In China ist es am Wochenende weitgehend ruhig geblieben. Nur vereinzelt wurden Proteste bekannt. Ob das an der massiven Polizeipräsenz lag, an Kontrollen der Kommunikation im Netz oder schlicht an der Kälte im Norden Chinas, ist unklar. Offensichtlich sind jedoch erste Wirkungen der Proteste: Viele Städte lockerten seit Freitag Testpflicht und Quarantäneregeln, wie wir in unseren News zusammenfassen. Der Parteispitze ist bewusst, dass die Situation fragiler ist als sonst. Auch deshalb wird sie die Trauerfeier für den verstorbenen Staats- und Parteichef Jiang Zemin in der leicht abzusichernden Großen Halle des Volkes abhalten.
Unser Interview mit dem Verband der Elektro- und Digitalindustrie (ZVEI) zeigt derweil einmal mehr, wie knifflig es aus deutscher Sicht ist, das richtige Niveau wirtschaftlichen Engagements mit China zu finden. Die Volksrepublik ist für die deutsche Elektronikbranche zwar wichtiger als je zuvor. Dennoch plädiert Oliver Blank, beim ZVEI zuständig für Global Affairs, im Gespräch mit Felix Lee für eine härtere Gangart gegenüber der Volksrepublik, und zwar am besten gemeinsam mit Frankreich und der EU. Blank wirkt derzeit an der China-Strategie der Bundesregierung mit und hält das, was bisher davon bekannt ist, für eine gute Gesprächsgrundlage.
Neue Technologien kann China allerdings auch selbst entwickeln, wie die moderne Logistik des Hafens von Tianjin zeigt. Der Hafen ist in China Vorreiter bei der Digitalisierung, wie Frank Sieren beobachtet. Viele Fahrzeuge an den Containerterminals sind autonom unterwegs. Der Hafen ist darin etwa Hamburg voraus und soll auch in der Volksrepublik zum Modell werden.
Wir wünschen Ihnen einen guten Start in die Woche und viel Spaß beim Lesen,

Herr Blank, aus dem grün geführtem Außenministerium ist der erste Entwurf einer China-Strategie bekannt geworden. Das ebenfalls grün geführte Wirtschaftsministerium hat ergänzt. Was halten Sie von dem Entwurf?
Oliver Blank: Ich habe mir die 60 Seiten des Außenministeriums durchgelesen und muss sagen: Das ist schon ein beachtliches Papier. Zugleich weiß ich, dass viele Experten daran mitgearbeitet haben, auch wir hatten Gelegenheit uns einzubringen. Den einen oder anderen Schwerpunkt hätte ich anders gesetzt. Aber grundsätzlich halte ich es für eine solide Gesprächsgrundlage. Wichtig ist natürlich, dass am Ende von der Bundesregierung eine Strategie aus einem Guss herauskommt. Denn Geopolitik, sicherheitspolitische Interessen, Menschenrechte, Klima und Wirtschaft müssen im Umgang mit China zusammen gedacht werden. Wichtig ist auch eine europäische Abstimmung. Wir sind ja nicht alleine in Europa.
Gibt es zwischen Brüssel und Berlin Unstimmigkeiten? Den Dreiklang im Umgang mit China von Partnerschaft, Wettbewerb und Rivale scheint das Baerbock-Ministerium übernommen zu haben.
Ja, das stimmt. Aber ansonsten hat die EU-Kommission seit 2019 ihre China-Strategie nicht weiter präzisiert. Das war alles noch vor der Pandemie. Seitdem hat sich aber viel getan. Chinas Verhältnis zum Westen hat sich nochmal deutlich verschlechtert; direkten Kontakt hat es in der Pandemiezeit aufgrund der Restriktionen in China so gut wie gar keinen mehr gegeben. Technologisch hat sich China zugleich noch einmal kräftig weiterentwickelt. Es ist dringend notwendig, dass die 27 EU-Staaten bei China-Fragen zusammenkommen.
Das könnte schwierig werden. Die Interessen der einzelnen Mitglieder sind ja sehr unterschiedlich. Griechenland und Ungarn wollen in nahezu jeglicher Hinsicht mit China zusammenarbeiten, die Baltikum-Staaten und andere sind deutlich skeptischer. Na ja, und Deutschland …
Ja, in Deutschland haben wir eine starke Interessenlage gegenüber China. Die hat nicht jedes EU-Land. Wir weisen immer wieder darauf hin, wie wichtig bei der China-Strategie eine gemeinsame Achse zwischen Deutschland und Frankreich ist. Wenn die beiden größten EU-Volkswirtschaften ein klares Verständnis darüber haben und entsprechend die Initiative ergreifen, werden andere europäische Partner auch mehr Engagement zeigen. Momentan warten viele Länder ab. Ich glaube zugleich, dass Deutschland gegenüber China nicht im Alleingang auftreten sollte.
Frankreich hat nochmal mehr einen geostrategischen und sicherheitspolitischen Blick auf das Verhältnis mit China und die Asien-Pazifik-Region. Und der ist wichtig. Unsere Empfehlung lautet daher, dass die Bundesregierung zügig mit der französischen Regierung das Erarbeitete bespricht und dann schaut, wie auf der europäischen Ebene Allianzen für eine gemeinsame EU-China-Strategie geschaffen werden kann.
Was hat sich für Ihre Branche, also die Elektro- und Digitalindustrie, seit 2019 noch einmal verändert?
Einerseits ist der chinesische Markt nochmal größer und damit auch für unsere Branche wichtiger geworden. Andererseits aber sind auch die Probleme sichtbarer geworden. Schon vor der Pandemie hatte unsere Branche mit einem sehr staatlich regulierten Marktzugang in China zu kämpfen. Dann kamen immer stärker auch sicherheitspolitische Fragen auf. Das Cyber-Security-Gesetz in China, das unsere Branche verpflichtet, dem Staat Daten zur Verfügung zu stellen, hat bei uns zu der Erkenntnis geführt, dass wir ohne Unterstützung unserer Regierungen viele Aspekte mit der chinesischen Seite nicht mehr verhandeln können.
Und natürlich ist auch bei uns angekommen, dass die chinesische Politik sehr selbstbewusst und an vielen Stellen auch aggressiv auftritt – und wir einen realistischen Blick auf China entwickeln müssen. Die Unternehmen sind nicht naiv. Sie haben viel Geld in die Hand genommen. Die Elektro- und Digitalindustrie war 2020 mit 7,3 Milliarden Euro in China investiert. Gerade die mittelständischen Unternehmen gehen nicht davon aus, dass die Bundesregierung sie da herausholt, sollte etwas schiefgehen. Sie tragen das unternehmerische Risiko und betreiben eine intensive Risikoanalyse ihrer Chinageschäfte.
Das bedeutet, im Umgang mit China umgekehrt auch eine härtere Gangart einlegen zu müssen?
Unsere Unternehmen respektieren das Primat der Politik. Wenn die Politik sagt, es gibt geopolitisch und sicherheitspolitisch bestimmte Grenzen, dann werden das unsere Unternehmen ganz klar einhalten. Zugleich sollten Bundesregierung und EU-Kommission nicht voreilig ein zu enges Korsett vorgeben. Viele Unternehmen sagen auch: Wir müssen die Kirche im Dorf lassen. Trotz aller Probleme ist China weiter ein wichtiger Markt für uns. Und ganz ehrlich: Trotz Diversifizierung von internationalen Lieferketten ist der chinesische Markt so leicht nicht zu ersetzen. Eine Abkehr von China wäre mit einem sehr hohen Preis verbunden.
Was würden Sie sich über den Entwurf der Außenministerin hinaus von der China-Strategie wünschen?
Wir sollten noch viel deutlicher machen, dass wir den Wettbewerb, auch mit China, nicht scheuen. Das sollten wir politisch, also mit Blick auf unser westliches Wertesystem, so sehen. Wir müssen uns auch wirtschaftlich nicht verstecken. Die EU ist hochinnovativ. Und unser großer Binnenmarkt ist ein ganz starkes Asset. Chinas Regierung weiß das. Dieses Asset müssen wir bei den Verhandlungen sehr viel mehr und selbstbewusster nutzen. Auch unsere handelspolitischen Instrumente sollten wir weiter schärfen. Das Investment Screening der EU – also eine Übersicht, wie umfangreich staatliche Investoren wo aktiv sind – liefert zwar schon gute Ergebnisse, könnte aber noch deutlich ausgebaut werden. Wenn wir ein paar mehr Daten und Fakten auf dem Tisch liegen haben, können wir darauf aufbauend auch viel rationaler entscheiden.
