Interview
Erscheinungsdatum: 17. November 2024

Karl-Rudolf Korte: Die Grünen trauen sich wieder was zu

Für die Grünen geht es um die progressive linke Mitte, sagt Karl-Rudolf Korte. Und sie haben laut Korte auch eine Chance. Der Grund: Es gebe eine Sehnsucht nach Zuversicht.

Was ist der stärkste Eindruck, den Sie von diesem Parteitag mitnehmen?

Die Partei wirkt erlöst vom Ampel-Aus. Sie ist zuversichtlich, offensiv mobilisieren zu können. Sie traut sich wieder was zu!Robert Habeck soll es für die Grünen richten. Er sagt, wenn der Wahlkampf ihn weit trage, könne es bis ins Kanzleramt reichen. Ist das reine Hybris oder hat er eine reale Chance?

Wenn es gelingt, trotz des schlechten Images und der Fehler beim Regierungshandeln die progressive linke Mitte anzusprechen, haben die Grünen durchaus Chancen zweitstärkste Kraft im Bundestag zu werden. Sondierungsweltmeister bilden Mehrheiten, nicht unbedingt die stärkste Fraktion. Mit welchen freiheitlichen konkreten, lösungsorientierten Angeboten wollen die Grünen im sicherheitsdominierten Wahlkampf begeistern? Das muss noch ausbuchstabiert werden. Aber eine Sehnsucht nach einer zuversichtlichen Stimme für die liberale Gesellschaft ist am Wählermarkt messbar: die Aufbruchsbereiten!Andere mussten gehen, die Parteiführung wurde komplett ausgetauscht. Ist diese Neuaufstellung gelungen – oder so kurz vor einer Wahl schlichtweg ein hohes Risiko?

Die kurze Zeit diszipliniert auch die Grünen. Die intellektuell anspruchsvollen Bewerbungsreden kamen in der Halle extrem gut an. Die bunte Delegiertenschaft fühlte sich verstanden und gut repräsentiert.Mit Habeck ist bis heute der miserable Start beim Heizungsgesetz verbunden. Als Eingriff des Staates bis ins Wohnzimmer der Leute. Kann er das jemals loswerden?

Nein und das hat er auch gesagt. Mit jeder Art dirigistischer Bevormundung würde insofern jede Mobilisierung scheitern. Habeck setzt darauf, gelernt zu haben. Er will Angebote für ein besseres Leben durch Transformation machen. Er kontextualisiert dieses Angebot durch Freiheitsversprechen. Damit wird er die harte Gegnerschaft nicht überzeugen, aber progressive Mitte-Wähler zu potenziellen Bündnispartnern machen.Parallel zum Parteitag gab es Berichte über den planvoll provozierten Ausstieg der FDP aus der Koalition. Wer nimmt da am meisten Schaden? Christian Lindner? Die FDP? Die politische Mitte insgesamt?

Die FDP fällt im Außen-Image ins Bodenlose. Es wirkt wie ein schäbiges Komplott, wenngleich auch die anderen Parteien sicher Szenarien erörtert haben. Mitte-Wähler fühlen sich bestätigt, einer Weglaufpartei wenig Zukunft zuzubilligen.

Die Ampel wurde drei Jahre lang von drei Männern geführt – bis sie brach. Und alle drei treten jetzt wieder an. Wer von den dreien hat überhaupt eine Chance, aus diesem Scheitern gestärkt rauszukommen?

Es ist aus Sicht der Wählerinnen und Wähler ein Wettbewerb der Unbeliebten. Deshalb ist es im Moment auch noch schwer, die Dynamik des Wählermarktes einzuschätzen. Wähler belohnen aber primär Zukunft. Und es wird immer deutlicher, dass lösungsorientierte Politikangebote verfangen können. Wer bietet nicht nur mehr vom Immergleichen an, was schon in den letzten Jahren nicht gegriffen hat? Und wer wagt mit seiner Partei kreative Neuangebote? Darum wird es gehen.Der SPD droht ein Anti-Scholz-Wahlkampf? Ist der noch zu verhindern?

Das Kanzler- Malus ist messbar. Und Geschichten über Aufholjagden wiederholen sich nicht einfach, nur wenn man es behauptet. Wie fühlt es sich für tausende SPD Mitglieder an, jetzt im Winterwahlkampf für den Kanzler zu werben? Wie wäre das Engagement für einen populären Kandidaten dazu im Vergleich?Wenn Sie wetten müssten: Wechselt die SPD noch zu Boris Pistorius?

Ich wette nur nicht-öffentlich.

Letzte Aktualisierung: 24. Juli 2025
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