kein schöner Willkommensgruß. Kurz vor dem Marktstart der chinesischen E-Autos von Nio in Deutschland hat Konkurrent Audi das China-Start-up wegen Markenrechtsverletzung verklagt. Den Ingolstädtern sind die Modellbezeichnungen ES6 und ES8 zu nahe an jenen der eigenen Sportmodelle S6 und S8.
Abgesehen davon, dass Zahlen-Buchstaben-Kombinationen bei der Bezeichnung von Automodellen absolut üblich sind, wie Christian Domke Seidel in seinem Text analysiert – auf gerade einmal 150.000 Euro hat das Landgericht den Streitwert festgesetzt. Kleinlich, mag man meinen. Doch darum scheint es Audi nicht zu gehen. Vielmehr erweckt das Vorgehen einen Verdacht. Will der deutsche Autobauer den potenziellen Konkurrenten aus Fernost gleich zu Beginn eins auszuwischen? Um den Start des chinesischen Newcomers zu überschatten, reicht es allemal.
Überschattet – um es untertrieben gelinde auszudrücken – sind auch die Handelsbeziehungen zwischen Litauen und China. Seit fast einem Jahr blockiert die Volksrepublik die Einfuhren aus dem baltischen EU-Staat. Allerdings nicht komplett, um den Beweissammlern für die WTO-Beschwerde die Suche zu erschweren. Litauens Unternehmen suchten deshalb nach anderen Lösungen, um ihre Waren zu platzieren, erklärt uns Ričardas Sartatavičius vom litauischen Industriellenverband.
Hoffnung macht den Litauern das sogenannte Anti-coercion-Instrument der EU. Denn dieses soll genau solche Situationen der wirtschaftlichen Erpressung verhindern. Die Arbeit daran läuft in Brüssel und Straßburg. Das EU-Parlament will seine Position zeitnah festzurren.
Am Freitag soll es losgehen. Dann können deutsche Kunden den Nio ET7 kaufen, eine Elektro-Limousine. William Li, der Gründer der Marke, wird für das Start-Event auf dem Kurfürstendamm in Berlin erwartet. Dort steht eines der hiesigen Nio-Häuser. Für den Milliardär ist das die letzte Station einer Deutschlandtour. Hamburg und München wird er dann schon hinter sich haben. Schon an der edlen Ku’damm-Lage der Präsentation in Berlin lässt sich ablesen, von welchen Marken die Kunden zu Nio abwandern sollen: von Mercedes, BMW und Audi.
Audi hat mit der neuen Konkurrenz allerdings ein Problem. Das liegt an deren SUV – dem Nio ES6 und dem ES8. Der deutsche Hersteller hat Modelle mit den Namen S6 und S8 auf Markt und sieht in Europa seine Markenrechte verletzt. Deshalb hat Audi gegen Nio geklagt. Auch, wenn es die SUV von Nio derzeit noch gar nicht zu kaufen gibt. Der nächste Verhandlungstermin ist am 6. Dezember.
Auf den ersten Blick geht es dabei um nicht viel. Medienberichten zufolge wurde der Streitwert vom Landgericht vorläufig auf 150.000 Euro festgesetzt. “Das ist nicht besonders hoch angesichts der Tatsache, dass es bei Audi um eine weltweit bekannte Automarke geht”, sagt Christian Solmecke im Gespräch mit Table.Media. Er ist Rechtsanwalt bei der Kölner Kanzlei Wilde Beuger Solmecke, Buchautor und Geschäftsführer des Kanzleisoftware-Herstellers Legalvisio. Grundsätzlich würden im Markenrecht eher sehr hohe Gegenstandswerte festgelegt.
Das Treffen von Audi und Nio vor Gericht sei allerdings nicht der erste Versuch, die Meinungsverschiedenheit aus der Welt zu schaffen, so Solmecke. “Einer Klage vorausgeht – so auch in diesem Fall – meist eine Abmahnung mit der Aufforderung, die Markennutzung zu unterlassen und eine entsprechende, vorformulierte Unterlassungserklärung abzugeben.” Nio habe entweder nicht darauf reagiert oder sich geweigert, darauf einzugehen.
Bei Nio sieht man das anders. Zwar will sich die Marke – genau wie Audi – nicht zum laufenden Verfahren äußern, das “E” im Namen sei aber das wichtige Unterscheidungsmerkmal, so der chinesische Hersteller. Das scheint Audi nicht zu reichen. “In diesem Fall geht es Audi zunächst um die Vermeidung einer möglichen Verwechslungsgefahr, weswegen auch eine Unterlassungsklage eingereicht wurde. Daher müsse Nio seine Autos im Falle eines Sieges von Audi umbenennen“, so Solmecke. Aber auch einen Schadensersatz mache Audi geltend, so der Rechtsanwalt.
Dass die Automodelle der Streithähne völlig unterschiedlich aussehen, ist dagegen vor Gericht nicht entscheidend. “Die unterschiedliche Form der Autos dürfte hier eine geringere Rolle spielen. Denn primär geht es hier um den Vergleich der beiden Wortmarken, die möglicherweise leicht zu verwechseln sind.” Ein Kunde, der den Namen “ES6” oder “ES8” liest, könnte also glauben, dass es sich dabei um ein Fahrzeug aus dem Hause Audi handeln könnte. Und weiter: “Nach ständiger Rechtsprechung entscheiden drei Kriterien darüber, ob Verwechslungsgefahr gegeben ist: neben der Zeichenähnlichkeit auch die Produktähnlichkeit und der Bekanntheitsgrad der älteren Marke.”
Da es sich um zwei Autos handele, sei die allgemeine Produktähnlichkeit grundsätzlich gegeben. Dazu kommt, dass Audi sehr bekannt ist. Also dürfte die Zeichenähnlichkeit ausschlaggebend für die gerichtliche Entscheidung werden, analysiert Solmecke.
Doch es gibt noch einen weiteren Punkt. “Eine Markenrechtsverletzung ist umso wahrscheinlicher, je höher die sogenannte Unterscheidungskraft der klägerischen Marke ist”, sagt Solmecke. Und hier hat Audi ein Problem. Denn Zahlen-Buchstaben-Kombinationen sind in der Autobranche absolut üblich. “In diesem Fall würde ich sagen, dass die Unterscheidungskraft von ‘S6 und S8’ eher schwach ausgeprägt ist, was es Audi erschweren könnte, hier Erfolg zu haben”, vermutet Solmecke. Grundsätzlich würde es sich aber um eine Einzelfallentscheidung handeln, was eine Prognose schwer mache.
Doch die Klage hat natürlich nicht nur eine juristische, sondern auch eine wirtschaftspolitische Dimension. Eine, die sich am Freitag auf dem Ku’damm weiter entfalten wird. Denn die chinesischen Autobauer drängen derzeit mit Macht nach Europa. Mit Volvo sammelt deren chinesischer Besitzer Geely seit über zehn Jahren Erfahrungen in der EU. Deren Schwestermarke Polestar ist rein chinesisch und seit zwei Jahren erhältlich.
Auch die Marke London Taxi ist in chinesischer Hand. Aiways ist in Deutschland bereits erhältlich, Xpeng und BYD werden mittelfristig folgen. Die deutsche Mietwagenfirma Sixt setzt sogar im großen Stil auf BYD (China.Table berichtete).
Die Expansion auf den Heimatkontinent des Automobils entspricht auch dem Willen der kommunistischen Führung. Laut dem 14. Fünfjahresplan sollen im Jahr 2025 die beiden führenden Elektroautobauer der Volksrepublik zehn Prozent ihrer Neuwagen im Ausland absetzen.
Warum auch nicht? Europäische Hersteller verdienen seit rund zwanzig Jahren gutes Geld in der Volksrepublik. Wegen der mittlerweile abgeschafften Joint-Venture-Verpflichtung sind sie in China eng mit der dortigen Industrie verzahnt. Die Globalisierung geht nun in die andere Richtung.