Gerade bei China, das seine Wirtschaft so zentral steuert, ist es wichtig, sich das Gesamtprogramm wie zum Beispiel die “Belt and Road”-Initiative anzuschauen – und nicht nur wie zuletzt im Fall des Hamburger Hafens die Einzelinvestition.
Peter Altmaier von der CDU hatte als Wirtschaftsminister 2018 mit Blick auf China mehr Industriepolitik gefordert – und wurde dafür viel gescholten.
Ja, gerade in Deutschland tun wir uns schwer, wenn der Staat sich zu sehr ins Wirtschaftsgeschehen einmischt. Was wir sicherlich brauchen, ist eine unter allen EU-Staaten abgestimmte Industrie-, Handels- und Rohstoffpolitik und eine Fokussierung auf strategisch für Europa wichtige Technologien, die den Unternehmen mit Unterstützung der Politik etwa bei der Suche von neuen Ressourcen und Märkten Chancen bietet. Einige Tools gibt es auch schon, etwa Handels- und Investitionsschutz. Darüber hinaus sollten unsere Regierungen sich dafür einsetzen, dass im internationalen Handel die gleichen Regeln gelten und die stringente Einhaltung der Reziprozität fordern.
Doch wird das reichen? Wie will etwa die deutsche Chip-Industrie mithalten, wenn hinter der chinesischen Konkurrenz stets ein mächtiger und finanzstarker Staat steht?
Mikrochips sind strategisch für uns besonders wichtig. Und da sollten wir auch wieder stärker hier in Europa investieren. Europa braucht leistungsstarke Ökosysteme in der Mikroelektronik. Dies ist in den vergangenen Jahren zu sehr vernachlässigt worden. Dass jetzt auch mit staatlicher Hilfe in Europa (IPCEIs) wieder stärker investiert wird, halte ich für richtig. Wenn es uns gelingt, ein entsprechendes Ökosystem zu schaffen, werden wir auch für internationale Investitionen wieder attraktiver. Wir stärken damit Technologien “Made in Europe”.
Damit verbunden ist keineswegs das Ansinnen, autark vom Rest der Welt zu werden. Dazu sind wir global viel zu stark untereinander vernetzt, insbesondere in der Mikroelektronik. Aber bestimmte strategisch wichtige Technologien sollten wir in Europa wieder stärken. Im Bereich Mikroelektronik ist es ja nicht nur China, das sehr viel investiert. Sondern das tun auch Südkorea, Japan und die USA.
Oliver Blank, 54, ist Bereichsleiter Global Affairs im Verband der Elektro- und Digitalindustrie (ZVEI). Er lebt in Brüssel.

In der Talksendung von Markus Lanz im ZDF an diesem Donnerstag wurde der Transfer von Wissen schnell zum zentralen Thema. Bei dem Erwerb eines Terminals in Hamburg wolle die chinesische Seite auch Zugriff auf Daten und Know-how erlangen: Auf diesen Vorwurf musste Hamburgs Erster Bürgermeister Peter Tschentscher wiederholt in verschiedenen Varianten reagieren. Doch zumindest beim Wissen über die Organisation von Häfen braucht China schon lange keine Nachhilfe mehr. Niemand hat damit so viel Erfahrung wie die chinesischen Betreiber. Die meisten Innovationen in der Hafenlogistik kommen inzwischen aus der Volksrepublik.
Von den zehn größten Häfen der Welt liegen sieben in China. Kein europäischer Hafen ist mit Stand 2022 mehr in den Top Ten. Hamburg, der größte deutsche Hafen, findet sich auf Platz 19 – einen Platz niedriger als vor einem Jahr.
Der Hafen von Tianjin an der Küste nahe Peking liegt auf Platz acht. Er schlägt Hamburg schon deshalb, weil er leichter erreichbar ist, denn die Fahrrinne ist dort tiefer – während Hamburg sich immer wieder mit der schwierigen Elbvertiefung herumschlägt, auch aktuell wieder. Aktuell können die größten Containerschiffe Hamburg nur bei Hochwasser anlaufen.
In Tianjin werden heute mehr als doppelt so viele Container umgeschlagen wie in Hamburg. Es gibt dort große Werften, die aus Hamburg abgewandert sind. Auch geschäftlich läuft es gut in Tianjin. Auch wenn das chinesische Exportwachstum zuletzt stagnierte, ist es dem Hafen Tianjin gelungen, von Januar bis September um 4,5 Prozent zu wachsen.
Vor allem aber ist der Hafen in Tianjin hochgradig digitalisiert und automatisiert. Anders als in Hamburg arbeiten die Kräne unbemannt, ebenso so wie die E-Sattelschlepper. Das Ganze passiert mithilfe des Satellitennavigationssystems Beidou (China.Table berichtete). Das bedeutet: Keine Warteschlangen beim Ausladen. Die Lastwagen kommen immer genau in dem Moment an, wo ihre Ladung gebraucht wird.
Die automatische Handhabung der Container basiert auf einem zentralisierten Logistiksystem von Huawei. Damit wird der Hafen viel effizienter. Gebaut wurde das System von der Tianjin Port Group (TPG), die zu den 50 größten chinesischen Unternehmen gehört, die am Shanghai Aktienmarkt gelistet sind. Der Hafen ist wie der von Hamburg ein Staatsunternehmen.

Die türkisfarbenen Fahrzeuge des Systems “Ultra L4” sehen wie Sattelschlepper ohne Fahrerhaus aus. Sie laden ihre Batterien zu den Zeiten auf, in denen die Zeitverluste am geringsten sind. Sie können in beide Richtungen fahren, müssen also nicht wenden. Und selbst wenn das 5G-Netzwerk und die Satellitennavigation ausfallen würden, können die Fahrzeuge alleine weiterfahren. In bisher einem Jahr Betrieb haben sich die führerlosen Fahrzeuge als zuverlässig erwiesen. Nur in 0,1 Prozent der Zeit musste ein Mensch eingreifen.
Vorher wurden 74 traditionelle Lastwagen gebraucht, für die im Schichtbetrieb 210 Fahrer angestellt waren. Diese Fahrer können nun eingespart werden, was die Containerlogistik kostengünstiger macht und damit am Ende auch unsere Produkte.
Die autonomen Terminal-Fahrzeuge koordinieren sich mit den traditionellen Lastwagen draußen. Das geht bis hin dazu, dass die Ampelphasen in der Stadt einberechnet werden, damit die Software genau errechnen kann, wie lange die Fahrzeuge brauchen.
Tianjin ist bei all diesen Techniken auch in China der Vorreiter. Nun sollen weitere Häfen in China nach diesem Vorbild automatisiert werden. Im nächsten Schritt wird die Technologie über die chinesischen Hafenbetreiber auch international ausgerollt.
Die Trauerfeier für den verstorbenen früheren Staats- und Parteichef Jiang Zemin wird am Dienstag in der Großen Halle des Volkes am Tiananmen-Platz in Peking stattfinden. Das Zentralkomitee der Partei, der Ständige Ausschuss des Nationalen Volkskongresses, der Staatsrat, das Nationalkomitee der Politischen Konsultativkonferenz des Chinesischen Volkes sowie die Zentrale Militärkommission werden nach Angaben der Begräbniskommission am Vormittag “eine feierliche Gedenkveranstaltung für Genosse Jiang Zemin” abhalten. Das Fernsehen werde die Zeremonie live übertragen, hieß es. Alle Regionen und Abteilungen müssten “gewissenhaft dafür sorgen, dass die Mehrheit der Parteimitglieder, der Kader und der Massen zuhört und zusieht.”
Die Ausrichtung der Zeremonie in der Großen Halle des Volkes am stets mit großem Polizeiaufgebot gesicherten Tian’anmen-Platz schaltet das Risiko von Menschenansammlungen im Umkreis der Feierlichkeiten aus. Dort fand gerade erst der 20. Parteitag statt; auch tagt dort einmal im Jahr das Plenum des Nationalen Volkskongresses. Dass der Kreis offenbar auf aktive Mitglieder der erweiterten nationalen Parteispitze begrenzt ist, ermöglicht es der KP-Führung um Xi Jinping zudem, ohne große Erklärung ihr nicht genehme Ex-Spitzenpolitiker auszuschließen – allen voran Jiang Zemins Nachfolger und Xi-Vorgänger Hu Jintao. In Zeiten sichtbarer Unzufriedenheit des Volkes will die Partei die Phase des öffentlichen Trauerns um Jiang in jedem Detail kontrollieren.
