Interview
Erscheinungsdatum: 07. Mai 2024

Sachsens Justizministerin erklärt Gesetzentwurf gegen Bedrohung von politisch Engagierten

Seitdem Matthias Ecke und andere Wahlkämpfer brutal attackiert wurden, ist der Schutz politisch Engagierter in der Diskussion. Sachsens Justizministerin hatte schon vorab für ein entsprechendes Gesetz plädiert. Im Interview erklärt Katja Meier, was der Entwurf bewirken kann.

Was kann Ihre Gesetzesinitiative leisten und was nicht?

Wir haben am Wochenende zuletzt erlebt, dass aus Fackelmärschen vor Häusern oder Bedrängung von Kommunalpolitikerinnen und -politikern Faustschläge werden können. Körperverletzung ist vom Strafrecht abgedeckt, Bedrängung und Einschüchterung sind bisher nicht strafbewehrt. Da haben wir eine Strafbarkeitslücke ausgemacht und den Vorschlag erarbeitet, den das Kabinett hier in Sachsen heute beschlossen hat, sodass er in den Bundesrat gehen kann. Wenn Personen versuchen, ins direkte, persönliche Umfeld kommunalpolitisch Engagierter einzudringen, drohen ihnen nach diesem Gesetzentwurf Strafen.

Welche konkreten Fälle, von denen es ja allein in jüngerer Vergangenheit viele gab, ließen sich damit künftig härter und klarer bestrafen?

Der Fackelmarsch vor dem Haus von Sachsens Gesundheitsministerin zur Corona-Zeit, die Bürgermeisterin aus Kirchberg in Sachsen, vor deren Haustür ein Misthaufen abgeladen worden ist, oder die massiven Einschüchterungen gegen die damalige Bürgermeisterin von Arnsdorf…

… wo vier Männer einen Geflüchteten an einen Baum gefesselt haben, der später tot im Wald gefunden wurde – die vor Gericht von Maximilian Krah verteidigt wurden. Ein Fall, der die Gemeinde noch weiter spaltete.

Die Bürgermeisterin ist infolge von Hetze zurückgetreten. Um solche Fälle geht es. Wir wollen Einschüchterungsversuche bestrafen, die Menschen aus dem politischen Engagement treiben.

Zeigen Fälle wie am Wochenende mit Matthias Ecke oder auch Köln mit Henriette Reker oder Kassel mit Walter Lübcke aber nicht, dass die Bereitschaft einiger längst über die Einschüchterung hinaus geht – nämlich zur äußersten Gewalt?

Es fängt mit Einschüchterungsversuchen an, die nächsten Schritte sind konkrete Taten bis hin zu strafrechtbewehrten Gewaltdelikten, wie wir sie am Wochenende erlebt haben. Das heißt: So früh wie möglich einschreiten und Grenzen durch den Rechtsstaat aufzeigen. Gleichwohl ist klar: Das Strafrecht ist Ultima Ratio. Der Kampf gegen Hass und Gewalt muss an vielen Stellen bereits vorher beginnen, mit politischer Bildung etwa, gerade bei Jugendlichen.

Ihre Initiative wird an der Bestrafung von Angreifern wie dem 17-Jährigen, der sich als Täter an Matthias Ecke stellte, also nichts ändern.

Es gab am Wochenende ganz klare Körperverletzungen: sowohl am Plakatierer der Grünen, als er schon am Boden lag, als auch ganz explizit bei Matthias Ecke, der im Krankenhaus operiert werden musste. Das sind Delikte, für die Polizei und Staatsanwaltschaft Ermittlungen aufgenommen haben.

Ihre Initiative bewegt sich zwischen Ermittlungen wegen Taten gegen die körperliche Unversehrtheit und politischer Bildung. Welche Lücken schließt es neben Bedrängung und Einschüchterung ganz konkret?

Zusammen mit dem Generalstaatsanwalt, der auch mehrfach hier im Kabinett gewesen ist, haben wir konkrete Fälle angeschaut, bei denen gesetzliches Einschreiten nötig ist. Gegen einen Bürgermeister in Sachsen etwa haben sie das Freddy-Krüger-Lied, das im Film als Ankündigung auf grausame Morde vorkommt, umgedichtet. Der Generalstaatsanwalt sagte: So furchtbar und schrecklich das alles auch sei, momentan sei es nicht strafbar. Um solche konkreten Einschüchterungsversuche geht es mit unserem Straftatbestand. Wir haben es uns nicht leicht gemacht, sondern sehr lange verschiedene Ansatzpunkte geprüft.

Wo haben Sie den Ansatzpunkt identifiziert?