Die deutschen Hersteller sind zudem in den vergangenen Jahrzehnten immer chinesischer geworden. Zwanzig Prozent von Daimler befinden sich in chinesischer Hand – zehn Prozent gehören dem Staatsbetrieb Beijing Automotive Group (BAIC). Li Shufu, der Gründer von Geely, besitzt weitere zehn Prozent. Volkswagen wiederum beschäftigt in China mehr als 100.000 Mitarbeiter.
In dieser Gemengelage sieht Ferdinand Dudenhöffer, Automobilprofessor vom Center Automotive Research (CAR), die Klage von Audi gegen Nio eher kritisch. Die Klage stoße in der Branche nicht überall auf Verständnis, sagte er dem Handelsblatt. Das Vorgehen Audis sei kontraproduktiv und würde für ein schlechtes Klima sorgen. “Die Verwechslungsgefahr bei einem SUV und einer Limousine ist doch ziemlich gering”, schließt er.
Vor gut einem Jahr nahm ein bisher beispielloser Handelsstreit zwischen einem EU-Staat und China seinen Lauf. Stein des Anstoßes: die Einrichtung eines “Taiwanbüros” in der litauischen Hauptstadt Vilnius. Peking verhängte darauf Sanktionen gegen Litauen. Die Europäische Union hat mittlerweile eine Beschwerde bei der Welthandelsorganisation (WTO) eingereicht – die Lage für den baltischen EU-Staat hat sich aber kaum verbessert: “Generell steht die gesamte Produktion. Die Exporte von Litauen nach China wurden eingestellt. Nur in Einzelfällen schaffen es Produkte litauischer Firmen auf den chinesischen Markt – meistens sind das Technologieunternehmen”, sagt der Generaldirektor des litauischen Industrieverbands, Ričardas Sartatavičius, China.Table.
Die Verschlechterung der Beziehungen zwischen dem baltischen Land und der Volksrepublik verlief stufenweise und gipfelte letztendlich darin, dass Litauen ganz aus dem Zollsystem Chinas verschwand und die diplomatischen Beziehungen herabgestuft wurden (China.Table berichtete). Wenige Tage nach dem Zoll-Eklat Anfang Dezember erschien das EU-Land zwar wieder als Auswahl-Option im chinesischen System. “Aber das ändert nichts an der Situation”, sagt Sartatavičius. Die Unternehmen könnten Erklärungen ausfüllen, erhielten dann aber keine Bestätigung.
Ein aktuelles Beispiel dafür ist die Getränke-Branche: So seien Container mit Getränken wie Bier von China nach Litauen zurückgeschickt worden, weil die Zollerklärungen nicht akzeptiert worden seien. Der Verband wisse nicht, wie groß der Schaden für die litauische Getränke-Industrie bisher sei. “Aber wenn der chinesische Markt dafür vollständig geschlossen wird, könnten die Unternehmen zwei bis fünf Millionen Euro an Einnahmen im Jahr verlieren. Auf staatlicher litauischer Ebene ist das ein kleiner Geldbetrag, aber für Unternehmen ist das viel.”
Im Frühjahr dieses Jahres wurde überraschend wieder etwas mehr Ware durch den Zoll gelassen – für den Sommer sank die Zahl dann wieder. Im September sind die Einfuhren aus Litauen in die Volksrepublik laut chinesischer Zollangaben um 91,4 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat zurückgegangen. Betroffen seien Metall- und Holzprodukte, die zuvor zu den Top-5-Exportwaren des baltischen Staats gehörten. Die Ausfuhren seien “vollständig vernichtet”, so Sartatavičius. Auch Hightech-Laser und Torf-Exporte gehören zu den betroffenen Produkten.
Litauens Exporte nach China hatten im Dezember 2021 einen nahezu vollständigen Einbruch erlitten. Lediglich Waren im Wert von rund 3,35 Millionen Euro schafften es in dem Monat durch den chinesischen Zoll, wie Sartatavičius erklärt. Ein massiver Rückgang im Vergleich zum Vorjahr: Da seien es Waren im Wert von 38 Millionen Euro gewesen. Auch im November 2021 lief der Handel noch. Litauen exportierte Waren im Wert von gut 37 Millionen Euro in die Volksrepublik. Im selben Monat hatte das taiwanesische Handelsbüro in Vilnius eröffnet.
Dass China einige Waren ins Land tröpfeln lässt, scheint Verschleierungstaktik – so werden die Beweise für die EU-Beschwerde bei der WTO weniger eindeutig. Aber auch die Litauer sind findig. Dazu werde beispielsweise auf Häfen im lettischen Riga oder im polnischen Danzig ausgewichen. Für Importe aus der Volksrepublik wird ebenfalls “getrickst” und als Entladehafen Riga angegeben. Die lettische Hauptstadt ist mit Lkw-Transport gut an Nord-Litauen angebunden. “Die Unternehmen suchen natürlich nach verschiedenen Lösungen”, sagt Sartatavičius.
China hatte im vergangenen Jahr Druck auf Unternehmen aus anderen EU-Staaten ausgeübt, die mit litauischen Zulieferern arbeiteten oder selbst in Litauen produzierten. Auch hier scheint die Lage weiterhin schwierig. Gesprächsanfragen an betroffene Unternehmen wie den Reifenhersteller Continental wurden abgelehnt. Die litauischen Unternehmen hoffen nun auf einen Erfolg bei der WTO, wie Sartatavičius berichtet.
Auch wenn das noch dauern könnte. “Wir rechnen nicht mit einer baldigen Entscheidung. Das kann ein paar Jahre dauern.” Der direkte Nutzen für litauische Unternehmen stehe zudem noch in den Sternen: “Gemäß den WTO-Entscheidungen gibt es weder eine Verpflichtung, die entstandenen Verluste zu kompensieren, noch eine Garantie dafür, dass die Probleme nicht wieder vorkommen.”
Hoffnungsvoll blickt man in Richtung Brüssel: Auf EU-Ebene wird derzeit über ein neues Instrumentarium diskutiert, um auf solche Praktiken künftig besser antworten zu können. Die EU-Kommission hatte Ende 2021 ihren Vorschlag (China.Table berichtete) für das sogenannte Anti-Coercion-Instrument vorgestellt. Derzeit arbeiten Europaparlament und der Rat der Mitgliedsstaaten daran, ihre Änderungswünsche zu formulieren. Der Trilog zwischen den EU-Institutionen soll in den kommenden Wochen beginnen, um die finale Fassung der Verordnung festzulegen.
Der Handelsausschuss soll am kommenden Montag die Position des Europaparlaments festzurren. Die Abgeordneten wollen den Kommissionsvorschlag an einigen Stellen verschärfen, wie die von Berichterstatter Bernd Lange zusammengetragenen Änderungswünsche zeigen, die Europe.Table vorliegen. So soll schon die Androhung von Zwangsmaßnahmen durch Drittstaaten ausreichen, damit die Kommission tätig werden kann. Zudem soll sie weiterreichende Maßnahmen verhängen können, um den entstandenen Schaden in einem EU-Land zu kompensieren.
Zu dem vorgesehenen Arsenal zählt etwa, dass die EU Waren aus China oder anderen aggressiv auftretenden Ländern mit höheren Zöllen belegen kann oder deren Unternehmen von öffentlichen Aufträgen in der EU ausschließen. Die Kommission will sich hier weitgehende Entscheidungsbefugnisse einräumen. Das Europaparlament drängt aber auf weiterreichende Informationspflichten der Behörde. Die Mitgliedsstaaten fordern im Rat überdies mehr Mitsprache bei der Verhängung der Gegenmaßnahmen. Mitarbeit: Till Hoppe
Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) sieht Entspannung entlang der Lieferkette. “Etwas Hoffnung machen gesunkene Containerpreise und ein höherer Containerumschlag an europäischen Häfen”, sagte DIHK-Außenwirtschaftschef, Volker Treier, gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters. Das Statistische Bundesamt hatte zuvor positive Außenhandelszahlen veröffentlicht. Die Exporte nach China nahmen deutlich zu. Sie stiegen im August um 2,9 Prozent auf 9,2 Milliarden Euro. Insgesamt machte die starke Nachfrage aus den USA und China das schrumpfende Geschäft mit den von der Energiekrise geplagten EU-Staaten mehr als wett.