Die Pekinger Polizeibehörde teilte am Samstag mit, dass die Straßen in weiten Teilen des Westens der Stadt vom frühen Montagmorgen an bis nach der Trauerfeier für öffentliche Busse, sowie Autos und Fußgänger gesperrt sind. Im Westen der Hauptstadt liegt der Revolutionsfriedhof Babaoshan, wo viele verstorbene Spitzenfunktionäre eingeäschert und ihre sterblichen Überreste beigesetzt wurden. Jiang Zemin war am vergangenen Mittwoch im Alter von 96 Jahren in Shanghai gestorben. Der gläserne Sarg mit dem Leichnam Jiangs ist am Donnerstag in Peking eingetroffen. Die offizielle Trauerperiode geht bis zum Mittwoch (China.Table berichtete). ck
Als Reaktion auf die landesweiten Proteste gegen die Null-Covid-Politik haben mehrere Städte in China die Testpflicht und Quarantäneregeln gelockert. Viele chinesische Städte erlaubten trotz steigender Infektionszahlen zudem die Öffnung von Restaurants, Einkaufszentren und Schulen. Eine größere Öffnungswelle erwarten Experten bisher aber nicht. Es bleibt vorerst bei Einzelmaßnahmen. China meldete am Sonntag 35.775 Neuinfektionen; seit Tagen liegen die täglichen Fallzahlen etwa in dieser Höhe. Auch starben nach Angaben der Gesundheitskommission vom Sonntag zwei Menschen in Folge des Coronavirus.
In der staatlichen “Volkszeitung” sprachen sich mehrere Gesundheitsexperten dafür aus, Infizierten eine Isolation zu Hause zu ermöglichen, anstatt alle positiv Getesteten in staatliche Quarantänezentren zu bringen. Ein Pekinger Bezirk kündigte an, dass positiv Getestete dort nicht mehr in solche Einrichtungen müssten. Auch in Shenzhen und Dongguan im Perlflussdelta dürfen sich Infizierte laut den Behörden “unter bestimmten Voraussetzungen” zu Hause isolieren.
Auch die Testpflicht wird in vielen Städten gelockert. In Shanghai entfällt ab dem heutigen Montag die Testpflicht für Fahrten mit öffentlichen Verkehrsmitteln oder das Betreten von Parks und Touristenattraktionen im Freien. Shanghai folgt damit dem Beispiel mehrerer chinesischer Städte, darunter Peking, Tianjin, Shenzhen und Chengdu, deren Bürger bereits seit Freitag oder Samstag wieder ohne Test mit Bus oder U-Bahn fahren dürfen.
In Peking riefen Gesundheitsbehörden laut Nachrichtenagenturen zudem die Krankenhäuser auf, Menschen auch ohne negativen PCR-Test zu behandeln. Dort müssen Einwohner demnach seit Samstag auch nicht mehr beim Kauf von Fieber- und Erkältungsmedikamenten ihren Namen hinterlassen. In Peking wurden bereits erste Teststationen abgebaut. Ein Video, das zeigt, wie Arbeiter in Peking eine Prüfkabine mit einem Kran auf einen Lastwagen verfrachten, ging am Freitag viral in Chinas Sozialmedien. “In die Geschichte verbannt”, schrieb ein Kommentator zu der Aufnahme.
Im nordwestlichen Urumqi, wo ein Wohnhausbrand mit zehn Toten zum Auslöser der Anti-Lockdown-Proteste geworden war, kündigten die Behörden am Freitag die stufenweise Öffnung von Supermärkten, Hotels, Restaurants und Ski-Gebieten an. In Urumqi sind manche Gegenden bereits seit Anfang August im Lockdown – kaum eine andere Stadt in China war so lange von Abriegelungen betroffen.
Staatschef Xi Jinping hatte EU-Ratspräsident Charles Michel bei dessen Besuch in Peking laut EU-Beamten gesagt, die Omikron-Variante erlaube “mehr Öffnungen”. Die Bevölkerung sei nach drei Jahren Pandemie “frustriert”, räumte Xi demnach ein. Bei den Protestierenden habe es sich hauptsächlich um Studierende oder Jugendliche gehandelt. Die Weltgesundheitsorganisation begrüßte die Lockerungen.
Unterdessen kam es am Wochenende vereinzelt wieder zu Zusammenstößen zwischen Protestierenden und der Polizei, etwa in Wuhan. Mit starker Polizeipräsenz vor allem an den Orten früherer Demonstrationen wollte die Regierung ein erneutes Aufflammen der Proteste verhindern. ck
Unter dem Motto “Chinas weißes Blatt für Freiheit” protestierten am Samstag rund 300 Menschen auf der Jannowitzbrücke vor der chinesischen Botschaft in Berlin. Auf ihren Plakaten forderten sie ein Ende der Lockdowns, aber auch Rede- und Pressefreiheit, sowie die Freilassung von in China festgenommenen Demonstrierenden. Einige Schilder zeigten Karikaturen, darunter Xi Jinping als Pu der Bär und “Xitler” mit Hitlerbärtchen. Flankiert wurde die Menge – in der sich auch Taiwaner, Hongkonger und Uiguren befanden – von zwei Polizeibussen.

Viele Teilnehmer hatten aus Angst vor Verfolgung ihre Gesichter vermummt, trugen Masken und Sonnenbrillen. Als am Nachmittag im obersten Stockwerk des Botschaftsgebäudes ein Mann ans Fenster trat und die Menge mit einem Smartphone filmte, skandierten die Demonstranten “下来做核酸” – “komm runter und mach einen Covid-Test”. Auch ertönten wie bereits bei den Demonstrationen in Shanghai Rufe, die den Rücktritt Xi Jinpings und das Ende der Einparteienherrschaft forderten.
Im Laufe des Nachmittags hielten mehrere Teilnehmer Reden auf Deutsch, Englisch und Chinesisch, unter ihnen ein junger Uigure und zwei Austauschstudentinnen, die erklärten, dass die “Diktatur die Fessel des Volkes” sei und “eine gesunde Gesellschaft viele unterschiedliche Stimmen” brauche.

Zu den Sprechenden gehörte Luo Shengchun, Ehefrau des inhaftierten Menschenrechtsanwalts Ding Jiaxi, die sich während eines Berlin-Besuchs spontan entschieden hatte, an der Versammlung teilzunehmen. Luo las aus einem Brief ihres Ehemanns, den dieser im April seinem Anwalt diktiert hatte. Am Rande des Protests äußerte Luo gegenüber China.Table ihre Hoffnung auf Veränderung. “Ich denke, dass die Weiß-Papier-Revolution Erfolg haben wird. Aber es braucht Zeit. Wir müssen weiter kämpfen, bis alle politischen Gefangenen frei sind.” fpe
Die Bundesregierung will derzeit nicht dem US-Weg folgen, Produkte chinesischer Firmen wie Huawei generell zu verbieten. Es gebe in Deutschland kein pauschales Verbot von Huawei-Technik, sagten Sprecher des Wirtschafts- und des Innenministeriums am Freitag in Berlin übereinstimmend. Dabei bleibe es auch vorerst, fügte der Sprecher des Innenministeriums hinzu.
In einer neuen, bislang vertraulichen China-Strategie des Wirtschaftsministeriums, die der Nachrichtenagentur Reuters vorliegt, wird vorgeschlagen, dass generell keine Produkte aus autoritären Ländern mehr in kritischer Infrastruktur eingesetzt werden dürfen (China.Table berichtete). Die USA haben Ende November den Einsatz von Huawei-Technik pauschal verboten (China.Table berichtete). Kritiker beklagen, dass Huawei trotz der “Zeitenwende” in Deutschland weiterhin zu den führenden Netzausrüstern gehört. rtr/fin
Der Bezirksrat des Londoner Stadtteil Tower Hamlets hat einstimmig die Pläne für eine neue chinesische Botschaft auf seinem Gebiet abgelehnt. Die Ratsmitglieder begründeten ihre Ablehnung mit Sicherheitsbedenken der Anwohner, zusätzlichen Verkehrsstaus sowie möglichen Auswirkungen auf die Attraktivität des Gebiets als Touristenziel an. Das Gelände, das bis 1976 der Königlichen Münzprägeanstalt gehörte, liegt dicht am Tower of London, der Unesco-Weltkulturerbestätte ist.
Die Entwicklerfirma Delancey hatte das zwei Hektar große Grundstück mit mehreren historischen Gebäuden 2018 an die chinesische Regierung verkauft. Deren Antrag sah unter anderem Renovierung beziehungsweise Teilabriss zweier unter Denkmalschutz stehender Gebäude vor. Die Zeitung Guardian zitierte Simon Cheng, Gründer der Expat-Vereinigung Hongkongers in Britain und Bewohner von Tower Hamlets, mit der Sorge, dass es in der Gegend mehr Überwachung gegeben hätte, wenn die Botschaft dort eröffnet worden wäre. Andere Anwohner hatten Proteste in der Gegend befürchtet.
