Nun ist es also amtlich: Es wird ein „richtiges“ Digitalministerium geben. Ein eigenes Haus, kein Annex einer schon bestehenden Struktur wie zuletzt dem Verkehrsministerium. Einfluss nehmen auf seine Gestaltung könnte die heimliche Übernahme durch die Landespolitik: In der AG „Digitales“ waren mehrere aktive und ehemalige Landesdigitalpolitiker:innen an der Ausarbeitung der Textbausteine für den Koalitionsvertrag beteiligt. Bei der anstehenden Besetzung wichtiger Positionen im Ministerium wäre ein Personaltransfer aus den Ländern zum Bund wünschenswert, denn in den vergangenen Jahren haben sich dort allmählich selbstständige Digitalressorts entwickelt.
Der Einrichtung vorgelagert waren oft mühsame Strategieprozesse, die digitale Themen zwischen den Ressorts verknüpft und den Austausch zwischen verschiedenen Politikfeldern angeschoben haben. Mehrfach etablierte sich das Digitale dann in Abteilungsform und als Namensbestandteil größerer Ministerien, zum Beispiel in Rheinland-Pfalz (Ministerium für Arbeit, Soziales, Transformation und Digitalisierung) oder Mecklenburg-Vorpommern (Ministerium für Inneres, Bau und Digitalisierung). Wichtige Impulse lieferten auch die Staatskanzleien – dort nahm etwa die KI-Strategie von Schleswig-Holstein ihren Ausgang, auch die echten Digitalministerien in Bayern und Hessen wurden in enger Zusammenarbeit mit der „Kernexekutive“ in München und Wiesbaden eingerichtet.
Blickt man auf die schon vorhandenen Landesministerien, so erhält man Fingerzeige, wie sich eine Strukturbildung auf der Bundesebene entwickeln könnte. In den selbstständigen Häusern sind die wesentlichen Digitalaufgaben in mehreren Abteilungen eingelagert und dadurch thematisch und personell differenzierter aufgestellt als in Patchwork-Ministerien mit Digital-Anteilen. Dabei bilden sich allmählich Muster aus: Der digitale Wandel übersetzt sich stets in regionale Wirtschafts-, aber auch Demokratieförderung. Im Blick stehen sowohl die Städte wie auch der ländliche Raum. Die Verwaltungsdigitalisierung ist ein großes Thema, das auf relativ konkrete Maßnahmen heruntergebrochen wird.
Gerade hier finden sich Schnittstellen zur „Staatsmodernisierung“, die ebenfalls Teil des neuen Bundesministeriums sein wird. Auch Start-up-Förderung, Technologie-, Rechts- und Infrastrukturfragen wandern in die Digitalministerien. Zuletzt haben Bayern und Hessen große Zukunftsthemen wie KI, Cloud- oder Quantencomputing in die Digitalressorts verschoben – zuvor waren sie in den Wirtschaftsministerien verortet. Die Zuordnung dieser Themen wird auf Bundesebene besonders interessant, da es mit dem Ministerium für „Forschung, Technologie und Raumfahrt“ ja auch noch ein „echtes Hightech-Ministerium“ (Markus Söder) gibt.
Die große Herausforderung auf der Bundesebene ist es nun, die vorhandenen Ideen, Impulse und Lehren in einen neuen Akteur zu überführen, der sich in die dynamische und lebendige, aber nicht immer erfolgreiche Landschaft der deutschen Digitalpolitik einbringen kann. Die Länder haben gezeigt, dass starke Mandate durchaus etwas bewirken können: Sind die Digitalministerien erst einmal eingerichtet, dann haben sie die Tendenz, zu wachsen und neue Geschäftsbereiche an sich zu ziehen. Zugleich müssen sie koordinieren können und in der Lage sein, digitalpolitische Impulse aus anderen Ressorts zu verarbeiten.
Zum Beispiel werden auf Landesebene die Entwürfe zum digitalen Wandel von Bildungseinrichtungen auch weiter aus den Schul- und Kultusministerien kommen, aber eine Verzahnung zum Digitalressort erscheint zwingend. Schließlich müssen sie auch Schnittstellen zu Praxis und Umsetzung entwickeln – das Land Bayern hat 2022 mit „byte – Bayerische Agentur für Digitales“ eine spezialisierte Einheit gegründet, um die Produkt- und Serviceentwicklung für die staatliche Verwaltung voranzutreiben.
Wie geht es nun weiter? Vielleicht ist es ja so ähnlich wie bei anderen Gründungsprozessen – die „AG Digitales“ hat die Orientierungsphase überstanden und eine Digitalministerin (oder ein -minister) erhält nun die Chance, ein Ressort-Start-up zu planen und das Geschäftsmodell aufzusetzen. Neben den Personalentscheidungen geht es dabei vor allem um die Klärung der Frage, was der „Markt“ – ein sehr dynamisches und diverses Politikfeld – denn eigentlich braucht. Wenn die Schärfung der Geschäftsidee in der Aufbauphase gelingt, folgen im Start-up-Zyklus idealerweise Wachstum und Reife. Nur werden die nicht mehr in der gerade begonnen Legislaturperiode liegen – spätestens dann stellt sich die Frage nach dem Exit.
Christoph Bieber ist Forschungsprofessor am vom Land NRW geförderten Center for Advanced Internet Studies (CAIS) mit dem Forschungsprogramm Digitale demokratische Innovationen. Zudem ist er Inhaber der Johann-Wilhelm-Welker-Stiftungsprofessur für Ethik in Politikmanagement und Gesellschaft an der Universität Duisburg-Essen.