Der DIHK bleibt gleichwohl im Ausblick so pessimistisch, wie es die Gasknappheit vermuten lässt. “Das leichte Wachstum der Ausfuhren im August ist nur ein letztes Aufflackern vor einem kalten Exportwinter“, so Treier. “Enorme Kostensteigerungen für Energie und eine durch Inflation weltweit geschwächte Kaufkraft lasten wie Blei auf der deutschen Export-Wirtschaft.” Die Unternehmen seien dazu gezwungen, ihre Kostensteigerungen an ihre Kunden weiterzugeben. Das gelinge aber nur teilweise. Deutsche Waren werden wegen hoher Kosten weltweit weniger wettbewerbsfähig sein. rtr/fin
Während Chinas Süden und Mitte unter einer ungewöhnlichen Hitzewelle leiden, ist für den Norden die erste Kältewarnung des Jahres herausgegeben worden. Starke Temperaturabfälle um fast 20 Grad und Stürme könnten bis Donnerstag die nördlichen Regionen des Landes treffen, teilte die nationale Wetterwarte mit. Der sogenannten blaue Alarm war der am frühesten herausgegebene in den bisherigen Aufzeichnungen der Kälteperioden, wie die staatliche Nachrichtenagentur Xinhua berichtete.
In den zentralen und östlichen Teilen Chinas gab es indes überdurchschnittlich hohe Temperaturen, in Südchina wurde sogar von einer Hitzewelle gesprochen. Dort gab es Temperaturen bis zu 37 Grad, an einigen Orten wurden sogar Tageshöchsttemperaturen von 40 Grad erwartet.
Der Leiter der nationalen Wetterwarte, Zhang Tao, sagte demnach, dass am Mittel- und Unterlauf des Yangtse am vergangenen Wochenende Rekordtemperaturen für dieses Datum gemeldet worden seien. Vor dem Eintreffen der Kältewelle dort werde die Hitzewelle voraussichtlich noch größere Gebiete treffen, so Zhang. Die Kältewelle solle dann auf ihrem Weg nach Süden mittlere bis starke Regenfälle bringen, hieß es. Einige Gebiete könnten dem Bericht zufolge von Gewittern, Hagel, Stürmen und starken Regen betroffen werden. Im Sommer hatte die Volksrepublik unter einer beispiellosen Hitzewelle gelitten (China.table berichtete). ari
Taiwan hat nach eigenen Angaben für den Fall eines Konflikts mit China Bestandsaufnahmen für wichtige Vorräte wie Nahrungsmittel und Energie erstellt. Es sei bereits gesetzliche festgelegt, dass der staatliche Energieerzeuger Taipower und die Raffinerie CPC Energievorräte unterhalten müssen, teilte der stellvertretende taiwanesische Wirtschaftsminister Chen Chern-chyi mit. “Wir wollen sicherstellen, dass wir in Taiwan für einen bestimmten Zeitraum Vorräte haben, einschließlich Lebensmittel, wichtiger Vorräte, Mineralien, Chemikalien und natürlich Energie”, so Chen. “Wir haben ein System, wir führen jeden Monat eine Bestandsaufnahme durch.”
Besonderer Fokus liegt dabei auf der Speicherung von Energie. Taiwans Energiemix besteht derzeit aus verflüssigtem Erdgas (LNG), Kohle, Kernenergie und erneuerbaren Energien. Letztere will die Regierung in Taipeh verstärkt ausbauen. Mit der Abkehr von Kohle- und Atomkraftwerken will Taiwan auch mehr Strom aus LNG erzeugen und baut vor seiner Nordwestküste ein riesiges neues LNG-Terminal. Wirtschaftsministerin Wang Mei-hua erklärte vor dem Parlament, dass es Pläne gebe, die LNG-Speicherkapazität noch weiter zu erhöhen. ari/rtr
Der US-Elektronikanbieter Apple fordert seine Zulieferer erstmals auf, auch die Kopfhörertypen AirPods und Beats in Indien herzustellen. Das erfuhr die japanische Wirtschaftszeitung Nikkei aus Firmenkreisen. Bis zum kommenden Jahr sollen die Auftragsfertiger Foxconn und Luxshare Precision Industry entsprechende Produktionsanlagen in Indien einrichten. Luxshare ist ein chinesisches Unternehmen. Es fertigt auf Geheiß von Apple auch in Vietnam.
Apple setzt derzeit voll auf Indien als Alternative zu China (China.Table berichtete). Das neue iPhone wird bereits zu einem nennenswerten Teil dort hergestellt. Das bedeutet aber keine Abkehr von etablierten Partnern. Der bewährte taiwanische Auftragshersteller Foxconn expandiert nun in Indien und baut dort in der Nähe von Chennai Fabriken aus. Bis 2025 soll Apples Abhängigkeit vom Standort China deutlich sinken. fin
Die vom chinesischen Unternehmen Bytedance betriebene Social-Media-Plattform Tiktok zeigt in Deutschland weiterhin Kommentare und Posts nicht an, die bestimmte Begriffe enthalten. Das zeigten Recherchen von Tagesschau.de, WDR und NDR. In dem Test mit insgesamt 70 Wörtern und Wortkombinationen wurden demnach mindestens 20 Kommentar-Bestandteile entdeckt, die dafür sorgen, dass ein Beitrag versteckt und Nutzern weniger in den Feeds gezeigt wird. Ein einheitliches Filtermuster gab es laut Tagesschau.de aber nicht: Kommentare mit den Begriffen “Cannabis” und “Kokain” soll Tiktok mehrfach versteckt haben. Beiträge mit “Crystal Meth” und “Ecstasy” wurden hingegen angezeigt.
Kommentare, die die Worte “Klimakrise” und “Klimawandel” enthielten, wurden laut dem Bericht während des Tests “in den meisten Fällen” versteckt. Außerdem sprangen die Filter demnach in einigen Fällen auf Wörter aus dem Kontext des Kriegs gegen die Ukraine an, beispielsweise bei “Truppen” oder “Völkerrecht”. Bei Recherchen im Frühjahr hatte Tagesschau.de bereits über geblockte Begriffe auf Tiktok berichtet (China.Table berichtete). Zu diesen gehörten damals unter anderem der Name der chinesischen Tennisspielerin Peng Shuai, sowie Begriffe aus der LGBTQI-Community, wie “homo”, “gay” oder “queer”. Zudem waren Worte aus dem Kontext des Nationalsozialismus blockiert. ari
Dass Wladimir Putin in der Ukraine immer wieder scheitert, stellt sein strategisches Bündnis mit dem chinesischen Präsidenten Xi Jinping auf eine harte Probe. Während Putin immer verzweifelter wird, muss Xi endlich erkennen, wie sehr seine “Freundschaft ohne Grenzen” mit dem russischen Präsidenten die wirtschaftliche Gesundheit Chinas, die weltweite Stabilität und seine eigenen geopolitischen Ziele bedroht.
Ob Putin nun im letzten Monat mit seiner Drohung, in der Ukraine taktische Nuklearwaffen einzusetzen, geblufft hat oder nicht: Will Xi als verantwortungsvoller Staatschef gelten, muss er das Schlimmste befürchten. Immerhin ist die Möglichkeit eines Nuklearschlags, um russisches Gebiet gegen eine existenzielle Bedrohung zu verteidigen, in der russischen Militärdoktrin ausdrücklich vorgesehen. Russlands illegale Annektierung der besetzten ukrainischen Regionen Luhansk, Donezk, Cherson und Saporischschja könnte also ein Anlass dafür sein.
