Table.Standpunkt
Erscheinungsdatum: 06. November 2024

Europa muss aushandeln, wie es sich gegen Trump behaupten kann

„Trump wird versuchen, die EU-Institutionen zu schwächen“, schreibt Max Krahé im Standpunkt. Um die absehbaren Konflikte mit dem künftigen US-Präsidenten zu überstehen, müsse Europa unabhängiger von den Vereinigten Staaten werden. Dabei könne das Weimarer Dreieck eine zentrale Rolle spielen.

Donald Trump wird der 47. Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika. Wirtschafts-, klima- und außenpolitisch ist er aus auf maximale Konfrontation : Zu den voraussichtlichen Konfliktthemen gehören Zölle, Handelsüberschüsse, der Umgang mit China, die Unterstützung der Ukraine, fossile Energieträger und das europäische CO₂-Grenzausgleichssystem (CBAM) – um nur ein paar Beispiele zu nennen. „Die EU nutzt uns aus“, sagt Trump. Oder: „Europa kauft unsere Autos nicht.“

Das Paradoxe: Trotz dieser Konflikte werden europäische Regierungen in den kommenden Jahren versuchen, näher an die USA zu rücken. Trump bringt Chaos – und im Chaos sucht man Sicherheit. Erkennbar ist das bereits in den Währungsmärkten, wo der US-Dollar in der Wahlnacht sprunghaft anstieg.

Die Gefahr ist groß, dass dies auf Kosten des europäischen Zusammenhalts geht. Trump wird versuchen, die EU-Institutionen zu schwächen. Sie stehen für genau jene regelbasierte, multilaterale Welt, die er abreißen möchte.

Aber auch die europäischen Regierungen werden versucht sein, hinter Brüssels Rücken mit Trump zu verhandeln. Polen und das Baltikum haben existenzielle Sicherheitssorgen, gegen die sie auf absehbare Zeit nur die USA verlässlich schützen können. Italien und Ungarn werden von Parteien geführt, die ideologisch nah an Trump stehen. Deutschland braucht Energie und Wachstum. Beides bekommen wir zur Zeit – wenn überhaupt – nur aus den USA.

Groß wird also die Versuchung sein, bilaterale Deals mit Präsident Trump zu schmieden; groß die Gefahr, dabei zerteilt und fremdbestimmt zu werden. Ein abstraktes Hoffen auf europäischen Zusammenhalt wird nicht ausreichen, um sich dagegenzustemmen. Um dieses Risiko abzuwenden, müssen wir die dunkle Schwerkraft anerkennen, die vom Weißen Haus in den nächsten vier Jahren ausgehen wird. Und dann innereuropäisch aushandeln, wie wir dieser Schwerkraft trotzen und unsere gemeinsamen Interessen priorisieren können.

Kern eines innereuropäischen Kuhhandels – und nichts anderes brauchen wir – könnte eine Abmachung im Weimarer Dreieck sein. Frankreich könnte einer marktwirtschaftlich orientierten Reform- und Vertiefungsagenda des Binnenmarktes zustimmen. Polen könnte sich bereit erklären, mehr auf europäische Rüstungskooperation zu setzen. Deutschland könnte Gelder in die Hand nehmen, um in europäische Sicherheit und Energieinfrastruktur zu investieren und damit die Netze seiner Anrainerstaaten zu entlasten und seine Handelsbilanz auszugleichen.

Die jeweiligen Konzessionen wären für sich genommen sinnvoll und in den je anderen Ländern populär. Sie gäben schwachen Regierungen einen Zweck und damit neues Leben.

Möchte Europa weiterhin mit der Welt handeln, so muss es unabhängiger von den Vereinigten Staaten werden. Dies erfordert, dass die Regierungen beherzt investieren, jede für sich und gemeinsam. Finanziell und politisch ist das möglich, wenn Deutschland seiner zentralen Rolle in Europa gerecht wird — und wenn die deutsche Fiskalpolitik bereit ist, sich dieser Aufgabe zu stellen. Erstarren wir götzenhaft vor der jetzigen Ausgestaltung der Schuldenbremse, so ist das Risiko groß, dass Trump Europa teilen wird. Unser Exportmodell wäre existenziell bedroht – die Tragfähigkeit unserer öffentlichen Finanzen auch.

Max Krahé ist politischer Theoretiker und Ökonom. Er forscht zu Ideengeschichte, Arbeitsteilung und der Beziehung zwischen Demokratie und Kapitalismus und ist Mitgründer und Forschungsdirektor des Dezernat Zukunft.

Letzte Aktualisierung: 24. Juli 2025
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