Executive Summary
Erscheinungsdatum: 25. April 2025

Deutsche Automobilhersteller greifen in China an

Auf der „Auto Shanghai“ wollen die deutschen Erstausrüster (OEMs) die Trendwende einleiten, verlorene Marktanteile zurückerobern und damit auch global zu alter Stärke zurückfinden. Der VW-Konzern greift mit einer eigenen, für den chinesischen Markt entwickelten Modellpalette an. BMW will mit dem auf chinesische Nutzer zugeschnittenen Display-Konzept „Panoramic iDrive“ punkten und bereitet zudem mit dem Steuerungscomputer „Heart of Joy“ die Einführung der „Neuen Klasse“ im September auf der IAA vor. Und Mercedes hebt mit dem elektrischen VLS seine Van-Sparte auf ein bislang unbekanntes Luxusniveau.

Noch bis zum 2. Mai werden auf der größten Automesse der Welt mehr als 100 neue Modelle von 70 chinesischen und internationalen Marken präsentiert.Chinas Autoindustrie hat sich seit der Covid-Pandemie vor zwei Jahren rasant entwickelt, der Markt wächst stark. So stiegen allein im ersten Quartal 2025 die Verkäufe im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 36 Prozent. Die Zahl der verkauften Elektrofahrzeuge erreichte im März 2025 sogar fast eine Million – ein Rekordergebnis.

Vor allem die Nachfrage nach E-Autos und Fahrzeugen mit alternativen Antriebsarten ist groß. 2024 betrug der Anteil an sogenannten New Energy Vehicles (NEV) im Reich der Mitte 40 Prozent, was knapp 13 Millionen Fahrzeugen entspricht. Darunter fallen batterieelektrische Pkws sowie Plug-in-Hybride, sogenannte Range-Extended Electric Vehicles, und auch Brennstoffzellen-Fahrzeuge. Der Anteil der NEVs macht in China aktuell sogar die Hälfte der Neuzulassungen aus, einheimische Hersteller dominieren den Markt.

Die Deutschen haben bisher wenig entgegenzusetzen. Sie müssen nun beweisen, dass sie sich auf die chinesischen Kunden eingestellt haben. An Zweiflern, ob ihnen die Aufholjagd gelingen kann, mangelt es nicht. „Es ist an der Zeit herauszufinden, ob die Elektroautos der ausländischen Autohersteller gut genug sind“, zitiert die Financial Times kurz vor der Messe Li Yanwei, Mitglied des Expertenausschusses der China Automobile Dealers Association.

Für die Präsidentin des Verbands der Deutschen Automobilindustrie (VDA), Hildegard Müller, stellt sich diese Frage nicht. „Ich erlebe einen sehr selbstbewussten Auftritt, und ich glaube das auch zu Recht“, schildert sie ihren Eindruck von der Messe. „Man hat erheblich an Entwicklungsgeschwindigkeiten zugelegt, bringt viele neue Modelle auf den Markt und trifft die Themen von Effizienz, aber auch von Sicherheit, die jetzt in China zunehmend an Bedeutung gewinnen, genauso wie die Themen Daten und Elektromobilität.“

Volkswagen zeigt gleich fünf Weltpremieren, drei davon sind automobile Vorboten für die Entwicklung der chinesischen Modellpalette. Sie heißen ID.ERA, ID.AURA und ID.EVO. Besonders der kompakte ID.AURA von FAW-Volkswagen, der für 17.000 Euro zu haben sein wird, könnte ein großer Wurf sein. Er ist das erste Modell auf Basis der Compact Main Platform (CMP) mit der zonalen Elektronikarchitektur (CEA), die von Volkswagen speziell für China entwickelt wurde. Die Plattform soll die Kosten für kleinere Fahrzeuge des Einstiegssegments um 40 Prozent senken.

Die nächste Elektroplattform steht bereits in den Startlöchern: Die „China Scalable Platform“ (CSP) soll ohne externe Entwicklungs- oder Softwarepartner entstehen. Ebenfalls in China, für China. „Ich denke, wir werden ab 2026 aufholen“, sagte Konzernchef Oliver Blume am Rande der Volkswagen Group Night. Einen Marktanteil zwischen zwölf und 15 Prozent hält er für möglich. „Wir fühlen uns deutlich besser aufgestellt als noch vor drei Jahren, als wir unsere Strategie umgestellt haben. Unser Ziel ist es, in China der stärkste internationale Hersteller zu sein.“

Einen umstrittenen Schritt wagt dafür die Konzerntochter Audi. Die Ringe wurden abgelegt, die vier Buchstaben der Marke prangen stattdessen an der Haube. Das Design des Fahrzeugs, das Audi in Shanghai präsentiert, ist jugendlich und frisch geraten. Den chinesischen Messebesuchern gefällt es, zeitweise bilden sich Schlangen, um sich in den Audi hineinsetzen zu können. Die Partnerschaft mit SAIC, auf der der vier-Buchstaben-Audi beruht, könnte ein schlauer Schritt gewesen sein.

Mercedes-Benz zielt auf das Luxussegment. Mit der Weltpremiere des Multi-Purpose-Vehicles (MPV) namens „Vision V Fahrzeug“, ein Fahrzeugtyp, der hohe Margen und Verkäufe verspricht, sollen gut betuchte Großstädter angesprochen werden, die den einen oder anderen Stau im Stadtverkehr entspannt überstehen wollen. Der Vision V Fahrzeug besitzt elegante Chefsessel im Fond, sehr viel Beinfreiheit und eine ausfahrbare Videoleinwand. Über das Design von Grill und Heck wird allerdings hier und da gelästert.

Die zweite Premiere der Schwaben für den chinesischen Markt ist die Langversion des neuen elektrischen CLA. Er basiert auf der völlig neuen Elektroplattform MMA, die mit ihrer Two-speed-transmission ein hohes Maß an Effizienz verspricht. Marktstart ist im Sommer. Oliver Löcher, Vice President Vehicle Engineering and Overall Vehicle Functions Mercedes-Benz Cars: „Wir haben hier eine unglaublich Technologie-affine Kundschaft, die durch die Bank eine Generation jünger sind. Sie sind sehr offen und begeistern sich für Neues.“

Die Tech-Affinität der chinesischen Kundschaft will auch BMW nutzen. Die Münchner konzentrieren sich diesmal aber ganz auf die Markteinführung der Neuen Klasse, das größte Projekt der Bayern seit den 1960er-Jahren. Das erste Modell der neuen Fahrzeuggeneration für China kommt 2026. Verantwortlich für das China-spezifische Modell ist das BWM-Designteam in Shanghai, produziert wird es im Werk Shenyang.

Das Entscheidende für die Münchner, mit dem sie den Markt aufrollen wollen, ist dabei aber nicht nur der Antrieb, sondern auch die Digitalisierung des Modells. „Innovationskraft, Pioniergeist und Freude am Fahren – diese Eigenschaften sind tief in der DNA von BMW verankert. In der ‚Neuen Klasse' werden sie für unsere Kunden auf einem ganz neuen Niveau erlebbar: Die Bedienung wird noch intuitiver, das Design noch progressiver und das Fahrerlebnis noch präziser und dynamischer“, kündigt BMW-CEO Oliver Zipse an.

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Letzte Aktualisierung: 24. Juli 2025

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