Xi, der sich Ende dieses Monats auf dem 20. Nationalkongress der Kommunistischen Partei Chinas wahrscheinlich eine beispiellose dritte Amtszeit als chinesischer Staatschef sichern wird, muss nun alles daran setzen, einen Dritten Weltkrieg zu verhindern. Seit dem Einsatz der US-amerikanischen Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki im August 1945 könnten also in der Ukraine erstmals wieder Nuklearwaffen zum Einsatz kommen. Dies würde eine katastrophale globale Krise auslösen und Xis Krönungszeremonie massiv stören.
Als Xi und Putin im Februar bei den Olympischen Winterspielen in Peking das Sino-Russische Abkommen zur Zusammenarbeit unterzeichneten, muss der Plan, die Ukraine zu erobern, wie ein Spaziergang gewirkt haben: ein schneller Sturz der ukrainischen Führung durch die Russen, der die USA und die NATO blamiert hätte. Außerdem mag Xi gedacht haben, ein Stellvertreterkrieg würde die Aufmerksamkeit der USA von ihrer Rivalität zu China ablenken.
Doch dann schlug die Ukraine zurück und brachte die unzähligen Schwächen des russischen Militärs ans Tageslicht. Letzteres hat sich nun nach einer eindrucksvollen ukrainischen Gegenoffensive aus der Charkiw-Region im Nordosten zurückgezogen – und erleidet in der Nähe von Cherson im Süden schwere Verluste.
Als Xi beim jüngsten Gipfel der Schanghaier Organisation für Zusammenarbeit im usbekischen Samarkand Putin traf, hat er mit ziemlicher Sicherheit seine Verstimmung über die russischen Fehlschläge geäußert. Offiziell hat Xi die Ukraine überhaupt nicht erwähnt, aber Putin hat Chinas “Fragen und Sorgen” über den Krieg öffentlich zugegeben – ein seltenes Eingeständnis der Spannungen zwischen den beiden Ländern. Xis offizielles Schweigen stand im massiven Gegensatz zur Reaktion des indischen Ministerpräsidenten Narendra Modi, der – in einer bemerkenswerten Kehrtwende – Putin öffentlich getadelt hat.
Trotz Xis öffentlicher Zurückhaltung ist es schwer zu glauben, dass er sich nicht fragt, ob er, als er sein politisches Schicksal an einen so leichtsinnigen Verbündeten knüpfte, die richtige Entscheidung getroffen hat. Putins “Teilmobilisierung” von 300.000 Russen für den Kampf in der Ukraine hat im ganzen Land Proteste ausgelöst und über 200.000 junge Männer in die Flucht getrieben. Die Qualität von Putins neuen Rekruten – zu denen auch Strafgefangene gehören – wird wahrscheinlich nicht dazu beitragen, die russischen Kriegsbemühungen zu unterstützen oder Xis Sorgen zu lindern.
Angesichts dessen, dass die Moral der russischen Truppen bereits am Boden ist, könnte ein Zustrom mutloser und schlecht ausgebildeter Wehrpflichtiger die Auflösung von Putins Militär und den Zusammenbruch seines Regimes noch beschleunigen – ähnlich wie die schwache Führung des Zaren Nikolaus II im Ersten Weltkrieg zum Zusammenbruch der zaristischen Armeen und zur Russischen Revolution von 1917 geführt hat. Angesichts seiner direkten Appelle an die russischen Soldaten, entweder aufzugeben oder zu sterben, scheint der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj den verheerenden Zustand des russischen Militärs besser erkannt zu haben als Putin selbst.
Der Sinn eines Stellvertreterkriegs besteht darin, seinen Feind zu schwächen, aber für Xis Zwecke hat Putin genau das Gegenteil erreicht. Die NATO ist heute stärker als je zuvor seit dem Ende des Kalten Krieges: Bisher neutrale Länder wie Schweden und Finnland bemühen sich um einen Beitritt, und asiatische Staaten wie Japan, Südkorea – und zunehmend auch Indien – äußern ihre Unterstützung für die amerikanische Ukraine-Politik.
Statt China zu helfen, sich als Gegengewicht zur globalen US-Hegemonie zu positionieren, hat sich Russland als so schwach und korrupt erwiesen, dass es nicht einmal ein mittelgroßes Land besiegen kann. Angesichts dessen, dass Putin nun direkte Befehle an russische Kommandeure erteilt, muss das chinesische Militärbündnis mit Russland für Xi ziemlich wertlos wirken.
Auch wenn die Wahrscheinlichkeit, dass Putin in der Ukraine eine Nuklearwaffe einsetzt, gering erscheint, kann es nicht völlig ausgeschlossen werden. Also müssen die chinesischen Politiker einzuschätzen versuchen, wie die USA und die NATO reagieren werden, falls Putin seine Drohung wahr macht. Angesichts der kompromisslosen – wenn auch immer noch zweideutigen – Aussagen von US-Präsident Joe Biden kann man sicher annehmen, dass die internationale wirtschaftliche und militärische Reaktion noch viel härter ausfallen würde als die bereits gegen Russland bestehenden Sanktionen.
Sollte Putin die ukrainischen Gebiete, die er illegal annektiert hat, tatsächlich mit taktischen Nuklearwaffen “verteidigen”, könnte er damit eine Horror-Büchse der Pandora öffnen. Bereits jetzt hat sein Krieg beispielsweise die ukrainischen Atomkraftwerke in erhebliches Chaos gestürzt: Neben anderen Sorgen über ihren Betrieb kann nicht mehr vorausgesetzt werden, dass die verbrauchten Brennstäbe während der Kämpfe dort immer sicher aufbewahrt wurden. Dies eröffnet die erschreckende Möglichkeit, dass irgendein verrückter Partisan aus Rache eine “schmutzige Bombe” bauen könnte.
Putins Annektierung könnte auch die “Ein-China-Politik” hinsichtlich Taiwan untergraben, die vom größten Teil der Welt akzeptiert wird. Einige osteuropäische Länder äußern bereits Zweifel an der Klugheit dieser Politik. Sollte Xi, der das Prinzip territorialer Integrität immer standhaft verteidigt hat, Putins Besatzung stillschweigend akzeptieren, könnten andere Staaten zu dem Schluss kommen, die “Ein-China-Politik” sei aufgrund von Xis Scheinheiligkeit nicht mehr gerechtfertigt.
Seit seinem Amtsantritt vor zehn Jahren hat Xi immer wieder die Sorge geäußert, China könnte derselben Art politischer und wirtschaftlicher Auflösung zum Opfer fallen, die zum Zusammenbruch der Sowjetunion geführt hat. Putins momentanes Dilemma sollte als weiteres abschreckendes Beispiel dienen. Der Gedanke an ein Regime, das so marode ist, dass es von innen her zusammenfällt, muss Chinas Präsidenten fast so sehr umtreiben wie die Drohung eines nuklearen Krieges.
Charles Tannock, ehemaliges Mitglied des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten des Europäischen Parlaments, ist Fellow bei Globsec, einem Thinktank in Bratislava, der sich der Verbesserung von Sicherheit, Wohlstand und Nachhaltigkeit verpflichtet hat. Übersetzung: Harald Eckhoff.
Copyright: Project Syndicate, 2022.
www.project-syndicate.org
Ulf Röller berichtet ab sofort für das ZDF aus Brüssel über die Europäische Union. Röller war bis vor Kurzem ZDF-Korrespondent in Peking. Er folgt als Leiter des Brüsseler Studios Anne Gellinek nach.
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Die US-Pizza-Kette Pizza Hut ist in Taiwan bekannt für ihre ausgefallenen Kreationen. Zum Herbst-und-Halloween-Monat Oktober gibt es jetzt etwas zum Gruseln – denn wie oft kommt es vor, dass einen das eigene Essen beäugt? “Tangyuan garlic chicken” heißt die Geschmacksrichtung dieser besonderen Pizza. Die Tangyuan-Reisbällchen dienen dabei als Augäpfel. Und der Knoblauch hilft sicher, böse Geister vom Leibe zu halten.
