möglicherweise agiert der chinesische Geheimdienst auf deutschem Boden. Das ist zumindest die schlüssigste Erklärung für das, was der Demokratie-Aktivistin Su Yutong widerfährt. An ihrer Haustür klingeln Männern und bedrohen sie, im Netz wird ihre deutsche Adresse im Zusammenhang mit schlüpfrigen Bildern veröffentlicht.
Anderen Menschenrechtlern fällt auf, dass sie bei Demos in europäischen Hauptstädten von chinesisch aussehenden Herren fotografiert werden, schreibt Fabian Peltsch. Es werden bereits Forderungen nach einem Anti-Spionage-Gesetz laut. Dabei würde bereits helfen, wenn sich in Deutschlands Sicherheitsbehörden jemand für den Schutz chinesischer Dissidenten zuständig fühlte.
Patienten in China ist die Praxis geläufig, dem Arzt eine Aufmerksamkeit in einem roten Umschlag zukommen zu lassen. Dann gibt es beispielsweise den Ultraschalltermin oder die OP etwas schneller. Pharmafirmen wiederum zahlen großzügige Rückvergütungen an Chefärzte, wenn deren Krankenhaus ihre Arzneien bestellt.
Nun kommt es zum Aufstand gegen die korrupten Mediziner – und wie so oft in China droht auch schon wieder eine Übertreibung. Fabian Kretschmer berichtet aus Peking von der Hexenjagd gegen Ärzte, die auch schon Unschuldige erfasst.
Im Jahr 2010 floh Su Yutong aus China nach Deutschland. In ihrer Heimat war die Aktivistin, Journalistin und Bloggerin zur Zielscheibe der Behörden geworden, nachdem sie die Tagebücher des ehemaligen Ministerpräsidenten Li Peng in Umlauf gebracht hatte. Li Peng war maßgeblich am Tian’anmen-Massaker 1989 beteiligt.
In Deutschland fühlte Su sich ursprünglich sicher. Inzwischen sieht sie sich auch hier bedroht und unter Druck gesetzt. Sie prangert von Deutschland aus Menschenrechtsverletzungen durch den chinesischen Staat an, zum Beispiel über das US-Medium Radio Free Asia. Regelmäßig nimmt sie an Demonstrationen teil, etwa vor der chinesischen Botschaft in Berlin, und zeigt dabei als eine der wenigen Aktivistinnen chinesischer Herkunft ihr Gesicht.
Seit Jahren erhält Su Drohanrufe und Nachrichten via Whatsapp und Telegram. In den vergangenen zwei Jahren habe die Bedrohung jedoch eine neue Qualität erreicht. Fremde Männer klingelten an ihrer Tür. Jemand hatte Fotos von ihr auf Sex-Dating-Webseiten hochgeladen und mitsamt ihrer Adresse veröffentlicht.
Es gab Hotelbuchungen in Sus Namen, die dann über anonyme Hinweise bei der Polizei mit Bombendrohungen in Verbindung gebracht wurden, ähnlich jenen, wie sie zuletzt die niederländische Journalistin und ehemalige China-Korrespondentin Marije Vlaskamp öffentlich gemacht hatte. Es seien Zermürbungstaktiken, darauf ausgerichtet, ihre psychische Gesundheit zu zerstören, sagt Su.
“Das Ziel dieser Leute ist, mich ängstlich und nervös zu machen, und mein Sozialleben zu zerstören. Ich habe mir aber gesagt, dass ich ihnen nicht dabei helfen darf, dieses Ziel zu erreichen.” Sus Strategie ist daher die Flucht nach vorn. Auf ihren Social-Media-Kanälen macht sie die Belästigungen und Bedrohungen öffentlich. Sie spricht mit Medien und kontaktiert Polizei und Behörden, so oft es geht. “Ich bewahre die Ruhe, das zeigt ihnen, dass ich keine Angst habe.”
Das Gefühl, in Gefahr zu sein, begleitet sie dennoch ständig. Nachdem immer wieder Männer an ihrer Wohnungstür in Berlin aufgetaucht waren, riet ihr das eingeschaltete LKA, umzuziehen. Su glaubt, dass die chinesische Regierung und die chinesische Botschaft in Deutschland aktiv daran beteiligt waren, ihre Adresse auszuspionieren, und dass sie Menschen dafür bezahlen, sie unter Druck zu setzen.
Buchungen in Hotels unter ihrem Namen in Städten wie Houston, Los Angeles und Istanbul seien teilweise für viel Geld bezahlt worden. Auch deshalb glaubt Su nicht, dass einzelne chinesische Patrioten, sogenannte Little Pinks 小粉红, dahinterstecken, die ihr als “Verräterin Chinas” einen Denkzettel verpassen wollen. Dabei verweist sie auch auf die jüngst bekanntgewordenen Fälle, in denen Chinas Behörden über Polizeistationen im Ausland gezielt Dissidenten verfolgt haben.
Auf Demonstrationen tauchten zudem immer wieder chinesisch sprechende Menschen auf, die sie und andere Teilnehmer unverhohlen filmten. Andere Demonstranten wie der in Aachen studierende Tian Ruichen bestätigen das: “Gerade in einer kleinen Stadt wie Aachen können die Teilnehmer leicht identifiziert werden, selbst wenn sie Masken und Sonnenbrillen tragen.”
Die Gefahr bestehe jedoch nicht nur in einer direkten Überwachung vor Ort. Tian glaubt, dass die Behörden auch Fotos von Social-Media-Kanälen wie Wechat auswerten. “Diese Bilder können von der chinesischen Internetüberwachung gesammelt werden, um die Teilnehmer zu identifizieren und die Proteste zu überwachen.”
Eine übliche Vorgehensweise ist Tian und Su zufolge, zusätzlich Verwandte von Demonstranten und Aktivisten zu Hause in China mit Anrufen und persönlichen Besuchen unter Druck zu setzen. Besonders zu Jahrestagen des Tian’anmen-Massakers oder politischen Treffen wie dem jährlichen Volkgskongress erhalten ihre Eltern, aber auch ihr Bruder regelmäßig Besuch von den Behörden, sagt Su. In diesem Zusammenhang werde sie dann als “Anti-China-Agentin” gebrandmarkt, die man gemeinsam von ihren Aktivitäten im Ausland abbringen müsse. Andernfalls drohen ernste Konsequenzen. “Früher hatte ich mehr Kontakt zu meiner Familie, aber es wird immer weniger. Ich möchte nicht noch mehr Druck auf sie ausüben”, sagt Su.
Die chinesische Botschaft in Berlin erklärte auf Anfrage deutscher Medien diesen Monat, die Berichte über Repressalien gegenüber Chinesen in Deutschland seien unwahr. “Die Vorwürfe von denjenigen, die behaupteten, dass sie von China belästigt, bedroht oder durch Geldangebot zum Schweigen gebracht wurden, sind reine Erfindung und dienen nur der Verleumdung und Verunglimpfung Chinas”, zitieren SZ und Tagesspiegel aus einer Mail der Botschaft.
Die Zeitungen berichteten weiter, dass sich in solchen Fällen weder die Polizei noch die Nachrichtendienste richtig zuständig fühlen. Denn es handelt sich um grenzüberschreitende Unterdrückung. “Fälle wie meiner werden von der Polizei nur als gewöhnliche Drohungen und Belästigungen angesehen. Ich möchte das deutsche Parlament und die Regierung deshalb auffordern, einen Gesetzentwurf einzubringen, nach dem chinesische Agenten und deren Spionage gestoppt und bestraft werden können”, sagt Su Yutong.
