In der aktuellen Debatte ist oft zu hören, dass SPD, Grüne und FDP im Koalitionsvertrag die Einführung des Klimageld vereinbart hätten. Das ist keineswegs so eindeutig. Im Vertrag heißt es zunächst, angesichts des ohnehin hohen Preisniveaus „halten wir am bisherigen BEHG-Preispfad fest“. Damit ist das Brennstoffemissionshandelsgesetz gemeint, in dem die Große Koalition 2019 den CO₂-Preis bis zum Jahr 2025 festgelegt hatte: Er soll von 25 Euro pro Tonne im Jahr 2021 auf 55 Euro pro Tonne im Jahr 2025 und bis zu 65 Euro pro Tonne im Jahr 2026 steigen. Danach soll die sogenannte Marktphase beginnen, in der sich der Preis nach Angebot und Nachfrage richtet, was zu einem deutlichen Anstieg führen dürfte.
Im Koalitionsvertrag heißt es weiter, man werde „einen Kompensationsmechanismus … entwickeln“, und zwar um „einen künftigen Preisanstieg zu kompensieren und die Akzeptanz des Marktsystems zu gewährleisten“. Das Marktsystem beginnt aber nach derzeitiger Planung erst im Jahr 2027, und mit dem „künftigen Preisanstieg“ ist von der Logik her eher nicht der bereits von der Groko beschlossene Preispfad gemeint, sondern ein darüber hinausgehender Anstieg.
Das liegt vor allem daran, dass der nationale CO₂-Preis zum Jahreswechsel besonders stark gestiegen ist: Statt 30 Euro werden nun 45 Euro pro Tonne fällig. Das entspricht Mehrkosten von 4,3 Cent pro Liter Benzin, 4,7 Cent pro Liter Diesel oder Heizöl und 0,3 Cent pro Kilowattstunde Gas. Der große Sprung liegt aber nicht daran, dass der neue Preis höher ist als ursprünglich geplant, sondern dass der bisherige Preis niedriger war. Denn weil die Energiepreise in Folge des russischen Krieges gegen die Ukraine stark gestiegen waren, hatte die Ampel-Regierung im Jahr 2023 auf den eigentlich geplanten Anstieg von 30 auf 35 Euro pro Tonne verzichtet. Nachdem die Energiepreise wieder deutlich gefallen sind, kehrte sie auf den ursprünglichen Groko-Preispfad zurück.
Darüber gibt es sehr unterschiedliche Vorstellungen. Ursprünglich gedacht war es zum Ausgleich für den nationalen CO₂-Preis, weil dieser (anders als der EU-Emissionshandel) die Verbraucher direkt belastet. Über den nationalen CO₂-Preis sollen in diesem Jahr 12,3 Milliarden Euro eingenommen werden. Würden diese komplett und mit einem einheitlichen Betrag pro Kopf zurückerstattet, erhielte jeder Einwohner knapp 150 Euro pro Jahr.
Ernsthaft diskutiert werden aber deutlich geringere Summen. Denn die Einnahmen aus dem CO₂-Preis sind bereits komplett anderweitig verplant. Sie fließen in den Klima- und Transformationsfonds (KTF), aus dem die meisten Klimaschutzprogramme der Bundesregierung finanziert werden – unter anderem die Subventionen für klimafreundliche Heizungen und energetische Sanierungen, der Umstieg auf Elektromobilität, die Umrüstung der Stahlbranche und anderer Industrien auf klimafreundliche Produktionsweisen sowie der natürliche Klimaschutz, zu dem die Wiedervernässung von Mooren und der Schutz der Wälder gehören. Auch die EEG-Umlage wird seit dem letzten Jahr nicht mehr von den Stromkunden bezahlt, sondern aus dem KTF. Daneben werden aus dem KTF auch Subventionen finanziert, die nicht direkt mit dem Klima zu tun haben, etwa die die sogenannte Strompreiskompensation für energieintensive Unternehmen oder Zuschüsse für den Bau neuer Chipfabriken.