In der Mittwochsausgabe haben wir im Dessert einen vermeintlichen Sonnenaufgang in Hongkong gezeigt. Es handelte sich um einen Sonnenuntergang.
kein schöner Willkommensgruß. Kurz vor dem Marktstart der chinesischen E-Autos von Nio in Deutschland hat Konkurrent Audi das China-Start-up wegen Markenrechtsverletzung verklagt. Den Ingolstädtern sind die Modellbezeichnungen ES6 und ES8 zu nahe an jenen der eigenen Sportmodelle S6 und S8.
Abgesehen davon, dass Zahlen-Buchstaben-Kombinationen bei der Bezeichnung von Automodellen absolut üblich sind, wie Christian Domke Seidel in seinem Text analysiert – auf gerade einmal 150.000 Euro hat das Landgericht den Streitwert festgesetzt. Kleinlich, mag man meinen. Doch darum scheint es Audi nicht zu gehen. Vielmehr erweckt das Vorgehen einen Verdacht. Will der deutsche Autobauer den potenziellen Konkurrenten aus Fernost gleich zu Beginn eins auszuwischen? Um den Start des chinesischen Newcomers zu überschatten, reicht es allemal.
Überschattet – um es untertrieben gelinde auszudrücken – sind auch die Handelsbeziehungen zwischen Litauen und China. Seit fast einem Jahr blockiert die Volksrepublik die Einfuhren aus dem baltischen EU-Staat. Allerdings nicht komplett, um den Beweissammlern für die WTO-Beschwerde die Suche zu erschweren. Litauens Unternehmen suchten deshalb nach anderen Lösungen, um ihre Waren zu platzieren, erklärt uns Ričardas Sartatavičius vom litauischen Industriellenverband.
Hoffnung macht den Litauern das sogenannte Anti-coercion-Instrument der EU. Denn dieses soll genau solche Situationen der wirtschaftlichen Erpressung verhindern. Die Arbeit daran läuft in Brüssel und Straßburg. Das EU-Parlament will seine Position zeitnah festzurren.
Am Freitag soll es losgehen. Dann können deutsche Kunden den Nio ET7 kaufen, eine Elektro-Limousine. William Li, der Gründer der Marke, wird für das Start-Event auf dem Kurfürstendamm in Berlin erwartet. Dort steht eines der hiesigen Nio-Häuser. Für den Milliardär ist das die letzte Station einer Deutschlandtour. Hamburg und München wird er dann schon hinter sich haben. Schon an der edlen Ku’damm-Lage der Präsentation in Berlin lässt sich ablesen, von welchen Marken die Kunden zu Nio abwandern sollen: von Mercedes, BMW und Audi.
Audi hat mit der neuen Konkurrenz allerdings ein Problem. Das liegt an deren SUV – dem Nio ES6 und dem ES8. Der deutsche Hersteller hat Modelle mit den Namen S6 und S8 auf Markt und sieht in Europa seine Markenrechte verletzt. Deshalb hat Audi gegen Nio geklagt. Auch, wenn es die SUV von Nio derzeit noch gar nicht zu kaufen gibt. Der nächste Verhandlungstermin ist am 6. Dezember.
Auf den ersten Blick geht es dabei um nicht viel. Medienberichten zufolge wurde der Streitwert vom Landgericht vorläufig auf 150.000 Euro festgesetzt. “Das ist nicht besonders hoch angesichts der Tatsache, dass es bei Audi um eine weltweit bekannte Automarke geht”, sagt Christian Solmecke im Gespräch mit Table.Media. Er ist Rechtsanwalt bei der Kölner Kanzlei Wilde Beuger Solmecke, Buchautor und Geschäftsführer des Kanzleisoftware-Herstellers Legalvisio. Grundsätzlich würden im Markenrecht eher sehr hohe Gegenstandswerte festgelegt.
Das Treffen von Audi und Nio vor Gericht sei allerdings nicht der erste Versuch, die Meinungsverschiedenheit aus der Welt zu schaffen, so Solmecke. “Einer Klage vorausgeht – so auch in diesem Fall – meist eine Abmahnung mit der Aufforderung, die Markennutzung zu unterlassen und eine entsprechende, vorformulierte Unterlassungserklärung abzugeben.” Nio habe entweder nicht darauf reagiert oder sich geweigert, darauf einzugehen.
Bei Nio sieht man das anders. Zwar will sich die Marke – genau wie Audi – nicht zum laufenden Verfahren äußern, das “E” im Namen sei aber das wichtige Unterscheidungsmerkmal, so der chinesische Hersteller. Das scheint Audi nicht zu reichen. “In diesem Fall geht es Audi zunächst um die Vermeidung einer möglichen Verwechslungsgefahr, weswegen auch eine Unterlassungsklage eingereicht wurde. Daher müsse Nio seine Autos im Falle eines Sieges von Audi umbenennen“, so Solmecke. Aber auch einen Schadensersatz mache Audi geltend, so der Rechtsanwalt.
Dass die Automodelle der Streithähne völlig unterschiedlich aussehen, ist dagegen vor Gericht nicht entscheidend. “Die unterschiedliche Form der Autos dürfte hier eine geringere Rolle spielen. Denn primär geht es hier um den Vergleich der beiden Wortmarken, die möglicherweise leicht zu verwechseln sind.” Ein Kunde, der den Namen “ES6” oder “ES8” liest, könnte also glauben, dass es sich dabei um ein Fahrzeug aus dem Hause Audi handeln könnte. Und weiter: “Nach ständiger Rechtsprechung entscheiden drei Kriterien darüber, ob Verwechslungsgefahr gegeben ist: neben der Zeichenähnlichkeit auch die Produktähnlichkeit und der Bekanntheitsgrad der älteren Marke.”
Da es sich um zwei Autos handele, sei die allgemeine Produktähnlichkeit grundsätzlich gegeben. Dazu kommt, dass Audi sehr bekannt ist. Also dürfte die Zeichenähnlichkeit ausschlaggebend für die gerichtliche Entscheidung werden, analysiert Solmecke.
Doch es gibt noch einen weiteren Punkt. “Eine Markenrechtsverletzung ist umso wahrscheinlicher, je höher die sogenannte Unterscheidungskraft der klägerischen Marke ist”, sagt Solmecke. Und hier hat Audi ein Problem. Denn Zahlen-Buchstaben-Kombinationen sind in der Autobranche absolut üblich. “In diesem Fall würde ich sagen, dass die Unterscheidungskraft von ‘S6 und S8’ eher schwach ausgeprägt ist, was es Audi erschweren könnte, hier Erfolg zu haben”, vermutet Solmecke. Grundsätzlich würde es sich aber um eine Einzelfallentscheidung handeln, was eine Prognose schwer mache.
Doch die Klage hat natürlich nicht nur eine juristische, sondern auch eine wirtschaftspolitische Dimension. Eine, die sich am Freitag auf dem Ku’damm weiter entfalten wird. Denn die chinesischen Autobauer drängen derzeit mit Macht nach Europa. Mit Volvo sammelt deren chinesischer Besitzer Geely seit über zehn Jahren Erfahrungen in der EU. Deren Schwestermarke Polestar ist rein chinesisch und seit zwei Jahren erhältlich.
Auch die Marke London Taxi ist in chinesischer Hand. Aiways ist in Deutschland bereits erhältlich, Xpeng und BYD werden mittelfristig folgen. Die deutsche Mietwagenfirma Sixt setzt sogar im großen Stil auf BYD (China.Table berichtete).
Die Expansion auf den Heimatkontinent des Automobils entspricht auch dem Willen der kommunistischen Führung. Laut dem 14. Fünfjahresplan sollen im Jahr 2025 die beiden führenden Elektroautobauer der Volksrepublik zehn Prozent ihrer Neuwagen im Ausland absetzen.