Andernfalls werde Peking noch mehr Tür und Tor geöffnet, um seinen Einfluss kritiklos auszuweiten. Schon jetzt spüre man Chinas langen Arm in deutsch-chinesischen Freundschaftsvereinen oder in den Lobeshymnen “nützlicher Idioten” in den Medien, dem Universitätsumfeld und der Geschäftswelt. “Diese Menschen sind ausschließlich an Chinas Wirtschaft interessiert und lassen demokratische Werte wie Meinungsfreiheit und Menschenrechte unter den Tisch fallen”, glaubt Su. “Eines Tages werden die demokratischen Länder den Preis dafür zahlen.”
Was zuvor meist mit einem resignierten Schulterzucken quittiert wurde, landet nun immer öfter vor Gericht: Korruption im chinesischen Gesundheitswesen. Konkret geht es beispielsweise um Zahlungen, die Mediziner unter der Hand für eine schnellere oder bessere Behandlung einfordern. Auch illegale Zuwendungen von Medikamentenherstellern an Chefärzte lösen regelmäßig Entrüstung aus.
Die spektakulärsten Fälle schaffen es derzeit fast täglich auf die Titelseiten der Staatszeitungen: Der Vize-Präsident eines Krankenhauses in der Provinz Liaoning soll umgerechnet 400.000 Euro von einem Pharma-Konzern angenommen haben, um diesem zu Aufträgen zu verhelfen. Im südlichen Yunnan ließ sich ein Oberarzt rund zwei Millionen Euro zahlen, damit sein Spital das medizinische Gerät eines bestimmten Herstellers einkauft.
Ende Juli hat die zentrale Disziplinarkommission der kommunistischen Partei eine bisher beispiellose Kampagne gegen Korruption im Gesundheitswesen ausgerufen. Unter anderem wurden die lokalen Behörden dazu aufgefordert, ihre Strafverfolgung zu intensivieren und insbesondere hochrangige Funktionäre ins Visier zu nehmen.
Wenig überraschend rollten schon bald Köpfe: Allein bis Mitte August wurde bereits gegen mehr als 150 Leiter von öffentlichen Krankenhäusern ermittelt, mehr als doppelt so viele wie 2022. Auch etliche Spitzenmanager von Arzneimittelherstellern gerieten ins Visier der Regulatoren und haben ihre Jobs verloren.
Aus vorauseilendem Gehorsam haben Branchenverbände in diesem Monat bereits mindestens elf medizinische Konferenzen kurzfristig abgesagt, wie das Online-Medium The Paper berichtet.
Zwar wurden keine offiziellen Gründe genannt, doch ein Zusammenhang mit der derzeit laufenden Anti-Korruptionskampagne ist offensichtlich: Gesundheitskonferenzen wurden in der Vergangenheit von der Pharmaindustrie gezielt dafür genutzt, um Bestechungsgelder in Form von Vortragshonoraren zu verteilen. Denn in chinesischen Krankenhäusern stellen die Ärzte nicht nur Rezepte aus, sondern verfügen meist über hauseigene Apotheken, wo sie genauestens über die Wahl der verkauften Arzneimittel verfügen können.
In einer am Februar publizierten Studie untersuchten Forscher der renommierten Peking Universität die Gründe für die weit verbreitete Korruption. Allen voran machten die Studienautoren den finanziellen Druck unter den Medizinern verantwortlich. “In unserem Bezirkskrankenhaus können über 60 Prozent der Ärzte ihre Familien nicht ernähren, wenn sie sich ausschließlich auf ihre Gehälter verlassen”, wird ein Doktor zitiert. Eine andere Oberärztin sagt: “Wenn die meisten Kollegen auf meiner Station Schmiergelder erhalten, kann ich diese doch nicht ablehnen. Ich werde isoliert, wenn ich ihrem Beispiel nicht folge”.
Dementsprechend dürfte die derzeitige Anti-Korruptionskampagne vor allem die Symptome bekämpfen, nicht jedoch die Ursache. Ohne eine bessere Finanzierung des Gesundheitswesens in der Volksrepublik wird es kaum zu nachhaltigen Verbesserungen kommen.
Es ist bemerkenswert, dass viele Publizisten die Maßnahmen der Behörden durchaus skeptisch betrachten. Hu Xijin, ehemaliger Chefredakteur der nationalistischen Global Times, mahnt etwa an: “Wir sollten umfassend sicherstellen, dass die Korruptionsbekämpfung innerhalb des gesetzlichen Rahmens durchgeführt wird. Dies ist keine sogenannte Massenbewegung”.
Hus Kritik spielt auf die radikalen Kampagnen der 60er-Jahre unter Staatsgründer Mao Zedong an, die maßlos über ihr intendiertes Ziel hinausschossen.
Eine solche Befürchtung ist durchaus berechtigt. Auf der Online-Plattform Weibo lässt sich bereits eine regelrechte Hexenjagd gegen das Gesundheitspersonal beobachten. Unzählige Ärzte werden von den Usern namentlich an den Pranger gestellt – und ohne jegliche Beweise schwerwiegender Korruption bezichtigt.
Dabei dürfte es auch etliche Unschuldige treffen: Ein Kardiologe etwa berichtet in einem Online-Posting, dass er kürzlich von einem Patienten wegen angeblicher Korruption gemeldet wurde und daraufhin sein Jahresboni gestrichen bekam. Der Vorwurf: Eine Patientin hatte sich nach einer Operation mit ein paar Lunch-Boxen und Milchkaffees beim Krankenhausteam bedankt. Fabian Kretschmer
Sinolytics ist ein europäisches Beratungs- und Analyseunternehmen, das sich auf China spezialisiert hat. Es berät europäische Unternehmen bei der strategischen Ausrichtung und den konkreten Geschäftsaktivitäten in der Volksrepublik.
Die chinesischen Statistiker haben damit aufgehört, die Jugendarbeitslosigkeit auszuweisen. Sie veröffentlichen nur noch die gesamte Arbeitslosenquote und verzichten mit den Juli-Zahlen darauf, sie nach Alter aufzuschlüsseln. Die Arbeitslosigkeit war unter den 16- bis 24-Jährigen zuletzt stark gestiegen. Beobachter sehen die Änderung der Statistik als Versuch, die großen Probleme junger Menschen auf dem Arbeitsmarkt herunterzuspielen.
Das Nationale Statistik-Amt begründete die Auslassung am Dienstag damit, dass “Gesellschaft und Wirtschaft sich konstant weiterentwickeln” und die alte Zählweise veraltet sei. Von den 16- bis 24-Jährigen sei eine große Mehrheit noch in Ausbildung, Schule oder Uni. Die Jugend dauere heute länger. Ein Sprecher gab aber zu, dass der Wert – wenn er dann bekannt würde – im Juli saisonal bedingt besonders hoch ausgefallen wäre. fin
Ist es ein Sicherheitsrisiko, wenn europäische Netzbetreiber mit chinesischen Komponenten in ihren Mobilfunknetzen arbeiten? Über diese Frage streitet derzeit das Bundesinnenministerium mit den betroffenen Unternehmen. Jetzt zeichnet sich nach Informationen des Handelsblatts wenigstens in Deutschland ein Kompromiss ab. Demnach müssten Deutsche Telekom, Telefónica und Vodafone lediglich sicherheitskritische Teile austauschen.
Offiziell wollten die Unternehmen sich nicht zum Stand der Gespräche äußern. Experten halten es aber für wahrscheinlich, dass sich beide Seiten auf so eine Regelung einigen könnten. Denn diese Lösung wäre finanziell deutlich günstiger als der vollständige Ausbau. Außerdem wäre sie schneller umsetzbar und mit weniger Einschränkungen für den Betrieb verbunden.