Die Beziehungen zwischen Großbritannien und China sind derzeit ohnehin belastet. Im Oktober war ein Pro-Hongkong-Demonstrant auf dem Gelände eines chinesischen Konsulats in Manchester verprügelt worden. Vergangene Woche drängte London den Staatskonzern CGN aus dem geplanten Neubau eines Atomkraftwerks im ostenglischen Sizewell; Premierminister Rishi Sunak erklärte zudem, die “goldene Ära” zwischen den beiden Ländern sei vorbei (China.Table berichtete). ck
Der chinesische Pharmahersteller Fosun erwirbt den französischen Arzneimittelproduzenten Cenexi. Die Übernahme erfolgt indirekt über die indische Fosun-Tochter Gland Pharma. Den Kaufpreis geben Reuters und Caixin mit 210 Millionen Euro an.
Fosun ist in Deutschland bisher vor allem als der chinesische Partner des Impfstoffherstellers Biontech bekannt. Cenexi aus Fontenay-sous-Bois ist ein Auftragshersteller, der Medikamente für bekannte Marken produziert und abfüllt. Sowohl Gland Pharma als auch Cenexi stellen viel für den Export her. fin

Mit dem Fahrrad manövriert sich Scor (bürgerlicher Name: Tim Oelrich) durch die engen Straßen Shenzhens. Er ist auf der Suche nach einer Teststation, um dort den obligatorischen täglichen PCR-Test durchzuführen. Die Schlangen der Anstehenden sind lang, sodass er von einer Teststation zur nächsten fahren muss. Die roten Wände, die hier bald ganze Wohnviertel absperren werden, liegen noch in Stapeln auf der Straße. In TikTok-Videos wie diesem zeigt der deutsche Rapper Scor seit März 2022 regelmäßig mehr als 300.000 Followern seinen Alltag in Shenzhen. Die Liebe zu dieser Stadt ist dem 32-Jährigen anzusehen: Ihre Skyline ist auf seinen Unterarm tätowiert.
Rap macht der Bremerhavener, seitdem er 13 ist. Neben seinem Studium der Wirtschaftskommunikation lernt er Chinesisch – während des Unterrichts auf seinem iPad. 2017 bekommt er einen Job in der Marketingabteilung eines Unternehmens in Shenzhen. Doch nach etwa einem Jahr muss er sich eingestehen, dass ihn die Büroarbeit nicht glücklich macht. Um seinen Traum – hauptberuflich Rapper zu sein – zu verwirklichen, gibt er den sicheren Job auf. Als 奥熙 (Àoxī) fängt er an, Rap auf Chinesisch zu veröffentlichen.
In der chinesischen Rapszene reagiert man am Anfang mit Vorurteilen auf seine Musik. Der Druck, sich beweisen zu müssen, ist groß. Monat für Monat lebt Scor nur von einer Mahlzeit am Tag, während er in seinem winzigen Shenzhener Zimmer ununterbrochen Musik produziert. Über einen anderen ausländischen Musiker, der sich dem chinesischen Publikum in Scors Augen zu kalkuliert und platt anbiedert, veröffentlicht er 2020 den Diss-Track “Fortune Code”. Auf der Videoplattform Bilibili wird dieser Track innerhalb kurzer Zeit über fünf Millionen Mal geklickt. Auch andere seiner Songs gehen viral und Scor nimmt an einer Castingshow teil, bei der 40 Rapper in Big-Brother-Manier zusammenleben. Die Show macht ihn in China bekannt.
Vor etwa zehn Jahren sei Rap in China noch ungefiltert gewesen, erzählt Scor. Diesen Stil behalte er bis heute bei – in einem Rahmen, der in China zwar akzeptiert sei, jedoch nie zum “Mainstream” gehören werde. “Wenn man als Rapper in China erfolgreich sein will, ist man auf die Unterstützung von oben angewiesen, das ist einfach so”, sagt Scor. In China habe sich Rap nicht organisch entwickelt, sondern sei vor allem durch Castingshows bekannt geworden. In diesen Shows werde allerdings ein gewisser Stil “gepusht”, sodass es im chinesischen Mainstream-Rap kaum Stilvielfalt gebe. Seinen Stil “glattbügeln”, um in China noch erfolgreicher zu werden, will Scor nicht.
Als die Corona-Maßnahmen in Shenzhen wieder verschärft werden, kann er keine Live-Gigs mehr spielen. In dieser Zeit entsteht sein TikTok-Kanal, auf dem er das Leben im Lockdown in China porträtiert. Oft bekommt er Nachrichten von Menschen, die ihm schreiben, dass sich ihr Bild von China durch seine Videos verbessert habe, sie sogar selbst angefangen hätten, Chinesisch zu lernen.
“Mit meinen Videos will ich bewirken, dass die Menschen China kennenlernen, ganz unabhängig von der Politik”, so der Rapper. Mit seinem Schaffen in der Jugendkultur, das die Neuen Medien einmal um den Globus transportieren, erreicht er genau das. Hunderttausende Menschen verfolgen ihn bei seinem Kulturaustausch der besonderen Art. Maya-Katharina Schulz
Christoph Graffius ist neuer Director für Type Approval and Testing – E-Mobility bei der MPR China Certification GmbH in Frankfurt. Graffius war zuvor Business Development Manager ebenfalls bei MPR.
Erik Widman wird neuer schwedischer Sonderbotschafter für die Indo-Pazifik-Region. Widman ist derzeit Klima- und Sicherheitsbeauftragter. Er war zuvor unter anderem als Diplomat in Peking stationiert. Schweden wird von Januar bis Juni 2023 die Präsidentschaft des EU-Rats übernehmen.
Ändert sich etwas in Ihrer Organisation? Schicken Sie doch einen Hinweis für unsere Personal-Rubrik an heads@table.media!

Beim Stichwort Steuern stellen sich ja schnell mal die Nackenhaare auf. Einkommenssteuer, Mehrwertsteuer, KFZ-Steuer … für viele sind das Reizwörter. Wussten Sie aber, dass es in China sogar eine “IQ-Steuer” gibt?
Zum Glück wird diese sogenannte 智商税 zhìshāngshuì (von 智商 zhìshāng “Intelligenzquotient” und 税 shuì “Steuer”) nicht von der Steuerbehörde eingezogen. “Berechnungsmaßstab” für diese Abgabe, die man mit einem Augenzwinkern als eine Art Konsumsteuer betrachten kann, ist – wie der Name schon andeutet – die Cleverness der Verbraucher.
Es handelt sich nämlich um den sympathischen chinesischen Neologismus für das “Lehrgeld”, das man für schlechte, unüberlegte oder gar törichte Kaufentscheidungen zahlt – beziehungsweise draufzahlt. Zum Beispiel, wenn man findigen Werbeversprechen auf den Leim geht und so Geld zum Fenster rausschmeißt. Hier höhnt der Internetjargon, man habe “IQ-Steuer abgeführt” (交智商税 jiāo zhìshāngshuì).
Als Unterkategorien dieser “Dummie-Abgabe” kennt die chinesische Websprache zum Beispiel die “Diät-Steuer” (减肥税 jiǎnféishuì) – gemeint sind Ausgaben für unnütze Abnehmprodukte, die “Beauty-Steuer” (美容税 měiróngshuì) – unnötig teure Schönheitsinvestitionen, oder die “Körperwachstumssteuer” (增高税 zēnggāoshuì) – Ausgaben für Gimmicks, Tricks und Wundermittel, die eine hochgewachsene Erscheinung versprechen.
Aber seien wir doch mal ehrlich: Haben wir nicht alle schon mal den Tricks der Werbeindustrie Tribut gezollt? Wer sich jetzt an eigene peinliche Shoppingfehlgriffe erinnert fühlt, dem sei als Trostpflaster ein Blick auf einige sympathische chinesische Schimpfwörtchen mit auf den Weg gegeben. “Doofies” und “Blödies” lassen sich auf Mandarin nämlich mit knuffigen Begriffen wie “Blödgurke” (傻瓜 shǎguā), “doofes Ei” (笨蛋 bèndàn), “Papaya” (木瓜 mùguā) oder “Schweinsköpfchen” (猪头 zhūtóu) liebevoll schelten. Bei so viel Knuddelschimpfen kann man sich selbst (und anderen) dann auch nicht mehr wirklich böse sein.
Verena Menzel betreibt in Peking die Online-Sprachschule New Chinese.