Warum auch nicht? Europäische Hersteller verdienen seit rund zwanzig Jahren gutes Geld in der Volksrepublik. Wegen der mittlerweile abgeschafften Joint-Venture-Verpflichtung sind sie in China eng mit der dortigen Industrie verzahnt. Die Globalisierung geht nun in die andere Richtung.
Die deutschen Hersteller sind zudem in den vergangenen Jahrzehnten immer chinesischer geworden. Zwanzig Prozent von Daimler befinden sich in chinesischer Hand – zehn Prozent gehören dem Staatsbetrieb Beijing Automotive Group (BAIC). Li Shufu, der Gründer von Geely, besitzt weitere zehn Prozent. Volkswagen wiederum beschäftigt in China mehr als 100.000 Mitarbeiter.
In dieser Gemengelage sieht Ferdinand Dudenhöffer, Automobilprofessor vom Center Automotive Research (CAR), die Klage von Audi gegen Nio eher kritisch. Die Klage stoße in der Branche nicht überall auf Verständnis, sagte er dem Handelsblatt. Das Vorgehen Audis sei kontraproduktiv und würde für ein schlechtes Klima sorgen. “Die Verwechslungsgefahr bei einem SUV und einer Limousine ist doch ziemlich gering”, schließt er.
Vor gut einem Jahr nahm ein bisher beispielloser Handelsstreit zwischen einem EU-Staat und China seinen Lauf. Stein des Anstoßes: die Einrichtung eines “Taiwanbüros” in der litauischen Hauptstadt Vilnius. Peking verhängte darauf Sanktionen gegen Litauen. Die Europäische Union hat mittlerweile eine Beschwerde bei der Welthandelsorganisation (WTO) eingereicht – die Lage für den baltischen EU-Staat hat sich aber kaum verbessert: “Generell steht die gesamte Produktion. Die Exporte von Litauen nach China wurden eingestellt. Nur in Einzelfällen schaffen es Produkte litauischer Firmen auf den chinesischen Markt – meistens sind das Technologieunternehmen”, sagt der Generaldirektor des litauischen Industrieverbands, Ričardas Sartatavičius, China.Table.
Die Verschlechterung der Beziehungen zwischen dem baltischen Land und der Volksrepublik verlief stufenweise und gipfelte letztendlich darin, dass Litauen ganz aus dem Zollsystem Chinas verschwand und die diplomatischen Beziehungen herabgestuft wurden (China.Table berichtete). Wenige Tage nach dem Zoll-Eklat Anfang Dezember erschien das EU-Land zwar wieder als Auswahl-Option im chinesischen System. “Aber das ändert nichts an der Situation”, sagt Sartatavičius. Die Unternehmen könnten Erklärungen ausfüllen, erhielten dann aber keine Bestätigung.
Ein aktuelles Beispiel dafür ist die Getränke-Branche: So seien Container mit Getränken wie Bier von China nach Litauen zurückgeschickt worden, weil die Zollerklärungen nicht akzeptiert worden seien. Der Verband wisse nicht, wie groß der Schaden für die litauische Getränke-Industrie bisher sei. “Aber wenn der chinesische Markt dafür vollständig geschlossen wird, könnten die Unternehmen zwei bis fünf Millionen Euro an Einnahmen im Jahr verlieren. Auf staatlicher litauischer Ebene ist das ein kleiner Geldbetrag, aber für Unternehmen ist das viel.”
Im Frühjahr dieses Jahres wurde überraschend wieder etwas mehr Ware durch den Zoll gelassen – für den Sommer sank die Zahl dann wieder. Im September sind die Einfuhren aus Litauen in die Volksrepublik laut chinesischer Zollangaben um 91,4 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat zurückgegangen. Betroffen seien Metall- und Holzprodukte, die zuvor zu den Top-5-Exportwaren des baltischen Staats gehörten. Die Ausfuhren seien “vollständig vernichtet”, so Sartatavičius. Auch Hightech-Laser und Torf-Exporte gehören zu den betroffenen Produkten.
Litauens Exporte nach China hatten im Dezember 2021 einen nahezu vollständigen Einbruch erlitten. Lediglich Waren im Wert von rund 3,35 Millionen Euro schafften es in dem Monat durch den chinesischen Zoll, wie Sartatavičius erklärt. Ein massiver Rückgang im Vergleich zum Vorjahr: Da seien es Waren im Wert von 38 Millionen Euro gewesen. Auch im November 2021 lief der Handel noch. Litauen exportierte Waren im Wert von gut 37 Millionen Euro in die Volksrepublik. Im selben Monat hatte das taiwanesische Handelsbüro in Vilnius eröffnet.
Dass China einige Waren ins Land tröpfeln lässt, scheint Verschleierungstaktik – so werden die Beweise für die EU-Beschwerde bei der WTO weniger eindeutig. Aber auch die Litauer sind findig. Dazu werde beispielsweise auf Häfen im lettischen Riga oder im polnischen Danzig ausgewichen. Für Importe aus der Volksrepublik wird ebenfalls “getrickst” und als Entladehafen Riga angegeben. Die lettische Hauptstadt ist mit Lkw-Transport gut an Nord-Litauen angebunden. “Die Unternehmen suchen natürlich nach verschiedenen Lösungen”, sagt Sartatavičius.
China hatte im vergangenen Jahr Druck auf Unternehmen aus anderen EU-Staaten ausgeübt, die mit litauischen Zulieferern arbeiteten oder selbst in Litauen produzierten. Auch hier scheint die Lage weiterhin schwierig. Gesprächsanfragen an betroffene Unternehmen wie den Reifenhersteller Continental wurden abgelehnt. Die litauischen Unternehmen hoffen nun auf einen Erfolg bei der WTO, wie Sartatavičius berichtet.
Auch wenn das noch dauern könnte. “Wir rechnen nicht mit einer baldigen Entscheidung. Das kann ein paar Jahre dauern.” Der direkte Nutzen für litauische Unternehmen stehe zudem noch in den Sternen: “Gemäß den WTO-Entscheidungen gibt es weder eine Verpflichtung, die entstandenen Verluste zu kompensieren, noch eine Garantie dafür, dass die Probleme nicht wieder vorkommen.”
Hoffnungsvoll blickt man in Richtung Brüssel: Auf EU-Ebene wird derzeit über ein neues Instrumentarium diskutiert, um auf solche Praktiken künftig besser antworten zu können. Die EU-Kommission hatte Ende 2021 ihren Vorschlag (China.Table berichtete) für das sogenannte Anti-Coercion-Instrument vorgestellt. Derzeit arbeiten Europaparlament und der Rat der Mitgliedsstaaten daran, ihre Änderungswünsche zu formulieren. Der Trilog zwischen den EU-Institutionen soll in den kommenden Wochen beginnen, um die finale Fassung der Verordnung festzulegen.
Der Handelsausschuss soll am kommenden Montag die Position des Europaparlaments festzurren. Die Abgeordneten wollen den Kommissionsvorschlag an einigen Stellen verschärfen, wie die von Berichterstatter Bernd Lange zusammengetragenen Änderungswünsche zeigen, die Europe.Table vorliegen. So soll schon die Androhung von Zwangsmaßnahmen durch Drittstaaten ausreichen, damit die Kommission tätig werden kann. Zudem soll sie weiterreichende Maßnahmen verhängen können, um den entstandenen Schaden in einem EU-Land zu kompensieren.