So ein Kompromiss könnte auch als Vorlage für eine europäische Lösung dienen. EU-Binnenmarktkommissar Thierry Breton hat immer wieder deutlich zum Ausdruck gebracht, dass er große Sicherheitsbedenken hat und am liebsten gar keine Technologie von Anbietern wie Huawei oder ZTE mehr in europäischen Netzen sehen möchte – so wie die USA es ihren Unternehmen auferlegt haben.
Die Netzbetreiber – auch in Deutschland – wehren sich jedoch gegen die Verbannung von Huawei. Ein Ausbau aller chinesischen Komponenten würde nach Aussagen der Netzbetreiber auch den weiteren 5G-Netzausbau bremsen. Experten halten die Kompromisslösung für technisch anspruchsvoll, aber machbar. Voraussetzung sei allerdings, dass Huawei entsprechende Schnittstellen bereitstellt. Das ist angesichts der Alternative, in Europa gar kein Geschäft mehr zu machen, recht wahrscheinlich. vis
Auf dem europäischen Markt sinkt die Bedeutung deutscher Waren. Chinesische Produkte hingegen spielen eine zunehmend wichtige Rolle. Das zeigt eine neue Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW): Zur Jahrtausendwende machten deutsche Produkte noch rund 14 Prozent an den gesamten EU-Importen aus. Im vergangenen Jahr war dieser Anteil auf 12,5 Prozent gesunken. Demgegenüber legten chinesische Waren von 2,6 Prozent auf 8,8 Prozent zu.
Besonders betroffen sind vermeintliche deutsche Exportschlager wie Maschinen, chemische Produkte, Metallerzeugnisse oder Autos. Der deutsche Vorsprung von über 15 Prozentpunkten von Deutschland war bis zum Jahr 2022 auf 2,5 Prozentpunkte gesunken. Bei Computern und anderen elektrischen und optischen Geräte hat die Volksrepublik Deutschland sogar überholt. Hier stieg der chinesische Anteil von 4,5 auf 27,4 Prozent, der deutsche sank von 10,7 auf 9,3. “Das deutsche Exportmodell scheint zunehmend ins Wanken zu geraten”, sagte Studienautor und Außenhandelsexperte Jürgen Matthes zu diesen Ergebnissen. cyb
Der weltweit zweitgrößte Elektroauto-Hersteller BYD will die Technik für selbstfahrende Fahrzeuge offenbar doch selbst weiterentwickeln, statt sich mit dem KI-Konzern Baidu zusammenzutun. BYD hatte im vergangenen Jahr bekannt gegeben, die nächsten Stufen des autonomen Fahrens gemeinsam mit Baidu erklimmen zu wollen. Robo-Taxis der BYD-Sparte Apollo fahren bereits selbsttätig mit Baidu-Technik.
Die Nachricht gilt als schwerer Schlag für Baidu. Das Pekinger Unternehmen positioniert sich derzeit als Anbieter von IT für die Autoindustrie. Baidu hat als Suchmaschinenbetreiber angefangen, sieht sich aber inzwischen als universellen Anbieter von KI-Lösungen für verschiedene Branchen.
Baidu bietet seine Dienste beispielsweise schon dem BYD-Rivalen Geely an. Eine Kooperation mit BYD wäre aber eine noch deutlich wertvolle Referenz gewesen. Einen Robo-Laster hat Baidu bereits selbst entwickelt. fin
Chinas Geburtenrate ist im vergangenen Jahr auf ein Rekordtief von 1,09 gesunken, berichtet die Zeitung National Business Daily am Dienstag. Im Vorjahr betrug sie noch 1,16. Damit sinkt die Zahl der Neugeborenen noch schneller als befürchtet. In Zukunft könnte Arbeitskräftemangel die Konjunktur belasten.
Aus Sorge über den Bevölkerungsrückgang in China seit sechs Jahrzehnten und die rasche Alterung der Bevölkerung versucht Peking mit einer Reihe von Maßnahmen, die Geburtenrate zu erhöhen, darunter finanzielle Anreize und verbesserte Kinderbetreuungseinrichtungen. rtr/fin
Die Bundesregierung hat ihre kürzlich vorgelegte China-Strategie in der Einleitung mit “Partner, Wettbewerber, systemischer Rivale” überschriebenen. Die Klassifikation unseres wichtigsten Handelspartners als “Partner” und “Wettbewerber” ist selbstverständlich. Was jedoch “systemischer Rivale” eigentlich meint und erreichen soll, ist nicht offensichtlich. Der Begriff, da sollte man sich nichts vormachen, klingt nach Argwohn, Abgrenzung, vielleicht sogar Feindseligkeit, jedenfalls nicht nach Kooperation. Es belastet Gespräche und vergiftet die Atmosphäre. Ein Teil der Regierung wollte es offenbar aber nicht anders.
Entsprechend ist auch die China-Strategie in China und nicht nur dort interpretiert worden. Der Knall, mit dem die Stadt Kiel der vorgesehenen Partnerstadt Qingdao abrupt und nach jahrelanger Vorbereitung die Tür vor der Nase zugeknallt hat, ist ebenso ein Beispiel wie die Beendigung der 20-jährigen Kooperation der Universität Erlangen-Nürnberg mit dem China Scholarship Council zur Finanzierung von chinesischen Doktorandinnen und Doktoranden. Der Vorgang wurde von der zuständigen Ministerin ex post mit dem Hinweis auf Spionagegefahr gerechtfertigt. Zwischenzeitlich hat die KfW offenbar auf Druck des Wirtschafts- und Außenministeriums bekannt gegeben, dass ab 2024 keine gemeinsamen Klima- und Energieprojekte mehr mit China gefördert werden sollen.
“Systemische Rivalität” wird in der China-Strategie damit begründet, “dass Deutschland und China in wichtigen Bereichen unterschiedliche Vorstellungen über die Prinzipien der internationalen Ordnung haben” (S. 10). Die Bundesregierung sei besorgt über Chinas Bestrebungen, “die internationale Ordnung entlang den Interessen eines Einparteiensystems zu beeinflussen und dabei auch die Grundfesten der regelbasierten Ordnung, wie bspw. die Stellung der Menschenrechte, zu relativieren” (ebenda). Beklagt wird des Weiteren, dass China seinen “globalen Gestaltungsanspruch” unterstreiche, sein “Verhältnis zu Russland” ausbaue, im Indo-Pazifik eine “regionale Vormachtstellung” anstrebe, seine Wirtschaftskraft einsetze, um “politische Ziele” zu verfolgen, nach den USA “am meisten für die Verteidigung” ausgebe und in den Vereinten Nationen “seine Interessen über multilaterale Ziele” (S. 54) stelle. Im Übrigen werden die gängigen Vorurteile gepflegt, zum Beispiel, dass mit der Seidenstraßeninitiative “politische Abhängigkeiten” (S. 48) verfestigt würden.
Nehmen wir an, dass alles stimmte, wäre das dann für Deutschland ein Grund, China als “systemischen Rivalen” zu betrachten? Sind wir in irgendeinem Sinne in einem Kampf mit China um die Weltordnung, wie es die Strategie suggeriert?
Dagegen sprechen vor allem zwei Überlegungen. Erstens muss die internationale Weltordnung sich ändern. Von überragender Bedeutung für eine friedliche, regelbasierte und funktionierende Ordnung ist, dass China – genauso wie Indien, Südamerika und Afrika – bei der Entwicklung der neuen Ordnung als gleichberechtigte Ko-Architekten mit am Tisch sitzen. Man kann, bei allen absehbaren Schwierigkeiten, nicht erwarten, dass sich 90 Prozent der Weltbevölkerung von 10 Prozent die Entwicklung dieser Ordnung vorschreiben lassen.
