Analyse
Erscheinungsdatum: 07. März 2024

Sachsens Justizministerin: „Ich dachte bislang, die FDP steht für Werte"

Katja Meier

In der Debatte um das Demokratiefördergesetz wirft die FDP ihren Koalitionspartnern und der Linken vor, die geförderten Gruppierungen als Wahlkampfhilfe zu nutzen. Sachsens grüne Justizministerin Katja Meier widerspricht im Interview vehement.

Verstehen Sie den Wunsch der FDP, dass geförderte Initiativen sich zu Israel und gegen Extremismus bekennen sollen – und die damit verbundenen Bedenken?

Nein. Das Demokratiefördergesetz ist ein Durchbruch. In der letzten Legislaturperiode war es gescheitert, und jetzt gibt es endlich einen neuen Anlauf. Rechtsextremismus, Hass und Hetze erfordern, dass wir die Zivilgesellschaft empowern, schulen, wissenschaftlich begleiten. Die aktuelle Situation im Land verdeutlicht, wie dringend und wichtig Demokratieförderung ist.

Dass Demokratie Förderung braucht, ist ja auch nicht der Streitpunkt.

Deutschland hat eine wirkliche Leerstelle bei der außerschulischen politischen Bildung. Wir brauchen nicht die 37.000ste Podiumsdiskussion, sondern einen alltäglichen und innovativen Zugang dazu. Politische Bildung kann auch bei der Freiwilligen Feuerwehr, im Chor, bei Jugendweihe oder Sportvereinen stattfinden – von mir aus sogar in der Hundeschule. Gerade in der aktuellen Zeit kann ich absolut nicht nachvollziehen, wie man dazu nein sagen kann. Ich dachte bislang, die FDP steht für Werte wie Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Menschenrechte. Dass da die FDP als Bürgerrechtspartei dem Ganzen einen Riegel vorschiebt, ist absurd und absolut nicht nachvollziehbar.

Aber wäre es denn so viel verlangt von Vereinen, sich beispielsweise zu Israel und gegen Extremismus zu bekennen?

Es ist doch völlig klar, dass die geförderten Initiativen und Vereine im Sinne des Grundgesetzes und mit beiden Beinen auf dem Boden der freiheitlich-demokratischen Grundordnung agieren müssen. Dagegen ist es absurd, einer Initiative mit Zeitzeugen, die seit Jahren gegen Antisemitismus kämpft, so ein Bekenntnis abzuringen. So ein Gegenüber verdient Würdigung und nicht Misstrauen.

Wenn diese Organisationen aber doch ohnehin klar dafür stehen, könnte es sie nicht sogar freuen, wenn auch alle anderen dieses klare Bekenntnis abgeben müssen und es somit Kontrolle gibt?

Ich finde, diese Debatte ist ein Ablenkungsmanöver. Das Demokratiefördergesetz muss schnell kommen, damit die dringend nötige Sicherheit in der nächsten Förderperiode greift. Gerade in der aktuellen Debatte sehen wir doch die Dringlichkeit: Wir haben seit vielen Jahrzehnten nicht erlebt, dass so viele Menschen mit derartiger Verve auf die Straße gehen, sich vor und hinter den Rechtsstaat stellen. Das kann es doch nicht gewesen sein, wir müssen das Bedürfnis ernst nehmen. Es braucht mehr dieser Andockpunkte, nicht nur in den Großstädten, sondern auch jenseits davon. Die Menschen wollen mitwirken.

Wie kann das abseits großer Worte aussehen?

In Pirna beispielsweise haben sich Einwohnerinnen und Einwohner in einem Bürgerrat an der Neugestaltung des Marktplatzes beteiligt – und bei der Abschlussveranstaltung haben sie geschwärmt, so einen demokratischen Aushandlungsprozess in ihrem ganzen Leben noch nicht erlebt zu haben. Damit so etwas stattfinden kann, braucht es genau die Initiativen, die mit dem Gesetz unterstützt werden sollen. Es hat am Ende dazu geführt, dass einige von ihnen gesagt haben: Ich will mich jetzt in der Kommunalpolitik meiner Stadt einbringen.

