Geschlechtsspezifische Gewalt: Offener Brief an Buschmann. 100 namhafte Frauen fordern in einem offenen Brief an Marco Buschmann, der am Dienstag veröffentlicht werden soll, dass er und die Bundesregierung deren „Blockade-Haltung“ zu einer EU-Richtlinie gegen geschlechtsspezifische Gewalt beenden. Der Richtlinienentwurf, der als historischer Schritt gilt, soll Frauen online und analog besser schützen; vor Stalking, Mobbing oder dem Montieren ihrer Gesichter in Pornografie ebenso wie vor Vergewaltigungen. Das „Ja heißt Ja“-Prinzip, das etwa Spanien längst eingeführt hat, würde dann EU-weit gelten. „Jeden Tag werden zwischen sechs und sieben Frauen in Europa von ihrem Partner oder Ex-Partner getötet“, heißt es in dem Schreiben; rund 2.300 im Jahr. Plus schätzungsweise 1,5 Millionen Vergewaltigungen jährlich.
Buschmann ist skeptisch gegenüber der „ Ja heißt Ja“-Regel. Das Justizministerium zweifelt vor allem die europaweite einheitliche Definition des Straftatbestands Vergewaltigung als sexuellen Akt ohne ausdrückliche Zustimmung der Beteiligten an. Alles andere würde dann als Vergewaltigung gelten. Die Kommission hat den Vorschlag im März 2022 gemacht; den zähen Fortschritt verantwortet Deutschland maßgeblich mit. „Wenn ein Zugeständnis auf EU-Ebene Frauenrechte adäquat zu schützen ausbleibt, kann Deutschland sich nicht international als Vorreiter und Verfechter für diese Rechte positionieren“, schreiben die Verfasserinnen Luisa Neubauer, Düzen Tekkal und Kristina Lunz. Zu den 100 Unterzeichnerinnen gehören Carolin Emcke, Hannah Neumann (Grüne), Christine Lambrecht (SPD; ehemalige Justizministerin) und Wiebke Winter (CDU), Natalia Wörner, Wolke Hegenbarth und Katrin Bauerfeind.