Zweitens hat die Bundesrepublik nicht den internationalen politischen Einfluss und die Ressourcen, im Unterschied zu den USA, die den Begriff der “systemischen Rivalität” ins Spiel gebracht haben. Und in der Tat werden absehbar die USA und China die Hauptprotagonisten im Ringen um eine neue Ordnung stehen, nicht Deutschland, und auch nicht Europa. Das Ringen um die Weltordnung findet zwischen der etablierten und der aufstrebenden Supermacht statt. Deutschland kommt dabei die Rolle zu, seine und die europäischen Interessen einzubringen.
Das ist nicht kleinmütig und duckmäuserisch, sondern schlicht realistisch, auch wenn das einer moralisierenden deutschen Außenpolitik, die sich international gerne als Oberlehrer aufspielt, zu wenig sein mag. Wir befinden uns in keinem “Weltbürgerkrieg” der Systeme, weder mit China noch mit anderen autoritären Regimen.
China ist ein unabhängiger Staat. Die Legitimität seiner Regierung und damit seiner Staatlichkeit ist vor allem eine nationale Angelegenheit. Das deutsche Außenministerium sollte die Staatlichkeit Chinas als politische Realität nicht nur formal, sondern auch praktisch akzeptieren. Es geht nicht darum, “Positionen” zu beziehen, sondern Diplomatie zu betreiben, wie gerade wieder vorgemacht von Altmeister Henry Kissinger bei seinem Besuch in Peking.
Im gesamten Dokument findet sich im Übrigen kein Wort darüber, wie China trotz seines phänomenalen Aufstiegs in den letzten 45 Jahren in der vom Westen dominierten internationalen Ordnung der Bretton-Woods-Institutionen immer noch ausgegrenzt und im Verhältnis zur Geschichte, Größe und wirtschaftlicher Bedeutung des Landes klein gehalten wird. Paradebeispiele hierfür sind der Internationale Währungsfonds (IWF) und die Weltbank, deren jeweiligen Vorsitz die EU und die USA unter sich aufteilen. Im IWF hat China ein Stimmrecht von knapp über 6 Prozent und damit weniger (!) als Japan und nur etwas mehr als Deutschland, obwohl das Land über ein viermal größeres Bruttoinlandsprodukt verfügt. Die USA allein und die EU-Staaten gemeinsam verfügen im Übrigen jeweils über eine Sperrminorität.
So viel zum Thema “regelbasierte Weltordnung”, die in der Realität nach wie vor vom Westen dominiert wird, was bekanntermaßen nicht nur in China zunehmend auf Unverständnis stößt. Da muss man sich nicht wundern, dass China beispielsweise mit der Gründung der Asiatischen Infrastrukturinvestmentbank (AIIB) seine eigene internationale Infrastruktur aufbaut. Mit Beeinflussung “der internationalen Ordnung entlang den Interessen eines Einparteiensystems und der Grundfesten der regelbasierten Ordnung, wie bspw. die Stellung der Menschenrechte” hat das überhaupt nichts zu tun.
Ebenfalls darf in diesem Zusammenhang daran erinnert werden, dass China im Jahr 2016 mit fadenscheinigen Begründungen – im Gegensatz zu Russland (!) – der Status einer Marktwirtschaft verwehrt wurde, der beim Beitritt in die Welthandelsorganisation im Jahr 2001 vereinbart worden war. Auch war es nicht China, sondern US-Präsident Trump, der den Handelskrieg 2018 begonnen hat, der nun von der Biden-Administration mit der Einschränkung von Technologieexporten nach China noch einmal verschärft und ausgeweitet wurde. Die jüngste Entscheidung, US-amerikanische Investitionen in die chinesische Halbleiterindustrie, Quanteninformatik und Künstliche Intelligenz zu verbieten, spricht Bände.
Der Hinweis in der Strategie, dass China nach den USA die zweithöchsten Militärausgaben der Welt hat, ist richtig, unterschlägt aber – bewusst oder unwissentlich – die relevante Größenordnung der Unterschiede: im Jahr 2022 waren die Militärausgaben der USA um mehr als das Zweifache höher als die Chinas, und nimmt man die NATO dazu, sogar um das Vierfache.
Es ist sicherlich nicht falsch, dass China, wie es weiter heißt, im Indo-Pazifik eine “regionale Vormachtstellung” anstrebe. Warum allerdings unerwähnt bleibt, dass Australien, Großbritannien und die USA, vereint im sogenannten, neu gegründeten AUKUS-Pakt, der gerade dabei ist, Australien mit atomaren U-Booten auszustatten, ebenfalls massiv in diesem Gebiet gegen China aufrüstet, werden die Autoren wohl selbst wissen. Dazu passt, dass die Biden-Regierung dieser Tage angekündigt hat, das erste Mal in ihrer Geschichte Waffen an Taiwan aus ihren Beständen zu liefern.
Welche Supermacht mehr Anlass hat zu glauben, dass sie von der anderen bedroht wird, ist debattierbar. Immerhin kreuzen haushoch überlegene amerikanische Kriegsschiffe im gesamten Westpazifik vor der Haustür Chinas, nicht etwa umgekehrt. Die Thukydides-Falle lässt grüßen.
Es ist dringend geraten, dass Deutschland international seine Interessen wahrnimmt. Sich als Schiedsrichter der Welt über politische Systeme aufzuspielen und andere Staaten mit unseren Werten zu belehren ist völlig unangemessen und überschätzt unsere Bedeutung und Kraft maßlos. Was wir brauchen, sind stabile Beziehungen mit China – in Wahrheit mit allen, aber vor allem mit China -, die den Wohlstand unseres Landes, der Arbeitnehmer und Arbeitgeber, und den Frieden in der Welt fördern.
Ohne oder gegen China ist kein globales Problem zu lösen, am wenigsten der Klimawandel. Dass wir dabei unsere Werte wie Menschenrechte und Demokratie vertreten, ist eine Selbstverständlichkeit und kein Ausschlusskriterium für andere.
Rolf D. Cremer war Dekan und Vize-Präsident der China Europa International Business School in Schanghai, Horst Löchel ist Professor für Volkswirtschaftslehre und leitet den Sino-German Center an der Frankfurt School of Finance & Management.
Bernd Bornhauser wechselt von Mercedes-Benz China in Peking zurück zu Mercedes-AMG in Baden-Württemberg, wo er seit August als Leiter Produkt-/Lifecycle Management, Zubehör & Collection arbeitet.
Jens Pabel ist seit August in Changchung als Baustellenleiter für Audi China tätig. Zuvor war er als Baustellenkoordinator für HLS Sacha in Foshan und Tianjin beschäftigt.
Ändert sich etwas in Ihrer Organisation? Schicken Sie doch einen Hinweis für unsere Personal-Rubrik an heads@table.media!
Umweltschutz von oben: Am ersten Nationalen Tag der Ökologie bergen freiwillige Helfer im Donghu-Feuchtgebiet in der südwestchinesischen Provinz Guizhou Gegenstände aus dem Wasser.
