Analyse
Erscheinungsdatum: 22. Januar 2025

Streit um die Ukraine-Milliarden: FDP und Grüne gegen Scholz

Olaf Scholz behauptet, dass die fehlenden drei Milliarden Euro Ukraine-Hilfen nur durch ein Überschreiten der Schuldenbremse finanzierbar wären. Grüne und FDP widersprechen ihm, während die Ukraine auf das Hilfspaket hofft.

Die finanzielle Unterstützung für die Ukraine wird zu einem dominierenden Thema im Bundestags-Wahlkampf. Nachdem Kanzler Olaf Scholz im Gespräch mit der FAZ seinen politischen Gegnern vorgeworfen hatte, das Volk zu belügen, reagieren FDP und Grüne mit scharfer Kritik.

Es geht um zusätzliche drei Milliarden Euro für die Ukraine. 12,5 Milliarden Euro waren bereits im letzten Haushaltsentwurf der Ampel für 2025 vorgesehen. Scholz argumentiert, dass jede weitere Hilfe nur durch ein Überschreiten der Schuldenbremse (nach Art. 115 GG) und neue Kredite finanzierbar sei. So hatte es Scholz auch im Koalitionsausschuss im November vorgeschlagen, was der damalige Finanzminister Christian Lindner ablehnte. Scholz warf ihn daraufhin aus der Regierung.

Lindner widerspricht im Gespräch mit Table.Briefings der Darstellung, es gebe einen Zusammenhang zwischen der Milliardenhilfe und der Schuldenbremse. Die drei Milliarden Euro könnten aus dem normalen Haushalt gestemmt werden, sagt er. „Es hat sich beim Haushaltsabschluss 2024 gezeigt, dass es Spielräume gab und gibt. Allein das Verteidigungsministerium hat vier Milliarden Euro weniger Geld verausgabt im letzten Jahr. Darüber hinaus sind allein bei Arbeitsanreizen im Bürgergeld und grünen Klimasubventionen weitere Milliarden Euro zu holen.“

Die Haushälter der Grünen teilen in diesem Fall die Sichtweise der Liberalen. „Der Bundeskanzler und seine Partei blockieren die dringend notwendige zusätzliche Unterstützung für die Ukraine allein aus Wahlkampfgründen“, sagt Grünen-Haushaltspolitiker Sebastian Schäfer. Er ist in seiner Fraktion für den Verteidigungsetat zuständig. „Durch die vorläufige Haushaltsführung und die nicht aufgebrauchte Rücklage aus dem Vorjahr sind ausreichend Mittel vorhanden, um jetzt eine Entscheidung über neue Waffenlieferungen an die Ukraine in Höhe von drei Milliarden herbeizuführen und damit die gleiche Unterstützung für die Ukraine zu leisten wie im vergangenen Jahr.“

Die Grünen halten die Verknüpfung der 12,5 Milliarden aus dem Haushaltsentwurf mit den 3 Milliarden für irreführend. Schon weil der Haushalt nicht verabschiedet wurde, sondern jetzt die vorläufige Haushaltsführung gilt, brauche es keinen Überschreitungsbeschluss, so das Argument. Im SPD-geführten Verteidigungsministerium wird bestätigt, dass die Rücklage des Bundes 2024 höher ausgefallen sei als geplant. Außerdem werde durch die vorläufige Haushaltsführung im laufenden Jahr insgesamt viel weniger Geld ausgegeben.

Kabinettsmitglieder suchten offenbar die Unterstützung der Opposition. So sollen Verteidigungsminister Boris Pistorius und Außenministerin Annalena Baerbock in der vergangenen Woche Unionsfraktionschef Friedrich Merz angerufen und ihn gefragt haben, ob er bereit wäre, die Hilfe vor der Bundestagswahl durch den Bundestag zu bringen. Die Gespräche hatte Merz öffentlich gemacht – und signalisiert, das Ganze mitzutragen. Allerdings nur, wenn es keine Verknüpfung zur Schuldenbremse gebe.

Die Grünen-Spitze ruft den Kanzler zur Einsicht auf. Scholz solle seinen Widerstand gegen die dringend benötigten Hilfen für die Ukraine aufgeben, so Co-Parteichefin Franziska Brantner zu Table.Briefings. „Es geht darum, Menschenleben vor Putins tödlichen Luftangriffen zu schützen.“ Der Haushaltsausschuss des Parlaments solle darüber abstimmen können. „Dass der Kanzler nun von Lügen und Sprücheklopfern spricht, wenn andere eine andere Auffassung haben, finde ich schwierig“, so Brantner. „Scholz greift ja auch seine eigenen Parteifreunde an, die sich für die Sicherheit der Ukraine einsetzen.“ Brantners Vermutung: Inzwischen könne es auch um einen Machtkampf innerhalb der SPD gehen. Selbst SPD-Haushälter würden schon darauf hinweisen, dass die notwendigen Mittel zu finden wären, ohne die innere, äußere und soziale Sicherheit des Landes zu gefährden. „Wir sollten alles tun, um Freiheit und Frieden zu sichern.“

Nach Artikel 112 des Grundgesetzes brauchen überplanmäßige und außerplanmäßige Ausgaben die Zustimmung des Bundesfinanzministers.Jörg Kukies (SPD), ein enger Vertrauter von Scholz, hat sie bisher nicht erteilt. Es gilt als sehr unwahrscheinlich, dass das vor der Wahl noch passieren wird. „Der Bundestag kann hier nicht eigenständig agieren, auch wenn es dort eine klare Mehrheit für die Unterstützung gibt“, sagt der Grüne Schäfer. „Deshalb muss sich der Kanzler endlich bewegen.“ Ukraines Präsident Wolodymir Selenskyj hat nach einem Gespräch mit CDU-Chef Merz in Davos laut dem ukrainischen Präsidialamt die „entscheidende Bedeutung“ des neuen Hilfspakets betont.

Letzte Aktualisierung: 24. Juli 2025
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