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Erscheinungsdatum: 06. November 2024

Schulbau: Warum der Investitionsstau auch ein Innovationsstau ist

Das KfW-Kommunalpanel 2024 beziffert den wahrgenommenen Investitionsrückstand der Kommunen an Deutschlands Schulen auf knapp 55 Milliarden Euro. Die „Montag Stiftung Jugend und Gesellschaft“ widmet sich dem Schulbau, etwa im Bereich „Pädagogische Architektur“. Welche Wege sie sieht, Innovation auch mit Kostenersparnissen zu verbinden.

Von Barbara Pampe und Meike Kricke

Wenn es um Schulbau geht, reden wir (zurecht) darüber, wie dringend wir neue Schulgebäude brauchen und alte sanieren müssen. Was dabei oft zu kurz kommt: Der Investitionsstau ist vor allem auch ein Innovationsstau. Wer heute zukunftsorientiert in Bildung investieren will, muss Schulen anders denken, planen und bauen als in der Vergangenheit. Dafür gibt es keine Standardlösung – aber viele interessante Wege.

Das Bild von Schule, das die meisten von uns aus ihrer eigenen Schulzeit haben, ist überholt. Schule heute ist ein Ort, der anders gestaltet ist, der anders organisiert ist und an dem anders gelernt und zusammengearbeitet wird. Das verbindet Schule mit allen anderen Bereichen unserer Arbeits- und Lebenswelt im 21. Jahrhundert. Anforderungen und Aktivitäten haben sich gewandelt, natürlich verändern sich damit auch die dafür vorgesehenen Räume.

Digitalität, KI, Ganztag, Inklusion, Bildung für nachhaltige Entwicklung sind nur einige Stichworte für diesen Wandel. Die Wissensproduktion ist nicht mehr das Ziel, Zukunftskompetenzen wie Kreativität und Kommunikation spielen eine zentrale Rolle. Unterschiedliche Lernsettings, Konstellationen und Gruppengrößen bieten vielfältige Möglichkeiten, um auf individuelle Talente einzugehen.

Architektur hat die Aufgabe, Angebote für diese Anforderungen zu machen:

Lernen findet ganztägig statt, die Schule ist ein Ort im Quartier, an dem Bildung für alle gemeinsam gestaltet und von unterschiedlichen Professionen begleitet wird.

Wie bei jeder Bauaufgabe bilden die Bedarfe des Standorts und der zukünftigen Nutzer*innen die Grundlage, um ein Konzept für einen Bau oder Umbau zu entwickeln. Vor die Planung sollte deshalb ein Organisations-/Schulentwicklungsprozess vorgeschaltet sein, eine sogenannte Phase Null. Schon früh lassen sich hier finanzielle und andere Rahmenbedingungen ermitteln und verhandeln. Die so entwickelten Lösungen weisen eine nachhaltige Verankerung für alle Beteiligten auf. Spätere Änderungen können reduziert, Synergien im Quartier entdeckt und genutzt werden.

Dokumentierte Prozesse und gebaute Beispiele machen nachvollziehbar, wie solche Lösungen aussehen können – und wie sie entstehen. Auf schulbauopensource.de zeigen wir, wie konkrete Projekte Innovationen im Schulbau umsetzen und wie Entscheidungen zu zentralen Themen zustande kommen. Auf diese Weise bilden sich neue Routinen heraus, die zum Vorbild für andere Kommunen werden können.

Im Projekt „ Ganztag und Raum “ zeigen wir, wie durch Ganztagsschulentwicklung sogar erhebliche Kosten eingespart werden. Zum Beispiel, indem ein nach einer herkömmlichen additiven Flächenberechnungssystematik notwendiger Anbau gar nicht mehr nötig ist, weil mit kleineren Maßnahmen eine bessere Lösung möglich ist. In dem Projekt entwickeln wir an verschiedenen Standorten kostensparende Lösungen für Schulen, die durch den bevorstehenden Rechtsanspruch auf Ganztagsförderung neue Anforderungen abdecken müssen.

Diese Lösungen finden wir im Bestand – und in einer Verzahnung mit dem Quartier. Veränderte Nutzungskonzepte – entwickelt vor dem Hintergrund einer zukunftsgerichteten Pädagogik und Organisation – sind die Basis, um mit möglichst kleinen baulichen Eingriffen, einem angepassten Brandschutzkonzept und einer veränderten Möblierung die Potenziale des jeweiligen Schulbaus an seinem Standort zu ermitteln und nutzbar zu machen.

Typologien zukunftsgerichteter Schulen haben nicht mehr viel zu tun mit den Strukturen der Klassenraum-Flur-Schule. Umgekehrt bedeutet das: Schulfremde Typologien können heute viel geeigneter sein für das, was in Schule passiert. So liegt eine große Chance darin, neue Orte für Schule zu entdecken und zu erschließen.

Aktueller Leerstand wie Kaufhäuser, Supermärkte oder Büroflächen können aufgrund ihrer offeneren Strukturen zum Lernort der Zukunft umgenutzt werden. Gleichzeitig leisten solche Lösungen durch Umnutzungen einen Beitrag zur CO₂-reduzierenden Bauwende.

Klar ist: Mit allem, was Kommunen heute zu stemmen haben, lässt sich der „alte“ Schulbau erst recht nicht mehr vereinbaren. Gebäude, die den Anforderungen an Schule heute nicht gerecht werden, sind ein Kostenfaktor, der unkalkulierbar ist – der aber als relevante Größe mitgedacht werden muss, wenn Investitionsentscheidungen anstehen.

Es lohnt sich deshalb für die Kommunen und alle an Schule Beteiligten, Altbekanntes zu hinterfragen und Mut zu haben, Neues zu entwickeln, Freiräume gemeinsam zu nutzen und Lösungen zu finden für die Anforderungen von heute.

Die Montag Stiftung Jugend und Gesellschaft stellt das Projekt „Ganztag und Raum“ auch beim Deutschen Schulträgerkongress in Düsseldorf am heutigen 7. November von 13.45 Uhr bis 15 Uhr vor.

Letzte Aktualisierung: 24. Juli 2025
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