In China.Table Nummer 646 vom 15. August 2023 haben wir angegeben, dass RWE eine Ansammlung von Offshore-Windparks, den “Nordseecluster”, zusammen mit dem kanadischen Unternehmen Northland Power betreibe. Das stimmt nicht mehr: Der Windpark gehört sei Mai 2023 ausschließlich RWE. Wir bitten, den Fehler zu entschuldigen.
möglicherweise agiert der chinesische Geheimdienst auf deutschem Boden. Das ist zumindest die schlüssigste Erklärung für das, was der Demokratie-Aktivistin Su Yutong widerfährt. An ihrer Haustür klingeln Männern und bedrohen sie, im Netz wird ihre deutsche Adresse im Zusammenhang mit schlüpfrigen Bildern veröffentlicht.
Anderen Menschenrechtlern fällt auf, dass sie bei Demos in europäischen Hauptstädten von chinesisch aussehenden Herren fotografiert werden, schreibt Fabian Peltsch. Es werden bereits Forderungen nach einem Anti-Spionage-Gesetz laut. Dabei würde bereits helfen, wenn sich in Deutschlands Sicherheitsbehörden jemand für den Schutz chinesischer Dissidenten zuständig fühlte.
Patienten in China ist die Praxis geläufig, dem Arzt eine Aufmerksamkeit in einem roten Umschlag zukommen zu lassen. Dann gibt es beispielsweise den Ultraschalltermin oder die OP etwas schneller. Pharmafirmen wiederum zahlen großzügige Rückvergütungen an Chefärzte, wenn deren Krankenhaus ihre Arzneien bestellt.
Nun kommt es zum Aufstand gegen die korrupten Mediziner – und wie so oft in China droht auch schon wieder eine Übertreibung. Fabian Kretschmer berichtet aus Peking von der Hexenjagd gegen Ärzte, die auch schon Unschuldige erfasst.
Im Jahr 2010 floh Su Yutong aus China nach Deutschland. In ihrer Heimat war die Aktivistin, Journalistin und Bloggerin zur Zielscheibe der Behörden geworden, nachdem sie die Tagebücher des ehemaligen Ministerpräsidenten Li Peng in Umlauf gebracht hatte. Li Peng war maßgeblich am Tian’anmen-Massaker 1989 beteiligt.
In Deutschland fühlte Su sich ursprünglich sicher. Inzwischen sieht sie sich auch hier bedroht und unter Druck gesetzt. Sie prangert von Deutschland aus Menschenrechtsverletzungen durch den chinesischen Staat an, zum Beispiel über das US-Medium Radio Free Asia. Regelmäßig nimmt sie an Demonstrationen teil, etwa vor der chinesischen Botschaft in Berlin, und zeigt dabei als eine der wenigen Aktivistinnen chinesischer Herkunft ihr Gesicht.
Seit Jahren erhält Su Drohanrufe und Nachrichten via Whatsapp und Telegram. In den vergangenen zwei Jahren habe die Bedrohung jedoch eine neue Qualität erreicht. Fremde Männer klingelten an ihrer Tür. Jemand hatte Fotos von ihr auf Sex-Dating-Webseiten hochgeladen und mitsamt ihrer Adresse veröffentlicht.
Es gab Hotelbuchungen in Sus Namen, die dann über anonyme Hinweise bei der Polizei mit Bombendrohungen in Verbindung gebracht wurden, ähnlich jenen, wie sie zuletzt die niederländische Journalistin und ehemalige China-Korrespondentin Marije Vlaskamp öffentlich gemacht hatte. Es seien Zermürbungstaktiken, darauf ausgerichtet, ihre psychische Gesundheit zu zerstören, sagt Su.
“Das Ziel dieser Leute ist, mich ängstlich und nervös zu machen, und mein Sozialleben zu zerstören. Ich habe mir aber gesagt, dass ich ihnen nicht dabei helfen darf, dieses Ziel zu erreichen.” Sus Strategie ist daher die Flucht nach vorn. Auf ihren Social-Media-Kanälen macht sie die Belästigungen und Bedrohungen öffentlich. Sie spricht mit Medien und kontaktiert Polizei und Behörden, so oft es geht. “Ich bewahre die Ruhe, das zeigt ihnen, dass ich keine Angst habe.”
Das Gefühl, in Gefahr zu sein, begleitet sie dennoch ständig. Nachdem immer wieder Männer an ihrer Wohnungstür in Berlin aufgetaucht waren, riet ihr das eingeschaltete LKA, umzuziehen. Su glaubt, dass die chinesische Regierung und die chinesische Botschaft in Deutschland aktiv daran beteiligt waren, ihre Adresse auszuspionieren, und dass sie Menschen dafür bezahlen, sie unter Druck zu setzen.
Buchungen in Hotels unter ihrem Namen in Städten wie Houston, Los Angeles und Istanbul seien teilweise für viel Geld bezahlt worden. Auch deshalb glaubt Su nicht, dass einzelne chinesische Patrioten, sogenannte Little Pinks 小粉红, dahinterstecken, die ihr als “Verräterin Chinas” einen Denkzettel verpassen wollen. Dabei verweist sie auch auf die jüngst bekanntgewordenen Fälle, in denen Chinas Behörden über Polizeistationen im Ausland gezielt Dissidenten verfolgt haben.
Auf Demonstrationen tauchten zudem immer wieder chinesisch sprechende Menschen auf, die sie und andere Teilnehmer unverhohlen filmten. Andere Demonstranten wie der in Aachen studierende Tian Ruichen bestätigen das: “Gerade in einer kleinen Stadt wie Aachen können die Teilnehmer leicht identifiziert werden, selbst wenn sie Masken und Sonnenbrillen tragen.”
Die Gefahr bestehe jedoch nicht nur in einer direkten Überwachung vor Ort. Tian glaubt, dass die Behörden auch Fotos von Social-Media-Kanälen wie Wechat auswerten. “Diese Bilder können von der chinesischen Internetüberwachung gesammelt werden, um die Teilnehmer zu identifizieren und die Proteste zu überwachen.”
Eine übliche Vorgehensweise ist Tian und Su zufolge, zusätzlich Verwandte von Demonstranten und Aktivisten zu Hause in China mit Anrufen und persönlichen Besuchen unter Druck zu setzen. Besonders zu Jahrestagen des Tian’anmen-Massakers oder politischen Treffen wie dem jährlichen Volkgskongress erhalten ihre Eltern, aber auch ihr Bruder regelmäßig Besuch von den Behörden, sagt Su. In diesem Zusammenhang werde sie dann als “Anti-China-Agentin” gebrandmarkt, die man gemeinsam von ihren Aktivitäten im Ausland abbringen müsse. Andernfalls drohen ernste Konsequenzen. “Früher hatte ich mehr Kontakt zu meiner Familie, aber es wird immer weniger. Ich möchte nicht noch mehr Druck auf sie ausüben”, sagt Su.
Die chinesische Botschaft in Berlin erklärte auf Anfrage deutscher Medien diesen Monat, die Berichte über Repressalien gegenüber Chinesen in Deutschland seien unwahr. “Die Vorwürfe von denjenigen, die behaupteten, dass sie von China belästigt, bedroht oder durch Geldangebot zum Schweigen gebracht wurden, sind reine Erfindung und dienen nur der Verleumdung und Verunglimpfung Chinas”, zitieren SZ und Tagesspiegel aus einer Mail der Botschaft.
Die Zeitungen berichteten weiter, dass sich in solchen Fällen weder die Polizei noch die Nachrichtendienste richtig zuständig fühlen. Denn es handelt sich um grenzüberschreitende Unterdrückung. “Fälle wie meiner werden von der Polizei nur als gewöhnliche Drohungen und Belästigungen angesehen. Ich möchte das deutsche Parlament und die Regierung deshalb auffordern, einen Gesetzentwurf einzubringen, nach dem chinesische Agenten und deren Spionage gestoppt und bestraft werden können”, sagt Su Yutong.
