CEO.Economics
Erscheinungsdatum: 30. Mai 2025

US-Zollpolitik ohne Inflationsschub?

Alle Ökonomen sind sich einig: Die US-Zollpolitik sollte zu einem deutlichen Anstieg der Inflationsrate führen. Doch im April lag die Inflation in den USA mit 2,3 Prozent so niedrig wie seit Februar 2021 nicht mehr. Zugleich betrug das monatliche Handelsdefizit der USA in Gütern und Dienstleistungen 140 Milliarden Dollar – doppelt so viel wie in den Monaten zuvor.

Ich denke nicht, dass die Ökonomen grundsätzlich falschliegen – vielmehr kommen aktuell mehrere kurzfristige Effekte zusammen, die diese beiden überraschenden Entwicklungen erklären können.

Erwartungen sind entscheidend: Unternehmen in den USA – ebenso wie in exportierenden Ländern – haben die von Trump angekündigten Zölle frühzeitig erwartet. In der Folge wurden Güter bereits Ende 2024 und Anfang 2025 vorab zollfrei importiert. Das betrifft sowohl Endprodukte als auch Vorprodukte, die für die Produktion in den USA benötigt werden.

Zweiter Faktor: die Abwertung des US-Dollars. Der Dollar hat handelsgewichtet rund zehn Prozent gegenüber den wichtigsten Währungen abgewertet. Grund dafür ist das schwindende Vertrauen internationaler Finanzakteure in die US-Wirtschaftspolitik. Die Nachfrage nach US-Staatsanleihen ist zurückgegangen – und damit auch nach US-Dollar. Diese Abwertung verteuert Importe und verbilligt Exporte. Selbst bei unveränderten Mengen erhöht sich dadurch das Handelsdefizit rein rechnerisch.

Diese Entwicklungen wirken auch auf die Inflation. Importeure haben derzeit einen Anreiz, zollfreie Ware zurückzuhalten. Wer wartet, bis Wettbewerber Zölle zahlen müssen, kann die eigenen Produkte später zu höheren Preisen verkaufen – und höhere Gewinne erzielen. Das betrifft natürlich nur nicht verderbliche Güter, nicht etwa Lebensmittel.

So lag die Inflationsrate für Lebensmittel im April bereits bei 2,8 Prozent – deutlich höher als die allgemeine Rate. Gleichzeitig sind die Energiepreise im April um 3,7 Prozent gefallen. Der Rückgang erklärt sich allerdings nicht nur durch ein gestiegenes Angebot („drill, baby, drill“), sondern vor allem durch die Erwartung eines schwächeren Wirtschaftswachstums – sowohl in den USA als auch weltweit infolge der Zollpolitik.

Ein weiterer Aspekt: die Logistik. Die Effekte der Zölle auf Preise und Inflation treten mit Verzögerung auf – auch wegen der Lieferketten. Ein Containerschiff von Shanghai nach Los Angeles ist mehrere Wochen unterwegs. Unternehmen versuchen, die Ankunft ihrer Lieferungen so zu timen, dass sie in eine Phase niedriger Zölle fällt. Entsprechend kommt es zu Verzögerungen, leerstehenden Häfen in den USA und Schiffen, die länger als geplant in chinesischen Häfen verweilen. Diese Versuche der zeitlichen Optimierung führen letztlich zu Ineffizienzen – und zu höheren Preisen für US-amerikanische Unternehmen und Verbraucher.

Fazit: Die inflationären Effekte der US-Zollpolitik werden mit Zeitverzögerung sichtbar – sowohl in den Lieferketten als auch in den Inflationsdaten.

Letzte Aktualisierung: 24. Juli 2025
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