In China ist es am Wochenende weitgehend ruhig geblieben. Nur vereinzelt wurden Proteste bekannt. Ob das an der massiven Polizeipräsenz lag, an Kontrollen der Kommunikation im Netz oder schlicht an der Kälte im Norden Chinas, ist unklar. Offensichtlich sind jedoch erste Wirkungen der Proteste: Viele Städte lockerten seit Freitag Testpflicht und Quarantäneregeln, wie wir in unseren News zusammenfassen. Der Parteispitze ist bewusst, dass die Situation fragiler ist als sonst. Auch deshalb wird sie die Trauerfeier für den verstorbenen Staats- und Parteichef Jiang Zemin in der leicht abzusichernden Großen Halle des Volkes abhalten.
Unser Interview mit dem Verband der Elektro- und Digitalindustrie (ZVEI) zeigt derweil einmal mehr, wie knifflig es aus deutscher Sicht ist, das richtige Niveau wirtschaftlichen Engagements mit China zu finden. Die Volksrepublik ist für die deutsche Elektronikbranche zwar wichtiger als je zuvor. Dennoch plädiert Oliver Blank, beim ZVEI zuständig für Global Affairs, im Gespräch mit Felix Lee für eine härtere Gangart gegenüber der Volksrepublik, und zwar am besten gemeinsam mit Frankreich und der EU. Blank wirkt derzeit an der China-Strategie der Bundesregierung mit und hält das, was bisher davon bekannt ist, für eine gute Gesprächsgrundlage.
Neue Technologien kann China allerdings auch selbst entwickeln, wie die moderne Logistik des Hafens von Tianjin zeigt. Der Hafen ist in China Vorreiter bei der Digitalisierung, wie Frank Sieren beobachtet. Viele Fahrzeuge an den Containerterminals sind autonom unterwegs. Der Hafen ist darin etwa Hamburg voraus und soll auch in der Volksrepublik zum Modell werden.
Wir wünschen Ihnen einen guten Start in die Woche und viel Spaß beim Lesen,

Herr Blank, aus dem grün geführtem Außenministerium ist der erste Entwurf einer China-Strategie bekannt geworden. Das ebenfalls grün geführte Wirtschaftsministerium hat ergänzt. Was halten Sie von dem Entwurf?
Oliver Blank: Ich habe mir die 60 Seiten des Außenministeriums durchgelesen und muss sagen: Das ist schon ein beachtliches Papier. Zugleich weiß ich, dass viele Experten daran mitgearbeitet haben, auch wir hatten Gelegenheit uns einzubringen. Den einen oder anderen Schwerpunkt hätte ich anders gesetzt. Aber grundsätzlich halte ich es für eine solide Gesprächsgrundlage. Wichtig ist natürlich, dass am Ende von der Bundesregierung eine Strategie aus einem Guss herauskommt. Denn Geopolitik, sicherheitspolitische Interessen, Menschenrechte, Klima und Wirtschaft müssen im Umgang mit China zusammen gedacht werden. Wichtig ist auch eine europäische Abstimmung. Wir sind ja nicht alleine in Europa.
Gibt es zwischen Brüssel und Berlin Unstimmigkeiten? Den Dreiklang im Umgang mit China von Partnerschaft, Wettbewerb und Rivale scheint das Baerbock-Ministerium übernommen zu haben.
Ja, das stimmt. Aber ansonsten hat die EU-Kommission seit 2019 ihre China-Strategie nicht weiter präzisiert. Das war alles noch vor der Pandemie. Seitdem hat sich aber viel getan. Chinas Verhältnis zum Westen hat sich nochmal deutlich verschlechtert; direkten Kontakt hat es in der Pandemiezeit aufgrund der Restriktionen in China so gut wie gar keinen mehr gegeben. Technologisch hat sich China zugleich noch einmal kräftig weiterentwickelt. Es ist dringend notwendig, dass die 27 EU-Staaten bei China-Fragen zusammenkommen.
Das könnte schwierig werden. Die Interessen der einzelnen Mitglieder sind ja sehr unterschiedlich. Griechenland und Ungarn wollen in nahezu jeglicher Hinsicht mit China zusammenarbeiten, die Baltikum-Staaten und andere sind deutlich skeptischer. Na ja, und Deutschland …
Ja, in Deutschland haben wir eine starke Interessenlage gegenüber China. Die hat nicht jedes EU-Land. Wir weisen immer wieder darauf hin, wie wichtig bei der China-Strategie eine gemeinsame Achse zwischen Deutschland und Frankreich ist. Wenn die beiden größten EU-Volkswirtschaften ein klares Verständnis darüber haben und entsprechend die Initiative ergreifen, werden andere europäische Partner auch mehr Engagement zeigen. Momentan warten viele Länder ab. Ich glaube zugleich, dass Deutschland gegenüber China nicht im Alleingang auftreten sollte.
Frankreich hat nochmal mehr einen geostrategischen und sicherheitspolitischen Blick auf das Verhältnis mit China und die Asien-Pazifik-Region. Und der ist wichtig. Unsere Empfehlung lautet daher, dass die Bundesregierung zügig mit der französischen Regierung das Erarbeitete bespricht und dann schaut, wie auf der europäischen Ebene Allianzen für eine gemeinsame EU-China-Strategie geschaffen werden kann.
Was hat sich für Ihre Branche, also die Elektro- und Digitalindustrie, seit 2019 noch einmal verändert?
Einerseits ist der chinesische Markt nochmal größer und damit auch für unsere Branche wichtiger geworden. Andererseits aber sind auch die Probleme sichtbarer geworden. Schon vor der Pandemie hatte unsere Branche mit einem sehr staatlich regulierten Marktzugang in China zu kämpfen. Dann kamen immer stärker auch sicherheitspolitische Fragen auf. Das Cyber-Security-Gesetz in China, das unsere Branche verpflichtet, dem Staat Daten zur Verfügung zu stellen, hat bei uns zu der Erkenntnis geführt, dass wir ohne Unterstützung unserer Regierungen viele Aspekte mit der chinesischen Seite nicht mehr verhandeln können.
Und natürlich ist auch bei uns angekommen, dass die chinesische Politik sehr selbstbewusst und an vielen Stellen auch aggressiv auftritt – und wir einen realistischen Blick auf China entwickeln müssen. Die Unternehmen sind nicht naiv. Sie haben viel Geld in die Hand genommen. Die Elektro- und Digitalindustrie war 2020 mit 7,3 Milliarden Euro in China investiert. Gerade die mittelständischen Unternehmen gehen nicht davon aus, dass die Bundesregierung sie da herausholt, sollte etwas schiefgehen. Sie tragen das unternehmerische Risiko und betreiben eine intensive Risikoanalyse ihrer Chinageschäfte.
Das bedeutet, im Umgang mit China umgekehrt auch eine härtere Gangart einlegen zu müssen?
Unsere Unternehmen respektieren das Primat der Politik. Wenn die Politik sagt, es gibt geopolitisch und sicherheitspolitisch bestimmte Grenzen, dann werden das unsere Unternehmen ganz klar einhalten. Zugleich sollten Bundesregierung und EU-Kommission nicht voreilig ein zu enges Korsett vorgeben. Viele Unternehmen sagen auch: Wir müssen die Kirche im Dorf lassen. Trotz aller Probleme ist China weiter ein wichtiger Markt für uns. Und ganz ehrlich: Trotz Diversifizierung von internationalen Lieferketten ist der chinesische Markt so leicht nicht zu ersetzen. Eine Abkehr von China wäre mit einem sehr hohen Preis verbunden.
Was würden Sie sich über den Entwurf der Außenministerin hinaus von der China-Strategie wünschen?
Wir sollten noch viel deutlicher machen, dass wir den Wettbewerb, auch mit China, nicht scheuen. Das sollten wir politisch, also mit Blick auf unser westliches Wertesystem, so sehen. Wir müssen uns auch wirtschaftlich nicht verstecken. Die EU ist hochinnovativ. Und unser großer Binnenmarkt ist ein ganz starkes Asset. Chinas Regierung weiß das. Dieses Asset müssen wir bei den Verhandlungen sehr viel mehr und selbstbewusster nutzen. Auch unsere handelspolitischen Instrumente sollten wir weiter schärfen. Das Investment Screening der EU – also eine Übersicht, wie umfangreich staatliche Investoren wo aktiv sind – liefert zwar schon gute Ergebnisse, könnte aber noch deutlich ausgebaut werden. Wenn wir ein paar mehr Daten und Fakten auf dem Tisch liegen haben, können wir darauf aufbauend auch viel rationaler entscheiden.