Andernfalls werde Peking noch mehr Tür und Tor geöffnet, um seinen Einfluss kritiklos auszuweiten. Schon jetzt spüre man Chinas langen Arm in deutsch-chinesischen Freundschaftsvereinen oder in den Lobeshymnen “nützlicher Idioten” in den Medien, dem Universitätsumfeld und der Geschäftswelt. “Diese Menschen sind ausschließlich an Chinas Wirtschaft interessiert und lassen demokratische Werte wie Meinungsfreiheit und Menschenrechte unter den Tisch fallen”, glaubt Su. “Eines Tages werden die demokratischen Länder den Preis dafür zahlen.”
Was zuvor meist mit einem resignierten Schulterzucken quittiert wurde, landet nun immer öfter vor Gericht: Korruption im chinesischen Gesundheitswesen. Konkret geht es beispielsweise um Zahlungen, die Mediziner unter der Hand für eine schnellere oder bessere Behandlung einfordern. Auch illegale Zuwendungen von Medikamentenherstellern an Chefärzte lösen regelmäßig Entrüstung aus.
Die spektakulärsten Fälle schaffen es derzeit fast täglich auf die Titelseiten der Staatszeitungen: Der Vize-Präsident eines Krankenhauses in der Provinz Liaoning soll umgerechnet 400.000 Euro von einem Pharma-Konzern angenommen haben, um diesem zu Aufträgen zu verhelfen. Im südlichen Yunnan ließ sich ein Oberarzt rund zwei Millionen Euro zahlen, damit sein Spital das medizinische Gerät eines bestimmten Herstellers einkauft.
Ende Juli hat die zentrale Disziplinarkommission der kommunistischen Partei eine bisher beispiellose Kampagne gegen Korruption im Gesundheitswesen ausgerufen. Unter anderem wurden die lokalen Behörden dazu aufgefordert, ihre Strafverfolgung zu intensivieren und insbesondere hochrangige Funktionäre ins Visier zu nehmen.
Wenig überraschend rollten schon bald Köpfe: Allein bis Mitte August wurde bereits gegen mehr als 150 Leiter von öffentlichen Krankenhäusern ermittelt, mehr als doppelt so viele wie 2022. Auch etliche Spitzenmanager von Arzneimittelherstellern gerieten ins Visier der Regulatoren und haben ihre Jobs verloren.
Aus vorauseilendem Gehorsam haben Branchenverbände in diesem Monat bereits mindestens elf medizinische Konferenzen kurzfristig abgesagt, wie das Online-Medium The Paper berichtet.
Zwar wurden keine offiziellen Gründe genannt, doch ein Zusammenhang mit der derzeit laufenden Anti-Korruptionskampagne ist offensichtlich: Gesundheitskonferenzen wurden in der Vergangenheit von der Pharmaindustrie gezielt dafür genutzt, um Bestechungsgelder in Form von Vortragshonoraren zu verteilen. Denn in chinesischen Krankenhäusern stellen die Ärzte nicht nur Rezepte aus, sondern verfügen meist über hauseigene Apotheken, wo sie genauestens über die Wahl der verkauften Arzneimittel verfügen können.
In einer am Februar publizierten Studie untersuchten Forscher der renommierten Peking Universität die Gründe für die weit verbreitete Korruption. Allen voran machten die Studienautoren den finanziellen Druck unter den Medizinern verantwortlich. “In unserem Bezirkskrankenhaus können über 60 Prozent der Ärzte ihre Familien nicht ernähren, wenn sie sich ausschließlich auf ihre Gehälter verlassen”, wird ein Doktor zitiert. Eine andere Oberärztin sagt: “Wenn die meisten Kollegen auf meiner Station Schmiergelder erhalten, kann ich diese doch nicht ablehnen. Ich werde isoliert, wenn ich ihrem Beispiel nicht folge”.
Dementsprechend dürfte die derzeitige Anti-Korruptionskampagne vor allem die Symptome bekämpfen, nicht jedoch die Ursache. Ohne eine bessere Finanzierung des Gesundheitswesens in der Volksrepublik wird es kaum zu nachhaltigen Verbesserungen kommen.
Es ist bemerkenswert, dass viele Publizisten die Maßnahmen der Behörden durchaus skeptisch betrachten. Hu Xijin, ehemaliger Chefredakteur der nationalistischen Global Times, mahnt etwa an: “Wir sollten umfassend sicherstellen, dass die Korruptionsbekämpfung innerhalb des gesetzlichen Rahmens durchgeführt wird. Dies ist keine sogenannte Massenbewegung”.
Hus Kritik spielt auf die radikalen Kampagnen der 60er-Jahre unter Staatsgründer Mao Zedong an, die maßlos über ihr intendiertes Ziel hinausschossen.
Eine solche Befürchtung ist durchaus berechtigt. Auf der Online-Plattform Weibo lässt sich bereits eine regelrechte Hexenjagd gegen das Gesundheitspersonal beobachten. Unzählige Ärzte werden von den Usern namentlich an den Pranger gestellt – und ohne jegliche Beweise schwerwiegender Korruption bezichtigt.
Dabei dürfte es auch etliche Unschuldige treffen: Ein Kardiologe etwa berichtet in einem Online-Posting, dass er kürzlich von einem Patienten wegen angeblicher Korruption gemeldet wurde und daraufhin sein Jahresboni gestrichen bekam. Der Vorwurf: Eine Patientin hatte sich nach einer Operation mit ein paar Lunch-Boxen und Milchkaffees beim Krankenhausteam bedankt. Fabian Kretschmer
Sinolytics ist ein europäisches Beratungs- und Analyseunternehmen, das sich auf China spezialisiert hat. Es berät europäische Unternehmen bei der strategischen Ausrichtung und den konkreten Geschäftsaktivitäten in der Volksrepublik.
Die chinesischen Statistiker haben damit aufgehört, die Jugendarbeitslosigkeit auszuweisen. Sie veröffentlichen nur noch die gesamte Arbeitslosenquote und verzichten mit den Juli-Zahlen darauf, sie nach Alter aufzuschlüsseln. Die Arbeitslosigkeit war unter den 16- bis 24-Jährigen zuletzt stark gestiegen. Beobachter sehen die Änderung der Statistik als Versuch, die großen Probleme junger Menschen auf dem Arbeitsmarkt herunterzuspielen.
Das Nationale Statistik-Amt begründete die Auslassung am Dienstag damit, dass “Gesellschaft und Wirtschaft sich konstant weiterentwickeln” und die alte Zählweise veraltet sei. Von den 16- bis 24-Jährigen sei eine große Mehrheit noch in Ausbildung, Schule oder Uni. Die Jugend dauere heute länger. Ein Sprecher gab aber zu, dass der Wert – wenn er dann bekannt würde – im Juli saisonal bedingt besonders hoch ausgefallen wäre. fin
Ist es ein Sicherheitsrisiko, wenn europäische Netzbetreiber mit chinesischen Komponenten in ihren Mobilfunknetzen arbeiten? Über diese Frage streitet derzeit das Bundesinnenministerium mit den betroffenen Unternehmen. Jetzt zeichnet sich nach Informationen des Handelsblatts wenigstens in Deutschland ein Kompromiss ab. Demnach müssten Deutsche Telekom, Telefónica und Vodafone lediglich sicherheitskritische Teile austauschen.
Offiziell wollten die Unternehmen sich nicht zum Stand der Gespräche äußern. Experten halten es aber für wahrscheinlich, dass sich beide Seiten auf so eine Regelung einigen könnten. Denn diese Lösung wäre finanziell deutlich günstiger als der vollständige Ausbau. Außerdem wäre sie schneller umsetzbar und mit weniger Einschränkungen für den Betrieb verbunden.