Den haben wir in den Paragrafen 105/106 des Strafgesetzbuchs gefunden, wo es um Nötigung von Verfassungsorganen geht. Der meint bislang nur Menschen wie den Bundespräsidenten, Landtags- und Bundestagsabgeordnete, Mitglieder des Verfassungsgerichtshofs. Aber nicht: Kommunal- und Europapolitikerinnen und -politiker. Die haben wir aufgenommen und das Gesetz erweitert um Einschüchterungsversuche, die in der Konsequenz zu Rücktritten führen können oder dazu, dass Menschen nicht mehr für ihr Amt antreten.

Georg Maier ist infolge eines Angriffs in Thüringen aufgesprungen, Armin Schuster nach den Vorfällen in Sachsen. Brauchte es im Werben um das Gesetz immer wieder erst solche konkreten Fälle, damit Sie Kollegen wie die beiden Innenminister von der Notwendigkeit überzeugen konnten?

Es beschleunigt sich gerade zumindest einiges, getrieben durch die aktuellen Ereignisse. In der Regel schreibt man erstmal einen Antrag, bringt ihn in der Justizminister:innenkonferenz ein und bittet den Bundesjustizminister eine Umsetzung zu prüfen. Aber wir haben schon den ganz konkreten Gesetzentwurf erarbeitet. Die vielen Angriffe gegen Leute aus verschiedenen Parteien haben uns zur Bundesratsinitiative angeregt, und eben nicht nur mit der Aufforderung, endlich ein Gesetz zu erarbeiten, sondern selbst einen konkreten Vorschlag vorzulegen.

Die Unterstützung dafür ist gerade sehr breit, AfD-Chef Tino Chrupalla antwortete auf die Frage nach der Initiative aber, dass es genügen würde, geltendes Gesetz durchzusetzen.

Es ist aber nun mal ein Fakt, dass Einschüchterungsversuche, wie diese aktuell nicht im Strafgesetzbuch abgebildet sind.

Manche hätten sich gewünscht, dass der 17-Jährige, der sich als Täter an Matthias Ecke stellte, für 48 Stunden festgehalten wird. Dafür stünde einer Justizministerin zum Beispiel das Weisungsrecht als Mittel zur Verfügung.

Es braucht natürlich ganz konkrete Voraussetzungen, damit Menschen in Untersuchungshaft kommen. Die lagen an der Stelle nach der Auffassung der Staatsanwaltschaft schlicht nicht vor. Die Person hat sich gestellt, es gab keine Fluchtgefahr und es handelt sich um einen Minderjährigen. Deswegen hat die Staatsanwaltschaft das so entschieden. Die Voraussetzungen für Haft waren nicht erfüllt – und wir leben hier in einem Rechtsstaat. Noch dazu ist per Koalitionsvertrag festgehalten, dass wir ein Weisungsrecht hier nicht ausüben.

Also stellt Weisungsrecht auch keine Möglichkeit dar, um rechtsstaatliche Konsequenz gegen Extremisten zu demonstrieren.

Ich habe hohes Vertrauen in unsere Staatsanwaltschaften, die Berechtigung dafür haben sie nicht zuletzt an diesem Wochenende gezeigt. Unserer Staatsanwaltschaft war es durch verschiedene Ermittlungsmaßnahmen, die auch in der Nacht erfolgten, möglich, sehr schnell Ermittlungserfolge zu erreichen. Ohne das Engagement der Staatsanwältin wären wir nicht am Punkt, mutmaßliche Täter wirklich stellen zu können.

Also arbeiten die drei Staatsgewalten mit Blick auf Gewalt gegen politisch Engagierte gerade zielführend zusammen?

Ja, das war eine wirklich gemeinsame Arbeit von Justiz und Polizei, auch wenn Innenminister Armin Schuster das in seinen Aussagen gerade unerwähnt lässt. Ohne die Staatsanwaltschaft kann die Polizei in der Regel selbstverständlich keine Durchsuchungen vornehmen und Beweismittel beschlagnahmen. Das bedarf grundsätzlich eines Antrags der Staatsanwaltschaft und dann eines richterlichen Beschlusses. Dafür braucht es eine Justiz. Sich jetzt hinzustellen und so zu tun, als ob hier die Polizei alleine agiert und gehandelt hätte, es allein der Erfolg der Polizei gewesen wäre: Das ist extrem verkürzt und bringt mich auf die Palme, weil hier die Arbeit der Staatsanwaltschaft nicht gewürdigt wird.

Letzte Aktualisierung: 24. Juli 2025
Teilen
Kopiert!