Gerade bei China, das seine Wirtschaft so zentral steuert, ist es wichtig, sich das Gesamtprogramm wie zum Beispiel die “Belt and Road”-Initiative anzuschauen – und nicht nur wie zuletzt im Fall des Hamburger Hafens die Einzelinvestition.
Peter Altmaier von der CDU hatte als Wirtschaftsminister 2018 mit Blick auf China mehr Industriepolitik gefordert – und wurde dafür viel gescholten.
Ja, gerade in Deutschland tun wir uns schwer, wenn der Staat sich zu sehr ins Wirtschaftsgeschehen einmischt. Was wir sicherlich brauchen, ist eine unter allen EU-Staaten abgestimmte Industrie-, Handels- und Rohstoffpolitik und eine Fokussierung auf strategisch für Europa wichtige Technologien, die den Unternehmen mit Unterstützung der Politik etwa bei der Suche von neuen Ressourcen und Märkten Chancen bietet. Einige Tools gibt es auch schon, etwa Handels- und Investitionsschutz. Darüber hinaus sollten unsere Regierungen sich dafür einsetzen, dass im internationalen Handel die gleichen Regeln gelten und die stringente Einhaltung der Reziprozität fordern.
Doch wird das reichen? Wie will etwa die deutsche Chip-Industrie mithalten, wenn hinter der chinesischen Konkurrenz stets ein mächtiger und finanzstarker Staat steht?
Mikrochips sind strategisch für uns besonders wichtig. Und da sollten wir auch wieder stärker hier in Europa investieren. Europa braucht leistungsstarke Ökosysteme in der Mikroelektronik. Dies ist in den vergangenen Jahren zu sehr vernachlässigt worden. Dass jetzt auch mit staatlicher Hilfe in Europa (IPCEIs) wieder stärker investiert wird, halte ich für richtig. Wenn es uns gelingt, ein entsprechendes Ökosystem zu schaffen, werden wir auch für internationale Investitionen wieder attraktiver. Wir stärken damit Technologien “Made in Europe”.
Damit verbunden ist keineswegs das Ansinnen, autark vom Rest der Welt zu werden. Dazu sind wir global viel zu stark untereinander vernetzt, insbesondere in der Mikroelektronik. Aber bestimmte strategisch wichtige Technologien sollten wir in Europa wieder stärken. Im Bereich Mikroelektronik ist es ja nicht nur China, das sehr viel investiert. Sondern das tun auch Südkorea, Japan und die USA.
Oliver Blank, 54, ist Bereichsleiter Global Affairs im Verband der Elektro- und Digitalindustrie (ZVEI). Er lebt in Brüssel.

In der Talksendung von Markus Lanz im ZDF an diesem Donnerstag wurde der Transfer von Wissen schnell zum zentralen Thema. Bei dem Erwerb eines Terminals in Hamburg wolle die chinesische Seite auch Zugriff auf Daten und Know-how erlangen: Auf diesen Vorwurf musste Hamburgs Erster Bürgermeister Peter Tschentscher wiederholt in verschiedenen Varianten reagieren. Doch zumindest beim Wissen über die Organisation von Häfen braucht China schon lange keine Nachhilfe mehr. Niemand hat damit so viel Erfahrung wie die chinesischen Betreiber. Die meisten Innovationen in der Hafenlogistik kommen inzwischen aus der Volksrepublik.
Von den zehn größten Häfen der Welt liegen sieben in China. Kein europäischer Hafen ist mit Stand 2022 mehr in den Top Ten. Hamburg, der größte deutsche Hafen, findet sich auf Platz 19 – einen Platz niedriger als vor einem Jahr.
Der Hafen von Tianjin an der Küste nahe Peking liegt auf Platz acht. Er schlägt Hamburg schon deshalb, weil er leichter erreichbar ist, denn die Fahrrinne ist dort tiefer – während Hamburg sich immer wieder mit der schwierigen Elbvertiefung herumschlägt, auch aktuell wieder. Aktuell können die größten Containerschiffe Hamburg nur bei Hochwasser anlaufen.
In Tianjin werden heute mehr als doppelt so viele Container umgeschlagen wie in Hamburg. Es gibt dort große Werften, die aus Hamburg abgewandert sind. Auch geschäftlich läuft es gut in Tianjin. Auch wenn das chinesische Exportwachstum zuletzt stagnierte, ist es dem Hafen Tianjin gelungen, von Januar bis September um 4,5 Prozent zu wachsen.
Vor allem aber ist der Hafen in Tianjin hochgradig digitalisiert und automatisiert. Anders als in Hamburg arbeiten die Kräne unbemannt, ebenso so wie die E-Sattelschlepper. Das Ganze passiert mithilfe des Satellitennavigationssystems Beidou (China.Table berichtete). Das bedeutet: Keine Warteschlangen beim Ausladen. Die Lastwagen kommen immer genau in dem Moment an, wo ihre Ladung gebraucht wird.
Die automatische Handhabung der Container basiert auf einem zentralisierten Logistiksystem von Huawei. Damit wird der Hafen viel effizienter. Gebaut wurde das System von der Tianjin Port Group (TPG), die zu den 50 größten chinesischen Unternehmen gehört, die am Shanghai Aktienmarkt gelistet sind. Der Hafen ist wie der von Hamburg ein Staatsunternehmen.

Die türkisfarbenen Fahrzeuge des Systems “Ultra L4” sehen wie Sattelschlepper ohne Fahrerhaus aus. Sie laden ihre Batterien zu den Zeiten auf, in denen die Zeitverluste am geringsten sind. Sie können in beide Richtungen fahren, müssen also nicht wenden. Und selbst wenn das 5G-Netzwerk und die Satellitennavigation ausfallen würden, können die Fahrzeuge alleine weiterfahren. In bisher einem Jahr Betrieb haben sich die führerlosen Fahrzeuge als zuverlässig erwiesen. Nur in 0,1 Prozent der Zeit musste ein Mensch eingreifen.
Vorher wurden 74 traditionelle Lastwagen gebraucht, für die im Schichtbetrieb 210 Fahrer angestellt waren. Diese Fahrer können nun eingespart werden, was die Containerlogistik kostengünstiger macht und damit am Ende auch unsere Produkte.
Die autonomen Terminal-Fahrzeuge koordinieren sich mit den traditionellen Lastwagen draußen. Das geht bis hin dazu, dass die Ampelphasen in der Stadt einberechnet werden, damit die Software genau errechnen kann, wie lange die Fahrzeuge brauchen.
Tianjin ist bei all diesen Techniken auch in China der Vorreiter. Nun sollen weitere Häfen in China nach diesem Vorbild automatisiert werden. Im nächsten Schritt wird die Technologie über die chinesischen Hafenbetreiber auch international ausgerollt.
Die Trauerfeier für den verstorbenen früheren Staats- und Parteichef Jiang Zemin wird am Dienstag in der Großen Halle des Volkes am Tiananmen-Platz in Peking stattfinden. Das Zentralkomitee der Partei, der Ständige Ausschuss des Nationalen Volkskongresses, der Staatsrat, das Nationalkomitee der Politischen Konsultativkonferenz des Chinesischen Volkes sowie die Zentrale Militärkommission werden nach Angaben der Begräbniskommission am Vormittag “eine feierliche Gedenkveranstaltung für Genosse Jiang Zemin” abhalten. Das Fernsehen werde die Zeremonie live übertragen, hieß es. Alle Regionen und Abteilungen müssten “gewissenhaft dafür sorgen, dass die Mehrheit der Parteimitglieder, der Kader und der Massen zuhört und zusieht.”
Die Ausrichtung der Zeremonie in der Großen Halle des Volkes am stets mit großem Polizeiaufgebot gesicherten Tian’anmen-Platz schaltet das Risiko von Menschenansammlungen im Umkreis der Feierlichkeiten aus. Dort fand gerade erst der 20. Parteitag statt; auch tagt dort einmal im Jahr das Plenum des Nationalen Volkskongresses. Dass der Kreis offenbar auf aktive Mitglieder der erweiterten nationalen Parteispitze begrenzt ist, ermöglicht es der KP-Führung um Xi Jinping zudem, ohne große Erklärung ihr nicht genehme Ex-Spitzenpolitiker auszuschließen – allen voran Jiang Zemins Nachfolger und Xi-Vorgänger Hu Jintao. In Zeiten sichtbarer Unzufriedenheit des Volkes will die Partei die Phase des öffentlichen Trauerns um Jiang in jedem Detail kontrollieren.
