CEO.Economics
Erscheinungsdatum: 17. April 2025

Seltene Erden sind eine Achillesferse Europas

Donald Trump will die Konfrontation mit China und das Land zeigt seine Zähne. Zuletzt hat China nach der Zollspirale auch noch die Beschränkung der Ausfuhr bestimmter seltener Erden angekündigt – eine Maßnahme, die die westlichen Industriestaaten empfindlich treffen dürfte. Seltene Erden sind unverzichtbar im Hochtechnologie-Bereich, etwa bei Militärtechnik, Computerchips und Elektronikteilen – aber auch bei der Produktion von Elektromotoren oder Windkraftanlagen, ohne die die Energiewende nicht vorankommt.

Über die letzten Jahrzehnte hat China durch den staatlich begünstigten Abbau kritischer Rohstoffe und die gezielte Ansiedlung von Weiterverarbeitungsstätten internationale Konkurrenz aus dem Markt gedrängt. Heute hält es, beispielsweise im Bereich der Seltenen Erden, quasi eine Monopolstellung. Dies ist seit Längerem bekannt. Von westlichen Industriestaaten wurde diese Form globaler Arbeitsteilung oft als ökonomisch vorteilhaft betrachtet – auch weil massive Umweltfolgen nicht vor der eigenen Haustür zu sehen waren.

Die Europäische Kommission hatte allerdings schon vor der Corona-Krise in verschiedenen Studien wirtschaftliche Abhängigkeiten analysiert. Sie kam zu dem Schluss, dass China den größten Anteil am Gesamtimport der Produkte mit hoher Abhängigkeit, also wenig oder keinen Substitutionsmöglichkeiten, aufweist. Auch der Sachverständigenrat Wirtschaft hat sich im Jahr 2022 mit den geopolitischen Veränderungen und sich daraus ergebenden ökonomischen Herausforderungen befasst.

Kurzfristig bestehen mit Blick auf die Abhängigkeit bei kritischen Rohstoffen nur begrenzte Handlungsmöglichkeiten. Um die Risiken mittel- bis langfristig zu reduzieren, ist jedoch eine strategische Neuausrichtung dringend erforderlich. Dazu gehören der gezielte Aufbau und die Diversifizierung internationaler Lieferbeziehungen, insbesondere mit rohstoffreichen Demokratien wie Australien, Kanada oder bestimmten Ländern Afrikas. Ebenso wichtig ist der Ausbau des Recyclings kritischer Rohstoffe aus Altgeräten sowie die Förderung von Forschung und Entwicklung im Bereich der Substitution und Effizienzsteigerung.

Auch Investitionen in eigene Förder- und Verarbeitungskapazitäten – etwa in Schweden, Norwegen oder Deutschland – sollten geprüft werden. Die Zeitspanne zwischen der Entdeckung eines Vorkommens kritischer Rohstoffe und dem Beginn der tatsächlichen Förderung beträgt jedoch oft zehn bis 15 Jahre oder sogar mehr. Auf europäischer Ebene stellen Initiativen wie die European Raw Materials Alliance erste Schritte in die richtige Richtung dar, sie müssen jedoch konsequent weiterentwickelt und umgesetzt werden.

Europa steht in der aktuellen Auseinandersetzung zwischen den USA und China nicht im Zentrum des Konflikts. Aber Europa dürfte die wirtschaftlichen und geopolitischen Folgen jedoch schmerzlich zu spüren bekommen. Die jüngsten Entwicklungen verdeutlichen erneut, dass geoökonomische Abhängigkeiten Teil einer Machtprojektion und somit in hohem Maße sicherheitsrelevant sind.

Sicherheit ist allerdings kein einmal erreichter Zustand. Sie ist ein kontinuierlicher Prozess der Anpassung an sich verändernde Bedrohungslagen und des Ausbalancierens geopolitischer Kräfteverhältnisse. China wird auf absehbare Zeit über eine Reihe potenzieller „ökonomischer Waffen“ verfügen – und daran dürfte sich mittelfristig wenig ändern. Umso wichtiger ist es, sich in Deutschland und Europa strategisch so aufzustellen, dass sie nicht gegen uns eingesetzt werden – und Vorkehrungen zu treffen für den Fall, dass es doch geschieht.

Offenheit für Dialog und zugleich robuste Interessenvertretung – gegenüber China und nicht als Show in den deutschen Medien – sowie tragfähige Gesprächskanäle sind ebenso Teil einer vorausschauenden Strategie wie wirtschaftliche Stärke und Attraktivität als Handelspartner. Nur wer Ambiguitäten aushält und dabei strategisch handlungsfähig bleibt, kann geopolitischen Spannungen dauerhaft begegnen. Für die europäischen Demokratien mit ihren zunehmend polarisierten Debatten ist das eine besondere Herausforderung.

Es ist dabei wenig hilfreich, wenn politische Entscheidungsträger die komplexen geoökonomischen Abhängigkeiten auf einfache Narrative wie Abkopplung oder moralische Schwarz-Weiß-Schemata reduzieren. Solche verkürzten Deutungen blenden zentrale Zielkonflikte und strukturelle Zwänge aus – sie können strategisch in die Irre führen und einer zielführenden Einstellung in der Bevölkerung gerade im Wege stehen. Stattdessen braucht es ein realistisches Verständnis globaler Verflechtungen und die Fähigkeit – auch in der Bevölkerung –, mit Ambiguitäten und Unsicherheiten umzugehen.

Vor diesem Hintergrund ist die im Koalitionsvertrag vorgesehene Einrichtung eines Nationalen Sicherheitsrats ein richtiger und wichtiger Schritt. Die geoökonomischen Herausforderungen und deren Zusammenspiel mit anderen Bedrohungen unserer Sicherheit sollten ein Schwerpunkt seiner Arbeit sein. Auch wenn die Beratungen vertraulich erfolgen müssen, kann die Schaffung des Sicherheitsrats Anlass für eine gezielte öffentliche Kommunikation sein – nicht über einzelne Maßnahmen, sondern über die strategischen Herausforderungen. Das kann helfen, ein realistisches Risikobewusstsein zu fördern und die gesellschaftliche Resilienz im Umgang mit Unsicherheiten zu stärken.

Veronika Grimm ist seit April 2020 Mitglied des Sachverständigenrats Wirtschaft. Sie ist Professorin an der Technischen Universität Nürnberg (UTN) und Leiterin des Energy Systems und Market Design Lab.

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Letzte Aktualisierung: 24. Juli 2025

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