„Es ist vollbracht“, und das noch vor Karfreitag. Doch hier, anders als im neuen Testament, wird es sich wahrscheinlich erst in vier Jahren zeigen, ob die (Wieder-)Auferstehung Deutschlands gelungen ist. Ich habe den Eindruck, die Koalitionäre haben den Schuss am 23.Februar gehört.Es gibt einen Koalitionsvertrag, weit schneller als befürchtet.
Ist der Vertrag aber der Problemlage Deutschlands angemessen, ist er „groß“ genug? Lars Klingbeil befragte sich selbst und seine Verhandlungspartner vor zehn Tagen vor der Presse: „Kriegen wir hin, etwas Großes für dieses Land zu verändern?"
Angesichts der aus den Fugen geratenen Welt, angesichts eines Psychopathen im Weißen Haus, angesichts eines größenwahnsinnigen Menschenschlächters im Kreml, angesichts eines grade ‚irrlichternden‘ Nato-Generalsekretärs, angesichts einer grade hilflosen und offenbar völlig überforderten EU, angesichts der mehr als kritischen Lage der deutschen Wirtschaft und angesichts der immer weiter zunehmenden Dysfunktionalität der staatlichen Behörden und politischen Institutionen in Deutschland war klar, dass die deutsche Politik nicht als ‚politischer Schlafwandler‘ weitermachen durfte und konnte.
Mit der GG-Änderung zur nachhaltigen und ausreichenden Finanzierung der inneren und äußeren Sicherheit und dem 500 Milliarden Euro Investitionsprogramm war ja die Grundlage geschaffen für einen „großen Wumms“, dem aber jetzt weitere folgen müssen.
Das Glas ist nun halb voll und nicht mehr halb leer, behaupte ich.
Warum?
Der Koalitionsvertrag verspricht deutlich mehr Entlastung für die Wirtschaft – auch wenn diese gerne, wie immer und wie verständlich – noch mehr und noch schnellere hätte.
Dennoch:
„Wirtschaft ist nicht alles, aber ohne Wirtschaft ist alles nichts.“ Das Zitat stammt von Ludwig Erhard, aber es ist immer noch richtig. Bill Clintons Leute haben es noch drastischer formuliert: „It’s the Economy stupid“!
So weit so gut!
Wirtschaftswachstum und dadurch mehr Steuereinnahmen werden allerdings auch ganz entscheidend durch eine bessere Gesamtstimmung generiert, um Konsumlaune und Attraktivität der Arbeit zu stimulieren.
Der Erfolg dieser kommenden Regierung hängt deshalb ganz stark davon ab, ob der nötige Stimmungswandel schnell erzeugt wird. Das Wichtigste ist es deshalb jetzt, einen tiefen, drastischen, realistischen und eben schnellen Neuanfang in ganz vielen Bereichen zu implementieren und durchzuorganisieren. Da darf dann auch mal die berühmte Kettensäge zum Einsatz kommen, zum Beispiel beim Bürokratieabbau.
Das heißt: wenn diese neue schwarz-rote Koalition nicht von vornherein zum Scheitern verurteilt sein soll, müssen beide Parteien radikal handeln, sich brutal ehrlich machen und Wunschvorstellungen bis zur nächsten Bundestagswahl in den Tresoren der Parteizentralen ganz hinten deponieren.
Die Partei- und erst recht die Wahlprogramme waren (natürlich) Wunschvorstellungen, die auf keiner Seite von der realen Finanz- und Wirtschaftslage gedeckt waren und sind. Und auch jetzt gibt es im Vertrag ja für viele Vorhaben den üblichen „Finanzierungsvorbehalt“. Und im ganzen Bereich der Sozialversicherungen, vor allem bei Rente und Pflege, wurde alles in Kommissionen verschoben und vertagt. Diese ‚finanziellen Zeitbomben‘ ticken also weiter.
Deutschland steht vor allem wirtschaftlich am Scheideweg und die beiden Partner müssen ganz anders agieren und kommunizieren als die Ampel.
Vor allem die SPD muss endlich begreifen, dass sie jetzt Entscheidungen wirklich sicherstellen und umsetzen muss, die vielen Mitgliedern vielleicht weh tun, die aber längst überfällig sind und die Partei und der ‚Zauderkanzler‘ Olaf Scholz verantwortungslos ausgeblendet haben. Auch nach außen!
Und das gilt eben auch für die Außenpolitik. Das Thema Europa nimmt erfreulich viel Platz im Vertrag ein, bleibt dann aber leider wenig konkret. Die „Wiederbelebung“ des sogenannten ‚Weimarer Dreiecks‘ aus Deutschland, Frankreich und Polen soll stattfinden und an den drei Ecken sollen die übrigen Ost-, Nord- und Süd-Europäer „eingebunden“ werden. Nukleus einer deutschen Europapolitik bleibe die deutsch-französische Achse auf Basis des Elysee- und des Aachener Vertrages zwischen beiden Ländern. Anders als Angela Merkel und Scholz darf und wird Friedrich Merz Angebote Frankreichs, wie sie Emmanuel Macron ja mehrmals gemacht hat, wohl nicht ignorieren. Er sollte aber auch eigene in Brüssel, Paris, Warschau vorlegen.
Was heißt das aber etwa in der Außen- und Verteidigungs-Politik? Soll es langfristig eine gemeinsame europäische Armee geben? Wird es endlich eine gemeinsame Rüstungsindustrie geben? Wird die Erneuerung der Infrastruktur europäisch gedacht und geplant?
Machen wir uns nichts vor: Der politische Irrsinn in Washington könnte über Donald Trumps Amtszeit hinaus die Politik der USA bestimmen. Europa kann dem nur erfolgreich entgegentreten, wenn es einig und handlungsfähig ist. Das kann und muss vor allem Deutschland sicherstellen.
Wenn diese Koalition sich nicht wie die Ampel im ‚Klein-Klein‘ verliert, wenn sie entschlossen und schnell mit der Umsetzung im Inneren beginnt, wenn sie Europa ernst nimmt, stimuliert und antreibt, dann kann daraus durchaus eine Erfolgsgeschichte werden und ein neues ‚deutsches Narrativ‘ entstehen.
Dafür nötig ist aber auch eine bessere, ehrlichere und schnellere Kommunikation, die die Öffentlichkeit auch –soweit möglich – bereits an der Entstehung politischer Entscheidungen teilhaben lässt. In manch anderen Staaten gelingt das. Wir könnten es auch!