News
Erscheinungsdatum: 07. Februar 2025

Energiepreise und Netzentgelte: Der Industriestandort Deutschland steht auf dem Spiel

Von Toralf Haag

Deutschland steht vor einer energiepolitischen Weichenstellung mit großen Auswirkungen auf den Klimaschutz, die Versorgungssicherheit und die Wettbewerbsfähigkeit unserer Industrie. Die geplante Reform und die damit drohenden signifikanten Erhöhungen der Netzentgelte für die Stromversorgung von Industrieunternehmen birgt die Gefahr, die Grundlage für industrielle Wertschöpfung in Deutschland irreparabel zu schädigen.

Aurubis ist ein weltweit führendes Multimetall-Unternehmen. Wir produzieren und recyceln rund 20 verschiedene Metalle. Darunter viele, die für die Versorgung der europäischen Wirtschaft von kritischer Bedeutung sind – und dafür benötigen wir viel Energie. Unserer besonderen Verantwortung sind wir uns seit vielen Jahrzehnten bewusst und investieren große Summen in die Dekarbonisierung unserer Produktionsprozesse sowie in den Umweltschutz. Mit einem CO₂-Fußabdruck, der weniger als halb so groß ist wie der Durchschnitt aller Wettbewerber weltweit, leisten wir heute einen entscheidenden Beitrag zur nachhaltigen Herstellung dieser strategisch wichtigen Rohstoffe für Europa, damit die grüne Transformation gelingen kann.

Wir sind ein Chemieunternehmen. Unsere Produktion läuft rund um die Uhr, jeden Tag im Jahr – je stetiger, desto besser. Für unsere energieintensiven chemischen Prozesse gelten naturgemäß technische und physikalische Grenzen, die eine Flexibilisierung beim „Fahren nach Wind und Sonne“ – also der Verfügbarkeit von Strom aus Erneuerbaren – kaum sinnvoll zulassen. Das Besondere bei uns: Fast ein Drittel des Stroms an unseren deutschen Standorten fließt in Umweltschutzanlagen, die dauerhaft laufen müssen, um beispielsweise diffuse Emissionen aus der Luft zu filtern.

Politisch bedeutet dies: Es ist für die energieintensive Grundstoffindustrie in Deutschland entscheidend, dass die Bundesnetzagentur diese realen Einschränkungen berücksichtigt und Unternehmen nicht durch erhöhte Netzentgelte zusätzlich belastet. Wir stehen mit unserem börsengehandelten Kupfer im internationalen Wettbewerb und können nationale Preissteigerungen nicht an unsere Kunden weitergeben. Eine zusätzliche Belastung durch den Wegfall der Bandlastregelung würde die energieintensive Industrie in Deutschland daher massiv in der internationalen Wettbewerbsfähigkeit schwächen. Eine Abwanderung in andere Länder mit günstigeren Bedingungen wäre langfristig die Folge. Und Europa riskiert die Abhängigkeit von kritischen Rohstoffen aus anderen Märkten.

Der Reformvorschlag für die Netzentgeltregelung entzieht den Anreiz, sich netzdienlich zu verhalten und konstant Strom abzunehmen. Wir haben daher einen anderen Vorschlag: Aurubis setzt sich für eine Weiterentwicklung der Reformplanungen ein, die den Anforderungen einer flexibleren Energienutzung Rechnung trägt und gleichzeitig die Vorteile einer stabilen Bandlastabnahme bewahrt und honoriert. Aus unserer Sicht braucht es eine alternative Berechnung der Vollbenutzungsstunden, bei der systemdienlich erzeugte Leistungsspitzen ebenso unberücksichtigt bleiben wie Verbrauchsreduzierungen bei Spitzenstrompreisen. So kann die Industrie ihren Beitrag zur Flexibilität leisten, ohne ihre internationale Wettbewerbsfähigkeit zu gefährden.

Für Deutschland ist es höchste Zeit, eine langfristige und ganzheitliche Lösung für eine Energieversorgung zu wettbewerbsfähigen Preisen „all in“ zu entwickeln. Nur so kann Klimaschutz, Versorgungssicherheit und wirtschaftliche Stabilität in Deutschland und Europa funktionieren.

Dr. Toralf Haag ist CEO der Aurubis AG. Er steht seit September 2024 an der Spitze des Hamburger Konzerns, einem der weltweit größten Hersteller und Wiederverwerter von Kupfer.

Letzte Aktualisierung: 24. Juli 2025
Teilen
Kopiert!