Table.Standpunkt
Erscheinungsdatum: 25. Oktober 2025

Die wirtschaftliche Basis für Russlands Krieg bröckelt

Russlands Krieg gegen die Ukraine wird zunehmend durch wirtschaftliche Faktoren belastet. Sinkende Energieerlöse, Arbeitskräftemangel und wirksamere Sanktionen setzen die Basis des Kriegs zunehmend unter Druck.

Seit Beginn seines Angriffs ist Russland im Osten der Ukraine immer weiter vorgerückt. Die Oblaste Luhansk, Donezk, Saporischschja und Cherson sind weitgehend in russischer Hand.

Die Kosten sind hoch. Bisher sollen auf russischer Seite zwischen 800.000 und 1.000.000 Menschen gefallen oder verletzt worden sein. Die Bank of England schätzt die Kriegsausgaben seit 2022 auf mindestens 280 Milliarden US-Dollar. 2024 entfielen rund 35 Prozent des Staatshaushalts auf das Militärbudget. Ein Sieg ist derweil nicht in Sicht.

Während US-Präsident Donald Trump im Februar 2025 den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj noch vor aller Welt brüskiert hatte, ließ er zuletzt wissen, dass die Ukraine mithilfe der Nato vielleicht den Krieg ohne große Gebietsverluste beenden könne. Ist das möglich?

Der Angriff Russlands auf die Ukraine im Februar 2022 war für Russland zunächst aus wirtschaftlicher Sicht ein positiver Schock. Die plötzlich gestiegene geopolitische und geoökonomische Unsicherheit ließ auf den Weltfinanzmärkten die Öl-, Gas- und Weizenpreise steil steigen. Ein stark steigender Exportüberschuss spülte sehr viel Geld in die russische Staatskasse. Die zusätzlichen Einnahmen wurden durch hohe Zahlungen an Soldaten und die Ausweitung der Kriegsproduktion schnell unters Volk gebracht, was den Konsum und die Staatsnachfrage gestützt hat.

Die Sanktionen gegen Russland blieben zunächst löchrig. Die europäischen Länder reduzierten zwar ihre Öl- und Gasimporte aus Russland, doch ganz versiegten diese nicht. Den Rückgang der Rohstoffimporte aus dem Westen konnte Russland durch mehr Energie- und Rohstoffexporte nach China, Indien und in die Türkei kompensieren. In manchen Fällen nahmen die Lieferungen in den Westen nur einen anderen Weg.

Doch Trumps Zollpolitik gegenüber China und Indien macht Russlands Geschäfte mit den zwei großen BRICS-Partnern schwieriger. Indien scheint zugesagt zu haben, kein Öl mehr aus Russland zu importieren. Die EU will die Gasimporte aus Russland nun ganz beenden. Zuletzt haben die USA Russlands größte Ölkonzerne Rosneft und Lukoil auf eine schwarze Liste gesetzt.

Bei niedrigen Geburtenraten entzieht der Krieg für die Rekrutierung von Soldaten und für mehr Arbeiter in der Rüstungsproduktion der Nichtkriegswirtschaft rare Arbeitskräfte. Viele junge, insbesondere qualifizierte Russen, haben aus Protest oder Angst vor der Einberufung das Land verlassen.

Die durch die zusätzlichen Exporterlöse getriebene Ausweitung von Staatsausgaben und Geldmenge zu Kriegsbeginn hat die Inflation steil nach oben getrieben und den Rubel geschwächt, was die russische Zentralbank zu Zinserhöhungen gezwungen hat. Steigende Finanzierungskosten haben die Investitionen der Nichtkriegsindustrie ausgebremst.

Der Preis für russisches Öl (Urals) ist aufgrund der Sanktionen nicht nur deutlich unter Brent oder WTI gesunken. Der Ölpreis ist seit Mai 2022 immer weiter abgesunken. Angriffe der Ukraine setzen russische Raffinerien außer Gefecht, sodass das Exportvolumen russischer Ölprodukte immer weiter schrumpft.

US-Präsident Trump kann Russland nicht zum Frieden zwingen. Aber der Westen kann Russland systematisch schwächen, indem er die wirtschaftliche Basis für den kostspieligen Krieg zum Bröckeln bringt. Die USA haben unter den Demokraten die Ukraine eher reaktiv mit Krediten und Waffenlieferungen unterstützt. Die Republikaner scheinen nun strategischer zu agieren. In den 1980er-Jahren hat ein sinkender Ölpreis die Sowjetunion mit zum Einsturz gebracht, wobei die USA nach der „Reagan Victory School“ ihre Hände im Spiel gehabt haben sollen. Heute können die USA den Ölpreis einfacher als damals beeinflussen, weil sie ein großer Ölproduzent sind.

Welche Folgen die aktuelle Strafpolitik der USA auf Putins Regime haben kann, lesen Sie im Secruity.Table.

Gunther Schnabl ist ein deutscher Wirtschaftswissenschaftler und Direktor des Thinktanks Flossbach von Storch Research Institute. In seiner Kolumne beleuchtet er regelmäßig finanzpolitische Fragestellungen.

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Letzte Aktualisierung: 25. Oktober 2025

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