit standen sie im Gegensatz zu Deng Xiaoping, der für ein hartes Vorgehen plädierte. Wieder blieb Bao seinen Überzeugungen treu. Es kam schließlich zum offenen Machtkampf: Deng setzte sich mit seiner harten Linie durch, Zhao Ziyang wurde unter Hausarrest gestellt, Bao Tong wegen der vermeintlichen Weitergabe von Staatsgeheimnissen zu sieben Jahren Haft verurteilt. Im Gefängnis Qincheng musste Bao die volle Haftstrafe in Isolation verbüßen.
Seit seiner Entlassung lebte Bao Tong dann wieder in Peking, doch wirklich frei sollte er bis zu seinem Tod nie mehr werden. Sein Wohnsitz wurde be-, seine Telefongespräche überwacht und seine persönlichen Aktivitäten massiv eingeschränkt, wie beispielsweise am Todestag seines Weggefährten Zhao Ziyang: “Am Tag seines Todes wollten meine Frau und ich noch einmal zu ihm, aber wir wurden beim Verlassen unserer Wohnung von der Sicherheitspolizei daran gehindert. Meine Frau wurde sogar von den Bewachern zu Boden gestoßen”, erzählte Bao später.
Und dennoch hat Bao nie seine Bindung an Zhao Ziyang oder den Machtkampf mit den Hardlinern bereut. Im Gegenteil: Bao ließ sich auch nach seiner Haft nie den Mund verbieten, aus seinen Überzeugungen machte bis zuletzt keinen Hehl. So unterschrieb er beispielsweise die bekannte Charta 08, ein Manifest, die 2008 zu politischen Reformen und Demokratisierung in China aufrief.
Zudem war Bao entscheidend an der Veröffentlichung der verbotenen Memoiren von Zhao Ziyang beteiligt. Dem geschassten KP-Generalsekretär gelang es, seine heimlich niedergeschriebenen Gedanken über Bao Tong ins Ausland zu schmuggeln. Seither eröffnet das Buch “Prisoner of the State – The Secret Journal of Chinese Premier Zhao Ziyang” tiefe Einblicke in die KP-Machtkämpfe des Jahres 1989 – zumindest den Interessierten im Ausland, denn in China ist das Buch verboten. Bao sagte dazu später, es sei darum gegangen, die wahre Natur der KP Chinas zu zeigen.
Und auch über Chinas Zukunft hatte Bao bis zuletzt klare Vorstellungen: “Zuerst einmal müssen die Rechte jedes Bürgers wiederhergestellt werden. Wenn jeder Politiker wie ein wahrer Beamter handelt, respektiert er auch die Menschenrechte – das ist die grundlegende Qualifikation für politische Führer. Mit diesen beiden Veränderungen können alle Probleme gelöst werden, auch das Thema 4. Juni 89. Jeder Chinese muss zudem ein Wahlrecht haben. Ein Wahlzettel mit nur einem Kandidaten ist Müll, gehört in den Papierkorb. Wenn Bürger- und Menschenrechte respektiert werden, kann China jedes Problem lösen“, sagte Bao 2009 im Interview mit dem Handelsblatt.
Bao Tong blieb sein Leben lang seinen Überzeugungen treu. So wurde er einer der wichtigsten politischen Beamten innerhalb der chinesischen Führung – und später zu einem der größten Dissidenten Chinas. Michael Radunski
Als Statement für mehr Diversität und Frieden dürften die Veranstalter der Luft- und Raumfahrtmesse im südchinesischen Zhuhai diese Flugshow nicht verstanden haben – trotz der Farben. Im Gegenteil: Mit zahlreichen neuen Kampfjets wollen die chinesischen Hersteller zeigen, wie sie in der Militärtechnologie aufgeholt haben. Zu sehen: Das “Luftballet” des August First Air Demonstration Team.