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Erscheinungsdatum: 17. April 2025

Die Stärkung des europäischen Binnenmarktes hat höchste Priorität

Derzeit erschüttern eine Reihe geopolitischer Entwicklungen die globale Ordnung: Bündnisse, die einst stabil zu sein schienen, werden neu verhandelt oder sogar aufgekündigt. Protektionismus ist auf dem Vormarsch und die Vorstellung einer global integrierten Wirtschaft wird zunehmend durch eine fragmentierte Welt ersetzt. Und: strategische Abhängigkeiten werden aufgedeckt und ausgenutzt. Infolgedessen müssen Unternehmen und Regierungen neue Modelle zur Risikominderung und Diversifizierung entwickeln.

Die Europäische Union beginnt, dies zu realisieren und zu reagieren. Nach Jahren der Zurückhaltung sollen nun politischer Wille und finanzielle Ressourcen in einem noch nie dagewesenen Ausmaß mobilisiert werden.Vorrangiges Ziel muss es nun sein, eine ganzheitliche Transformation in Angri􏰀 zu nehmen. Eine, die ökologisch nachhaltig, wirtschaftlich tragfähig und geopolitisch strategisch ist. Europa fängt hier nicht bei Null an. Auf vielen Gebieten sind wir technologisch führend.

Dieses Erbe gibt uns zwar ein starkes Fundament. Doch auf unseren Lorbeeren auszuruhen ist keine Strategie. In den Bereichen E-Mobilität und Digitalisierung zum Beispiel sehen wir uns heute mit neuen, agilen und sehr ehrgeizigen globalen Wettbewerbern konfrontiert. Europa mangelt es zwar weder an Wissen noch an Innovationspotenzial - aber oft an den politischen Rahmenbedingungen und den Voraussetzungen, um dieses Potenzial in großem Umfang zu erschließen.

Wir benötigen unter anderem dringend ein wettbewerbsfähiges digitales Ökosystem in der gesamten Europäischen Union - ein Ökosystem, das Fachwissen in den Bereichen Softwareentwicklung, künstliche Intelligenz, Datenwissenschaft und moderne Konnektivität fördert.

Eine zentrale Herausforderung für Europa ist nach wie vor auch die Abhängigkeit von außereuropäischen Zulieferern - insbesondere bei der Produktion von Batteriezellen. Dies ist sowohl eine industrielle als auch eine strategische Schwachstelle. Europa muss seine eigenen Lieferketten entwickeln, den Zugang zu Rohstoffen sichern und stark in Forschung und Entwicklung investieren.

Die Regulierung muss dieses Ziel unterstützen und darf es nicht behindern. So darf zum Beispiel die EU-Batterieverordnung keine Kostennachteile und keinen Verwaltungsaufwand für die europäischen Hersteller verursachen. Die Berechnung des CO2- Footprint muss reale Geschäftspraktiken widerspiegeln - einschließlich der Beschaffung erneuerbarer Energie durch Stromabnahmeverträge und Zertifikate.

Fakt ist, dass wir in einer Zeit tiefgreifender Veränderungen leben – und dies ist eine Chance, unsere strategischen Prioritäten neu zu bewerten und eine zukunftssichere industrielle Basis aufzubauen. Europa birgt ein immenses Potenzial, wenn wir Institutionen modernisieren und Prozesse an die heutigen Realitäten anpassen.

Die Stärkung des europäischen Binnenmarktes muss dabei höchste Priorität haben. Er ist der größte Trumpf Europas. Seine Vollendung könnte eine Welle von Produktivität, Innovation und Wachstum auslösen. Ein Markt mit 450 Millionen Menschen bietet immense Größenvorteile und kann negative Auswirkungen des globalen Protektionismus ausgleichen und die strategische Autonomie Europas stärken.

In einer Zeit, in der wir uns um neue Partnerschaften in der ganzen Welt bemühen, macht ein starker Binnenmarkt Europa zu einem weitaus attraktiveren Partner. Es ist unsere Aufgabe, ein wettbewerbsfähiges, nachhaltiges und souveränes Europa aufzubauen. Ein Europa, das nicht nur in wirtschaftlicher, sondern auch in politischer und technologischer Hinsicht führend ist.

Hans Dieter Pötsch wurde im Oktober 2015 zum Aufsichtsratsvorsitzenden der Volkswagen Group AG gewählt und ist seit November 2015 CEO der Porsche Automobil Holding SE , die 53,3 Prozent der Stammaktien und Stimmrechte der VolkswagenAG kontrolliert. Von 2003 bis 2015 war Pötsch Finanzvorstand des VW-Group. Unter ihm übernahm als CFO Volkswagen Scania und MAN. Zudem war Pötsch für die Erarbeitung der Grundlagenvereinbarung mit der Porsche Holding und die Integration des Herstellers Porsche AG in den VW-Konzern verantwortlich.

Letzte Aktualisierung: 24. Juli 2025
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