US-Präsident Donald Trump will mit Zöllen auf Stahl und Aluminium in Höhe von 25 Prozent die eigene Wirtschaft schützen und die USA in eine bessere Verhandlungsposition bringen. Für weitere Maßnahmen hat Trump bereits eine umfassende Untersuchung der US-Handelsbeziehungen angekündigt, deren Ergebnisse voraussichtlich am 1. April vorgelegt werden. Im Gespräch mit CEO.Table erklärt Carsten Brzeski, ING-Chefvolkswirt für Deutschland und Österreich, wie die EU und Deutschland auf den Bericht reagieren sollten.
Donald Trump hat bereits eine umfassende Untersuchung der US-Handelsbeziehungen eingeleitet. Was erwarten Sie von dem Bericht?
Der Bericht wird deutlich auf die Leistungs- und Exportüberschüsse europäischer Länder eingehen, die von amerikanischer Seite als unfairer Wettbewerb betrachtet werden. Eine wichtige Rolle in diesem Prozess spielt das US-Finanzministerium. Es erstellt regelmäßig detaillierte Berichte über die Wettbewerbspositionen verschiedener Länder. Diese Analysen untersuchen nicht nur Handelsbilanzen, sondern auch Praktiken wie Preisdumping, staatliche Subventionen und Wechselkursmanipulationen. Der US-Präsident hat dann die Möglichkeit, Maßnahmen zu ergreifen.
Die zentrale Frage, die sich dabei stellt, ist, ob diese möglichen Maßnahmen flächendeckend, also „across the board“, oder nur für bestimmte Sektoren gelten werden. Die jüngsten Entwicklungen deuten eindeutig auf einen flächendeckenden Ansatz hin.
Die pauschalen Zölle auf Stahl und Aluminium in Höhe von 25 Prozent sind also nur der Startschuss zu weiteren Maßnahmen gewesen?
Ja, davon ist auszugehen. Es scheint deutlich, dass die Trump-Regierung eine zweistufige Vorgehensweise bei den Zöllen hat. Im ersten Schritt wurden Zölle eingesetzt, um von Mexiko und Kanada Zugeständnisse beim illegalen Drogenhandel und der Einwanderung zu erzielen. Im zweiten Schritt geht es ans wirtschaftlich Eingemachte und man wird versuchen, Wettbewerber zu treffen.
Wie würden „Across the board“-Maßnahmen die deutsche Wirtschaft und Unternehmen beeinflussen?
Die Auswirkungen lassen sich nicht genau quantifizieren, hauptsächlich aufgrund der Ungewissheit über die Preiselastizität und das Verhalten der amerikanischen Konsumenten. Bei Luxusautos wie Porsche, die in einer eigenen Liga spielen, könnte die Nachfrage trotz Preiserhöhungen stabil bleiben, während bei Produkten wie Waschmaschinen, wo amerikanische Marken als Alternative zur Verfügung stehen, die Situation anders aussehen könnte.
Neben dem direkten Effekt auf die Exporte sind die strategischen Unternehmensentscheidungen von mindestens ebenso großer Bedeutung. Mehr deutsche Unternehmen könnten eine Expansion in die USA in Betracht ziehen. Diese Tendenz, in Kombination mit Faktoren wie Wechselkursschwankungen, Steuersenkungen, Deregulierung und günstigeren Energiepreisen in den USA, könnte langfristig den Wirtschaftsstandort Deutschland aushöhlen.
Hat dieser Prozess nicht schon längst begonnen? Die Dax- und M-Dax-Unternehmen haben 2024 etwa 43 Milliarden US-Dollar für M A und Produktionserweiterungen ausgegeben. Das ist ein Anstieg um 50 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.
Ja, es ist ein Prozess, der schon mit Joe Biden und seinem „Inflation Reduction Act“ angefangen hatte. Der Prozess wird jetzt weitergehen. Es sei denn, es gelingt Europa, schnell zu reagieren. Hierbei geht es nicht um Gegenmaßnahmen, sondern um Maßnahmen, um die europäische Wirtschaft zu stärken.
