Analyse
Erscheinungsdatum: 14. Dezember 2023

Rente: Streit um die Zukunft

Bei den Beratungen zum Haushalt 2024 spielt das Thema nur eine Nebenrolle, aber die ewige Diskussion um die Rente beschäftigt auch die Ampel. Währenddessen versucht die CDU, mit eigenen Vorschlägen in die Vorhand zu kommen.

Sonderlich bekannt ist der Sozialbeirat der Bundesregierung nicht, aber er hält sich mit Kritik nicht zurück. Ende November war es wieder so weit. In seinem Jahresgutachten teilte er wie schon 2022 gegen die Pläne der Ampel-Parteien aus: Kurz, bevor diese im Rahmen der Haushaltsberatungen 600 Millionen Euro an Bundeszuschüssen kürzten, warnte der Beirat, das Vertrauen in die langfristigen Finanzierungszusagen des Bundes werde beschädigt, „wenn Bundesmittel kurzfristig haushaltspolitisch motiviert gekürzt werden“. Vielmehr brauche es „nachvollziehbare, transparente und bindende Finanzierungszusagen“. Kritisch kommentierte das Gremium auch andere Vorhaben der Regierung. Im Zentrum: das zuletzt verzögerte Rentenpaket II, das die langfristige Stabilisierung des Rentenniveaus bei 48 Prozent sowie die Einführung des sogenannten Generationenkapitals – bekannt als „Aktienrente“ – vorsieht.

Es soll jetzt erst vor der Sommerpause 2024 in den Bundestag eingebracht werden. Die langfristige Stabilisierung eines Mindestrentenniveaus ist besonders der SPD ein Anliegen, würde dem Beirat zufolge langfristig allerdings zu einer Erhöhung des Beitragssatzes um mehr als einen Prozentpunkt führen. Das Generationenkapital wiederum ist ein Kernversprechen der FDP: Nur dadurch könne man „ein Stück Stabilität in der Rentenversicherung schaffen, ohne dabei Rentner oder Beitragszahler zusätzlich zu belasten“, sagte Fachpolitikerin Anja Schulz zu Table.Media. Ihre Partei wollte eigentlich schon im Haushalt 2023 zehn Milliarden Euro dafür einplanen – 2024 sollen es nun zwölf Milliarden werden. Bis Mitte der 2030er Jahre brauche man eine solche Summe jedes Jahr, um einen Kapitalstock aufzubauen, der die notwendige Rendite erwirtschaftet, so die Liberale. Das Ziel: die Stabilisierung oder sogar Senkung der Beitragssätze.

Ginge es nach FDP-Chef Christian Lindner, wäre langfristig auch der Einsatz von Beitragsmitteln vorstellbar. Die Grünen haben aber schon klargestellt, dass das mit ihnen nicht zu machen ist. Die SPD unter Bundesarbeitsminister Hubertus Heil will das Generationenkapital auch, äußert sich aber vorsichtiger. „Wir werden uns die Renditeentwicklung in den kommenden Jahren sehr genau anschauen“, so die rentenpolitische Sprecherin Tanja Machalet. Absehbar sei das Risiko, das auch Fachleute sehen: dass die Rendite nicht ausreicht – das müsse dann aus dem Haushalt kompensiert werden. Der Grünen-Experte Markus Kurth möchte sich zum Verhandlungsstand nicht äußern, sagt aber, die Rolle der Rentenversicherung als „Anker für den gesellschaftlichen Zusammenhalt“ werde durch die erhoffte Stabilisierung des Rentenniveaus gestärkt.

Während die Ampel noch diskutiert, sieht die CDU sich schon auf dem Weg, „die progressivste Rentenpartei“ zu werden, wie es Sozialexperte Kai Whittaker formuliert. Im Entwurf des neuen Grundsatzprogramms, das die Partei nächstes Jahr verabschieden will, fordert sie als Zusatz zur bestehenden Rentenversicherung eine verpflichtende kapitalgedeckte Rente. Whittaker selbst will bis zur Verabschiedung des Programms erreichen, dass vor allem die Frage der Finanzierungsbasis noch intensiver diskutiert wird. Sein Vorschlag: Sozialbeiträge auf alle Jahreseinkünfte erheben, also auch Kapitalvermögen, „damit wir dann die Beiträge insgesamt für die breite Mitte senken können“. Noch ist die Position in der CDU nicht mehrheitsfähig.

Mit dem am Mittwoch veröffentlichten OECD-Bericht „Renten auf einen Blick“, der am Freitag in Deutschland vorgestellt wird, schaltet sich auch die Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung indirekt in die Debatte ein. Demzufolge ist inzwischen in jedem vierten der fast 40 Mitgliedsländer der reguläre Rentenbeginn in irgendeiner Form an die Lebenserwartung gekoppelt. Eine Forderung, die auch in Deutschland immer wieder auftaucht – bisher jedoch nicht mehrheitsfähig ist.

Letzte Aktualisierung: 24. Juli 2025
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