Analyse
Erscheinungsdatum: 01. Mai 2024

Sparen bei der Sicherheit – trotz höchster nationaler und internationaler Bedrohungen 

Fachpolitiker der Ampel schlagen Alarm: Ausgerechnet die Ministerien, die sich um nationale und internationale Sicherheit kümmern, sollen im nächsten Haushalt weniger Geld bekommen.

Die medialen Notrufe von Boris Pistorius in den vergangenen Tagen dürften Christian Lindner nicht entgangen sein. Mindestens 6,5 Milliarden Euro mehr im Etat 2025 benötige das Verteidigungsministerium, sonst ziehe die Bundeswehr blank – und Deutschland erreiche das selbstgesteckte und von der Nato geforderte Zweiprozent-Ziel bei den Rüstungsausgaben nicht. Was drohe, so Pistorius, sei ein „Rüstungsstopp“. Eine Abwendung der heimischen Rüstungsindustrie hin zu ausländischen Interessenten fürchtet gar das Ifo-Institut.

Sicherheits- und rüstungspolitisch wäre das ein Fiasko.Hatte es die Ampel im laufenden Etat doch geschafft, das Nato-Zweiprozent-Ziel einzuhalten – eine Dekade nach dem Gipfel in Wales von 2014, als die Mitgliedsstaaten verabredet hatten, einen solchen Anteil des Bruttoinlandsprodukts für Verteidigung bereitzustellen. Geschafft hat es die Regierung im laufenden Etat nur dank Hinzurechnung des 100-Milliarden-Sondervermögens. Dessen Mittel sind spätestens 2027 aufgebraucht. Bereits für 2025 fordert Lindner deshalb eine „gemeinsamen Kraftanstrengung“ von seinen Kabinettskollegen, um ein Loch von geschätzt 15 bis 30 Milliarden Euro zu stopfen.

Fachpolitiker der Ampel sind alarmiert: An diesem Donnerstag müssen alle Ministerien ihre Sparvorschläge für den nächsten Haushalt beim Finanzminister einreichen. Und ausgerechnet die Kernressorts nationaler und internationaler Sicherheit sollen massiv zur Kasse gebeten werden. „Planungssicherheit überjährig zu gewährleisten ist nicht trivial. Das hat mit dem Sondervermögen gut funktioniert. Aber das ist bereits vollständig verplant. Schutzfähigkeit für unser Land herzustellen, bedeutet neben zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Verteidigung bereitzustellen auch große Investitionsnotwendigkeiten beim Schutz kritischer Infrastruktur oder für den Operationsplan Deutschland“, sagt der Berichterstatter der Grünen-Bundestagsfraktion für den Einzelplan 14, Sebastian Schäfer, gegenüber Table.Briefings.

Grundlage für Lindners Streichliste ist der Finanzplan 2025, der Senkungen in den vier Kernressorts innerer und äußerer Sicherheit in Milliardenhöhe vorsieht:

Selbst das BMVg-Budget ist unterfinanziert. „Mir fehlt die Fantasie, wie die allseits proklamierte Bündnis- und Verteidigungsfähigkeit Deutschlands sichergestellt werden soll, wenn der Bundeswehr angesichts der Vorgaben des Finanzministers nächstes Jahr nur noch 500 Millionen für Neuinvestitionen zur Verfügung stehen sollen“, sagt Grünen-Politiker Schäfer. Doch danach sieht es aus – selbst wenn Pistorius an diesem Donnerstag wie berichtet 58,5 Milliarden Euro bei Lindner anmelden sollte, was einem Zuwachs um fast zwölf Prozent gegenüber dem laufenden Etat entspräche. Es wäre deutlich zu wenig im Vergleich zu dem, was angesichts der prekären Weltlage geboten wäre: Auf mehr als 90 Milliarden Euro müsste der Verteidigungsetat ab 2028 aufwachsen, um das Nato-Zweiprozent-Ziel einzuhalten, rechnet das iIo-Institut vor.

Eine Allianz der Sicherheitsressorts? Fehlanzeige. Angesichts der Krisen weltweit würde man eine Allianz der Kernressorts gegen hybride Angriffe und russische Desinformationskampagnen erwarten. Doch weit gefehlt: Bis zur Anmeldung ihrer Bedarfe bei Lindner diesen Donnerstag schienen Schulze, Baerbock und Faeser eher für sich allein zu kämpfen als im Sinne integrierter Sicherheit. Integrierte Sicherheit– genau dieses Ziel hatte die Bundesregierung noch vor einem Jahr in ihrer Nationalen Sicherheitsstrategie angesichts der bedrohten Weltlage ausgegeben.

Letzte Aktualisierung: 24. Juli 2025
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