Auf Ihrem X-Account kommentierten Sie vor einigen Tagen, dass es für Europa nun um „alles oder nichts geht“. Welche Absichten gegenüber Europa verfolgt Trump Ihrer Meinung nach?
Ich gehe davon aus, dass der Handelsstreit mit Europa intensiver sein wird als jener mit Kanada und Mexiko. Der Übergang von der „Fentanyl-Phase“ zur „Revenue and Economics“-Phase wird sich nun stärker auf wirtschaftliche Aspekte konzentrieren und somit ans Eingemachte gehen.
Meiner persönlichen Einschätzung nach spielt auch Trumps Wunsch nach Vergeltung eine Rolle, da er in den letzten Jahren aus Europa wenig freundschaftliche Begrüßung erfahren hat. Im Rückblick lässt sich sagen, dass Trump während seiner ersten Amtszeit vielleicht noch etwas naiver war. Nun scheint er besser vorbereitet zu sein und lässt sich wahrscheinlich nicht so leicht zufriedenstellen. Ich halte es für unwahrscheinlich, dass Trump diese Maßnahmen ergreift, um Deals abzuschließen, da ich nicht sehe, was Europa ihm wirklich bieten könnte.
Welche Maßnahmen könnten die EU und Deutschland denn ergreifen?
Die große Gefahr besteht darin, dass Europa noch darüber nachdenkt, wie man „zurückschlagen“ könnte. Wenn Trump sich für Zölle gegen die EU entscheidet, wird man wahrscheinlich ähnlich wie vor acht Jahren überlegen, welche Sektoren und Staaten man treffen könnte, um Trump-Wähler zu beeinflussen. Damals zielte man auf Marken wie Harley-Davidson, Jack Daniels und Levi’s ab.
Was sich wieder abzeichnet …
Zugeständnisse an Trump sind begrenzt. Fragwürdig, aber möglich wäre es natürlich, schon auferlegte Strafen für Tech-Unternehmen zurückzunehmen. Ein oft genannter Vorschlag ist außerdem der verstärkte Kauf von Flüssiggas (LNG). Allerdings importiert Deutschland bereits etwa 90 Prozent seines LNG aus den USA, was die Frage aufwirft, wie viel mehr noch möglich wäre. Eine zweite Option wären erhöhte Verteidigungsausgaben und Investitionen in die amerikanische Rüstungsindustrie. Hier fehlt jedoch das Mandat der EU-Kommission, und es wäre fraglich, ob die einzelnen europäischen Staaten tatsächlich liefern würden.
Eine weitere Möglichkeit wäre, die Tür für genetisch veränderte Agrarprodukte zu öffnen oder mehr amerikanische Autos zu kaufen. Wenn Standards und Regulierungen im letzteren Fall gelockert werden, dann tanzt die deutsche Industrie allerdings der Bundesregierung auf der Nase. Allerdings sollten wir uns immer darüber bewusst sein, dass Länder mit Handelsüberschüssen mehr in einem Handelskrieg zu verlieren haben als Länder mit Handelsdefiziten.
Befinden wir uns in einer Ä ra des Transaktionalismus? Müssen sich die europäischen Staats- und Regierungschefs daran anpassen?
Die USA sind ganz deutlich in einer Transaktional-Ära. Ob der Rest der Welt auch so transaktional ist, oder ob es eher eine Friss-oder-Stirb-Beziehung sein wird, werden wir noch sehen. Wir sind auf jeden Fall wieder in der Zeit des Deal-Making.
Seit März 2013 ist Carsten Brzeski Chefvolkswirt für Deutschland und Österreich der ING Bank. Er ist seit Anfang 2008 Mitglied des Research-Teams des Instituts und Experte für wirtschaftliche und politische Entwicklungen in Deutschland und Europa, einschließlich der Geldpolitik der EZB.