So ein Kompromiss könnte auch als Vorlage für eine europäische Lösung dienen. EU-Binnenmarktkommissar Thierry Breton hat immer wieder deutlich zum Ausdruck gebracht, dass er große Sicherheitsbedenken hat und am liebsten gar keine Technologie von Anbietern wie Huawei oder ZTE mehr in europäischen Netzen sehen möchte – so wie die USA es ihren Unternehmen auferlegt haben.
Die Netzbetreiber – auch in Deutschland – wehren sich jedoch gegen die Verbannung von Huawei. Ein Ausbau aller chinesischen Komponenten würde nach Aussagen der Netzbetreiber auch den weiteren 5G-Netzausbau bremsen. Experten halten die Kompromisslösung für technisch anspruchsvoll, aber machbar. Voraussetzung sei allerdings, dass Huawei entsprechende Schnittstellen bereitstellt. Das ist angesichts der Alternative, in Europa gar kein Geschäft mehr zu machen, recht wahrscheinlich. vis
Auf dem europäischen Markt sinkt die Bedeutung deutscher Waren. Chinesische Produkte hingegen spielen eine zunehmend wichtige Rolle. Das zeigt eine neue Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW): Zur Jahrtausendwende machten deutsche Produkte noch rund 14 Prozent an den gesamten EU-Importen aus. Im vergangenen Jahr war dieser Anteil auf 12,5 Prozent gesunken. Demgegenüber legten chinesische Waren von 2,6 Prozent auf 8,8 Prozent zu.
Besonders betroffen sind vermeintliche deutsche Exportschlager wie Maschinen, chemische Produkte, Metallerzeugnisse oder Autos. Der deutsche Vorsprung von über 15 Prozentpunkten von Deutschland war bis zum Jahr 2022 auf 2,5 Prozentpunkte gesunken. Bei Computern und anderen elektrischen und optischen Geräte hat die Volksrepublik Deutschland sogar überholt. Hier stieg der chinesische Anteil von 4,5 auf 27,4 Prozent, der deutsche sank von 10,7 auf 9,3. “Das deutsche Exportmodell scheint zunehmend ins Wanken zu geraten”, sagte Studienautor und Außenhandelsexperte Jürgen Matthes zu diesen Ergebnissen. cyb
Der weltweit zweitgrößte Elektroauto-Hersteller BYD will die Technik für selbstfahrende Fahrzeuge offenbar doch selbst weiterentwickeln, statt sich mit dem KI-Konzern Baidu zusammenzutun. BYD hatte im vergangenen Jahr bekannt gegeben, die nächsten Stufen des autonomen Fahrens gemeinsam mit Baidu erklimmen zu wollen. Robo-Taxis der BYD-Sparte Apollo fahren bereits selbsttätig mit Baidu-Technik.
Die Nachricht gilt als schwerer Schlag für Baidu. Das Pekinger Unternehmen positioniert sich derzeit als Anbieter von IT für die Autoindustrie. Baidu hat als Suchmaschinenbetreiber angefangen, sieht sich aber inzwischen als universellen Anbieter von KI-Lösungen für verschiedene Branchen.
Baidu bietet seine Dienste beispielsweise schon dem BYD-Rivalen Geely an. Eine Kooperation mit BYD wäre aber eine noch deutlich wertvolle Referenz gewesen. Einen Robo-Laster hat Baidu bereits selbst entwickelt. fin
Chinas Geburtenrate ist im vergangenen Jahr auf ein Rekordtief von 1,09 gesunken, berichtet die Zeitung National Business Daily am Dienstag. Im Vorjahr betrug sie noch 1,16. Damit sinkt die Zahl der Neugeborenen noch schneller als befürchtet. In Zukunft könnte Arbeitskräftemangel die Konjunktur belasten.
Aus Sorge über den Bevölkerungsrückgang in China seit sechs Jahrzehnten und die rasche Alterung der Bevölkerung versucht Peking mit einer Reihe von Maßnahmen, die Geburtenrate zu erhöhen, darunter finanzielle Anreize und verbesserte Kinderbetreuungseinrichtungen. rtr/fin
Die Bundesregierung hat ihre kürzlich vorgelegte China-Strategie in der Einleitung mit “Partner, Wettbewerber, systemischer Rivale” überschriebenen. Die Klassifikation unseres wichtigsten Handelspartners als “Partner” und “Wettbewerber” ist selbstverständlich. Was jedoch “systemischer Rivale” eigentlich meint und erreichen soll, ist nicht offensichtlich. Der Begriff, da sollte man sich nichts vormachen, klingt nach Argwohn, Abgrenzung, vielleicht sogar Feindseligkeit, jedenfalls nicht nach Kooperation. Es belastet Gespräche und vergiftet die Atmosphäre. Ein Teil der Regierung wollte es offenbar aber nicht anders.
Entsprechend ist auch die China-Strategie in China und nicht nur dort interpretiert worden. Der Knall, mit dem die Stadt Kiel der vorgesehenen Partnerstadt Qingdao abrupt und nach jahrelanger Vorbereitung die Tür vor der Nase zugeknallt hat, ist ebenso ein Beispiel wie die Beendigung der 20-jährigen Kooperation der Universität Erlangen-Nürnberg mit dem China Scholarship Council zur Finanzierung von chinesischen Doktorandinnen und Doktoranden. Der Vorgang wurde von der zuständigen Ministerin ex post mit dem Hinweis auf Spionagegefahr gerechtfertigt. Zwischenzeitlich hat die KfW offenbar auf Druck des Wirtschafts- und Außenministeriums bekannt gegeben, dass ab 2024 keine gemeinsamen Klima- und Energieprojekte mehr mit China gefördert werden sollen.
“Systemische Rivalität” wird in der China-Strategie damit begründet, “dass Deutschland und China in wichtigen Bereichen unterschiedliche Vorstellungen über die Prinzipien der internationalen Ordnung haben” (S. 10). Die Bundesregierung sei besorgt über Chinas Bestrebungen, “die internationale Ordnung entlang den Interessen eines Einparteiensystems zu beeinflussen und dabei auch die Grundfesten der regelbasierten Ordnung, wie bspw. die Stellung der Menschenrechte, zu relativieren” (ebenda). Beklagt wird des Weiteren, dass China seinen “globalen Gestaltungsanspruch” unterstreiche, sein “Verhältnis zu Russland” ausbaue, im Indo-Pazifik eine “regionale Vormachtstellung” anstrebe, seine Wirtschaftskraft einsetze, um “politische Ziele” zu verfolgen, nach den USA “am meisten für die Verteidigung” ausgebe und in den Vereinten Nationen “seine Interessen über multilaterale Ziele” (S. 54) stelle. Im Übrigen werden die gängigen Vorurteile gepflegt, zum Beispiel, dass mit der Seidenstraßeninitiative “politische Abhängigkeiten” (S. 48) verfestigt würden.
Nehmen wir an, dass alles stimmte, wäre das dann für Deutschland ein Grund, China als “systemischen Rivalen” zu betrachten? Sind wir in irgendeinem Sinne in einem Kampf mit China um die Weltordnung, wie es die Strategie suggeriert?
