Mit den Energiepreisbremsen wollte die Bundesregierung für Ruhe bei Strom- und Gaskunden sorgen. Neue Zahlen zeigen jedoch, dass die Unzufriedenheit der Kunden mit ihren Anbietern stark zugenommen hat. „Bei der Schlichtungsstelle Energie sind im vergangenen Jahr 25.000 Anträge auf Schlichtung eingegangen und damit so viele wie noch nie“, sagt Geschäftsführer Thomas Kunde zu Table.Media. Das sind fast 40 Prozent mehr als im bisherigen Rekordjahr 2022 - da waren es rund 18.000 Beschwerden.
Die unabhängige Schlichtungsstelle wurde 2011 durch das Bundeswirtschafts- und das Justizministerium eingesetzt. Sie soll typische Streitigkeiten zwischen Verbrauchern und Energieversorgern schlichten.
Kritik übt die Schlichtungsstelle nun auch an den Gesetzen zu Strom- und Gaspreisbremsen. „ Der Anstieg der Schlichtungsanträge ist auch den Preisbremsengesetzen geschuldet. Das waren nicht die glücklichsten aller Gesetze, die geschrieben wurden. Sie sind unverständlich und lassen Lücken“, sagt Kunde. Auf die Preisbremsen bezogen sich nach einer vorläufigen Auswertung der Schlichter rund 1.900 der Beschwerden.
Viele Menschen seien zum Beispiel nicht einverstanden mit der Prognose zum Jahresverbrauch, nach dem die Entlastung berechnet wird. Unklar sei für Verbraucher auch, welches Unternehmen die Feststellung der Entlastungsbeträge für Januar und Februar 2023 verantwortet hat, wenn sie vor dem oder zum 1. März ihren Versorger gewechselt haben.
Die Gas- und Strompreisbremsen hatte der Bundestag 2022 erst kurz vor Jahresende beschlossen, greifen sollten sie aber schon zum Jahreswechsel. „Für die Unternehmen war es eine enorme Belastung, ihre IT umzustellen“, sagt Kunde.
Die Preisbremsengesetze sahen deshalb vor, dass die Versorger die Entlastungsbeträge im März 2023 berechnen. Um die Monate Januar und Februar zu berücksichtigen, sollte im März eine dreifache Entlastung gewährt werden. Maßgeblich waren dabei die Konditionen des Energieversorgers, von dem die Verbraucher im März 2023 beliefert wurden.
Wenn Verbraucher zum Beispiel zum 1. März aber zu einem anderen Versorger wechselten, der dann unter dem Preisdeckel blieb, haben sie laut Kunde nach den gesetzlichen Regelungen für Januar und Februar keine Entlastung bekommen, selbst wenn ihr früherer Versorger mit den Preisen über dem Preisdeckel lag. Das sei für viele Verbraucher unverständlich. Zum Jahresende 2023 sind die Regelungen wegen der deutlich gesunkenen Energiepreise ausgelaufen.
Stark gewachsen ist im vergangenen Jahr auch die Zahl der Energielieferanten, über die sich Verbraucher beschwerten. Gingen 2021 bei der Schlichtungsstelle noch Anträge gegen 400 Unternehmen ein, waren es 2022 schon 550 Versorger und 2023 rund 750. „Das stellt uns vor neue Herausforderungen, weil wir nicht mehr so viele ähnliche Sachverhalte bündeln können“, sagt Kunde.
Verbraucher müssen deshalb inzwischen länger auf Schlichtungsempfehlungen warten. Die Bearbeitungszeit einzelner Anträge liege inzwischen bei über einem Jahr. In den Vorjahren seien es maximal fünf Monate gewesen. Bei der Erfassung neuer Beschwerden gebe es mittlerweile einen erheblichen Rückstand.
Von der Antragstellung bis zur Eröffnung der Schlichtungsverfahren vergingen mittlerweile sechs bis sieben Wochen. „Wir hoffen, dass wir den Rückstand bis Juni im Griff haben und wieder tagesaktuell arbeiten können“, sagt Kunde. Am 1. Februar will die Schlichtungsstelle ihre offizielle Jahresbilanz vorlegen.