Die Pekinger Polizeibehörde teilte am Samstag mit, dass die Straßen in weiten Teilen des Westens der Stadt vom frühen Montagmorgen an bis nach der Trauerfeier für öffentliche Busse, sowie Autos und Fußgänger gesperrt sind. Im Westen der Hauptstadt liegt der Revolutionsfriedhof Babaoshan, wo viele verstorbene Spitzenfunktionäre eingeäschert und ihre sterblichen Überreste beigesetzt wurden. Jiang Zemin war am vergangenen Mittwoch im Alter von 96 Jahren in Shanghai gestorben. Der gläserne Sarg mit dem Leichnam Jiangs ist am Donnerstag in Peking eingetroffen. Die offizielle Trauerperiode geht bis zum Mittwoch (China.Table berichtete). ck
Als Reaktion auf die landesweiten Proteste gegen die Null-Covid-Politik haben mehrere Städte in China die Testpflicht und Quarantäneregeln gelockert. Viele chinesische Städte erlaubten trotz steigender Infektionszahlen zudem die Öffnung von Restaurants, Einkaufszentren und Schulen. Eine größere Öffnungswelle erwarten Experten bisher aber nicht. Es bleibt vorerst bei Einzelmaßnahmen. China meldete am Sonntag 35.775 Neuinfektionen; seit Tagen liegen die täglichen Fallzahlen etwa in dieser Höhe. Auch starben nach Angaben der Gesundheitskommission vom Sonntag zwei Menschen in Folge des Coronavirus.
In der staatlichen “Volkszeitung” sprachen sich mehrere Gesundheitsexperten dafür aus, Infizierten eine Isolation zu Hause zu ermöglichen, anstatt alle positiv Getesteten in staatliche Quarantänezentren zu bringen. Ein Pekinger Bezirk kündigte an, dass positiv Getestete dort nicht mehr in solche Einrichtungen müssten. Auch in Shenzhen und Dongguan im Perlflussdelta dürfen sich Infizierte laut den Behörden “unter bestimmten Voraussetzungen” zu Hause isolieren.
Auch die Testpflicht wird in vielen Städten gelockert. In Shanghai entfällt ab dem heutigen Montag die Testpflicht für Fahrten mit öffentlichen Verkehrsmitteln oder das Betreten von Parks und Touristenattraktionen im Freien. Shanghai folgt damit dem Beispiel mehrerer chinesischer Städte, darunter Peking, Tianjin, Shenzhen und Chengdu, deren Bürger bereits seit Freitag oder Samstag wieder ohne Test mit Bus oder U-Bahn fahren dürfen.
In Peking riefen Gesundheitsbehörden laut Nachrichtenagenturen zudem die Krankenhäuser auf, Menschen auch ohne negativen PCR-Test zu behandeln. Dort müssen Einwohner demnach seit Samstag auch nicht mehr beim Kauf von Fieber- und Erkältungsmedikamenten ihren Namen hinterlassen. In Peking wurden bereits erste Teststationen abgebaut. Ein Video, das zeigt, wie Arbeiter in Peking eine Prüfkabine mit einem Kran auf einen Lastwagen verfrachten, ging am Freitag viral in Chinas Sozialmedien. “In die Geschichte verbannt”, schrieb ein Kommentator zu der Aufnahme.
Im nordwestlichen Urumqi, wo ein Wohnhausbrand mit zehn Toten zum Auslöser der Anti-Lockdown-Proteste geworden war, kündigten die Behörden am Freitag die stufenweise Öffnung von Supermärkten, Hotels, Restaurants und Ski-Gebieten an. In Urumqi sind manche Gegenden bereits seit Anfang August im Lockdown – kaum eine andere Stadt in China war so lange von Abriegelungen betroffen.
Staatschef Xi Jinping hatte EU-Ratspräsident Charles Michel bei dessen Besuch in Peking laut EU-Beamten gesagt, die Omikron-Variante erlaube “mehr Öffnungen”. Die Bevölkerung sei nach drei Jahren Pandemie “frustriert”, räumte Xi demnach ein. Bei den Protestierenden habe es sich hauptsächlich um Studierende oder Jugendliche gehandelt. Die Weltgesundheitsorganisation begrüßte die Lockerungen.
Unterdessen kam es am Wochenende vereinzelt wieder zu Zusammenstößen zwischen Protestierenden und der Polizei, etwa in Wuhan. Mit starker Polizeipräsenz vor allem an den Orten früherer Demonstrationen wollte die Regierung ein erneutes Aufflammen der Proteste verhindern. ck
Unter dem Motto “Chinas weißes Blatt für Freiheit” protestierten am Samstag rund 300 Menschen auf der Jannowitzbrücke vor der chinesischen Botschaft in Berlin. Auf ihren Plakaten forderten sie ein Ende der Lockdowns, aber auch Rede- und Pressefreiheit, sowie die Freilassung von in China festgenommenen Demonstrierenden. Einige Schilder zeigten Karikaturen, darunter Xi Jinping als Pu der Bär und “Xitler” mit Hitlerbärtchen. Flankiert wurde die Menge – in der sich auch Taiwaner, Hongkonger und Uiguren befanden – von zwei Polizeibussen.

Viele Teilnehmer hatten aus Angst vor Verfolgung ihre Gesichter vermummt, trugen Masken und Sonnenbrillen. Als am Nachmittag im obersten Stockwerk des Botschaftsgebäudes ein Mann ans Fenster trat und die Menge mit einem Smartphone filmte, skandierten die Demonstranten “下来做核酸” – “komm runter und mach einen Covid-Test”. Auch ertönten wie bereits bei den Demonstrationen in Shanghai Rufe, die den Rücktritt Xi Jinpings und das Ende der Einparteienherrschaft forderten.
Im Laufe des Nachmittags hielten mehrere Teilnehmer Reden auf Deutsch, Englisch und Chinesisch, unter ihnen ein junger Uigure und zwei Austauschstudentinnen, die erklärten, dass die “Diktatur die Fessel des Volkes” sei und “eine gesunde Gesellschaft viele unterschiedliche Stimmen” brauche.

Zu den Sprechenden gehörte Luo Shengchun, Ehefrau des inhaftierten Menschenrechtsanwalts Ding Jiaxi, die sich während eines Berlin-Besuchs spontan entschieden hatte, an der Versammlung teilzunehmen. Luo las aus einem Brief ihres Ehemanns, den dieser im April seinem Anwalt diktiert hatte. Am Rande des Protests äußerte Luo gegenüber China.Table ihre Hoffnung auf Veränderung. “Ich denke, dass die Weiß-Papier-Revolution Erfolg haben wird. Aber es braucht Zeit. Wir müssen weiter kämpfen, bis alle politischen Gefangenen frei sind.” fpe
Die Bundesregierung will derzeit nicht dem US-Weg folgen, Produkte chinesischer Firmen wie Huawei generell zu verbieten. Es gebe in Deutschland kein pauschales Verbot von Huawei-Technik, sagten Sprecher des Wirtschafts- und des Innenministeriums am Freitag in Berlin übereinstimmend. Dabei bleibe es auch vorerst, fügte der Sprecher des Innenministeriums hinzu.
In einer neuen, bislang vertraulichen China-Strategie des Wirtschaftsministeriums, die der Nachrichtenagentur Reuters vorliegt, wird vorgeschlagen, dass generell keine Produkte aus autoritären Ländern mehr in kritischer Infrastruktur eingesetzt werden dürfen (China.Table berichtete). Die USA haben Ende November den Einsatz von Huawei-Technik pauschal verboten (China.Table berichtete). Kritiker beklagen, dass Huawei trotz der “Zeitenwende” in Deutschland weiterhin zu den führenden Netzausrüstern gehört. rtr/fin
Der Bezirksrat des Londoner Stadtteil Tower Hamlets hat einstimmig die Pläne für eine neue chinesische Botschaft auf seinem Gebiet abgelehnt. Die Ratsmitglieder begründeten ihre Ablehnung mit Sicherheitsbedenken der Anwohner, zusätzlichen Verkehrsstaus sowie möglichen Auswirkungen auf die Attraktivität des Gebiets als Touristenziel an. Das Gelände, das bis 1976 der Königlichen Münzprägeanstalt gehörte, liegt dicht am Tower of London, der Unesco-Weltkulturerbestätte ist.
Die Entwicklerfirma Delancey hatte das zwei Hektar große Grundstück mit mehreren historischen Gebäuden 2018 an die chinesische Regierung verkauft. Deren Antrag sah unter anderem Renovierung beziehungsweise Teilabriss zweier unter Denkmalschutz stehender Gebäude vor. Die Zeitung Guardian zitierte Simon Cheng, Gründer der Expat-Vereinigung Hongkongers in Britain und Bewohner von Tower Hamlets, mit der Sorge, dass es in der Gegend mehr Überwachung gegeben hätte, wenn die Botschaft dort eröffnet worden wäre. Andere Anwohner hatten Proteste in der Gegend befürchtet.