Aber wie wollen Sie ausschließen, dass das Gesetz ausgenutzt wird, wenn es keine Bedingungen gibt?

Dass Initiativen auf dem Boden des Grundgesetzes stehen müssen, ist wie gesagt selbstverständlich. Schon jetzt gibt es ja einen Bewerbungsprozess für die Initiativen. In Sachsen stellen wir zum Beispiel mit der Zweckgebundenheit der Förderung sicher, dass Förderung nicht ausgenutzt wird. Nochmal: Das Gesetz ist notwendig, um langfristige Planungssicherheit zu schaffen. Gerade wissen die Mitarbeitenden oft Ende Dezember nicht, ob sie im Januar noch einen Job haben.

Die FDP äußert die Furcht, SPD, Grüne und Linke könnten die Initiativen als Wahlkampfhelfer dienen.

Ich wüsste nicht, was Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechten mit Parteipolitik zu tun haben. Dieser Vorwurf ist doch absurd. Im Übrigen saß ich auch schon mit einem ehemaligen Staatssekretär der CDU auf einem Podium, der sich für das Gesetz ausgesprochen hat, damit das Von-Jahr-zu-Jahr-Hangeln, die Unsicherheit der Projekte ein Ende hat. Wo sind wir hingeraten, wenn die Verteidigung der Demokratie als linkes Projekt hingestellt wird? Es geht um Werte, die in unserem Grundgesetz verankert sind. Die FDP diskreditiert sich, wenn sie so was sagt, und stellt sich in eine Ecke, in der die Mütter und Väter der Partei sie ganz bestimmt nicht wissen wollten.

Die FDP spricht sich ja nicht gegen die Demokratie aus. Ist nicht eher ein Problem, dass der Begriff so groß ist, dass er inzwischen ausgehöhlt ist? Auch die AfD sagt, sie sei für Demokratie. Im Sachsen-Monitor haben ein Drittel der Befragten gesagt, Deutschland gleiche einer Diktatur – und gleichzeitig gaben 84 Prozent an, dass sie für die Demokratie seien. Ganz offensichtlich definieren Menschen Demokratie unterschiedlich. Wäre es nicht genau deswegen wichtig, konkreter zu definieren?

Demokratie ist weder ein statischer Begriff noch ein statisches System. Sie braucht engagierte, sachlich kompetente und urteilsfähige Bürgerinnen und Bürger. Es muss Offenheit dafür bestehen, Kompromisse zu finden, statt zu blockieren, und wir müssen wieder Foren schaffen, wo sie zu diesen Fragen miteinander ins Gespräch kommen können. Es gibt jenseits der Großstädte oftmals keine physischen Orte mehr, wo Menschen zusammenkommen können, um sich für ihre Kommune einzubringen, Ideen zu schmieden und die dann auch umzusetzen. In Sachsen fördern wir daher Projekte mit konkreten Ideen, die diese Orte der Demokratie wieder herstellen. Ein Beirat befindet darüber, ob sie die Förderkriterien erfüllen. Wir haben zusätzlich ein Netzwerk darüber gespannt, das durch Schulungen und Beratungsangebote die Qualität der jeweiligen Demokratieförderung sicherstellen soll.

Sehen Sie also überhaupt keinen Nachbesserungsbedarf?

Was noch fehlt, ist die methodische Weiterentwicklung der Demokratiearbeit, eine wissenschaftliche Evaluation zur Entwicklung der Projekte – was war das anfängliche Ziel und was sind die Ergebnisse? Im Zweifel kann man dann sagen: Hier muss noch nachgesteuert oder anders aufgestellt werden. Über all das kann man dann auf der Grundlage von objektiven und somit nachvollziehbaren Gründen sprechen. In Sachsen haben wir mit der Gründung und Förderung der unabhängigen „John Dewy-Forschungsstelle für Didaktik der Demokratie“ an der TU Dresden ein Innovationszentrum, das nicht nur neue Formate, Methoden und Vermittlungskonzepte erforscht und fortentwickelt, sondern auch sächsische Akteure der außerschulischen Bildung didaktisch bei der Vermittlung politischer Bildung unterstützt.

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Letzte Aktualisierung: 24. Juli 2025

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