Das ist die entscheidende Frage – und auf die gibt es bisher keine Antwort, auf die sich die Koalition einigen könnte. Schon 2023 waren die Einnahmen aus dem CO₂-Preis für die nächsten Jahre komplett verplant. Durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom November fehlen im KTF nun 60 Milliarden Euro, so dass viele Programme bereits gekürzt oder gestrichen werden mussten und zudem vom nächsten Jahr allgemeine Haushaltsmittel benötigt werden, um die Finanzierung zu gewährleisten.
Vergrößert werden die Probleme dadurch, dass sich akutell abzeichnet, dass der Finanzbedarf für die EEG-Umlage in diesem Jahr deutlich höher ausfällt als bisher geplant. Gleichzeitig dürften die Einnahmen aus dem europäischen CO₂-Handel geringer sein. Die Einführung des Klimagelds noch in dieser Legislaturperiode erscheint darum wenig wahrscheinlich.
FDP-Fraktionsvize Lukas Köhler hat kürzlich einen konkreten Finanzierungsvorschlag fürs Klimageld vorgelegt: In einer Tabelle listete er vierzehn Posten aus dem KTF auf, für die im Jahr 2024 insgesamt 7,5 Milliarden Euro vorgesehen sind. Dies ergäbe bei vollständiger Streichung ein Klimageld von 90 Euro pro Jahr und Kopf. Die Rechnung enthält allerdings mehrere Probleme: Auch Köhler will das Klimageld frühestens 2025 auszahlen; die Haushaltsansätze für 2024 helfen darum nicht weiter. Für 2025 sind bei den aufgeführten Titeln über Verpflichtungserklärungen bisher nur 5,8 Milliarden Euro vorgesehen.
Zudem sind darunter viele Posten, die auch der FDP am Herzen liegen, etwa die kompletten Subventionen für die Chipfabriken von Intel und TSMC in Ostdeutschland, für deren Erhalt auch Lydia Hüskens als FDP-Digitalministerin von Sachsen-Anhalt bis zuletzt massiv gekämpft hat. Als Problem könnte sich zudem erweisen, dass die Gelder auf Köhlers Liste teilweise bereits verbindlich zugesagt sein dürften. Das Bundeswirtschaftsministerium, das den Großteil der KTF-Gelder verwaltet, wollte auf Anfrage nichts zu möglichen Auswirkungen der von Köhler vorgeschlagenen Kürzungen sagen. „Wie üblich kommentieren wir Äußerungen aus dem parlamentarischen Raum nicht“, teilte ein Sprecher mit.
Alternativ hatte die FDP-Fraktion schon zuvor vorgeschlagen, die bisher für 2027 geplante Marktphase beim nationalen CO₂-Preis vorzuziehen. Das würde dazu führen, dass der Preis schon früher deutlich steigt und somit Geld fürs Klimageld zur Verfügung stünde. Gleichzeitig würde dann aber der Gas-, Benzin- und Ölpreis noch sehr viel stärker steigen als bisher geplant, so dass fraglich scheint, ob das Klimageld in diesem Fall wirklich als Entlastung empfunden würde.
Die Grünen wollen zwar ebenfalls noch in dieser Legislaturperiode mit der Auszahlung des Klimagelds beginnen, lehnen den Finanzierungsvorschlag aus der FDP aber ab. „Die Kürzungsforderungen vom Koalitionspartner bei Klimatransformationsprojekten und Kerninvestitionen in die Zukunft der Wirtschaft sorgen für Unsicherheit und verhindern Planungssicherheit“, sagte Fraktionsvize Julia Verlinden. Sie setzt stattdessen darauf, „klimaschädliche Subventionen zu reformieren“. Als Beispiel nennt sie das Dienstwagenprivileg, das den Staat „bis zu fünf Milliarden Euro“ koste. Diese Zahl ist allerdings umstritten – und selbst wenn diese Summe tatsächlich zur Verfügung stünde, entspräche sie nur einem Klimageld von 60 Euro im Jahr. Zudem hat die FDP bereits deutlich gemacht, dass sie dem Abbau der Steuervorteile bei Dienstwagen oder Dieselkraftstoff nicht zustimmt.