Zu dem vorgesehenen Arsenal zählt etwa, dass die EU Waren aus China oder anderen aggressiv auftretenden Ländern mit höheren Zöllen belegen kann oder deren Unternehmen von öffentlichen Aufträgen in der EU ausschließen. Die Kommission will sich hier weitgehende Entscheidungsbefugnisse einräumen. Das Europaparlament drängt aber auf weiterreichende Informationspflichten der Behörde. Die Mitgliedsstaaten fordern im Rat überdies mehr Mitsprache bei der Verhängung der Gegenmaßnahmen. Mitarbeit: Till Hoppe
Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) sieht Entspannung entlang der Lieferkette. “Etwas Hoffnung machen gesunkene Containerpreise und ein höherer Containerumschlag an europäischen Häfen”, sagte DIHK-Außenwirtschaftschef, Volker Treier, gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters. Das Statistische Bundesamt hatte zuvor positive Außenhandelszahlen veröffentlicht. Die Exporte nach China nahmen deutlich zu. Sie stiegen im August um 2,9 Prozent auf 9,2 Milliarden Euro. Insgesamt machte die starke Nachfrage aus den USA und China das schrumpfende Geschäft mit den von der Energiekrise geplagten EU-Staaten mehr als wett.
Der DIHK bleibt gleichwohl im Ausblick so pessimistisch, wie es die Gasknappheit vermuten lässt. “Das leichte Wachstum der Ausfuhren im August ist nur ein letztes Aufflackern vor einem kalten Exportwinter“, so Treier. “Enorme Kostensteigerungen für Energie und eine durch Inflation weltweit geschwächte Kaufkraft lasten wie Blei auf der deutschen Export-Wirtschaft.” Die Unternehmen seien dazu gezwungen, ihre Kostensteigerungen an ihre Kunden weiterzugeben. Das gelinge aber nur teilweise. Deutsche Waren werden wegen hoher Kosten weltweit weniger wettbewerbsfähig sein. rtr/fin
Während Chinas Süden und Mitte unter einer ungewöhnlichen Hitzewelle leiden, ist für den Norden die erste Kältewarnung des Jahres herausgegeben worden. Starke Temperaturabfälle um fast 20 Grad und Stürme könnten bis Donnerstag die nördlichen Regionen des Landes treffen, teilte die nationale Wetterwarte mit. Der sogenannten blaue Alarm war der am frühesten herausgegebene in den bisherigen Aufzeichnungen der Kälteperioden, wie die staatliche Nachrichtenagentur Xinhua berichtete.
In den zentralen und östlichen Teilen Chinas gab es indes überdurchschnittlich hohe Temperaturen, in Südchina wurde sogar von einer Hitzewelle gesprochen. Dort gab es Temperaturen bis zu 37 Grad, an einigen Orten wurden sogar Tageshöchsttemperaturen von 40 Grad erwartet.
Der Leiter der nationalen Wetterwarte, Zhang Tao, sagte demnach, dass am Mittel- und Unterlauf des Yangtse am vergangenen Wochenende Rekordtemperaturen für dieses Datum gemeldet worden seien. Vor dem Eintreffen der Kältewelle dort werde die Hitzewelle voraussichtlich noch größere Gebiete treffen, so Zhang. Die Kältewelle solle dann auf ihrem Weg nach Süden mittlere bis starke Regenfälle bringen, hieß es. Einige Gebiete könnten dem Bericht zufolge von Gewittern, Hagel, Stürmen und starken Regen betroffen werden. Im Sommer hatte die Volksrepublik unter einer beispiellosen Hitzewelle gelitten (China.table berichtete). ari
Taiwan hat nach eigenen Angaben für den Fall eines Konflikts mit China Bestandsaufnahmen für wichtige Vorräte wie Nahrungsmittel und Energie erstellt. Es sei bereits gesetzliche festgelegt, dass der staatliche Energieerzeuger Taipower und die Raffinerie CPC Energievorräte unterhalten müssen, teilte der stellvertretende taiwanesische Wirtschaftsminister Chen Chern-chyi mit. “Wir wollen sicherstellen, dass wir in Taiwan für einen bestimmten Zeitraum Vorräte haben, einschließlich Lebensmittel, wichtiger Vorräte, Mineralien, Chemikalien und natürlich Energie”, so Chen. “Wir haben ein System, wir führen jeden Monat eine Bestandsaufnahme durch.”
Besonderer Fokus liegt dabei auf der Speicherung von Energie. Taiwans Energiemix besteht derzeit aus verflüssigtem Erdgas (LNG), Kohle, Kernenergie und erneuerbaren Energien. Letztere will die Regierung in Taipeh verstärkt ausbauen. Mit der Abkehr von Kohle- und Atomkraftwerken will Taiwan auch mehr Strom aus LNG erzeugen und baut vor seiner Nordwestküste ein riesiges neues LNG-Terminal. Wirtschaftsministerin Wang Mei-hua erklärte vor dem Parlament, dass es Pläne gebe, die LNG-Speicherkapazität noch weiter zu erhöhen. ari/rtr
Der US-Elektronikanbieter Apple fordert seine Zulieferer erstmals auf, auch die Kopfhörertypen AirPods und Beats in Indien herzustellen. Das erfuhr die japanische Wirtschaftszeitung Nikkei aus Firmenkreisen. Bis zum kommenden Jahr sollen die Auftragsfertiger Foxconn und Luxshare Precision Industry entsprechende Produktionsanlagen in Indien einrichten. Luxshare ist ein chinesisches Unternehmen. Es fertigt auf Geheiß von Apple auch in Vietnam.
Apple setzt derzeit voll auf Indien als Alternative zu China (China.Table berichtete). Das neue iPhone wird bereits zu einem nennenswerten Teil dort hergestellt. Das bedeutet aber keine Abkehr von etablierten Partnern. Der bewährte taiwanische Auftragshersteller Foxconn expandiert nun in Indien und baut dort in der Nähe von Chennai Fabriken aus. Bis 2025 soll Apples Abhängigkeit vom Standort China deutlich sinken. fin
Die vom chinesischen Unternehmen Bytedance betriebene Social-Media-Plattform Tiktok zeigt in Deutschland weiterhin Kommentare und Posts nicht an, die bestimmte Begriffe enthalten. Das zeigten Recherchen von Tagesschau.de, WDR und NDR. In dem Test mit insgesamt 70 Wörtern und Wortkombinationen wurden demnach mindestens 20 Kommentar-Bestandteile entdeckt, die dafür sorgen, dass ein Beitrag versteckt und Nutzern weniger in den Feeds gezeigt wird. Ein einheitliches Filtermuster gab es laut Tagesschau.de aber nicht: Kommentare mit den Begriffen “Cannabis” und “Kokain” soll Tiktok mehrfach versteckt haben. Beiträge mit “Crystal Meth” und “Ecstasy” wurden hingegen angezeigt.
Kommentare, die die Worte “Klimakrise” und “Klimawandel” enthielten, wurden laut dem Bericht während des Tests “in den meisten Fällen” versteckt. Außerdem sprangen die Filter demnach in einigen Fällen auf Wörter aus dem Kontext des Kriegs gegen die Ukraine an, beispielsweise bei “Truppen” oder “Völkerrecht”. Bei Recherchen im Frühjahr hatte Tagesschau.de bereits über geblockte Begriffe auf Tiktok berichtet (China.Table berichtete). Zu diesen gehörten damals unter anderem der Name der chinesischen Tennisspielerin Peng Shuai, sowie Begriffe aus der LGBTQI-Community, wie “homo”, “gay” oder “queer”. Zudem waren Worte aus dem Kontext des Nationalsozialismus blockiert. ari
Dass Wladimir Putin in der Ukraine immer wieder scheitert, stellt sein strategisches Bündnis mit dem chinesischen Präsidenten Xi Jinping auf eine harte Probe. Während Putin immer verzweifelter wird, muss Xi endlich erkennen, wie sehr seine “Freundschaft ohne Grenzen” mit dem russischen Präsidenten die wirtschaftliche Gesundheit Chinas, die weltweite Stabilität und seine eigenen geopolitischen Ziele bedroht.