Die Beziehungen zwischen Großbritannien und China sind derzeit ohnehin belastet. Im Oktober war ein Pro-Hongkong-Demonstrant auf dem Gelände eines chinesischen Konsulats in Manchester verprügelt worden. Vergangene Woche drängte London den Staatskonzern CGN aus dem geplanten Neubau eines Atomkraftwerks im ostenglischen Sizewell; Premierminister Rishi Sunak erklärte zudem, die “goldene Ära” zwischen den beiden Ländern sei vorbei (China.Table berichtete). ck
Der chinesische Pharmahersteller Fosun erwirbt den französischen Arzneimittelproduzenten Cenexi. Die Übernahme erfolgt indirekt über die indische Fosun-Tochter Gland Pharma. Den Kaufpreis geben Reuters und Caixin mit 210 Millionen Euro an.
Fosun ist in Deutschland bisher vor allem als der chinesische Partner des Impfstoffherstellers Biontech bekannt. Cenexi aus Fontenay-sous-Bois ist ein Auftragshersteller, der Medikamente für bekannte Marken produziert und abfüllt. Sowohl Gland Pharma als auch Cenexi stellen viel für den Export her. fin

Mit dem Fahrrad manövriert sich Scor (bürgerlicher Name: Tim Oelrich) durch die engen Straßen Shenzhens. Er ist auf der Suche nach einer Teststation, um dort den obligatorischen täglichen PCR-Test durchzuführen. Die Schlangen der Anstehenden sind lang, sodass er von einer Teststation zur nächsten fahren muss. Die roten Wände, die hier bald ganze Wohnviertel absperren werden, liegen noch in Stapeln auf der Straße. In TikTok-Videos wie diesem zeigt der deutsche Rapper Scor seit März 2022 regelmäßig mehr als 300.000 Followern seinen Alltag in Shenzhen. Die Liebe zu dieser Stadt ist dem 32-Jährigen anzusehen: Ihre Skyline ist auf seinen Unterarm tätowiert.
Rap macht der Bremerhavener, seitdem er 13 ist. Neben seinem Studium der Wirtschaftskommunikation lernt er Chinesisch – während des Unterrichts auf seinem iPad. 2017 bekommt er einen Job in der Marketingabteilung eines Unternehmens in Shenzhen. Doch nach etwa einem Jahr muss er sich eingestehen, dass ihn die Büroarbeit nicht glücklich macht. Um seinen Traum – hauptberuflich Rapper zu sein – zu verwirklichen, gibt er den sicheren Job auf. Als 奥熙 (Àoxī) fängt er an, Rap auf Chinesisch zu veröffentlichen.
In der chinesischen Rapszene reagiert man am Anfang mit Vorurteilen auf seine Musik. Der Druck, sich beweisen zu müssen, ist groß. Monat für Monat lebt Scor nur von einer Mahlzeit am Tag, während er in seinem winzigen Shenzhener Zimmer ununterbrochen Musik produziert. Über einen anderen ausländischen Musiker, der sich dem chinesischen Publikum in Scors Augen zu kalkuliert und platt anbiedert, veröffentlicht er 2020 den Diss-Track “Fortune Code”. Auf der Videoplattform Bilibili wird dieser Track innerhalb kurzer Zeit über fünf Millionen Mal geklickt. Auch andere seiner Songs gehen viral und Scor nimmt an einer Castingshow teil, bei der 40 Rapper in Big-Brother-Manier zusammenleben. Die Show macht ihn in China bekannt.
Vor etwa zehn Jahren sei Rap in China noch ungefiltert gewesen, erzählt Scor. Diesen Stil behalte er bis heute bei – in einem Rahmen, der in China zwar akzeptiert sei, jedoch nie zum “Mainstream” gehören werde. “Wenn man als Rapper in China erfolgreich sein will, ist man auf die Unterstützung von oben angewiesen, das ist einfach so”, sagt Scor. In China habe sich Rap nicht organisch entwickelt, sondern sei vor allem durch Castingshows bekannt geworden. In diesen Shows werde allerdings ein gewisser Stil “gepusht”, sodass es im chinesischen Mainstream-Rap kaum Stilvielfalt gebe. Seinen Stil “glattbügeln”, um in China noch erfolgreicher zu werden, will Scor nicht.
Als die Corona-Maßnahmen in Shenzhen wieder verschärft werden, kann er keine Live-Gigs mehr spielen. In dieser Zeit entsteht sein TikTok-Kanal, auf dem er das Leben im Lockdown in China porträtiert. Oft bekommt er Nachrichten von Menschen, die ihm schreiben, dass sich ihr Bild von China durch seine Videos verbessert habe, sie sogar selbst angefangen hätten, Chinesisch zu lernen.
“Mit meinen Videos will ich bewirken, dass die Menschen China kennenlernen, ganz unabhängig von der Politik”, so der Rapper. Mit seinem Schaffen in der Jugendkultur, das die Neuen Medien einmal um den Globus transportieren, erreicht er genau das. Hunderttausende Menschen verfolgen ihn bei seinem Kulturaustausch der besonderen Art. Maya-Katharina Schulz
Christoph Graffius ist neuer Director für Type Approval and Testing – E-Mobility bei der MPR China Certification GmbH in Frankfurt. Graffius war zuvor Business Development Manager ebenfalls bei MPR.
Erik Widman wird neuer schwedischer Sonderbotschafter für die Indo-Pazifik-Region. Widman ist derzeit Klima- und Sicherheitsbeauftragter. Er war zuvor unter anderem als Diplomat in Peking stationiert. Schweden wird von Januar bis Juni 2023 die Präsidentschaft des EU-Rats übernehmen.
Ändert sich etwas in Ihrer Organisation? Schicken Sie doch einen Hinweis für unsere Personal-Rubrik an heads@table.media!

Beim Stichwort Steuern stellen sich ja schnell mal die Nackenhaare auf. Einkommenssteuer, Mehrwertsteuer, KFZ-Steuer … für viele sind das Reizwörter. Wussten Sie aber, dass es in China sogar eine “IQ-Steuer” gibt?
Zum Glück wird diese sogenannte 智商税 zhìshāngshuì (von 智商 zhìshāng “Intelligenzquotient” und 税 shuì “Steuer”) nicht von der Steuerbehörde eingezogen. “Berechnungsmaßstab” für diese Abgabe, die man mit einem Augenzwinkern als eine Art Konsumsteuer betrachten kann, ist – wie der Name schon andeutet – die Cleverness der Verbraucher.
Es handelt sich nämlich um den sympathischen chinesischen Neologismus für das “Lehrgeld”, das man für schlechte, unüberlegte oder gar törichte Kaufentscheidungen zahlt – beziehungsweise draufzahlt. Zum Beispiel, wenn man findigen Werbeversprechen auf den Leim geht und so Geld zum Fenster rausschmeißt. Hier höhnt der Internetjargon, man habe “IQ-Steuer abgeführt” (交智商税 jiāo zhìshāngshuì).
Als Unterkategorien dieser “Dummie-Abgabe” kennt die chinesische Websprache zum Beispiel die “Diät-Steuer” (减肥税 jiǎnféishuì) – gemeint sind Ausgaben für unnütze Abnehmprodukte, die “Beauty-Steuer” (美容税 měiróngshuì) – unnötig teure Schönheitsinvestitionen, oder die “Körperwachstumssteuer” (增高税 zēnggāoshuì) – Ausgaben für Gimmicks, Tricks und Wundermittel, die eine hochgewachsene Erscheinung versprechen.
Aber seien wir doch mal ehrlich: Haben wir nicht alle schon mal den Tricks der Werbeindustrie Tribut gezollt? Wer sich jetzt an eigene peinliche Shoppingfehlgriffe erinnert fühlt, dem sei als Trostpflaster ein Blick auf einige sympathische chinesische Schimpfwörtchen mit auf den Weg gegeben. “Doofies” und “Blödies” lassen sich auf Mandarin nämlich mit knuffigen Begriffen wie “Blödgurke” (傻瓜 shǎguā), “doofes Ei” (笨蛋 bèndàn), “Papaya” (木瓜 mùguā) oder “Schweinsköpfchen” (猪头 zhūtóu) liebevoll schelten. Bei so viel Knuddelschimpfen kann man sich selbst (und anderen) dann auch nicht mehr wirklich böse sein.
Verena Menzel betreibt in Peking die Online-Sprachschule New Chinese.