Dagegen sprechen vor allem zwei Überlegungen. Erstens muss die internationale Weltordnung sich ändern. Von überragender Bedeutung für eine friedliche, regelbasierte und funktionierende Ordnung ist, dass China – genauso wie Indien, Südamerika und Afrika – bei der Entwicklung der neuen Ordnung als gleichberechtigte Ko-Architekten mit am Tisch sitzen. Man kann, bei allen absehbaren Schwierigkeiten, nicht erwarten, dass sich 90 Prozent der Weltbevölkerung von 10 Prozent die Entwicklung dieser Ordnung vorschreiben lassen.
Zweitens hat die Bundesrepublik nicht den internationalen politischen Einfluss und die Ressourcen, im Unterschied zu den USA, die den Begriff der “systemischen Rivalität” ins Spiel gebracht haben. Und in der Tat werden absehbar die USA und China die Hauptprotagonisten im Ringen um eine neue Ordnung stehen, nicht Deutschland, und auch nicht Europa. Das Ringen um die Weltordnung findet zwischen der etablierten und der aufstrebenden Supermacht statt. Deutschland kommt dabei die Rolle zu, seine und die europäischen Interessen einzubringen.
Das ist nicht kleinmütig und duckmäuserisch, sondern schlicht realistisch, auch wenn das einer moralisierenden deutschen Außenpolitik, die sich international gerne als Oberlehrer aufspielt, zu wenig sein mag. Wir befinden uns in keinem “Weltbürgerkrieg” der Systeme, weder mit China noch mit anderen autoritären Regimen.
China ist ein unabhängiger Staat. Die Legitimität seiner Regierung und damit seiner Staatlichkeit ist vor allem eine nationale Angelegenheit. Das deutsche Außenministerium sollte die Staatlichkeit Chinas als politische Realität nicht nur formal, sondern auch praktisch akzeptieren. Es geht nicht darum, “Positionen” zu beziehen, sondern Diplomatie zu betreiben, wie gerade wieder vorgemacht von Altmeister Henry Kissinger bei seinem Besuch in Peking.
Im gesamten Dokument findet sich im Übrigen kein Wort darüber, wie China trotz seines phänomenalen Aufstiegs in den letzten 45 Jahren in der vom Westen dominierten internationalen Ordnung der Bretton-Woods-Institutionen immer noch ausgegrenzt und im Verhältnis zur Geschichte, Größe und wirtschaftlicher Bedeutung des Landes klein gehalten wird. Paradebeispiele hierfür sind der Internationale Währungsfonds (IWF) und die Weltbank, deren jeweiligen Vorsitz die EU und die USA unter sich aufteilen. Im IWF hat China ein Stimmrecht von knapp über 6 Prozent und damit weniger (!) als Japan und nur etwas mehr als Deutschland, obwohl das Land über ein viermal größeres Bruttoinlandsprodukt verfügt. Die USA allein und die EU-Staaten gemeinsam verfügen im Übrigen jeweils über eine Sperrminorität.
So viel zum Thema “regelbasierte Weltordnung”, die in der Realität nach wie vor vom Westen dominiert wird, was bekanntermaßen nicht nur in China zunehmend auf Unverständnis stößt. Da muss man sich nicht wundern, dass China beispielsweise mit der Gründung der Asiatischen Infrastrukturinvestmentbank (AIIB) seine eigene internationale Infrastruktur aufbaut. Mit Beeinflussung “der internationalen Ordnung entlang den Interessen eines Einparteiensystems und der Grundfesten der regelbasierten Ordnung, wie bspw. die Stellung der Menschenrechte” hat das überhaupt nichts zu tun.
Ebenfalls darf in diesem Zusammenhang daran erinnert werden, dass China im Jahr 2016 mit fadenscheinigen Begründungen – im Gegensatz zu Russland (!) – der Status einer Marktwirtschaft verwehrt wurde, der beim Beitritt in die Welthandelsorganisation im Jahr 2001 vereinbart worden war. Auch war es nicht China, sondern US-Präsident Trump, der den Handelskrieg 2018 begonnen hat, der nun von der Biden-Administration mit der Einschränkung von Technologieexporten nach China noch einmal verschärft und ausgeweitet wurde. Die jüngste Entscheidung, US-amerikanische Investitionen in die chinesische Halbleiterindustrie, Quanteninformatik und Künstliche Intelligenz zu verbieten, spricht Bände.
Der Hinweis in der Strategie, dass China nach den USA die zweithöchsten Militärausgaben der Welt hat, ist richtig, unterschlägt aber – bewusst oder unwissentlich – die relevante Größenordnung der Unterschiede: im Jahr 2022 waren die Militärausgaben der USA um mehr als das Zweifache höher als die Chinas, und nimmt man die NATO dazu, sogar um das Vierfache.
Es ist sicherlich nicht falsch, dass China, wie es weiter heißt, im Indo-Pazifik eine “regionale Vormachtstellung” anstrebe. Warum allerdings unerwähnt bleibt, dass Australien, Großbritannien und die USA, vereint im sogenannten, neu gegründeten AUKUS-Pakt, der gerade dabei ist, Australien mit atomaren U-Booten auszustatten, ebenfalls massiv in diesem Gebiet gegen China aufrüstet, werden die Autoren wohl selbst wissen. Dazu passt, dass die Biden-Regierung dieser Tage angekündigt hat, das erste Mal in ihrer Geschichte Waffen an Taiwan aus ihren Beständen zu liefern.
Welche Supermacht mehr Anlass hat zu glauben, dass sie von der anderen bedroht wird, ist debattierbar. Immerhin kreuzen haushoch überlegene amerikanische Kriegsschiffe im gesamten Westpazifik vor der Haustür Chinas, nicht etwa umgekehrt. Die Thukydides-Falle lässt grüßen.
Es ist dringend geraten, dass Deutschland international seine Interessen wahrnimmt. Sich als Schiedsrichter der Welt über politische Systeme aufzuspielen und andere Staaten mit unseren Werten zu belehren ist völlig unangemessen und überschätzt unsere Bedeutung und Kraft maßlos. Was wir brauchen, sind stabile Beziehungen mit China – in Wahrheit mit allen, aber vor allem mit China -, die den Wohlstand unseres Landes, der Arbeitnehmer und Arbeitgeber, und den Frieden in der Welt fördern.
Ohne oder gegen China ist kein globales Problem zu lösen, am wenigsten der Klimawandel. Dass wir dabei unsere Werte wie Menschenrechte und Demokratie vertreten, ist eine Selbstverständlichkeit und kein Ausschlusskriterium für andere.
Rolf D. Cremer war Dekan und Vize-Präsident der China Europa International Business School in Schanghai, Horst Löchel ist Professor für Volkswirtschaftslehre und leitet den Sino-German Center an der Frankfurt School of Finance & Management.
Bernd Bornhauser wechselt von Mercedes-Benz China in Peking zurück zu Mercedes-AMG in Baden-Württemberg, wo er seit August als Leiter Produkt-/Lifecycle Management, Zubehör & Collection arbeitet.
Jens Pabel ist seit August in Changchung als Baustellenleiter für Audi China tätig. Zuvor war er als Baustellenkoordinator für HLS Sacha in Foshan und Tianjin beschäftigt.
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Umweltschutz von oben: Am ersten Nationalen Tag der Ökologie bergen freiwillige Helfer im Donghu-Feuchtgebiet in der südwestchinesischen Provinz Guizhou Gegenstände aus dem Wasser.
In China.Table Nummer 646 vom 15. August 2023 haben wir angegeben, dass RWE eine Ansammlung von Offshore-Windparks, den “Nordseecluster”, zusammen mit dem kanadischen Unternehmen Northland Power betreibe. Das stimmt nicht mehr: Der Windpark gehört sei Mai 2023 ausschließlich RWE. Wir bitten, den Fehler zu entschuldigen.