Während das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWE) beim Rollout intelligenter Stromzähler (Smart Meter) mit einer „weiteren deutlichen Steigerung" rechnet, wächst in der Branche der Unmut. Bastian Gierull, CEO von Octopus Energy, sagt dem CEO.Table: „Der Smart Meter Rollout ist und bleibt zu langsam. Viele Messstellenbetreiber tun sich extrem schwer oder haben noch gar nicht angefangen.“ Fakt ist: Derzeit liegt die Ausstattungsquote intelligenter Messsysteme in Deutschland bei lediglich 2,18 Prozent – bei den gesetzlich vorgeschriebenen Pflichteinbaufällen bei 13,91 Prozent. Im EU-Vergleich belegt Deutschland damit Platz 27. Ab 2025 gilt für viele Haushalte und Betreiber eine gesetzliche Einbaupflicht. Die Zielvorgaben: 20 Prozent bis Ende 2025, 50 Prozent bis 2028, 95 Prozent bis 2030. Gierull hält die Erreichung der Ziele in diesem Jahr für unwahrscheinlich.
Smart Meter erfassen den Energieverbrauch präzise und übermitteln die Daten digital. In Verbindung mit dynamischen Stromtarifen können Verbraucher gezielt günstige Zeiten nutzen, Lastspitzen vermeiden und dadurch Netzentgelte senken.
Eine zentrale Rolle spielt dabei die sogenannte Demand-Side Flexibility (DSF) – also die Fähigkeit, den Stromverbrauch flexibel an Markt- oder Netzsignale anzupassen. Voraussetzung dafür ist eine flächendeckende Smart-Meter-Infrastruktur.
Wie groß das Potenzial ist, zeigt eine Studie des norwegischen Beratungs- und Zertifizierungsunternehmens DNV. Bei vollständiger Aktivierung der Nachfrageflexibilität bis 2030 könnten in der EU jährlich:
Für Deutschland beziffert das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie den potenziellen volkswirtschaftlichen Nutzen auf bis zu 10,6 Milliarden Euro.
Das Problem : „Der Smart-Meter-Einbau ist für Messstellenbetreiber nicht kostendeckend“, sagt Patrick Vollmuth von der Forschungsstelle für Energiewirtschaft. Zudem erhöhe die hohe regulatorische Komplexität die Kosten deutlich.
Laut Bundesnetzagentur haben über die Hälfte der Betreiber bisher keine Geräte verbaut. „Die Umsetzung der Prozesse sowie die Integration in die bestehenden IT-Systeme ist anspruchsvoll“, so die Behörde. Sie fordert Kooperationen oder externe Dienstleister. Bei Verstößen drohen Maßnahmen und Zwangsgelder.
Die komplizierte deutsche Umsetzung des Smart-Meter-Rollouts stößt zunehmend auf Kritik. Digitale Energieanbieter wie Octopus Energy, Tibber, Ostrom und Rabot Energy fordern in einem offenen Brief an die Bundesregierung eine grundlegende Vereinfachung: „Smart Meter müssen an erster Stelle Stromflüsse messen und Messwerte übermitteln (TAF 7) – mehr nicht.“ Die teure Steuerfunktion gemäß § 14a EnWG sei überflüssig und könne über Cloudlösungen abgebildet werden. Der Gesetzgeber solle ein vereinfachtes „Smart Meter Light“ ermöglichen.
Unterstützung kommt von Energieexperte Prof. Lion Hirth, Energieexperte von der Hertie School : „Nach meiner Auffassung ist der deutsche Sonderweg bei Smart Metern einfach falsch. Zusätzliche Funktionen […] sollten aber nicht zum gesetzlich definierten Funktionsumfang gehören.“