Ob Putin nun im letzten Monat mit seiner Drohung, in der Ukraine taktische Nuklearwaffen einzusetzen, geblufft hat oder nicht: Will Xi als verantwortungsvoller Staatschef gelten, muss er das Schlimmste befürchten. Immerhin ist die Möglichkeit eines Nuklearschlags, um russisches Gebiet gegen eine existenzielle Bedrohung zu verteidigen, in der russischen Militärdoktrin ausdrücklich vorgesehen. Russlands illegale Annektierung der besetzten ukrainischen Regionen Luhansk, Donezk, Cherson und Saporischschja könnte also ein Anlass dafür sein.
Xi, der sich Ende dieses Monats auf dem 20. Nationalkongress der Kommunistischen Partei Chinas wahrscheinlich eine beispiellose dritte Amtszeit als chinesischer Staatschef sichern wird, muss nun alles daran setzen, einen Dritten Weltkrieg zu verhindern. Seit dem Einsatz der US-amerikanischen Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki im August 1945 könnten also in der Ukraine erstmals wieder Nuklearwaffen zum Einsatz kommen. Dies würde eine katastrophale globale Krise auslösen und Xis Krönungszeremonie massiv stören.
Als Xi und Putin im Februar bei den Olympischen Winterspielen in Peking das Sino-Russische Abkommen zur Zusammenarbeit unterzeichneten, muss der Plan, die Ukraine zu erobern, wie ein Spaziergang gewirkt haben: ein schneller Sturz der ukrainischen Führung durch die Russen, der die USA und die NATO blamiert hätte. Außerdem mag Xi gedacht haben, ein Stellvertreterkrieg würde die Aufmerksamkeit der USA von ihrer Rivalität zu China ablenken.
Doch dann schlug die Ukraine zurück und brachte die unzähligen Schwächen des russischen Militärs ans Tageslicht. Letzteres hat sich nun nach einer eindrucksvollen ukrainischen Gegenoffensive aus der Charkiw-Region im Nordosten zurückgezogen – und erleidet in der Nähe von Cherson im Süden schwere Verluste.
Als Xi beim jüngsten Gipfel der Schanghaier Organisation für Zusammenarbeit im usbekischen Samarkand Putin traf, hat er mit ziemlicher Sicherheit seine Verstimmung über die russischen Fehlschläge geäußert. Offiziell hat Xi die Ukraine überhaupt nicht erwähnt, aber Putin hat Chinas “Fragen und Sorgen” über den Krieg öffentlich zugegeben – ein seltenes Eingeständnis der Spannungen zwischen den beiden Ländern. Xis offizielles Schweigen stand im massiven Gegensatz zur Reaktion des indischen Ministerpräsidenten Narendra Modi, der – in einer bemerkenswerten Kehrtwende – Putin öffentlich getadelt hat.
Trotz Xis öffentlicher Zurückhaltung ist es schwer zu glauben, dass er sich nicht fragt, ob er, als er sein politisches Schicksal an einen so leichtsinnigen Verbündeten knüpfte, die richtige Entscheidung getroffen hat. Putins “Teilmobilisierung” von 300.000 Russen für den Kampf in der Ukraine hat im ganzen Land Proteste ausgelöst und über 200.000 junge Männer in die Flucht getrieben. Die Qualität von Putins neuen Rekruten – zu denen auch Strafgefangene gehören – wird wahrscheinlich nicht dazu beitragen, die russischen Kriegsbemühungen zu unterstützen oder Xis Sorgen zu lindern.
Angesichts dessen, dass die Moral der russischen Truppen bereits am Boden ist, könnte ein Zustrom mutloser und schlecht ausgebildeter Wehrpflichtiger die Auflösung von Putins Militär und den Zusammenbruch seines Regimes noch beschleunigen – ähnlich wie die schwache Führung des Zaren Nikolaus II im Ersten Weltkrieg zum Zusammenbruch der zaristischen Armeen und zur Russischen Revolution von 1917 geführt hat. Angesichts seiner direkten Appelle an die russischen Soldaten, entweder aufzugeben oder zu sterben, scheint der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj den verheerenden Zustand des russischen Militärs besser erkannt zu haben als Putin selbst.
Der Sinn eines Stellvertreterkriegs besteht darin, seinen Feind zu schwächen, aber für Xis Zwecke hat Putin genau das Gegenteil erreicht. Die NATO ist heute stärker als je zuvor seit dem Ende des Kalten Krieges: Bisher neutrale Länder wie Schweden und Finnland bemühen sich um einen Beitritt, und asiatische Staaten wie Japan, Südkorea – und zunehmend auch Indien – äußern ihre Unterstützung für die amerikanische Ukraine-Politik.
Statt China zu helfen, sich als Gegengewicht zur globalen US-Hegemonie zu positionieren, hat sich Russland als so schwach und korrupt erwiesen, dass es nicht einmal ein mittelgroßes Land besiegen kann. Angesichts dessen, dass Putin nun direkte Befehle an russische Kommandeure erteilt, muss das chinesische Militärbündnis mit Russland für Xi ziemlich wertlos wirken.
Auch wenn die Wahrscheinlichkeit, dass Putin in der Ukraine eine Nuklearwaffe einsetzt, gering erscheint, kann es nicht völlig ausgeschlossen werden. Also müssen die chinesischen Politiker einzuschätzen versuchen, wie die USA und die NATO reagieren werden, falls Putin seine Drohung wahr macht. Angesichts der kompromisslosen – wenn auch immer noch zweideutigen – Aussagen von US-Präsident Joe Biden kann man sicher annehmen, dass die internationale wirtschaftliche und militärische Reaktion noch viel härter ausfallen würde als die bereits gegen Russland bestehenden Sanktionen.
Sollte Putin die ukrainischen Gebiete, die er illegal annektiert hat, tatsächlich mit taktischen Nuklearwaffen “verteidigen”, könnte er damit eine Horror-Büchse der Pandora öffnen. Bereits jetzt hat sein Krieg beispielsweise die ukrainischen Atomkraftwerke in erhebliches Chaos gestürzt: Neben anderen Sorgen über ihren Betrieb kann nicht mehr vorausgesetzt werden, dass die verbrauchten Brennstäbe während der Kämpfe dort immer sicher aufbewahrt wurden. Dies eröffnet die erschreckende Möglichkeit, dass irgendein verrückter Partisan aus Rache eine “schmutzige Bombe” bauen könnte.
Putins Annektierung könnte auch die “Ein-China-Politik” hinsichtlich Taiwan untergraben, die vom größten Teil der Welt akzeptiert wird. Einige osteuropäische Länder äußern bereits Zweifel an der Klugheit dieser Politik. Sollte Xi, der das Prinzip territorialer Integrität immer standhaft verteidigt hat, Putins Besatzung stillschweigend akzeptieren, könnten andere Staaten zu dem Schluss kommen, die “Ein-China-Politik” sei aufgrund von Xis Scheinheiligkeit nicht mehr gerechtfertigt.
Seit seinem Amtsantritt vor zehn Jahren hat Xi immer wieder die Sorge geäußert, China könnte derselben Art politischer und wirtschaftlicher Auflösung zum Opfer fallen, die zum Zusammenbruch der Sowjetunion geführt hat. Putins momentanes Dilemma sollte als weiteres abschreckendes Beispiel dienen. Der Gedanke an ein Regime, das so marode ist, dass es von innen her zusammenfällt, muss Chinas Präsidenten fast so sehr umtreiben wie die Drohung eines nuklearen Krieges.
Charles Tannock, ehemaliges Mitglied des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten des Europäischen Parlaments, ist Fellow bei Globsec, einem Thinktank in Bratislava, der sich der Verbesserung von Sicherheit, Wohlstand und Nachhaltigkeit verpflichtet hat. Übersetzung: Harald Eckhoff.
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Ulf Röller berichtet ab sofort für das ZDF aus Brüssel über die Europäische Union. Röller war bis vor Kurzem ZDF-Korrespondent in Peking. Er folgt als Leiter des Brüsseler Studios Anne Gellinek nach.
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