Wirtschaftsminister Robert Habeck ist in Sachen Klimageld denn auch sehr viel zurückhaltender als seine Partei und Fraktion: In der Fragestunde des Bundestags erklärte er kürzlich, dass im Koalitionsvertrag keine Auszahlung in dieser Legislaturperiode zugesagt wurde (vergl. Frage 1). Zudem betont er regelmäßig, dass die Rückerstattung zum großen Teil bereits dadurch erfolgt, dass die EEG-Umlage seit dem vergangenen Jahr nicht mehr von den Stromkunden bezahlt wird, sondern vom Staat. Für 2024 sind dafür im KTF rund 10,6 Milliarden Euro eingeplant; die tatsächlich benötigte Summe dürfte nach jüngsten Angaben der Netzbetreiber allerdings höher sein.
Theoretisch wäre es möglich, die EEG-Umlage künftig wieder von den Stromkunden bezahlen zu lassen und im Gegenzug ein Klimageld auszuzahlen. Weil dann aber der Strompreis drastisch stiege, dürfte dieser Vorschlag nicht auf große Akzeptanz stoßen; zudem würden der Umstieg auf E-Autos und Wärmepumpen damit weniger wirtschaftlich, was wiederum die Klimaziele der Regierung bedrohte.
Die Sozialdemokraten drängen ebenfalls auf eine schnelle Auszahlung des Klimagelds, das sie als wichtigen sozialen Ausgleich sehen. Konkrete Vorschläge, wie es gegenfinanziert werden soll, sind nicht bekannt – denn Kürzungen bei Chipfabriken, klimafreundlichen Heizungen oder der Transformation der Industrie sieht die SPD ebenso kritisch wie höhere Strompreise für Unternehmen und Verbraucher. Zudem möchten viele Genossen das Klimageld, anders als im Konzept eigentlich vorgesehen, nicht als einheitliche Summe pro Einwohner und Jahr auszahlen, sondern nach Bedürftigkeit gestaffelt. „Es ist absurd, dass jeder pro Kopf den gleichen Betrag bekommt“, sagte SPD-Fraktionsvize Matthias Miersch kürzlich zu Table.Media. Eine Staffelung würde das Klimageld allerdings sehr viel komplizierter machen: Schon für die Verknüpfung jeder Steuernummer mit einer Kontonummer, was die Voraussetzung für die einfache Auszahlung ist, hat das Finanzministerium drei Jahre gebraucht, wenn sie planmäßig zum Jahresende umgesetzt werden sollte. Weitere Kriterien wie Einkommen oder Wohnort einzubinden, dürfte das Projekt weiter verzögern.
Kurzfristig umsetzbar wäre allenfalls ein Modell, bei dem das Klimageld mit dem persönlichen Einkommensteuersatz versteuert werden muss; dadurch würden Geringverdiener es fast vollständig behalten, während Spitzenverdiener 45 Prozent zurückgeben müssten. Dieses Verfahren wurde bei der Energiepreispauschale angewandt, die im Jahr 2022 einmalig an alle Arbeitnehmer (und später auch an Rentner und Studierende) ausgezahlt wurde. Wirklich attraktiv ist dieses Modell aber auch nicht – denn in der öffentlichen Wahrnehmung überwog damals der Ärger über die Besteuerung teilweise die Freude über den Bonus.
Realität ist eine jährliche Zahlung aus den CO₂-Steuern bereits in Deutschlands südlichen Nachbarländern: In der Schweiz werden rund zwei Drittel der Einnahmen rückverteilt. Im letzten Jahr bekam jeder Einwohner 64,20 Franken (68 Euro) über die verpflichtende Krankenversicherung ausgezahlt. In Österreich wird der sogenannte Klimabonus automatisch aufs Konto überwiesen; ist das nicht möglich, wird er als Gutschein per Post verschickt. Die Höhe richtet sich teilweise danach, wie gut der Wohnort an den ÖPNV angebunden ist: In Großstädten gibt es nur einen Grundbonus, der 2023 bei 110 Euro lag; anderswo gab es je nach Infrastruktur und Anbindung einen Zuschlag von 40 bis 110 Euro. Kinder bekommen jeweils die Hälfte.
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Korrekturhinweis: In der Antwort auf die zweite Frage war der Preisanstieg beim Gas zunächst falsch (mit 0,7 Cent/kWh) angegeben. Tatsächlich sind es 0,3 Cent/kWh.